Schmierölfür dieWirtschaft

26 KÖLN
30. JULI Film
Surfer-Filme: Heute startet das
Surf & Skate Festival mit zwei
Surffilmpremieren ab 21 Uhr.
Unter freiem Himmel im Ehrenfelder Biergarten des Cinenova
laufen die Filme „Cluster“ von
Kai Neville und „Strange Rumblings in Shangri La“ von Joe G.
Ersterer zeigt unter anderem
spektakuläre Tricks der Szenestars Jack Freestone und Noa
Deane; Letzterer erzählt eine
Surfreise durch viele Länder der
Welt. Im Rahmen des Festivals
finden noch bis einschließlich
Sonntag an verschiedenen Veranstaltungsorten Partys, Ausstellungen und Wettbewerbe
rund ums Skaten und Surfen
statt.
21 Uhr, Cinenova Open Air,
Herbrandstraße 11. Eintritt:
6,50 Euro.
31. JULI Kabarett
Thomas Kreimeyer: Der gebürtige Hannoveraner ist ein sich
unterhaltender Unterhalter. In
seinem Programm „Der rote
Stuhl“ kommt er mit den Zuschauern ins Gespräch. 2013
wurde Kreimeyer in Wien mit
dem Österreichischen Goldenen Kleinkunstnagel ausgezeichnet. In der Laudatio hieß
es: „Kreimeyer webt ein Netz
mit dem und über das Publikum. Er macht aus jeder Wortspende ein Vermögen. Er erhebt
die Stegreif-Interaktion zu einer
Kunstform und lässt das Publikum lauthals lachen, vor allem
über sich selbst.“ Thomas Kreimeyer sagt von sich, er mache
eigentlich das Gegenteil von
konventionellem Kabarett. „Ich
habe kein Ziel, auf das ich hinarbeite, ich will kein bestimmtes
Thema unterbringen. Ich öffne
kleine Fenster in das Leben anderer Menschen.“
20.30 Uhr, Atelier Theater,
Roonstraße 78. Eintritt: 18 Euro (ermäßigt 13 Euro).
Xiu Xiu
1. AUGUST Konzert
Xiu Xiu: Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Danh Võ:
Ydob eht ni mraw si ti“ tritt am
Samstag die experimentelle
Rockband Xiu Xiu im Museum
Ludwig auf. Der Künstler Danh
Võ und Jamie Stewart, Frontmann von Xiu Xiu, haben sich
2013 kennengelernt und seitdem mehrfach zusammengearbeitet, z.B. im Walker Museum,
auf der Berlin Bienniale, im The
Kitchen in New York und auf
der Venedig Biennale.
19 Uhr, Kino im Museum Ludwig, Bischofsgartenstraße 1.
Eintritt: 16 Euro.
Gesammelt von
Alexandra Spürk
[email protected]
VON TOBIAS CHRIST
Schmieröl für
die Wirtschaft
Heinzotto Burrenkopf wartete
nicht lange. Am 8. Mai 1945 hatte
die deutsche Wehrmacht bedingungslos kapituliert, womit der
Zweite Weltkrieg endlich sein Ende gefunden hatte. Schon einen
Tag später bekam Burrenkopf von
den Besatzern sein Permit überreicht – die Erlaubnis, fortan mit
technischen Ölen und Fetten handeln zu dürfen. Im ersten Jahr ging
der Firmengründer im Westerwald
seinen Geschäften nach, wohin
seine Eltern evakuiert waren. Ab
1946 kehrte die Familie zurück in
ihre Heimat Köln. Doch die Anfänge waren hart.
„Mein Vater ist mit dem Fahrrad
über die Dörfer gefahren und hat
getauscht“, sagt Horst Burrenkopf,
heute Inhaber der Firma „H.o.
Burrenkopf & Co. Schmierungstechnik“, die sich seit 1953 in der
einstigen Mädchenschule an der
Brühler Straße in Raderthal befindet. Landwirte und Molkereien bekamen von ihm Öle und Fette für
ihre Traktoren und Maschinen,
Heinzotto Burrenkopf im Gegenzug Butter und andere Lebensmittel. Die Kölner Industrie kam noch
nicht als Abnehmer infrage: Sie
lag weitgehend am Boden.
Die vergleichsweise stark zerstörte Wirtschaftsmetropole Köln
hatte nach Kriegsende mit vielen
Problemen zu kämpfen. Gebäude
und Transportwege waren verwüstet, Belegschaften drastisch redu- Neustart für die Wirtschaft: Auch das 4711-Stammhaus muss neu errichtet werden.
Nach dem Krieg mussten die
Kölner Unternehmen den Mangel
verwalten. Doch es ging
überraschend schnell aufwärts
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DIE STUNDE NULL
Köln nach dem
Zweiten Weltkrieg
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HEUTE –
MORGEN –
ÜBERMORGEN
Donnerstag, 30. Juli 2015 Kölner Stadt-Anzeiger
ziert, da Tausende Familien evakuiert waren, sich einstige Mitarbeiter in Kriegsgefangenschaft befanden oder an der Front gefallen waren. Und die Scharen von Zwangsarbeitern, die im Krieg schuften
mussten, waren schnell von den
Alliierten befreit worden.
Schon in den letzten Kriegsmonaten konnte die Produktion kaum
aufrechterhalten werden, nun aber
ging zunächst einmal gar nichts
mehr. „Das größte Problem war
die Energie“, sagt Ulrich Soénius,
Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs. Die
Stromversorgung habe anfangs
überhaupt nicht funktioniert, Kohle war knapp. „Da so wenig Rohstoffe und Energie vorhanden waren, musste man sehen, dass das
Wenige richtig verteilt wurde.“
Diese Aufgabe übernahmen die
Alliierten. Firmen, die ihren Betrieb wieder aufnehmen wollten,
brauchten nicht nur ein Permit,
auch ihre Energieversorgung war
rationiert. Die großen und wichtigen Unternehmen wurden dabei
bevorzugt behandelt.
Groß und wichtig waren zum
Beispiel der Drahtseil- und Kabelproduzent Felten & Guilleaume,
der Automobilhersteller Ford, die
Chemische Fabrik Kalk und der
Motorenhersteller
KlöcknerHumboldt-Deutz. Von den Bombardements waren sie unterschiedlich betroffen. Als Betrieb mit
amerikanischen Wurzeln war Ford
von den Alliierten weitgehend verschont worden, auch die Firma
Glanzstoff-Courtaulds in Niehl
blieb wegen ihres englischen Hintergrunds größtenteils unversehrt.
„Alle anderen sind bombardiert
worden“, sagt Soénius. Besonders
hart getroffen hatte es Felten &
Guilleaume sowie Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD, heute DeutzAG), wo während des Kriegs unter
anderem Großmotoren für U-Boote gebaut worden waren. Die
Standorte in Deutz und Kalk waren 1945 ein einziges Trümmerfeld. In Deutz waren noch 18 Prozent der Fläche geeignet für den
Betrieb, in Kalk 30 Prozent. Dazu
kam der akute Mangel an Arbeitskräften: Im Juni 1945 hatten sich
gerade einmal 2000 Arbeiter und
Angestellte zurück zum Dienst gemeldet. Vor dem Krieg hatte KHD
noch 11 300 Menschen beschäftigt.
„Ohne die Betriebsräte hätte es
in Köln keinen wirtschaftlichen
Aufbau gegeben“, sagt Wolfgang
Uellenberg-van Dawen. Für das
Überleben eines Betriebs sei entscheidend gewesen, ob es genug
Arbeitskräfte gab, so der langjährige Vorsitzende des Kölner DGB.
Da auch die Chefetagen nach dem
Krieg ausgedünnt waren, knüpften
die oft aus älteren Facharbeitern
bestehenden Betriebsräte Kontakte zu ehemaligen Mitarbeitern und
Ohne die Betriebsräte
hätte es in Köln keinen
wirtschaftlichen Aufbau
gegeben
Wolfgang Uellenberg-van Dawen
versorgten sie mit Wohnungen, Essen oder Kleidung. Nicht zuletzt
festigten
sie
demokratische
Grundregeln. „Die Unternehmer
mussten lernen, mit den Betriebsräten auf gleicher Augenhöhe zu
verhandeln“, so Uellenberg-van
Dawen. Was unter den Nazis undenkbar war, wurde nun zur täglichen Pflichtübung.
Die Kölner Wirtschaft erholte
sich überraschend gut. „Man wundert sich, wie schnell es wieder anfing“, sagt Soénius. Im Herbst
1946 hatten 40 Prozent der Kölner
Industriebetriebe ihre Arbeit wieder aufgenommen, ab Ende der
1950er Jahre lag die Produktion
wieder auf Vorkriegsniveau. Vor
allem die schnelle Wiederherstellung der Verkehrswege half der
Wirtschaft auf die Beine. Köln
profitierte auch von der ausgewogenen Wirtschaftsstruktur. Die
Menschen konnten in vielen verschiedenen Branchen Arbeit finden, entsprechend hoch war die
Kaufkraft. „Die Wirtschaft hat
Horst Burrenkopf mit Permit
Heinzotto Burrenkopf fährt seine Schmierstoffe zur Kundschaft.
sich selbst getragen“, sagt Uellenberg-van Dawen.
1947 fand in Deutz die erste
Messe nach dem Krieg statt, an der
Glockengasse wurde das stark zerstörte 4711-Stammhaus aufgebaut, und im November 1948 rollte
bei Ford wieder ein „Buckeltaunus“ vom Band. Überall machte
sich Aufbruchstimmung breit.
KHD-Mitarbeiter gründeten 1946
sogar einen Chor, dessen Mitglieder während der Aufräumarbeiten
Lieder anstimmten.
Die Wirtschaft wuchs und mit
ihr die Firma Burrenkopf. Statt
Bauern wurden nun immer mehr
Industriekunden beliefert, auch
große Automobilhersteller gehörten zur Kundschaft. Heinzotto
Im Frühjahr 1945 liegt das KHD-Werk in Kalk in Schutt und Asche.
Fotos: RWWA/Christ/privat Burrenkopf kümmerte sich um die
technische Seite, sein Vater Jean
um die Buchhaltung. „Mit jeder
Ende der Serie
Maschine wurde der Bedarf an Öl
größer“, sagt Horst Burrenkopf.
Anfang März 1945 erobern
Ende der 1950er Jahre schaffte
amerikanische Soldaten das
sein Vater ein größeres Tanklager
linksrheinische Köln, kurze Zeit
für seine Schmierstoffe an, und
später das rechtsrheinische. Der
auch die Transportmittel reichten
Krieg ist beendet, die Alliierten
nicht mehr aus. Wurden anfangs
haben ab jetzt das Sagen in der
die Fässer noch mit Handkarren,
Stadt. Köln ist Anfang 1945 fast
Fahrrad und „Hermännche“-Momenschenleer und größtenteils
torrad zu den Kunden oder zum
zerstört. Kaum eine Stadt hat es
Güterbahnhof Bonntor gebracht,
so hart getroffen. Doch die Kölwo sie in Kesselwaggons umgener kehren scharenweise zufüllt wurden, konnte sich die Firma
rück, abgemagert und lebensEnde der 1940er Jahre den ersten
hungrig. Sie räumen auf, sie beBorgward-Transporter leisten. „Es
suchen Konzerte, sie planen ihwurde mehr und mehr“, sagt der
re Stadt neu, sie gehen wieder
62-jährige Inhaber. Das Wirtwählen. Der „Kölner Stadt-Anschaftswunder hatte sich endlich
zeiger“ beleuchtet in einer Serie
auch an der Brühler Straße blicken
die unmittelbare Nachkriegslassen. Die bescheidenen Anfänge
zeit in Köln. Nächsten Donnerssind deshalb nicht vergessen. Vor
tag geht es um die Sportlandallem nicht die Betriebserlaubnis
schaft in der Stadt nach dem
vom 9. Mai 1945, die Horst BurZweiten Weltkrieg. (cht)
renkopf hütet wie einen Schatz.
Kurz nach dem Krieg werden bei KHD wieder Trecker montiert.