Kirchenaustritte evangelische und katholische Kirche Deutschland 2012-2014 Austrittszahlen 2012 - 2013 - 2014 0 50.000 100.000 150.000 evang. Landeskirchen 250.000 300.000 2012 138.195 (Erz-)Bistümer 200.000 2013 175.953 2014 266.450 118.235 178.717 217.611 Quellen: Angaben der Landeskirchen der EKD und (Erz)Bistümer bzw. Bischofskonferenz Aufbereitung, Grafik, Copyright: fowid / sfe Noch nie sind in Deutschland so viele Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten wie im Jahr 2014. Die Zahl der Austritte sowohl aus der katholischen Kirche, als auch aus der evangelischen ist in Deutschland enorm gestiegen: Im Jahr 2014 traten 217.611 Menschen (ohne Militärseelsorge) aus der katholischen und reichlich 265.000 Menschen aus der evangelischen Kirche (geschätzte Hochrechnung, da noch nicht alle Landeskirchen ihre Zahlen für 2014 veröffentlicht haben) aus. Das sind mehr als im Jahr 2010, als viele Menschen die Kirchen wegen des Missbrauchsskandals verließen. Die Kirchenvertreter führen die steigende Zahl der Austritte unter anderem auf die Neuregelung des Kirchensteuereinzugs zurück. Seit Anfang 2015 leiten Banken und Sparkassen die Kirchensteuer auf Kapitalerträge automatisch an die Finanzämter weiter. Bisher war es der Ehrlichkeit des Steuerzahlers überlassen, ob er bei der Kirchensteuer seine Kapitalerträge angab. Die Frage der Geldinstitute nach der Konfessionszugehörigkeit, warf viele Fragen und Zweifel auf. Für viele Kirchenmitglieder sah es so aus, als seien die Kirchen noch gieriger nach Geld geworden. Die Beteuerung, dass es keine neue Steuer ist, konnte kaum glaubhaft vermittelt werden, weder in der Bank noch in der Öffentlichkeit. Das Bekanntwerden einer im Grunde marginale Änderung im Steuerrecht lässt bereits 2014 die Zahl der Kirchenaustritte nach oben schnellen. Der bayrischen evangelischen Landeskirche haben 28.400 Menschen den Rücken gekehrt. In Sachsen beträgt der Anstieg mehr als das Doppelte gegenüber dem Vorjahr, in der Anhaltischen Landeskirche sind es sogar dreimal so viele Austritte. Bei den katholischen Bistümern sieht es nicht anders aus: Köln hat zwar als einzige Diözese mehr als zwei Millionen Mitglieder, ist aber mit 19.500 Austritten nicht mehr die vitale Hauptstadt des Katholizismus. Immerhin vermeldet die weltliche Hauptstadt Berlin 2014 steigende Katholikenzahlen - 7.400 mehr als im Jahr 2012 – allerdings stiegen auch die Austritte von 5.000 (2012) auf 7.000 (2014). Besonders die zahlenmäßig kleinen (meist ostdeutschen) Bistümer haben prozentual mit hohen Austrittszahlen zu kämpfen. Erfurt, Magdeburg mit mehr als 75 Prozent Steigerung zum Vorjahr und etwas weniger Görlitz und Dresden-Meißen (reichlich 50 Prozent mehr). © fowid / Erstellungsdatum / Fassung vom 25.07.2015 / sfe 1 Kirchenaustritte evangelische und katholische Kirche Deutschland 2012-2014 Die evangelischen Landeskirchen hatten von 2012 zu 2013 im Vergleich zu den katholischen Bistümern eine geringere Steigerung der Austrittsrate (27,7 Prozent zu 51 Prozent). Im Folgejahr 2014 kehrte sich das Verhältnis nahezu um. Die Evangelischen hatten eine Steigerung zum Vorjahr von 51 Prozent zu verzeichnen und die Katholiken „nur” 22 Prozent. Von 2012 bis 2014 verließen insgesamt über 1,1 Mio. Menschen die beiden Großkirchen. Als Gründe wurden 2013 der verschwenderische Limburger Bischof Tebartz-van Elst angegeben und 2014 bietet u.a. die Kapitalertragsteuer den Anlass. Bereits im Jahr 1991, bei der Einführung des Solidaritätszuschlag, um die deutsche Einheit zu finanzieren, kam eine Austrittslawine ins Rollen. Die neue Sonderabgabe war damals ungefähr so hoch wie die Kirchensteuer. In der Folge traten 1992 fast 193.000 Katholiken und mehr als 360.000 Protestanten aus. Zwischen 1991 und 1995 war das für insgesamt mehr als 2,3 Millionen Menschen (838.000 Katholiken und 1,5 Mio. Protestanten) Grund genug, ihrer Kirche zu kündigen. Austrittszahlen (absolut) der Landeskirchen 2012 – 2013 - 2014 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 Quelle: Statistiken der EKD und Landeskirchen © fowid / Erstellungsdatum / Fassung vom 25.07.2015 / sfe Württemberg Westfalen Schaumburg-Lippe Sachsen Rheinland Ref. Kirche Pfalz Oldenburg Nordkirche Mitteldeutschland Lippische LK Kurhessen Hessen+Nassau Hannover Bremen Braunschweig BbsOL Bayern Baden Anhalt 0 Aufbereitung, Grafik, Copyright: fowid / sfe 2 Kirchenaustritte evangelische und katholische Kirche Deutschland 2012-2014 25.000 Austrittszahlen (absolut) katholische (Erz-)Bistümer 2012 - 2013 - 2014 20.000 15.000 10.000 5.000 Aachen Augsburg Bamberg Berlin Dresden-Meißen Eichstätt Erfurt Essen Freiburg Fulda Görlitz Hamburg Hildesheim Köln Limburg Magdeburg Mainz München+Freising Münster Osnabrück Paderborn Passau Regensburg Rottenburg-Stuttgart Speyer Trier Würzburg 0 Quelle: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz Aufbereitung, Grafik, Copyright: fowid / sfe Meistens jedoch geht dem Austritt aus einer Kirche ein langer Entfremdungsprozess voraus. Für den eigenen, bereits im Stillen gefassten Entschluss, ist ein offizieller Skandal dann der letzte Anlass, den Entschluss zu verwirklichen. Mitunter sind es auch die kleinen Ärgernisse, die den Entschluss zum Austritt befördern: eine unsensible Beerdigungsfeier, der etwas eigenwillige Pfarrer, der nicht erfüllte Patenwunsch bei einer Taufe, die Verweigerung einer Wiederheirat nach Scheidung, verlogene Sexualmoral eines Priesters, langweiliger Religionsunterricht und viele andere Gründe. Die jüngste Mitgliederbefragung der evangelischen Kirche (2014) lässt aber auch auf andere Ursachen schließen: Wer heute die Kirche verlässt, ruft auch nicht im stillen Kämmerlein nach Gottvater, Gottsohn oder dem Heiligen Geist. „Der dargestellte Trend eines deutlichen Rückgangs der religiösen Sozialisation lässt durchaus gravierende Veränderungen in der künftigen religiösen Landschaft der Bundesrepublik erahnen. Fehlende religiöse Erfahrungen, kombiniert mit abnehmendem religiösem Wissen, führen möglicherweise dazu, dass vielen (gerade jüngeren) Menschen ein Leben ohne Religion als selbstverständlich erscheint und dass dementsprechend die Bereitschaft, wiederum eigene Kinder religiös zu erziehen, erkennbar sinkt.” Ein tiefgreifender Grund scheint im Wandel des Selbstverständnisses der Menschen zu liegen. Die Menschen bestimmten früher ihre Identität durch die Zugehörigkeit zu ihrer Familie, zu ihrer gesellschaftlichen Klasse, zur Heimatregion, zu einer Kirche oder auch zu einer Partei. Diese Zugehörigkeiten haben sich bei den vorangegangenen Generationen kaum geändert. Heute wechseln viele Menschen Wohnort, Beruf und persönliches Umfeld mehrfach im Leben. Das Selbstwertgefühl kommt nun nicht mehr aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Die Menschen beziehen dies aus dem, was sie können und wollen, was sie ablehnen und wofür sie sich einsetzen. Dinge, die ihnen wichtig sind, ändern sich. Und Religion hat in diesem Umfeld keinen Platz mehr und scheint für viele verzichtbar. 3 © fowid / Erstellungsdatum / Fassung vom 25.07.2015 / sfe Kirchenaustritte evangelische und katholische Kirche Deutschland 2012-2014 Austrittszahlen - prozentuale Veränderung zwischen 2012 und 2014 0 50 150 200 250 300 350 400 450 405 Anhalt Sachsen Baden Mitteldeutschland Westfalen Braunschw eig Kurhessen Rheinland Lippische LK Ref. Kirche Hessen+Nassau Pfalz Württemberg Berlin-Brandbg-sOLausitz Hannover Nordkirche Bremen Bayern Oldenburg Schaumburg-Lippe Landeskirchen ges. Magdeburg Erfurt Görlitz Essen Paderborn Münster Aachen Dresden-Meißen Trier Mainz Speyer Köln Regensburg Bamberg Eichstätt Freiburg Rottenburg-Stuttgart Passau München+Freising Limburg Fulda Osnabrück Augsburg Hamburg Hildesheim Würzburg Berlin (Erz-)Bistümer ges. 100 162 122 116 113 107 101 97 95 93 93 87 85 84 83 80 80 78 68 67 93 172 158 139 121 110 109 107 100 99 94 89 85 85 83 81 80 80 79 78 78 77 75 73 70 65 59 40 84 Quellen: Angaben der Landeskirchen der EKD und (Erz)Bistümer bzw. Bischofskonferenz © fowid / Erstellungsdatum / Fassung vom 25.07.2015 / sfe Aufbereitung, Grafik, Copyright: fowid / sfe 4 Kirchenaustritte evangelische und katholische Kirche Deutschland 2012-2014 Quellen: • • • • • EKD Statistik https://www.nordkirche.de/nachrichten/nachrichten/detail/zahl-der-austritte-aus-der-kirchestark-gestiegen.html Deutsche Bischofskonferenz; Zahlen und Fakten idea-Spektrum 30.2015 http://www.ekd.de/EKD-Texte/kmu5_text.html © fowid / Erstellungsdatum / Fassung vom 25.07.2015 / sfe 5
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