Städtebauliche Verträge als Instrument für

Städtebauliche Verträge als Instrument für Energieplanung:
Beispiel Freiburg im Breisgau
Manfred Koblmüller (SIR), August 2015
1. RECHTSRAHMEN IN DEUTSCHLAND (BAUGESETZBUCH)
Städtebauliche Verträge: In der Bundesrepublik Deutschland gibt es ein einheitliches, bundesweit
geltendes Baurecht, das auch den raumordnungsrechtlichen Rahmen vorgibt. Im Baugesetzbuch wird
den Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, „städtebauliche Verträge“ mit Planungsbegünstigten
abzuschließen (§ 11 BauGB). Gegenstand eines städtebaulichen Vertrages kann insbesondere sein:
1. Übernahme der Kosten für vorbereitende Maßnahmen: z.B. Neuordnung der
Grundstücksverhältnisse, Bodensanierung, Erschließung, städtebaulichen Planungen
2. die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, u.a. hinsichtlich einer
Befristung, Berücksichtigung baukultureller Belange, die Deckung des Wohnbedarfs von
Bevölkerungsgruppen mit besonderem Bedarf
3. die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche
Maßnahmen entstehen oder entstanden sind
4. entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und
Zwecken die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen
Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren
Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung
5. entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und
Zwecken die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden.
2. POLITISCHER RAHMEN IN DER STADT FREIBURG
In der Stadt Freiburg im Breisgau gelten für Neubauten und neue Baugebiete politische Grundsätze,
die das Planverfahren, die Finanzierung und die Art der Bebauung inklusive der Art der
Energieversorgung betreffen. Diese „baulandpolitischen Grundsätze“ wurden am 30. Juni 2009 vom
Gemeinderat der Stadt beschlossen und zuletzt am 27. März 2012 geändert.
Die inhaltlichen Vorgaben der „baulandpolitischen Grundsätze“ werden in den verpflichtend
abzuschließenden städtebaulichen Verträgen bei allen Bauleitplanverfahren, die zusätzliche
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Baurechte schaffen, mit Planungsbegünstigten verbindlich vereinbart bzw. bei der Weitergabe von
städtischen Baugrundstücken in den Kaufverträgen festgelegt.
Planungsbegünstigte sind Personen, die durch die Bauleitplanung der Stadt ein neues Bau- oder
Nutzungsrecht für ihre Grundstücke oder Immobilien erhalten.
Finanzierungsregelung: Die von den Planungsbegünstigten in den Verträgen verlangten Leistungen
gelten als angemessen, wenn bei den Planungsbegünstigten zumindest ein Drittel der durch die
Planaufstellung bedingten Bodenwertsteigerung verbleibt. In jedem Fall müssen die
Planbegünstigten die Planungs- und Gutachterkosten, somit die Kosten für die nicht hoheitliche
Tätigkeit der Verwaltung sowie die Kosten für Erschließungs- und Ausgleichsmaßnahmen tragen.
2.1. ENERGETISCHE GEBÄUDESTANDARDS
In der Stadt Freiburg wird für Neubauten, die auf Basis einer Änderung im Bebauungsplan errichtet
werden, über einen städtebaulichen Vertrag bzw. über den Kaufvertrag für städtische
Wohnbaugrundstücke ein besonderer energetischer Gebäudestandard verbindlich vereinbart.
Dieser „Freiburger Effizienzhaus-Standard“ liegt deutlich unter den gesetzlichen Mindestanforderungen in Deutschland, definiert sich somit über einen Prozentsatz der in der
Energieeinsparverordnung (EnEV) vorgegebenen Maximalwerte für den Primärenergiebedarf.
Seit März 2012 liegt die Vorgabe für Wohngebäude bei 55 % des EnEV-Werts, für gewerbliche Bauten
mit überwiegender Büro- und Dienstleistungsnutzung bei 70 % des EnEV-Werts. Bei gemischt
genutzten Gebäuden richtet sich der anzuwendende Standard jeweils nach Anteil der Nutzung.
Über die Bebauungsplanung können weitere verpflichtende Energiestandards für Neubauvorhaben
festgelegt werden, bspw. die bautechnische Vorbereitung zur Solarenergienutzung auf flach
geneigten Dächern und eine dazu ergänzende Dachbegrünung. Festlegungen dieser Art finden keinen
Niederschlag in den städtebaulichen Verträgen, da sie bereits über ein hoheitliches
Planungsinstrument durchsetzbar sind.
2.2. ENERGIEVERSORGUNG VON BAUGEBIETEN
Nach dem baulandpolitischen Grundsatzbeschluss der Stadt Freiburg sind energetische,
insbesondere solare Aspekte bereits im Entwurfsstadium von Bebauungsplänen zu berücksichtigen.
Sofern in einer ersten Grobabschätzung verschiedene Versorgungsvarianten als prüfenswert erachtet
werden, sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen frühzeitig Energiekonzepte zu erstellen.
Diese „Energiekonzepte“ werden, so wie auch weitere im Rahmen der Bauleitplanung erforderlichen
Gutachten und Planungsleistungen, von der Stadt Freiburg an technische Planungsbüros vergeben
und inhaltlich betreut. Die Finanzierung dieser Leistungen erfolgt durch die Planungsbegünstigten.
Inhalt der Energiekonzepte:
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Prüfung von zentralen oder dezentralen Versorgungsvarianten
Prüfung unterschiedlicher Varianten zur Wärmeerzeugung (Alternative Energieträger oder
Wärmebereitstellungstechnologie)
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Prüfung des Anschlusses an bestehende Wärmenetze / Versorgungsanlagen bzw. der Errichtung
von gemeinschaftlichen Lösungen in Verbindung mit dem umliegenden Gebäudebestand
Kriterien bei der Alternativenbewertung:
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•
„Umweltverträglichkeit“ - Indikatoren: CO2-Emissionen, Vermeidung klassischer Luftschadstoffe,
Verwendung erneuerbarer Energieträger, Substitution von Strom aus Kernkraftwerken
„Wirtschaftlichkeit“ – Indikator: Kostendifferenz in Errichtung und Betrieb
In den städtebaulichen Verträgen bzw. in den Kaufverträgen bei der Weitergabe von städtische
Wohnbaugrundstücken wird festgelegt, dass die umweltverträglichste Variante des Energiekonzepts
umzusetzen ist, sofern diese wirtschaftlich mindestens gleichwertig oder nur unwesentlich teurer
(max. 10 Prozent) gegenüber einer vorab definierten Basisvariante ist.
3. BEISPIEL
Bauvorhaben Komturstraße, ehemaliger VAG-Betriebsbahnhof Nord, 1,8 ha Entwicklungsfläche
Städtebaulicher Vertrag aus dem Jahr 2006, abgeschlossen zwischen Stadt Freiburg und
Grundeigentümer (VAG – Verkehrsbetriebe der Stadt Freiburg); Verkauf an Siedlungswerk Stuttgart
GmbH, Realisierung von 190 Wohnbauten bis Sommer 2014; Energieversorgung über zentrale
Heizanlage, die über Holzpelletskessel und thermische Solaranlage betrieben wird: ContractingVereinbarung mit badenova, beauftragt für Errichtung und Betrieb der Wärmeversorgung
Bild: Stadt Freiburg
Bild: Siedlungswerk
Inhalte des städtebaulichen Vertrags (Auswahl):
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Übernahme der Kosten für die anfallenden Gutachten (inkl. Energiekonzept mit Varianten)
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Übernahme der Kosten für die städtebauliche Planung
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Übernahme der Freiburger Niedrigenergiehaus-Bauweise Standard 2005
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Umsetzung der vereinbarten Ergebnisse des Energiekonzepts (erstellt von der Energieagentur
Regio Freiburg, 2006 – siehe unten): Aufbau und Betrieb einer Nahwärmeversorgung mit
entweder der Variante Erdgas-BHKW mit Spitzenlastkessel oder mit der Variante mit zwei
Holzpelletskessel durch den Planungsbegünstigten bzw. dessen Rechtsnachfolger
•
Empfehlung zur Solarnutzung: Bei der Holzpelletsheizung bietet sich einen Kombination mit
solarthermischer Unterstützung an. Sollte keine solarthermische Unterstützung machbar sein,
ist eine PV-Anlage für die Dachflächen umzusetzen, falls wirtschaftlich
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Planung und Herstellung der öffentlichen Erschließungsanlagen und Grünflächen durch die
Grundstückseigentümerin
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Maßnahmen im geförderten Wohnungsbau: 30% der neu zu erstellenden Wohnfläche ist
geförderten Wohnungsbau (inkl. Baugruppen) vorzusehen
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Vertragsstrafe bei Nichterfüllung der Verpflichtungen zum Wohnungsbau
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Verpflichtung zur Übernahme eines Wohnungsmixes
Energiekonzept:
Die Energieagentur Regio Freiburg erstellte für das Projektvorhaben in Zusammenarbeit mit der VAG
und der Stadt ein Energiekonzept. In der Studie wurden für das Bebauungsplangebiet, in dem alle
Gebäude nach Niedrigenergiehaus-Standard 2005 zu errichten sind, folgende Varianten untersucht:
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Dezentrale Erdgasheizkessel je Gebäude
eine zentrale Wärmeversorgung durch Heizzentrale mit Holzheizkessel für Grundlast und
Gasspitzenlastheizkessel,
Erdgasspitzenlastheizkessel mit Blockheizkraftwerk (Gas) für die Grundlast
Heizzentrale nur mit dem Energieträger Holz.
Zusätzlich wurde die Möglichkeit einer Unterstützung der Wärmeversorgung durch eine oder
mehrere Solarthermie-Systeme untersucht.
Das Gutachten empfiehlt die zentrale Wärmeversorgung des Gebiets über eine Heizzentrale. Beide
Varianten, d.h. eine Heizzentrale und Nahwärmeversorgung auf Basis Holz oder über einen Gaskessel
mit Blockheizkraftwerk haben Vorteile gegenüber einer Einzelbeheizung mit Erdgaskesseln. Sie
wurden deshalb zur Umsetzung vorgeschlagen, ein entsprechende Festsetzung ist Bestandteil des
städtebaulichen Vertrages zwischen der Stadt Freiburg und dem Planungsbegünstigten VAG.
4. SCHLUSSFOLGERUNGEN
In Deutschland können Gemeinden durch den Abschluss städtebaulicher Verträge mit Planungsbegünstigten energieplanerische Festlegungen verankern, die über die klassischen Raumordnungsinstrumente wie Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanung nicht festsetzbar sind. Damit können
Klimaschutzziele und langfristig wirksame Energieplanungen in Stadtentwicklungsgebieten
unterstützt werden.
In Österreich stellt diese Form von städtebaulichen Verträgen Neuland dar. Städten und Gemeinden
sowie den für das Raumordnungsrecht zuständigen Institutionen in den Bundesländern wird
empfohlen, sich mit diesem privatrechtlichen Instrument verstärkt auseinanderzusetzen, weil es
wirksame Lösungen für eine zukunftsorientierte Stadtplanung mit Energiebezug bietet.
Erstellt im Rahmen des Programms klimaaktiv erneuerbare wärme, auf Grundlage der Exkursion klimaaktiv erneuerbare
wärme Winterthur / Freiburg, 8.-10. Juni 2015; Quellen: Babette Köhler, Stadtplanungsamt Freiburg; Robert Voggesberger,
Abteilung Umweltplanung, Stadt Freiburg; Udo Schoofs, Energieagentur Regio Freiburg
Autor: DI Manfred Koblmüller, Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen (SIR), August 2015
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