34 CME HERZKREISLAUFSTILLSTAND BEI SCHWANGEREN Herzkreislaufstillstand bei Schwangeren Kardiopulmonale Reanimation und Perimortem Kaiserschnitt Alexander Strauss „Und als Elisa ins Haus kam, siehe, da lag der Knabe tot auf seinem Bett. Und er ging hinein und schloss die Tür hinter sich zu und betete zu dem Herrn und stieg aufs Bett und legte sich auf das Kind und legte seinen Mund auf des Kindes Mund und seine Augen auf dessen Augen und seine Hände auf dessen Hände und breitete sich so über ihn; da wurde des Kindes Leib warm. Er aber stand wieder auf und ging im Haus einmal hierhin und dahin und stieg wieder aufs Bett und breitete sich über ihn. Da nieste der Knabe sieben Mal; danach tat der Knabe seine Augen auf.“ (Zweites Buch der Könige 4, 32–35) Kollaps und Herzkreislaufstillstand (SCA, sudden cardiac arrest) betreffen Menschen beiderlei Geschlechts, und obwohl speziell die Inzidenz kardialer Akutereignisse eine signifikante Abhängigkeit vom Lebensalter aufweist, sind auch Frauen im reproduktionsfähigen Alter betroffen. Einen Kreislaufkollaps erleiden schwangere Frauen mit einer Häufigkeit von 0,3–0,6 %. Meist ist eine Verminderung des venösen Rückstroms zum Herzen, bedingt durch das reversible Vena-Cava-Kompressionssyndrom verantwortlich. Dieser vital nicht bedrohliche Zustand ist durch konsequente Linksseitenlagerung, O2-Gabe (100 %), Blutdruckmonitoring (Hypotension < 100 mmHg R verminderte Plazentaperfusion) wie auch bedarfsgerechte Infusion von kristalloider/ kolloider Lösungen zur Vorlasterhöhung (i.v.-Zugang oberhalb des Zwerchfells) und die Identifikation und Beseitigung der Ursachen 08/2015 Kardiovaskuläre Ursachen • Koronare Herzkrankheit (ca. 80%) • Nicht-ischämische Kardiomyopathie (10 – 15%) • Seltene strukturell-funktionelle Herzerkrankungen (< 5%) → Arterielle Dissektion → Aneurysma → Kardiomyopathie variabler Genese → Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie → Long-QT-Syndrom → Idiopathisches Kammerflimmern/polymorphe ventrikuläre Tachykardie → Aortenstenose → Koronaranomalien → Myokarditis → Autoimmunerkrankungen → Amyloidose → Hämochromatose Vorübergehende • Elektrolytstörung Auslöser • Hypoxie • Azidose • Stress/ erhöhter Sympathikotonus • Vagus-Reizung • Antiarrhythmika • Pharmakologische Ursachen (Oxytocin, Magnesium, Opiode, Insulin) – Anaphylaxie, Medikamentenverwechslung, Drogen Arrhythmie• Reentry-Phänomene Mechanismen • Autonome Schrittmacherzentren Extrakardiale • Anästhesiologische Komplikationen (hohe neuroaxiale Blockade, Faktoren Hypotension, Beatmungsproblematik, Aspiration, Hypoventilation, systemische Toxizität von Lokalanästhetika) • Thrombose • Embolie (Lungen(thrombo)embolie, zerebrovaskuläres Ereignis, Luftembolie) • Blutung (Koagulopathie, uterine Atonie, Plazentationsstörung, vorzeitige Plazentalösung, Placenta praevia, Plazentaretention, Uterusruptur, chirurgische Blutung • Transfusionsreaktion • Infektion/Fieber/Sepsis • Trauma, Selbstmord • Spannungspneumothorax • Psychiatrische Störung • Schock Schwangerschafts- • Schwangerschaftsbedingte hypertensive Erkrankung spezifische (Präeklampsie, Eklampsie, HELLP-Syndrom) Ursachen • Fruchtwasserembolie • Peripartale Kardiomyopathie • Ektope Schwangerschaft Tab. 1: Ätiologische Faktoren eines Herzkreislaufstillstandes bei Schwangeren schadlos für Mutter und Kind zu beherrschen [1]. Das Auftreten eines Herzkreislaufstillstands, mit den Leitsymptomen der Asystolie – Blutdruckabfall – Bewusstlosigkeit – blasses Hautkolorit ist bei in den vergangenen Jahren steigender Prävalenz (durch die Zunahme anamnestischer mütterlicher Risikokonstellationen und Zunahme von Schwangerschaftskomplikationen) einmal bei 12.000 Schwangeren zu erwarten [1]. Die einzelnen Ursachen eines SCA bei Schwangeren ist in ETabelle 1 niedergelegt. Zur raschen Ursachenklärung kann u. a. der 4H-4T-Algorithmus erfolgreich eingesetzte werden (E Tab. 2). Jedes dieser potenziell fatalen Ereig- HERZKREISLAUFSTILLSTAND BEI SCHWANGEREN Herzzeitvolumen (HZV) Uteroplazentare Perfusion (50 → 1.000 ml) 200 % (= 20 % HZV am Termin) → 30 – 50 % Nierendurchblutung 40 % (GFR ) → → → Atemzugsvolumen 20 % (Progesteron) (I. Trimenon) 40 % (am Termin) Atem-Minuten50 % Volumen Funktionelle 10 – 25 % Residualkapazität (verdrängungsbedingt) Compliance Thorax 10 % → → Blutgerinnung Fibrinogen 50 % Renale Exkretion → → → → 40 – 50 % → Plasmavolumen Atmung Atemfrequenz 15 % Alveoläre 70 % Ventilation → → Herz-/Kreislaufsystem Herzfrequenz 15 % Mittlerer arterieller 4 – 15 % Blutdruck (Vasodi- (Nadir im II. latation: Progeste- Trimenon) ron, Östrogen, NO) Blutvolumen 25 – 40 % (Zwillinge 50 – 60 %) → → O2-Verbrauch (im 20 – 33 % III. Trimenon durch Bedarf von Mutter und Fetus) paO2 10 mmHg paCO2 10 mmHg Hypokapnie bis 32 mmHg Milde respiratorische Alkalose RechtsverschieP50 27 → bung der Sauer30 mmHg stoffbindungskurve → Auf eine möglichst rasche Wiederherstellung adäquater mütterlicher Herzkreislaufparameter gerichtet, folgen die Empfehlungen der CPR in Tab. 2: 4H-4T-Algorithmus der reversiblen Ursachensuche eines Herzkreislaufstillstandes → Die Diagnostik und Therapie eines SCA während der Schwangerschaft/ Geburt ist durch physiologische Anpassungserscheinungen kardiorespiratorischer Funktionen/ (Labor-) Parameter in graviditate gegenüber der Erwachsenenreanimation bei Nicht-Schwangeren beeinflusst [3]. Da auch klinische Einschätzungen durch die bestehende Schwangerschaft verändert werden, ist zur Vermeidung von Fehleinschätzungen und dem Verlust wertvoller Zeit die Kenntnis dieser Veränderungen (E Tab. 3) von besonders hoher Praxisrelevanz [4]. CME »4 T« Tabletten Tamponade (kardial) Tension (Spannungspneumothorax) Thrombembolie pulmonal, koronar → Kardiopulmonale Reanimation (CPR) in graviditate Kritische Herzkreislauferkrankungen während der Schwangerschaft oder Geburt erfordern aufgrund der immanenten Lebensgefährdung für die Betroffene spezialisiertes Fachwissen gepaart mit außerordentlicher Wachsamkeit von allen mit der Bewertung und Beherrschung dieser seltenen Notfälle betrauten Medizinprofessionen. Der hochakuten Bedrohung von zwei Leben ist dabei stets im multidisziplinären wie auch multiprofessionellen Teamansatz zu begegnen. »4 H« Hypovolämie Hypoxie Hyper-/ Hypokaliämie, H-Ionen (Azidose) Hypothermie → nisse, mit der gemeinsamen Endstrecke – plötzlicher Herztod als häufigster indirekter mütterlicher Todesursache – bedarf des unmittelba -ren, koordinierten, multidisziplinären Notfallteameinsatzes [2]. Die Geschwindigkeit und Qualität mit der schwangerschaftsadaptierte Wiederbelebungsmaßnahmen implementiert, kontrolliert eskaliert und interdisziplinär koordiniert werden, entscheiden das mütterliche und in der Folge auch das fetale Outcome. Für Krankenhauspatientinnen ist so eine mütterliche Gesamtüberlebensrate von 59 % zu erreichen [1]. 35 Tab. 3: Physiologische Anpassungsreaktionen des mütterlichen Organismus während der Schwangerschaft [4] graviditate von wenigen Bereichen abgesehen den gängigen Richtlinien der Erwachsenenreanimation. Anpassungen der allgemeingültigen Richtlinien zu Wiederbelebungsmaßnahmen (European Resuscitation Council, ERC-Guideline) an die Sondersituation Schwangerschaft [1,5,6,7]: Rasche Erfassung und effektive Ausschaltung reversibler Ursachen des SCA Praxistipp: – Unmittelbare diagnostische Festlegung der zugrundliegenden Ursachen des SCA (E Tab. 1); hierzu ist die Einbindung geburtshilflicher Expertise im Teamansatz essentiell (die häufigsten Ursachen des SCA sind schwangerschaftsbedingt) – Gezielte, schwangerschaftsadaptierte therapeutische Intervention – Bei als irreversibel eingeschätztem Herzkreislaufstillstand und Tragzeit > 24 SSW (Fundus uteri - q Nabel) RPerimortem Kaiserschnitt (PMCD) ohne weiteren Zeitverzug Optimierung des Effekts der Herzdruckmassage Praxistipp: – Wahl der optimalen Position zur 08/2015 36 CME HERZKREISLAUFSTILLSTAND BEI SCHWANGEREN Durchführung der bimanuellen Herzdruckmassage entspricht dem nicht-schwangeren Zustand (= Zentrum des Brustkorbs – unabhängig der schwangerschaftsbedingte Verdrängungserscheinungen/ Zwerchfellhochstand in der Spätschwangerschaft) – Die Thoraxkompressionstiefe von 5–6 cm mit einer Frequenz (100–)120/ min bei fehlender/ minimaler Unterbrechung (Lagerung, Diagnostik, Perischock-Pause < 10 Sekunden) erreicht eine zur Nicht-Schwangeren vergleichbare Ejektionsfraktion (EF bis 30 %) [6, 7]. Beachtung der sich kongruent zum Gestationsalter entwickelnden Gefahr des Vena-Cava-Kompressionssyndroms (Reduktion des HZV um bis zu zwei Drittel) Praxistipp: – Bei Linksseitenlagerung der gesamten Patientin um 27° (Keilkissen, Cardiff Wedge) sind zur CPR nur 80 % der Thoraxkompressionskraft verglichen zur Rückenlage zu erreichen [8]. Daher ist die CPR in Rückenlage (feste Unterlage) vorzunehmen. – Der Winkel der Patientinnenkippung wird klinisch darüber hinaus meist überschätzt (< 20° R keine Verbesserung des venösen Rückflusses, > 30° R Gefahr des Abrutschens/ Rollens der Patientin). Der Einsatz von Keilkissen vermeidet diese Fehleinschätzung. – Eine Verbesserung des venösen Rückstroms zum Herzen aus der unteren Körperhälfte durch ununterbrochene manuelle Linksverlagerung des Uterus (optimal in Zweihand-Technik) ohne Kippung (Rückenlage) übersteigt die Wirkung einer Linksseitenlagerung der gesamten Patientin und ermöglicht während der Herzdruckmassage inkl. Beatmung in Rückenlage bzw. während einer perimortalen Schnittentbindung 08/2015 (bis zur Kindsentwicklung) die Optimierung der CPR-Effektivität – Beginn ohne Zeitverlust und Druckeinschränkung (E Tab. 4) – PMCD – unmittelbare Sectiobereitschaft herstellen und ggf. konsequent zeitnahe Durchführung (kein Patientinnentransport R Reduktion der Effektivität der CPR und Zeitverlust) Kompliziertes Atemwegsmanagement: Berücksichtigung der Progesteron-vermittelten laryngealen/ trachealen Ödemneigung Praxistipp: – Anpassungen bei der Intubation hinsichtlich der Tubusgröße (Trachealinnendurchmesser um 0,5–1 mm reduziert) – Höhere Komplikationsrate/ Fehlintubationsgefahr durch Hyperämie, Hypersekretion, Schleimhautödem und mechanisch schwierigere Arbeitsbedingungen in Seitenlage (verändert die gewohnte Atemwegsanatomie) – Gesteigertes Aspirationsrisiko (gastrointestinaler Reflux, Kardiainsuffizienz) – Entsättigung während Apnoephasen erfolgt rascher als bei Nicht-Schwangeren Der Zustand des Fetus hat für die Akutsituation diagnostisch und therapeutisch außer Acht zu bleiben Praxistipp: – (Rasche) geburtshilfliche (Ultraschall-)Diagnostik bezogen auf die Mutter (Geburtsbestrebungen, Blutung, Schwangerschaftskomplikationen) vor allem aber mit der Zielrichtung der fetalen Hypotension Systolischer Blutdruckabfall Beginn Blutdruckabfall Epinephringebrauch Zustandsbeurteilung ist bis auf Einzelfälle unzulässig – CPR/ PMCD darf nicht verzögert/ behindert werden Defibrillation in graviditate Praxistipp: – Unveränderte Impedanz im Vergleich zu nicht-schwangeren Frauen (biphasische Defibrillationsenergie: 120–200 Joule, eskalierend) – Fetale Exposition gegenüber der elektrischen Energie ist als minimal anzusehen = Gefahrlosigkeit für das Kind (Stromfluss durch den Uterus/ Fruchtwasser – maßgeblich sind Stromstärke und Kontaktdauer) – Veränderte Anatomie in graviditate kompliziert Paddeleinsatz Klebeelektroden bevorzugen – Theoretische Lichtbogenbildung zu externen oder internen fetalen Überwachungseinheiten sind unwahrscheinlich R keine Entfernung während des Stromeinsatzes/ keine Verzögerung der Defibrillation Pharmakologische Intervention im Rahmen der erweiterten Maßnahmen des Advanced Cardiovascular Life Support (ACLS) Praxistipp: – Keine schwangerschaftsspezifischen Anpassungen in Indikation und Dosierung trotz erhöhter glomerulärer Filtrationsrate (renale Durchblutung q 40 %) und gesteigertem Plasmavolumen (q 40–50 %) in graviditate (ETab. 3) Linksseitenkippung der Patientin 40 % 28,8 mmHg (SD 7,3) 4,5 min 11,3 mg (SD 4,9) Uterus manuell lateralisiert 4,4 % 20 mmHg (SD 12,7) 4,5 min 6 mg (SD 0) p < 0,001 p < 0,05 n. s. p < 0,001 Tab. 4: Vergleich der Einflussmöglichkeiten zur Vermeidung einer zentralvenösen mütterlichen Hypotension bei Sectio caesarea (RCT, n=99) [10] HERZKREISLAUFSTILLSTAND BEI SCHWANGEREN Arbeit im erweiterten Teamansatz Praxistipp: – Teamzusammensetzung: Erwachsenenreanimation: Notfallmediziner/Anästhesist/ Internist/ Chirurg und Intensivpflegepersonal/ Anästhesiepflegepersonal/ Pflegepersonal Geburtshilflicher Anästhesist und Anästhesiepflegepersonal Geburtshilfe: Geburtshelfer und Hebamme/ geburtshilfliches Pflegepersonal Neonatologie: Neonatologe und neonatologische (Intensiv)pflegepersonal – Situationsabhängig alternierende Teamführung zwischen dem Notfallmediziner, Geburtshelfer und neonatologischen Subteamführer Implementierung instititionsspezifischer Checklisten für seltene kritische Notfallsituationen in graviditate Wissenschaftlich belastbare Evidenz zu den Empfehlungen der Reanimation an Schwangeren ist dabei nur in Teilen vorhanden. So sind die praktischen Regeln zur Durchführung einer Herzdruckmassage (manuelle Maßnahmen, Lagerung in Rückenlage und manuelle (Links-)Lateralisierung des Uterus), die Kenntnisse zur Defibrillation und der Nutzen einer PMCD durch Studiendaten abgesichert [6, 7, 8]. Da Reanimationssituationen bei Schwangeren selten auftreten, liegen allen übrigen Empfehlungen zur CPR in graviditate keine belastbaren Studiendaten zugrunde. Vielmehr fußen die publizierten Leitlinien in diesen Punkten entweder auf der Extrapolation von Daten erhoben an nicht-schwangeren Frauen, auf Simulationsstudien oder geben Expertenmeinungen wieder [8]. Dies betrifft u. a. auch die vergleichbar zur Nicht-Schwangeren vorzunehmende Anwendung (Indikation wie Dosis) von Adrenalin (1 mg alle 3–5 min) oder Amiodaron (300 mg) nach dreimalig erfolgloser ventrikulärer Defibrillation (tachy- karde Rhythmusstörung, Kammerflimmern) ebenso wie die Fibrinolyse bei z. B. lebensbedrohlicher massiver Lungenembolie. Eine Lysebehandlung ist dabei während der Schwangerschaft/ Schnittentbindung zwar nicht ohne Bedenken (Blutungen, fetale Hypoxie), muss im indizierten Bedarfsfall trotz eines therapiebedingten mütterlichen Mortalitätsrisikos von 1 %, allerdings als potenziell lebensrettend zum Einsatz kommen [6, 7]. Qualitätsmanagement der Kardiopulmonalen Reanimation während Schwangerschaft und Geburt Der Umgang mit dem In-HospitalHerzkreislaufstillstand bei Schwangeren ist trotz des Einsatzes spezieller Interventionsteams in der Praxis mit einer Fehlerquote von 28,7 % behaftet. Diese Irrtümer schlagen sich auch in den Überlebensraten nieder [2]. Im Einzelnen tragen infrastrukturelle Faktoren zu 75 % der fatalen mütterlichen Ausgänge bei. Kommunikationsdefizite im Team sind dagegen in 70 % bezogen auf neonatale Morbidität und Mortalität als (mit)verantwortlich anzusehen [1]. Daher empfiehlt der European Resuscitation Council zur Herstellung einer „institutionellen Bereitschaft“ der Klinik im Umgang mit SCA/ CPR Schwangerer regelmäßige Trainingsmaßnahmen zur Erkennung, Monitoring und koordinierendem Management von (geburtshilflichen) SCA-Patientinnen. Bei der Seltenheit des Ereignisses und den Ergebnissen der Trainingsbemühungen stellt sich allerdings die Frage nach der Effektivität dieser Simulationseinheiten. Dies, zumal auch bei erfahrenen Teammitgliedern und nach fachspezifischer Fortbildung in Reanimationstechniken, während der Simulationsreanimation in graviditate immer noch Fehlleistungen beobachtet werden konnten. Uniprofessionelles Training führte im Zusammenhang mit geburtshilflichen Notfallsituationen mitunter sogar zur Verschlechterung der klinischen Gesamtteamleistung [2]. Problemfelder eines SCA/ CPR in graviditate [9] • Schwangerschaftsbedingter Zeitverlust bei der Wahrnehmung des SCA • Schwangerschaftsbedingte Zeitverzögerung bis zum Beginn der CPR • Schwangerschaftsbedingt erhöhte Raten ineffektiver Herzdruckmassagen (no-flow) • Häufige Vernachlässigung von Maßnahmen zur venösen Rückstromverbesserung • Kommunikationsdefizite im Team (ungewohnte Zusammensetzung – geburtshilfliches Personal, ggf. Neonatologie) • Unfähigkeit des Teams zur persistenten Fokussierung auf die kritisch erforderlichen Aufgaben (CPR) • Deutliche Diskrepanzen zwischen den Ergebnissen individueller Wissensüberprüfungen und den praktischen Fähigkeiten von Reanimationsteammitgliedern (nicht nur bei den geburtshilflich Beteiligten) Daraus wird ableitbar, dass sowohl die Inhaltsqualität wie auch die Simulationsstruktur der Team(aus)bildung (Evidenzbasierung, Datentriangulation, Wirklichkeitsnähe, Multiprofessionalität und kontinuierliches Monitoring) die entscheidenden Stellgrößen des Erfolgs von Reanimationsbemühungen in Sondersituationen sind. Als Zielgrößen dieser Kollektivleistung sind anzustreben: • Effektivität der CPR • Nachhaltigkeit des Teamwork, wobei nicht die Einzelkompetenzen der Teammitglieder sondern das fachlich optimale Zusammenwirken aller Teilnehmer für 08/2015 37 CME 38 HERZKREISLAUFSTILLSTAND BEI SCHWANGEREN CME Zeitintervall > vs. < 10 min In Hospital vs. Präklinik Kreißsaal vs. Notaufnahme Überleben Mutter (32% < 10 min) OR 5,17 OR 7,42 Überleben Kind (im Mittel 34. SSW) OR 2 OR 13 OR 11,6 Tab. 5: Überlebenswahrscheinlichkeit eines Kreislaufstillstandes in Abhängigkeit des Zeitintervalls bis zu einer PMCD wie auch des Ereignis-/ Behandlungsortes den Erfolg maßgeblich ist • Stärkung von Team- und Führungskompetenzen (frühzeitige Diagnosestellung, koordinierende Aufgabenverteilung) Perimortem Sectio caesarea bei mütterlichem Herzkreislaufstillstand Der European Resuscitation Council (ERC) wie auch die American Heart Association (AHA) geben in ihren Empfehlungen neben den Vorgaben zum Basic life support (BLS) während der Schwangerschaft auch Instruktion zur Durchführung von Maßnahmen des Advanced life support (ACLS) vor [1, 6]. Im Rahmen des ACLS hat bei nicht erfolgreichen Reanimationsbemühungen über eine Dauer von 4 min nach ERC die Indikationsstellung zur PMCD zu erfolgen [6, 7]. Die operative Entwicklung des Nasciturus per Schnittentbindung nach einer weiteren Minute soll in der Folge den venösen Rückstroms zum mütterlichen Herzen begünstigen und Dank der mechanischen Entlastung der Vena cava inferior die Erfolgsaussichten der Wiederherstellung normaler mütterlicher Kreislaufparameter verbessern [6, 7]. Die Durchführung der PMCD ist dabei an die Prämisse gebunden, dass sich der SCA in einem Setting (Ort, Logistik) ereignet, in welchem eine notfallmäßige Entbindung mittels unmittelbarem Kaiserschnitt möglich ist. Die primäre Zielgröße, eine rasche Erhöhung der mütterlichen Herzauswurfleistung (EF ca. 10 % bei Kompression der Vena cava inferior vs. bis zu 30 % ohne Beeinträchtigung des zentralvenösen Rückflusses zum Herzen). Da ein längerfristiges intrauterines Überleben des Feten nur durch die Wiederher- 08/2015 stellung einer mütterlichen Herzkreislaufstabilität gewährleistet werden kann, ist der, aus maternaler Sicht absolut indizierte Perimortem Kaiserschnitt unter Postponierung all seiner Effekte auf das kindliche Befinden/ Prognose vorzunehmen. Als sekundäre mütterliche Interventionsziele der PMCD kommen durch die Eröffnung der Bauchhöhle mögliche werdende Kompressions-/ Klemmmöglichkeiten der Aorta und die Option der offenen Herzdruckmassage zum Tragen. Eine, wenn überhaupt in diesem Szenario rasch durchgeführte fetale Diagnostik (Lebenszeichen, Versorgungssituation) darf den Reanimationsalgorithmus der Mutter nicht behindern [2]. Nichtsdestotrotz nimmt das Schicksal des Fetus, und dies vorwiegend in Abhängigkeit seines Gestationsalters, Einfluss auf die Eingriffseinschätzung (Indikationsimpakt)/ -logistik (Lokalisationsimpakt) einer PMCD („zwei Leben“) [1]: < 20 SSW: Keine PMCD, da die Kompromittierung des venösen Rückstroms klinisch noch unwesentlich (zu geringe Uterusgröße/ -gewicht). Fetaler Zustand ohne Bedeutung ≥ 20 SSW: PMCD-Indikation stellt sich ausschließlich aus der Verbesserung des mütterlichen Reanimationsergebnisses. Keine Berücksichtigung fetaler Prognoseoptionen > 24. SSW: Indikationsbestimmend bleibt der mütterliche SCA. Ein potenzielles kindliches Überleben und damit die ggf. akute neonatologische Reanimationserfordernis sind in das Vorgehen als optional miteinzubeziehen. Bestimmend für die fetale Morbidität und Mortalität ist neben der Trag- zeit die potenzielle Zeitdauer intrauteriner Hypoxie (mütterlicher Asystolie). Eine zeitnahe Entbindung (PMCD) eröffnet auch bei nicht-reanimierbarer Mutter die einzige Möglichkeit für den Fetus, zu überleben und trägt in diesen Fällen zur Vermeidung neurologischer Spätfolgen des Kindes bei. Der mütterliche Reanimationserfolg ist u. a. maßgeblich vom Zeitintervall zwischen SCA und PMCD abhängig. Die höchste Überlebenswahrscheinlichkeit der Mutter und ggf. auch des Kindes ist bei Entbindung innerhalb von 5 Minuten nach SCA beschrieben. Tatsächlich findet die Kindsentwicklung in der Praxis allerdings meist deutlich später statt [5, 8, 9]. Retrospektive Kohortenstudiendaten weisen bei einer PMCD-Rate von 87 % eine Gesamtüberlebensrate der reanimierten Mütter von 54 % auf [9]. Das empfohlene Zeitintervall SCA– Indikationsstellung zur PMCD (4 min) konnte dabei nur in 5 % eingehalten werden. Die mütterlichen Überlebensraten im Fokus lässt sich die Bedeutung des Zeitfaktor detailliert erfassen: Die mittlere Zeitdifferenz der Gruppen überlebender gegenüber nicht-überlebender Mütter betrug 12,6 Minuten (Überleben 10±7,2 min, Bandbreite 1–37 min vs. Nicht-Überleben 22,6±13,3 min, Bandbreite 4–60 min). Betrachtet man den Zeitfaktor im Hinblick auf die kindliche Prognose so findet sich als prognostisch kritische Größe eine Verzögerung der Kindsentwicklung von im Mittel 8 Minuten (Überleben 14±11 min, Bandbreite 1–47 min vs. Nicht-Überleben 22±13 min, Bandbreite 4–60 min) [9]. Die Analyse des vorliegenden Datenmaterials lässt so den Schluss zu, dass auch in Fällen mit größerem Zeitintervall zwischen SCA und PMCD mütterliches und kindliches Überleben möglich bleibt. Erwartungsgemäß sinken die Überlebensraten für Mutter und Kind dabei proportional zur Latenz bis zur Operation. Andererseits steigt mit der Zeitdauer aber auch die relative HERZKREISLAUFSTILLSTAND BEI SCHWANGEREN Anzahl an Patientinnen mit Wiederherstellung einer Zirkulation ohne Entbindung (= spontane Reetablierung eines Kreislaufs + erfolgreiche CPR ohne PMCD) an. 61 % ohne PMCD (Überleben 90 %) vs. 54 % der im Rahmen der Reanimation entbundenen Frauen kehrten zu stabilen Zirkulationswerten zurück. Andere Studien finden dagegen deutlich niedrigere PMCD-Raten wie auch geringere mütterliche Überlebensraten (15 %) [5]. Die Überlebenswahrscheinlichkeit des Fetus zeigt neben einem Bezug zur Geschwindigkeit seiner Kaiserschnittentwicklung aus mütterlicher Asystolie (plazentarer Zirkulationsstillstand auf maternaler Seite) zusätzlich eine starke Abhängigkeit sowohl von der Tragzeit wie auch vom Ort des SCA (E Tab. 5): 42–70 % Überleben in einer geburtshilflichen Funktionseinheit/ Sectiooperationssaal vs. 6–25 % Überleben in der Notaufnahme. Die Ursache des mütterlichen SCA erweist sich dagegen, als für das kindliche Überleben irrelevant. Ein einheitlich konsentiertes (optimales) Indikations-, Logistik- und Zeitkonzept zur CPR – PMCD aus der zu diesen geburtshilflichen Ausnahmesituationen vorliegenden Evidenz (Fallserien ohne randomisierte Evidenz) abzuleiten, stößt vorwiegend an praktische (4 bzw. 5 min = inadäquat kurze Zeitdauer zur Beurteilung eines CPR-Misserfolgs) wie auch publizistische (Selektions-/ Publikationsbias) Grenzen. Im Hinblick auf logistische Stellgrößen wirkt sich für Mutter und/ oder Kind die Nähe zum Kreißsaal/ (Sectio-) Operationssaal unstrittig als potenziell lebensrettend aus. Literatur: 1. Jeejeebhoy F.M., Zelop C.M., Lipman S., Carvalho B., Joglar J., Mhyre J.M., Katz V.L., Lapinsky S.E., Einav S., Warnes C.A., Page R.L., Griffin R.E., Jain A., Dainty K.N., Arafeh J., Windrim R., Koren G., Callaway C.W. Cardiac Arrest in Pregnancy: A Scientific Statement From the American Heart Association. Circulation. 2015 [Epub ahead of print] 2. Smith A., Edwards S., Siassakos D. Effective team training to improve outcomes in maternal collapse and perimortem caesarean section. Resuscitation. 2012; 83(10): 1183–1184 3. Rath W., Gembruch U., Schmidt S. Geburtshilfe und Perinatologie. 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, 2010 4. Strauss A., Sanders L., Ohnesorge H., Gräsner J.T. Geburtshilfliche Notfälle III – Präklinische Geburtshilfe. Der Notarzt 2013; 29: 115–126 5. Jeejeebhoy F.M., Zelop C.M., Windrim R., Carvalho J.C., Dorian P., Morrison L.J. Management of cardiac arrest in pregnancy: a systematic review. Resuscitation. 2011; 82(7): 801–809 6. Soar J., Perkins G.D., Abbas G., Alfonzo A., Barelli A., Bierens J.J., Brugger H., Deakin C.D., Dunning J., Georgiou M., Handley A.J., Lockey D.J., Paal P., Sandroni C., Thies K.C., Zideman D.A., Nolan J.P. European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2010 Section 8. Cardiac arrest in special circumstances: Electrolyte abnormalities, poisoning, drowning, accidental hypothermia, hyperthermia, asthma, anaphylaxis, cardiac surgery, trauma, pregnancy, electrocution. Resuscitation. 2010; 81(10): 1400–1433 7. King S.E., Gabbott D.A. Maternal cardiac arrest--rarely occurs, rarely researched. Resuscitation. 2011; 82(7): 795–796 8. Einav S., Kaufman N., Sela H.Y. Maternal cardiac arrest and perimortem caesar-ean delivery: evidence or expert-based? Resuscitation. 2012; 83(10): 1191–1200 9. Hepp H. Zwei Leben - Anspruch und Wirklichkeit. Archives of Gynecology and Obstetrics. 1995; 257(1): XVII-XXXVI 10. Kundra P., Khanna S., Habeebullah S., Ravishankar M. Manual displacement of the uterus during caesarean section. Anaesthesia. 2007; 62(5): 460–465 Korrespondenzadresse: Univ.-Prof. Dr. med. Alexander Strauss Christian-Albrechts-Universität zu Kiel E-Mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. med. Alexander Strauss 08/2015 39 CME
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