Der Verein Meerwind e. V ermöglicht Krebspatienten eine Im

Unvergessliches Erlebnis: Sabine Wilhelm und
Elke Arndt würden gleich wieder in See stechen.
Der Verein Meerwind e. V ermöglicht Krebspatienten eine
ganz besondere Form der PSYCHOSOZIALEN NACHSORGE.
Im Rahmen eines sechsmonatiqen Projekts erleben jeden
Sommer zwölf Männer und Frauen eine spannende Woche
auf hoher See - eine unvergessliche Erfahrungfür alle.
Ile Mann (und Frau) an Bord, heißt
es jeden Sommer beim Verein Meerwind e.V. Letztes Jahr im August mit dabei: Rudolf Gauda, sei nes Zeichens passionierter Segler. 2006 und 2007 wurde bei
ihm Lungenkrebs diagnostiziert und jeweils ein Teil der Lungenflügel operativ
entfernt. "Danach habe ich das Vertrauen
in mich völlig verloren. Ich hatte mit der
Segelei erst einmal abgeschlossen", erin-
nert sich der Wegberger. "Nie wieder
Holland, Ammersee und Chiemsee." Als
er aber in der Zeitung über Meerwind e.V.
las und kurz darauf einen Flyer über das
Segelangebot für Krebsbetroffene in den
Händen hielt, geriet der 71-Jährige doch
ins Grübeln: "Ich dachte, wenn da alle an
Krebs erkrankt sind, kann man sicher auch
mal einen Fehler machen. Und dass ein
erfahrener Skipper sowie ärztliche und
psychoonkologische
Begleitung
dabei
sein sollten, fand ich äußerst beruhigend." Rudolf Gauda fackelte nicht lange,
meldete sich an und hat den Entschluss
bis heute nicht bereut. "Schon die drei
Vortreffen haben mich begeistert und die
Zeit an Bord hat wieder neue Kräfte in mir
geweckt", sagt er. "Körperlich ist mir die
Fahrt sehr gut bekommen, aber auch psychisch hat sie mir viel gebracht. Ich hatte
die Erkranku ng eigentlich vera rbeitet,
aber die Gemeinschaft unter Gleichgesinnten war für mich eine ganz neue, hilfreiche Erfahrung. Die intensiven Gespräche haben mich emotional weitergebracht und die gemeinsamen Aktivitäten
bereichert." Neben der körperlichen Bewegung empfand er auch die stillen nachdenklichen Momente an Bord als positiv.
Etwas, was er vorher nicht fü r mögl ich gehalten hätte. Zudem gefiel es ihm, jeden
Tag woanders anzukommen: Das Baden
im Meer und eine Grachtenfahrt in Hoorn
sind ihm bis heute unvergesslich. Auch
die Nachtreffen behält er in bester Erinnerung. DerTörn hat sein Selbstbewusstsein
wieder gestärkt. Und so ging es im Oktober 2014 wieder wie früher auf eigene
Faust hinaus aufs Meer. Allerdings nicht
ganz alleine. Mit einer Teilnehmerin und
einem Teilnehmer der Segelgruppe, mit
denen er inzwischen befreundet ist, hisste
er die Segel auf der Ostsee.
STARKE GEMEINSCHAFT
Ganz alleine in See zu stechen, das wäre
nichts für Elke Arndt und Sabine Wilhelm.
Die zwei Gruppenleiterinnen
der Selbsthilfegruppe "Rosa Schleife" in Erkelenz,
sind mit Meerwind das allererste Mal in
ihrem Leben gesegelt - und sie waren
begeistert, vor allem von dem Gruppengefühl: "Eine einzigartige Erfahrung. Es
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ging immer alles Hand in Hand und wir
haben uns gegenseitig geholfen. Es war
ein super Gefühl, an einem Strang zu ziehen und ein gemeinsames Ziel zu verfolgen", erzählt Elke Arndt. "Die Erlebnisse
klingen bis heute bei mir nach. Ich könnte
sofort wieder losfahren. Die Woche war so
lebensbejahend und hat mir sehr viel
Kraft gegeben." Seit ihrer Erkrankung
sucht sie jedes Jahr eine neue Herausforderung, und diese hat sie besonders gerne gemeistert. Unvergesslich sind ihr die
intensiven Gespräche und diese kleinen
und doch so großen Momente, die bis
heute nachwirken: Das Überwinden der
Angst beim Sprung vom Boot ins Meer,
Segelsetzen bei Windstärke fünf, im Klüvernetz hängend über dem Wasser dahingleiten. Die 49-Jährige bekam 2008 eine
Brustkrebsdiagnose
und hat in ihrer
Selbsthilfegruppe Sabine Wilhelm kennengelernt, die 2010 an Brustkrebs erkrankt ist. Im Sommer 2013 haben die beiden die Gruppe übernommen und sind
inzwischen privat befreundet. Als sie von
Meerwind hörten, entschlossen sie sich
spontan zurTeilnahme. "Die Fahrt hat mir
gezeigt, dass ich viel schaffen kann und
»
(
Im Uhrzeigersinn v. I. n. r.:
Gemeinsam für
ein Zie/- jeder
packt an; das
Steuer fest in
der Hand - E/ke
Arndt; über den
Wellen - He/ga
Stepanski und
Rudotj Gauda
im Klüvernetz;
König der WeltKlaus-Dieter
Schmitz mit
Joy Weichhaus
Natur zu schaffen, kann uns keiner mehr
nehmen", ergänzt die 53-Jährige.
ZU SICH SelBST
FINDEN
Hartmut Magon ist jedes Jahr aufs Neue
angetan von den Ergebnissen des Projekts
und erfreut über die Reaktionen der Teil-
Elke Arndt
EINE EINZIGARTIGE ERFAHRUNG,
ES WAR SO LEBENSBEJAHEND
ich bezeichne sie immer als meine dritte
Reha mit Langzeitwirkung", lacht Sabine
Wilhelm. "Auch die gegenseitige Unterstützung habe ich sehr genossen. Jeder
hat nach seinem Vermögen mit angepackt, wer nicht so fit war, hat einfach
leichtere Aufgaben übernommen." Auch
den Skipper und die zurückhaltende professionelle Begleitung hat sie als angenehm empfunden. Doch das Schönste
waren die Unabhängigkeit, das Spontane,
das Sich-treiben-Iassen sowie die vielen
neuen Eindrücke. "Das Gefühl der Zusammengehörigkeit
und den Genuss, gemeinsam etwas im Einklang mit der
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nehmer. "Es ist schon eine besondere
Erfahrung, gemeinsam in einer Gruppe
Krebsbetroffener ein großes Segelschiff
auf Kurs zu bringen", sagt der Initiator der
psychoonkologischen Gruppenarbeit. "Es
ist schön zu sehen, dass viele in dieser
Zeit zu sich selbst zurückkommen und
ihren eigenen Kurs wiederfinden."
Die
Gruppenleiterinnen
der "Rosa Schleife"
möchten anderen Betroffene diese positive Erfahrung ebenfalls ermöglichen. Daher tragen sie ihre Erlebnisse weiter und
haben Hartmut Magon für einen Vortrag
in ihre Gruppe eingeladen. Doch nicht nur
das: Die beiden haben Meerwind e.V. für
den Prix Pierre Denoix vorgeschlagen. Dieser Preis wird von der Deutschen Krebsgesellschaft gemeinsam mit Pierre Fabre
Onkologie verliehen und unterstützt Personen oder Gruppen, die sich um die psychosoziale Betreuung von Krebsbetroffenen verdient gemacht haben. Tatsächlich
wurde der Verein auf dem Deutschen
Krebskongress 2014 in Berlin ausgezeichnet. "Wir freuen uns sehr. Mit dem Preisgeld können weitere, auch finanziell nicht
50 gut gestellte Betroffene teilnehmen",
sagt Elke Arndt und Sabine Wilhelm ergänzt: .Jch kann nur zuraten. Meine anfänglichen Bedenken und Ängste haben
sich in keinster Weise bestätigt. Das gesamte Projekt ist eine rundum gelungene
Sache. Es stärkt mich bis heute und ich
denke, auch alle anderen haben profitiert.
Jeder konnte etwas für sich mitnehmen."
Die gemeinsamen Erlebnisse und die Weite des Meeres helfen, die Strapazen der
Erkrankung und Therapie eine Weile hinter sich zu lassen. "Es darf ein neues
Lebensgefühl aufsteigen", sagt Hartmut
Magon. "Das Angebot soll bei der Aufarbeitung der Erkrankung helfen, um mit
neuem Lebensmut wieder in den Alltag
zurückzukehren."
mj
HINTERGRUND
Besondere Selbst- und Gruppenerfahrunq. Hartmut
Magon, Psychoonkologe, Palliativpsychologe
und
Ethikberater, ist Vorsitzender von MEERWIND E V
Der Verein mit Sitz in Mönchengladbach
esjedes Jahr zwölf krebserkrankten
ermöglicht
Frauen und
Männern, auf einem Zweimaster gemeinsam die
Segel zu setzen und in See zu stechen.
HERR MAGON, WIE IST DAS ANGEBOT
E
A
EN?
MAGON: Vor 16 Jahren entwickelte ich in meiner
damaligen Funktion als Klinikseelsorger die Idee,
eine Gruppe krebserkrankter Menschen über
einen längeren Zeitraum anzuleiten und zu
begleiten. Das psychoonkologische Gruppenangebot umfasst mehrere Bausteine: der Hervorstechendste ist wohl der ein wöchige Segeltörn
mit einem niederländischen Plattbodenschiff auf
dem ljsselmeer und der Waddenzee.
WAS GENAU VERBIRGT SICH HINTER
B
Meerwind ist eine fachlich angeleitete
Rehabilitationsmaßnahme,
die den Betrojjenen
hilft, den für sie angemessenen Umgang mit der
Erkrankung zu finden bzw. weiterzuentwickeln.
Dabei geht es um die Verarbeitung der belastenden Erfahrungen durch Krankheit und Therapie.
Dennoch steht die Krebserkrankung nicht immer
im Vordergrund. Als Gruppe Gleichgesinnter auf
dem Schiff zu sein, die besonderen Naturerlebnisse und das Zusammenwirken, wenn man an
einem Strang zieht, um zum Beispiel das Großsegel zu setzen, das ist das ganz Besondere
unserer Arbeit.
MAGON:
DIE ABER NICHT NUR DIE SEGELWOCHE
Stimmt. Das gesamte Projekt erstreckt
sich über ein halbes Jahr. Zunächst führe ich
Einzelinterviews, erhebe Krankheits- und Sozialanamnese. Entspannungsübungen
und ein gesunder Lebensstil sind ebenfalls Teil des Programms.
In drei Gruppentrejjenfinden
die Teilnehmer
dann zueinander und tauschen sich über ihren
Umgang mit der Erkrankung aus. Meistens findet
jeder sein Thema, das einen während der Reise
MAGON:
besonders beschäftigt. Am dritten Vorbereitungsabend bekommt dann jeder ein "Logbuch "für
persönliche Gedanken und Aufzeichnungen. Denn
die Reise über das Meer ist für viele auch eine
Reise zu sich selbst.
Meerwind e. V.
Hartmut
Magon (Vorsitz)
Parkstr.29
41061 Mönchengladbach
WAS BEWIRKEN DIE GEMEINSAMEN
TAGE
UF SEE:
MAGON: Die Teilnehmer verlassen die Behand-
E-Mail:
[email protected]
www.meerwind-ev.de
lungs- und Therapieräume und können auf dem
Schiff zu einer neuen Kursbestimmunq'finden.
Sie profitieren davon, gemeinsam (mit dem SChiff)
Fahrt aufzunehmen und auch Wind und Wetter
standzuhalten. Zusammen kochen, Gesprächsrunden, gedankliches Innehalten, gemeinsames
Zupacken, die tandqanqe, abendliches Singen dies alles trägt dazu bei, sich wieder etwas zuzutrauen und sich neue Lebensfreude zu erschließen.
Es geht nicht darum, die belastenden Erfahrungen zu verdrängen, sondern sie so weit aufzuarbeiten, dass sich damit leben lässt. Meerwind
will ein möglichst gutes Leben für Menschen mit
und nach Krebs.
Hartmut Magon
Tel.: 0178 3525454
E-Mail:
[email protected]
www.hartmut-magon.de
NÄCHSTER
TÖRN
18. bis 24.07.2015
Vortreffen an drei Dienstag-
R KANN TE LNEHMEN?
MAGON: Jede und jeder, der eine Krebserkran-
abenden, Nachtreffen nach
\AI
Absprache
kung hat oder hatte, Frauen und Männer, Junge
und Alte. Bei dem einen wird die Erkrankung
gerade behandelt, bei der anderen liegt sie schon
länger zurück. An Bord kann jede und jeder einen
guten Platz finden. Die Reise wird ärztlich und
psychotherapeutisch geleitet und es gibt immer
erfahrene Ansprechpartner. Der gemeinnützige
Meerwind e. \I. ermöglicht die Teilnahme zu einem
günstigen Preis. Zu beachten ist allenfalls, dass die
Vor- und Nachtrejjen in Mönchengladbach stattfinden und hier mehrere Anreisen erforderlich
sind. Wer an einer Teilnahme interessiert ist,
schreibt am besten eine E-Mail oder ruft an.
mj
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INFORMATIONEN
ANMELDUNG
UND
[email protected]
Tel.: 0178 3525454
www.meerwind-ev.de