Oberflächenanalytische Untersuchungen zu Metall

Kapitel 6
Zusammenfassung und Ausblick
Im Rahmen dieser Arbeit wurden zwei verschiedene Katalysatorsysteme im Hinblick darauf
untersucht, ob in ihnen Metall-Träger-Wechselwirkungen auftreten, die für die katalytische
Aktivität und Selektivität der Systeme von Bedeutung sein können. Wie im Einleitungskapitel
erläutert wurde, lassen sich die durch Metall-Träger-Wechselwirkungen induzierten Änderungen in der Struktur eines Katalysatorsystems in drei Gruppen einteilen:
Änderungen in der elektronischen Struktur des Metalls,
Änderungen in der Morphologie der Metallpartikel,
Bildung neuer katalytisch aktiver Zentren an der Metall-Träger-Grenzfläche.
Zur Untersuchung derartiger Effekte wurden in dieser Arbeit verschiedene physikalische Charakterisierungsmethoden eingesetzt: Die Photoelektronen-, die Ionenstreu- und die Infrarotspektroskopie. Die Ergebnisse der spektroskopischen Analyse werden im Folgenden zusammengefasst.
Im Fall der Ru/C-Katalysatoren war zu untersuchen, ob die hohe katalytische Aktivit ät des
Systems in der Ammoniaksynthese nach Promotierung mit Alkali- oder Erdalkalimetallen auf
einen Elektronentransfer vom Promotor zurückzuführen ist. Die durchgeführten photoelektronenspektroskopischen Untersuchungen zeigen, dass die Promotierung mit Alkalimetallen
unter reduzierenden, d.h. syntheseähnlichen Bedingungen tatsächlich einen Ladungstransfer
vom Promotor zum C-Träger induziert. Graphit wird zum synthetischen Metall und tr ägt zur
Erhöhung der Elektronendichte an der Ru-Oberfläche bei. Diese ist wiederum ausschlaggebend
für die katalytische Aktivität des Systems. Der elektronische Promotoreffekt, d.h. der Ladungstransfer vom Promotor zum C-Träger, ist umso ausgeprägter, je höher der Reduktionsgrad der
Alkali-Spezies ist. In diesem System konnten somit durch photoelektronenspektroskopische
Messungen Metall-Träger-Wechselwirkungen nachgewiesen werden, die zu Änderungen in der
elektronischen Struktur des Ru-Metalls f ühren und so die katalytische Aktivit ät des Systems
beeinflussen. Im Fall der Erdalkali-promotierten Katalysatoren lassen sich derartige MetallTräger-Wechselwirkungen nicht nachweisen. Es wird vermutet, dass hier strukturelle Effekte
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6 Zusammenfassung und Ausblick
für die katalytische Aktivität des Systems verantwortlich sind. Zum Nachweis solcher Effekte
sind jedoch die im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Methoden nicht geeignet. M öglich ist
allerdings auch, dass unter den Hochdruckbedingungen der industriellen Ammoniaksynthese
auch in diesem System Metall-Träger-Wechselwirkungen auftreten, die denen in den Alkalipromotierten Katalysatoren entsprechen. Die Klärung dieser Frage ist beim heutigen Stand der
Technik nicht möglich. Zu diesem Zweck müssten zunächst Methoden entwickelt werden, die
eine Analyse der elektronischen Struktur des Systems bei hohem Druck erlauben.
Da trotz des langjährigen Einsatzes von Cu/ZnO-Katalysatoren in der NiederdruckMethanolsynthese der Reaktionsmechanismus und vor allem die Struktur der aktiven Zentren
dieser Katalysatoren bis heute noch nicht vollst ändig aufgeklärt werden konnten, wurde im
Rahmen dieser Arbeit eine systematische Studie zur Detektion m öglicher synergistischer Effekte zwischen Metall und Träger durchgeführt, die für die katalytische Reaktion von Bedeutung sein könnten. Auf der Basis von photoelektronen-, ionenstreu- und infrarotspektroskopischen Experimenten wurde ein Strukturmodell aufgestellt, welches das Verhalten dieser Katalysatoren unter Reaktionsbedingungen beschreibt. Die Messungen zeigen, dass ein Teil des
ZnO unter den reduzierenden Bedingungen der Methanolsynthese auf die Oberfläche der CuPartikel segregiert. Zwischen den segregierten ZnO-Teilchen und den Cu-Partikeln entsteht
eine neuartige Grenzfläche. Die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Teilchen an dieser
Grenzfläche ermöglicht die Ausbildung von Sauerstoffleerstellen im ZnO. An der Grenzfl äche
existieren somit Zentren der Struktur Cu-ZnOx (x1). Ein Vergleich mit katalytischen Studien
lässt vermuten, dass diese neuen Zentren eine besondere katalytische Aktivit ät und Selektivität
aufweisen. In diesem System konnten somit Metall-Tr äger-Wechselwirkungen nachgewiesen
werden, die zum einen, wenn auch indirekt, durch die teilweise Bedeckung der Cu-Partikel
mit ZnOx (x1)-Teilchen Einfluss auf die Morphologie der Cu-Partikel nehmen. Zum anderen
führen die Metall-Träger-Wechselwirkungen zur Bildung neuer, vermutlich katalytisch aktiver,
Cu-ZnOx (x1)-Zentren an der Metall-Träger-Grenzfläche. Eine Änderung in der elektronischen Struktur des Cu-Metalls wird durch die Metall-Träger-Wechselwirkungen nicht induziert, die erhöhte Sauerstoffleerstellen-Konzentration im ZnO entspricht jedoch einer Änderung
der elektronischen Struktur des Trägers. Die Auswirkung dieser Effekte auf die katalytische
Aktivität und Selektivität des Systems muss in zukünftigen kinetischen Arbeiten im Detail untersucht werden.
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An dieser Stelle sei noch auf die Ähnlichkeit zwischen den ursprünglichen, von Tauster et al. [3] detektierten SMSI-Effekten in Hochtemperatur-reduzierten Edelmetall/TiO2Katalysatoren und den Segregationseffekten im Cu/ZnO-System unter den reduzierenden Bedingungen der Methanolsynthese hingewiesen. In beiden F ällen wandern Suboxid-Spezies
des Trägers, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, auf die Metalloberfläche und bedecken diese partiell. Die im Cu/ZnO-System detektierten Wechselwirkungen k önnen also als
Metall-Träger-Wechselwirkungen im ursprünglichen Sinn angesehen werden.
Zusammenfassend kann formuliert werden, dass sich durch die Kombination von
photoelektronen-, ionenstreu- und infrarotspektroskopischen Messungen in beiden untersuchten Katalysatorsystemen Metall-Träger-Wechselwirkungen unterschiedlicher Art nachweisen
lassen. Während die Metall-Träger-Wechselwirkungen im Alkali-promotierten Ru/C-System
Einfluss auf die elektronische Struktur nehmen, induzieren sie im Cu/ZnO-System Änderungen in der Morphologie und auch in der elektronischen Struktur des Systems, die zur
Ausbildung neuer Zentren an der Metall-Träger-Grenzfläche führen. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die katalytische Aktivität und Selektivität der untersuchten Systeme
durch die Metall-Träger-Wechselwirkungen entscheidend beeinflusst wird. Die spektroskopischen Arbeiten allein reichen aber nicht zum eindeutigen Nachweis derartiger StrukturEigenschafts-Korrelationen aus. Vor allem im Fall der Cu/ZnO-Katalysatoren muss daher in
zukünftigen kinetischen Arbeiten der Zusammenhang zwischen den durch die Metall-Tr ägerWechselwirkungen induzierten Strukturveränderungen und den katalytischen Eigenschaften
des Systems nachgewiesen werden. Dabei ist in jedem Fall der Einfluss des Pressure Gaps zu
berücksichtigen. Letztendliche Sicherheit bezüglich der Struktur-Eigenschafts-Korrelationen
können nur kombinierte Struktur- und Kinetikmessungen unter Synthesebedingungen liefern.
Da aber die Ammoniak- und die Methanolsynthese Hochdruckreaktionen sind, k önnen derartige Untersuchungen beim heutigen Stand der Technik noch nicht durchgef ührt werden.