Vom Luftikus zum Macher

Foto: Mathias Kasuptke IdeenGut
Gert Schuber
Vom Luftikus zum Macher
HALBERSTÄDTER GESICHTER: Gert Schuber wäre am liebsten Fußballer geworden. Doch das Leben hatte
einen anderen Weg vorgesehen. Leicht war der nicht. Heute ist der 55-Jährige Chef einer der größten
Steuerberatungsgesellschaften im Landkreis Harz. Ein Sportler ist er dennoch geblieben.
D
as Gebäude macht Eindruck. Die
1900 erbaute klassizistische Stadtvilla am Käthe-Kollwitz-Park ist
architektonisches Selbstbewusstsein. Das Foyer
des Hauses strotzt einem Ehrfurcht ab. Schweres Holz vom Boden bis zur Decke, sensibel
restauriert. Eine geschwungene Treppe führt
in den ersten Stock, die Empore gibt den Blick
frei. Hier residiert man.
So hochherrschaftlich der Sitz der Steuerberatungsgesellschaft Schuber & Partner auch
scheint, der Namensgeber ist alles andere als
das. Gert Schuber empfängt locker. Die Kra-
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MARTINI
watte wird erst zum Foto umgebunden. Im Ledersessel seines Büros muss man keine Haltung
bewahren. Man sitzt bequem. Auch daran erkennt man erfolgreiche Geschäftsmänner.
Doch der Erfolg ist hart erarbeitet. Gert Schuber zählt mit seinem Team laut Focus-Money
zu den Top 100 Steuerberatungsgesellschaften
in Deutschland. Die einzige in Sachsen-Anhalt
in dieser Klasse. Auf einem zehn Jahre alten
Foto sind die Haare noch dunkel. Heute dominiert das Grau. Stress statt Silberspülung. „Ich
habe viel gearbeitet“, wird er irgendwann während des Gesprächs ganz nebenbei sagen. Da-
mit meint er nicht nur die letzten zehn Jahre.
Groß geworden ist Gert Schuber in der Johann-Sebastian-Bach-Straße. Er ging in die
Marx-Engels-Schule, galt als interessiert und
strebsam. Die Gegend rund um die Schule
war sein Revier. Nach der Schule drehte sich
alles ums Fußballspielen. „Ich war ein Luftikus,
träumte von einer Sportlerkarriere.“
Nach der 8. Klasse wechselte er dann zur EOS
an den Johannisbrunnen, dem heutigen Martineum, wo er sein Abitur machte. Zwei Jahre
später kam der erste Bruch in seinem Leben.
Die Familie zog nach Harsleben. Der 16-Jäh-
rige musste natürlich mit. Vater und älterer
ihn an, in den Folgejahren zahlreiche QualifizieBruder arbeiteten in der dortigen LPG. Mit
rungen und Abschlüsse zu machen. „Ich hatte
Fahrrad und Moped ging es für Gert täglich
außerdem viel Unterstützung und konnte mich
nach Halberstadt zur Schule und zum Fußballso relativ schnell in die Materie einarbeiten.“
training.
Er hatte keine Angst vor dem neuen Steuerrecht
Der Traum, eines Tages Sport zu studieren,
und scheute auch das Risiko nicht. „So wurde
zerschlug sich jedoch. Das Leben in Harsleben
ich langsam Herr der Lage.“ Sechs bis sieben
hatte Spuren hinterlassen. In den Ferien jobbte
Jahre ließ er sich Zeit, machte weitere Abschlüser in der LPG, mit 18 konnte er Mähdrescher
se und kaufte 1998 aus der niedersächsischen
fahren. Nach anderthalb Jahren Armeedienst
Kanzlei die Steuerabteilung raus.
ging er nach Halle und studierte PflanzenFür Gert Schuber war das der Start in ein neues
produktion. „Aus heutiger Sicht habe ich den
Leben. Er lernte seine zweite Frau Anett kennen,
Schritt nicht bereut, auch wenn ich damals dem
zog nach Rieder und eröffnete in Halberstadt
Sport schon sehr nachgetrauert habe.“
seine eigene Kanzlei. Ein Einzelkämpfer wollte
Nach dem Studium ging es zurück nach Harser jedoch nie sein. „Angesichts des vielfältigen
leben in die LPG. Viel Zeit zum Einarbeiten
Steuerrechts kann man nur mit Partnern eine
nach dem Studium hatte er nicht. Als 1984 der
hohe Beratungsqualität erlangen“, ist er überVater überraschend starb, war Gert Schuber
zeugt. Anja Keidel war seine erste Geschäfts27 Jahre alt. Er rutschte auf die Position seines
partnerin. Mit Erik Gebauer, Sandra Rieke und
Vaters und wurde Hauptbuchhalter der LPG.
Jens-Uwe Dreiling sind in den vergangenen
„Ich war für diese Aufgabe sehr jung und hatte
zehn Jahren drei weitere Gesellschafter hinzusehr viel Verantwortung“, räumt er heute nachgekommen. Insgesamt beschäftigt Schuber &
denklich ein.
Partner mehr als 20 Mitarbeiter.
Leicht hatte es Schuber damals nicht. Die
Gert Schuber scheint heute seinen Erfolg zu
Harsleber LPG war
genießen. Man spürt,
zu DDR-Zeiten ein
dass er niemandem etVorzeigebetrieb. Und
was vormachen muss
„In der Jugend habe ich
dann so ein junger
und will. Tischlermeisnichts ausgelassen, aber mit
Hauptbuchhalter.
ter Frank Bögelsack
„Da haben einige
hat einmal über Gert
der Verantwortung packte
schief geguckt.“ SchuSchuber gesagt, dass er
mich der Ehrgeiz.“
ber lies sich dennoch
ihm viel zu verdanken
nicht beirren, rackerte
hat. „Er hat mich, als
auf dem neuen Posten, erarbeitete sich die Anerwir uns kennen lernten, oft kritisert, mich damit
kennung. Er engagierte sich in der Vereinigung
aber immer wieder motiviert und angetrieben.
der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB), saß für
Heute sind wir Freunde.“
diese auch im Magdeburger Bezirkstag. „In der
Die Methoden von Gert Schuber sind unkonJugend habe ich nichts ausgelassen, aber mit der
ventionell. Er ist ein Sportler, er motiviert, er
Verantwortung packte mich der Ehrgeiz.“
will kämpfen und fordert andere. Einige sagen
Doch zufrieden war er nie. Schuber war schon
ihm eine gewisse „Bauernschläue“ nach. Er
immer ein unruhiger Geist. Vieles trieb ihn um.
selbst hasst Zwänge, er braucht EntfaltungsDer Enge der LPG wurde er schnell überdrüssig.
möglichkeiten. Ideen sind das Salz in seinem
„Ich merkte, dass ich dort an Grenzen stieß.“
Berufsleben.
Schuber wollte raus, am liebsten ins Ausland.
Er überlässt nichts dem Zufall. Die Sorge um
Sein Wunsch war es, in einem afrikanischen
den Nachwuchs und gute Mitarbeiter treibt ihn
Land zu helfen. Er stellte Anträge, wollte an
seit geraumer Zeit um. Doch Schuber wartet
irgendeine Botschaft wechseln. Das war 1988.
nicht, bis etwas passiert. Er tut etwas. Seit Jahren
Die Staatssicherheit hatte bei der Bearbeitung
arbeitet er mit dem Käthe-Kollwitz-Gymnasium
keine Eile. Die Anträge blieben liegen, warum
in seiner Nachbarschaft zusammen. „Jugend &
auch immer. „Heute sage ich: zum Glück.“
Wirtschaft“ heißt die Initiative, die dort SchüSo kam der Herbst 89, die Grenzen öffneten sich
lerfirmen betreut.
von allein und Gert Schuber wusste, dass seine
Den Landkreis Harz will er einen und voranChance gekommen war. Vom neuen Steuerrecht
treiben. Deshalb wird er jetzt auch noch einen
hatte er zwar nicht viel Ahnung, er wusste aber
sportlichen Vergleich initiieren. „Ein Triathlon
bald, dass es dort einen großen Bedarf geben
in Halberstadt, an dem alle Gymnasien des
könnte. Schuber warf bei der LPG alles hin und
Landkreises Harz teilnehmen“, erklärt er. Wie
sattelte um. Machte 1990 einen Abschluss zum
in Amerika sollen die Schüler stolz sein auf ihre
„Helfer in Steuersachen“ und sich am 1. Juli
Schule, „dann erinnern sie sich auch an sie.“
1990 mit der Einführung der D-Markt selbstänRegionale Bindung nennt das Schuber. Auch
dig. Als freier Mitarbeiter arbeitete er für eine
wenn er mit seiner Familie seit vielen Jahren in
niedersächsische Wirtschaftsprüfungskanzlei,
Rieder bei Quedlinburg lebt, schlägt in seiner
die in Halberstadt eine Dependance eröffnet
Brust ein Halberstädter Herz. Tochter Vivian
hatte.
fährt täglich mit ihm hierher zur Schule. Seine
Doch Schuber wäre nicht Schuber, wenn er sich
Kanzlei ist mitten in seinem alten Revier.
damit zufrieden gegeben hätte. Der Ehrgeiz trieb
Mathias Kasuptke
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