Lawinen Seite 8 Weihnachten im Warmen Seite 12 Mit der Heizung

Berghilf-Ziitig
NUMMER 90 WINTER 2015
Mit der Heizung Geld verdienen Seite 4 Keine Angst mehr vor
Lawinen Seite 8 Weihnachten im Warmen Seite 12
AZB
CH-8027 Zürich
PP/Journal
Post CH AG
2
EDITORIAL
INHALT
4
Eigentlich brauchte Familie
Fahrni nur eine neue Heizung.
Jetzt verkauft sie Wärme an
mehr als ein Dutzend Häuser.
Die Wärmelieferanten
Gelebte Solidarität
Liebe Freunde der Schweizer Berghilfe,
liebe Leserinnen und Leser
Ovronnaz 2013
Berninapass 2001
Grindelwald 1999
Säntis 1991
Robiei 1986
Simplon Dorf 1972
4 m
3 m
2 m
1 m
235 cm
5 m
685 cm
645 cm
6 m
373 cm
7 m
Schweizer Schneehöherekord 816 cm
8 m
250 cm
Mehr über einzelne dieser Projekte lesen Sie in dieser
«Berghilf-Ziitig» – zusammen mit 129 999 anderen.
Bosco Gurin 1951
Denn nur dank dieser Solidarität der Städter mit den Berglern
kann die Berghilfe jedes Jahr über 500 Projekte im gesamten
Schweizer Berggebiet unterstützen. Wir ermöglichen neue
Ställe, Sanierungen von Wohnbauten, touristische Initiativen
und gewerbliche Weiterentwicklungen. Damit helfen wir
jedes Jahr unzähligen Familien, ihre Zukunft zu sichern,
schaffen Arbeitsplätze und treten der Entvölkerung der Berggebiete entgegen.
Schneerekordhöhen in den Bergen
430 cm
Zeitungen definieren sich gerne über ihre Auflage. Der «Blick»
kommt auf 158 000, der «Tages-Anzeiger» auf 157 000 und
«24 heures» auf 60 000. Die «Berghilf-Ziitig» hat eine Auflage
von 130 000 Exemplaren. Darauf sind wir stolz. Nicht, weil
wir besonders eitel wären. Sondern, weil der Grossteil der
Leser auch Spender der Schweizer Berghilfe sind. Eine hohe
Auflage bedeutet also viele Spenderinnen und Spender.
Sehr viele Frauen, Männer und Familien aus den Städten
und Agglomerationen unterstützen die Schweizer Berghilfe
regelmässig. Und das ist eine gute Nachricht für die Bergbevölkerung.
0 m
Willy Gehriger
Präsident des Stiftungsrats
Der Winter hat gerade mal begonnen. Wie er sich entwickelt, ist noch völlig
offen. Wird er schneereich? Bleibt es bis weit hinauf grün? Wahrscheinlich wird es
kaum so viel Schnee geben wie im Jahr 1991. Damals lag auf dem Säntis eine
Schneedecke von 8,16 Meter Dicke – Schweizer Rekord. Solche Zahlen sind zwar
eindrücklich. Doch wer in den Bergen lebt, bevorzugt eher gemässigten Schneefall. Denn viel Schnee bedeutet vor allem eines: viel Arbeit.
Quelle: WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF
Impressum
Herausgeber Schweizer Berghilfe, Soodstr. 55, 8134 Adliswil, Tel. 044 712 60 60, www.berghilfe.ch Leitung Max Hugelshofer (max) Redaktion Isabel Plana (ip) Layout
Exxtra Kommunikation, Zürich Produktion, Korrektorat und Druck gdz, Zürich Fotografie Yannick Andrea Bildrechte Max Hugelshofer (S. 2, 3, 10, 11, 12, 13, 18), Isabel Plana
(S. 14, 15) Erscheinungsweise Die «Berghilf-Ziitig» erscheint 4 x jährlich in deutscher und französischer Sprache Abonnement 5 Franken pro Jahr sind in der Spende enthalten
Gesamtauflage 130 000 Exemplare
Berghilf-Ziitig 4_ 2015
3
8
Lawine ist
gebändigt
Ein sorgenvoller Blick den
Hang hoch gehörte zum
Alltag von Familie Häfliger.
Dank einer Lawinenverbauung gehört das der
Vergangenheit an.
11
Reiten im Jura
Maude Valceschini baut
im Vallée de Joux eine
«Manège» für ihre Pferde.
10
Projektstandorte dieser Ausgabe
Mauer von Dauer
Die Trockensteinmauer
oberhalb des Kräutergartens
von Cornelia Josche ist
mehr als 1000 Jahre alt.
Um einen Wildschutzzaun
aufnehmen zu können,
musste die Mauer nun
saniert werden.
1Les Bioux/VD Seite 11
6
2 Icogne/VS Seite 14
7
3Unterlangenegg/BE Seite 4
4
4 Romoos/LU Seite 8
5 Gerra Verzasca/Ti Seite 13
6 Fischingen/TG Seite 11
7 Hundwil/AR Seite 12
8Guarda/GR Seite 10
8
3
1
2
5
4_ 2015 Berghilf-Ziitig
4
R EP O R TAG E
FERNWÄRMEANLAGE IN UNTERLANGENEGG/BE
Wärme aus dem
eigenen Wald
Beim Baggern in der Schnitzelhalle ist der kleine Lorin meistens mit dabei.
von Max Hugelshofer
Eigentlich brauchte Adrian Fahrni nur dringend eine
neue Heizung für sein altes Bauernhaus. Heute liefert er
Wärme an 13 weitere Gebäude. Aus der Not hat der
innovative Bergbauer eine Geschäftsidee entwickelt,
die zu einem wichtigen Standbein geworden ist.
Berghilf-Ziitig 4_ 2015
D
ie Motorsäge verstummt. Ein Knarren. Dann fällt die Buche mit lautem Knirschen um – und bleibt in
der Krone eines anderen Baumes hängen.
Adrian «Ädu» Fahrni springt aus dem
Traktor raus, mit dessen Seilwinde er die
Buche daran gehindert hat, talwärts zu
fallen. Läuft die paar Schritte zur Krete.
«Was isch?», ruft er den steilen Abhang
hinunter. «Blöd isch», tönt es zurück.
R EP O R TAG E
5
Zwischen Emmental und Berner Oberland gelegen –
das Dorf Unterlangenegg.
Holzes als Bauholz verkaufen», so Ädu.
Der Rest blieb früher weitgehend ungenutzt. Seit 2011 ist das anders. Denn damals konnte Ädu nach langer Planung
endlich seine Holzschnitzelheizung in Betrieb nehmen.
«Typisch, immer wenn jemand zuschaut,
läuft alles schief», knurrt Ädu. Am liebsten
würde er die Buche einfach hängen lassen, wo sie ist. Aber das geht natürlich
nicht. Viel zu gefährlich. Und ausserdem
sieht er jetzt, nachdem er mit einer Hand
am Stahlseil den verschneiten Steilhang
hinuntergeklettert ist, dass der Stamm
der Buche von bester Qualität ist. Darauf
will er nicht verzichten.
Idee verselbständigt sich
Es war im Jahr 2008, als Ädu mit seiner
Frau Anne den Betrieb übernahm, den
sein Vater zuvor gemeinsam mit Ädus
Onkel geführt hat. Eine Sanierung des
alten Bauernhauses war unumgänglich.
Auch eine neue Heizung musste her. Dass
es eine Holzheizung sein sollte, war von
Im Winter verbringt Ädu einen grossen
Teil seiner Zeit im Wald. Beim Holzen hilft
ihm oft sein Freund Fippu, mit dem er
früher bei einem Tiefbauunternehmen zusammengearbeitet hat. Manchmal greift
auch sein Bruder zur Motorsäge. Früher
haben die teils an steilen Hängen gelegenen Wälder der Familie Fahrni viel Arbeit,
aber kaum Ertrag eingebracht. «Ich kann
vielleicht ein Viertel des geschlagenen
Anfang an klar. Aber was für eine? Bald
fing Ädu an, mit einer Schnitzelheizung
zu liebäugeln. Da könnte man gleich auch
das Stöckli anhängen. Ädu erzählte in
der Nachbarschaft von seiner Idee, und
kurz darauf fragte die Kirche von vis-à-vis
an, ob man deren Gebäude nicht auch
an die neue Schnitzelheizung anhängen
könnte. Klar, das würde die hohen Investitionen eher rechtfertigen, dachte Ädu
und machte sich ans Planen. Noch während er über Prospekten brütete und
Pläne zeichnete, kamen weitere Interessenten dazu. Einfamilienhäuser, die ehemalige Käserei, die nun einen Dorfladen
beherbergt. Ädu fing an, in der Holzschnitzelanlage nicht nur eine Lösung für sein
Heizungsproblem zu sehen, sondern eine
Verdienstmöglichkeit.
Der Baum hängt fest. Nach oben bringt
man ihn nie. Also muss er nach unten aus
dem Hang raus. Zu Fuss eine Sache von
einer Minute klettern. Mit dem Traktor
und der Seilwinde heisst es aber, zur Überlandstrasse tuckern, die ins Tobel runter
Hier ist die Fernwärmeanlage untergebracht. Das Gebäude wird zudem als Remise genutzt.
4_ 2015 Berghilf-Ziitig
6
R EP O R TAG E
aurant Kreuzweg
Rest
Ho
hnitzelheizun
lzsc
g
hnhaus Fahrni
Wo
hgemeindehaus
Kirc
Fernwärmeanlage
Unterlangenegg
aus
es H
r
e
t
wei
So funktioniert eine Holzschnitzelheizung
4
1
2
5
3
Berghilf-Ziitig 4_ 2015
1 Holzschnitzellager
2 Heizungskessel
3 Entaschung
4 Entaschung Rauch
5 Boiler/Speicher
R EP O R TAG E
7
führt, von dort aus über Felder dem Bach
nach bis zur Stelle unterhalb der festgesessenen Buche. Mit dem Stahlseil der
Winde in der Hand geht es quer über
den Bach. Der ist tiefer als gedacht, das
eiskalte Wasser läuft von oben in die
wasserdichten Bergschuhe rein.
Drei Jahre nach der ersten Idee war es
soweit: Ädu konnte ein erstes Mal einheizen. In der Zwischenzeit hatte er viel
gebaut. Einen Schopf für die ganze Anlage, samt Unterstand für das Holzschnitzellager. Und natürlich viele Leitungen.
Denn es sind laufend neue Abnehmer dazugekommen. Weitere Einfamilienhäuser,
das Gemeindehaus. Das Projekt wurde
immer grösser, damit potenziell rentabler.
Aber auch die Investitionen wurden immer höher. Obschon Ädu als ehemaliger
Maschinist und Baggerführer alle Leitungsarbeiten selbst machen konnte,
kam er finanziell an die Grenzen. Die junge
Familie verschuldete sich, soweit es die
Banken zuliessen, steckte das gesamte
Ersparte in das Projekt. Aber es reichte
trotzdem nicht. Erst als die Schweizer
Berghilfe ihre Unterstützung zusagte,
konnten sie aufatmen. Ädu: «Ich bin extrem dankbar für diese Hilfe. Ich weiss
nicht, wie es sonst weitergegangen wäre.»
«Es läuft nie alles rund»
Bis der Stamm endlich dort ist, wo er sein
soll, vergeht der ganze Vormittag. Auch
Fippus Füsse werden eingeweicht, die
Kupplung der Seilwinde leidet, weil derart
Ädu und sein Freund Fippu sind ein eingespieltes Team.
viel Kraft nötig ist, den Stamm vom
Wurzelstock zu reissen. Doch die beiden
schaffen es. Und ihre gute Laune lassen
sie sich trotz einiger Rückschläge nicht
vermiesen. «Klar, normalerweise hätten
wir in dieser Zeit ein Dutzend Bäume
gefällt und entastet», sagt Ädu. «Doch
beim Holzen gehört es dazu, dass mal etwas nicht rund läuft. Da darf man sich
nicht aufregen.»
Im Gegensatz zum Holzen bedeutet der
Betrieb der Schnitzelheizung wenig Arbeit. Ädu muss dafür sorgen, dass die
Schnitzelberge schön gleichmässig abgebaut werden und wieder nachwachsen.
Alle paar Wochen muss der Aschebehälter
geleert werden. Das warʼs. Am Anfang
verbrachte Ädu deutlich mehr Zeit im
Heizungsschopf. «Die Technik ist sehr
ausgeklügelt. Bis du da richtig drauskommst, dauert es eine Weile.» Nächtelang sass er vor dem Touchscreen, spielte
mit Belüftung, Zufuhrmenge und Verbrennungstemperatur, um einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erzielen.
Verkompliziert wird die Sache durch den
Umstand, dass Ädu ganz bewusst auch
minderwertiges Holz verbrennt. Etwa von
Gebüschen und Bäumen an den Strassenrändern, welche die Männer vom Strassenunterhalt bei ihm abliefern. «So kann
ich ausschliesslich mit Holz aus der
Umgebung heizen», sagt der 36-Jährige.
«CO2-neutral und umweltfreundlich.»
Rohstoff statt Abfall
Der Tag im Wald hat doch noch ein erfreuliches Ende genommen. Sobald die
Problem-Buche erst einmal erledigt war,
ging es ruckzuck weiter. Die Ausbeute
des Tages steht nun am Waldrand. Eine
kleine, säuberlich aufgeschichtete Beige
Stämme, die man als Bauholz nutzen
kann, und ein grosser, etwas unordentlicherer Berg Holz, der später direkt hier
im Wald zu Schnitzeln verarbeitet wird.
Früher wäre es Abfall gewesen, heute ist
es ein wertvoller Rohstoff.
www.berghilfe.ch/unterlangenegg
Ädu Fahrnis Heizung verträgt auch minderwertiges und nicht ganz trockenes Holz.
Dafür muss sie häufiger geputzt werden.
4_ 2015 Berghilf-Ziitig
8
R EP O R TAG E
PRIVATE LAWINENVERBAUUNG IN ROMOOS/LU
Die Lawinen
im Griff
Hält der Schnee? Rutscht er? Der Winter
war jahrzehntelang eine unsichere Zeit für
Familie Häfliger. Eine Lawinenverbauung
aus 100 «Ogi-Böcken» macht die Zufahrt zu
ihrem Bergbauernbetrieb nun sicher.
Berghilf-Ziitig 4_ 2015
R EP O R TAG E
9
von Max Hugelshofer
B
ei solchem Wetter wie heute hatten wir immer ein ungutes Gefühl»,
erinnert sich Ruedi Häfliger. Der
Wind weht um das kleine Wohnhaus, das
am steilen Hang klebt, die Sicht beträgt
gerade mal zehn Meter. Das Haus selbst
und der Stall stehen zwar sicher, aber die
Zufahrt wurde regelmässig von kleinen
Lawinen verschüttet. Wenn jeweils eine
grosse Menge Schnee herunterkam,
waren Häfligers oft tagelang von der Aussenwelt abgeschnitten, bis eine Schneeschleuder die Strasse wieder öffnen
konnte. Verletzt wurde zum Glück nie jemand. Aber einen Schrecken haben Ruedi
und seine Frau Agnes ein paar Mal bekommen. «Einmal war ich im Stall und hörte
die Lawine kommen. Ein paar Minuten
später bin ich rausgegangen zum Nachschauen. Da sah ich auf der anderen
Seite des Kegels Reifenspuren, die in der
Lawine verschwanden», erinnert sich
Ruedi. «Der Pöstler!», sei ihm durch den
Kopf geschossen. «Den hat es runtergerissen.» Sofort kletterte Ruedi so weit es
ging den steilen Hang unterhalb der
Strasse hinunter. Aber wegen der schlechten Sicht entdeckte er nichts. Lag der
gelbe Fiat Panda irgendwo dort unten
im Wald? Ein Anruf in der Beiz im Dorf
unten brachte die Entwarnung. Dort
sass der Pöstler beim Mittagessen. Als er
den Lawinenkegel sah, hat er den Rückwärtsgang eingelegt und ist in seiner
eigenen Spur wieder bergab gefahren.
Darum sah es so aus, als höre die Spur in
der Lawine auf. «Ich war unglaublich erleichtert», so Ruedi.
100 «Ogi-Böcke» verhindern, dass am steilen Hang
der Schnee ins Rutschen kommt.
Viel Schnee ist keine Seltenheit unterhalb des Napfs. Häfligers Zufahrtsstrasse wird vom Nachbarn gepflügt.
Nach diesem Erlebnis war für Ruedi und
Agnes klar: Wir müssen etwas unternehmen, bevor doch noch etwas geschieht.
Sie setzten sich mit Gemeinde und Kanton in Verbindung. Aber an beiden Stellen
hatte man keine Ahnung. Lawinenverbauungen braucht man im Kanton normalerweise nicht. Die Luzerner Ämter holten
sich Hilfe auf der anderen Seite des Napfs,
bei den Bernern. Und bald war klar, dass
die Lösung für das Problem der «Ogi-Bock»
war. Ein Dreieck aus Holz, in ganz bestimmtem Winkel im Hang verankert, benannt nach seinem Erfinder, dem Vater
von alt Bundesrat Adolf Ogi. 100 Stück davon waren nötig, um den Hang bei
Häfligers zu sichern. Die Ogi-Böcke sind
simpel und vergleichsweise günstig. Den
Hang zu sichern kostete insgesamt
aber doch gut 30 000 Franken. Den grössten Teil der Kosten würden Kanton und
Gemeinde übernehmen, aber knapp die
Hälfte davon blieb an Häfligers hängen.
Zu viel für die Bergbauern. «Wir haben
praktisch kein Erspartes. Und seit Ruedi
vor ein paar Jahren eine schwere Lungenkrankheit hatte und seither den Heustaub
im Stall nicht mehr verträgt, sind auch
unsere Einnahmen etwas zurückgegangen», so Agnes. Seit Ruedis Therapie und
Genesung teilen sich die beiden die Arbeit
in Haushalt und Stall. Weil eine Beibehaltung der Rinderhaltung aber zu streng
und arbeitsintensiv gewesen wäre, stellten sie auf Schafe um. «Wir hatten schon
lange ein paar Schafe, und ich kam mit
ihnen immer gut klar», sagt Agnes. Heute
blöken im ehemaligen Kuhstall ungefähr
65 Muttertiere und nach Weihnachten
auch ihre Lämmer. «Die Schafe geben uns
im Winter viel Arbeit, aber dann haben wir
ja Zeit für sie», sagt Agnes.
Grosse Erleichterung
«Uns gefällt die neue Arbeit, und wir
kommen auch gut über die Runden, aber
übrig bleibt nicht viel am Ende des
Monats», so Agnes. Ohne Unterstützung
würde der Traum von der sicheren Zufahrt
also ein Traum bleiben. Häfligers fragten
bei der Schweizer Berghilfe an, mehr als
ungewiss, ob ihr Gesuch bewilligt werden
würde. «Ich habe mal irgendwo gehört,
dass die Berghilfe keine Lawinenverbauungen unterstützt», sagt Agnes. Umso
grösser war die Erleichterung, als der
positive Bescheid kam. Normalerweise
ist der Lawinenschutz Aufgabe der öffentlichen Hand, und die Berghilfe leistet
tatsächlich keine Unterstützung. Wenn
aber wie bei Häfligers Private auf Restkosten sitzen bleiben, dann hilft die
Berghilfe auch bei Lawinenverbauungen.
Zum Glück für Häfligers. Denn sie geniessen es, endlich ohne Angst zu ihrem
Haus und wieder wegfahren zu können –
auch wenn sie es sich wohl ihr Leben
lang nicht abgewöhnen können, auf den
früher gefährlichen fünfzig Metern immer
den Hang im Blick zu haben. Und das
Schönste: «Jetzt sieht es sogar so aus,
als ob unser Sohn mit seiner Frau den
Betrieb doch übernehmen wird. Wegen
der Lawinensituation waren sie vorher
immer skeptisch.»
www.berghilfe.ch/romoos
4_ 2015 Berghilf-Ziitig
10
PA N O R A M A
Cornelia Josche arbeitet täglich in ihrem Kräutergarten unterhalb des Schellenursli-Dorfs Guarda im Engadin.
SANIERUNG EINER TROCKENSTEINMAUER IM UNTERENGADIN
Trockene Mauer
für saftige Kräuter
Eine neu sanierte Trockensteinmauer
ermöglicht es Cornelia Josche, endlich
einen wirkungsvollen Wildschutzzaun um ihren Kräutergarten herum
zu errichten.
von Max Hugelshofer
GUARDA/GR Frühmorgens im
Schellenursli-Dorf Guarda im
Unterengadin. Alles ist still.
Nur vom Hang unterhalb des
Dorfes her tönt ein unregelmässiges Hämmern. Wer sich
auf die Suche nach dem Ursprung des Geräuschs macht,
landet im Kräutergarten von
Cornelia Josche. Dort sind
Zivildienstleistende daran, eine Trockenmauer neu aufzubauen. Manchmal müssen
dazu Steine mit dem Meissel
Berghilf-Ziitig 4_ 2015
zugehauen werden. Daher also
das Klopfen.
Cornelia Josche hat vor 28 Jahren damit begonnen, verschiedene Kräuter anzubauen und
daraus Tees, Gewürze und
Körperpflegeprodukte herzustellen. Über die Jahre hinweg
ist ihr Betrieb stetig gewachsen, Cornelia konnte Mitarbeiterinnen anstellen und an
verschiedenen Standorten am
Dorfrand kleine Gärten anlegen. Dass alles so verzettelt
war, machte die Arbeit allerdings ineffizient. «Viele der
Gärten waren ausserdem so
steil, dass man nicht einmal
mit einer Garette reinfahren
konnte.» Cornelia war klar:
Wenn ihr Betrieb längerfristig
bestehen und von jungen
Menschen übernommen werden sollte, dann musste sich
etwas ändern.
Als sie vor fünf Jahren die
Chance bekam, unterhalb des
Dorfes ein grosses Stück einer
steilen Wiese zu übernehmen,
zögerte sie nicht. Gemeinsam
mit ihren Mitarbeiterinnen
machte sie sich an die gewaltige Aufgabe, die Wiese in
einen Kräutergarten zu verwandeln. Was ihr jedoch
Sorgen machte, war der fehlende Zaun um das Gelände.
«Er muss hoch und stabil sein,
sonst fressen uns die Hirsche
die Kräuter schneller weg, als
wir sie aussähen können.»
Oberhalb des Gartens wird
das Grundstück von einer uralten, mehr als 1000-jährigen,
30 Meter langen Trockensteinmauer abgeschlossen. Und
diese Mauer war in einem miserablen Zustand. «Ich konnte
doch nicht einen neuen Zaun
auf eine halb zerfallene Mauer
bauen, die am Steilhang zudem eine wichtige Stützfunktion hat», so Cornelia. Die
Kosten für den Zaun und die
Sanierung waren immens.
Zwar übernahmen verschiedene Stiftungen einen Grossteil der Kosten für die Mauer,
und die Arbeiten konnten mit
Zivildienstleistenden ausgeführt werden – dennoch blieb
mehr offen, als Cornelia bezahlen konnte. «Ich bin sehr
dankbar, dass die Schweizer
Berghilfe mich unterstützt hat.
Alleine hätte ich es nicht geschafft.»
www.berghilfe.ch/guarda
Für den Bau der Stützmauer standen Zivildienstleistende im Einsatz.
PA N O R A M A
Nur Pferde im Kopf
Herzliche Begrüssung auf der Weide. Noch leben Maude Valceschinis Pferde
verstreut rund um den Lac de Joux.
LES BIOUX/VD «Maude hatte nie etwas anderes im Kopf
als Pferde», erzählt Claudine
Rochat. Sie verschwindet auf
dem Estrich und taucht kurz
darauf mit einem vergilbten
Torbogen im Miniformat zurück. Oben drauf steht «Ranch
de l’Espoir». Den habe ihre
Tochter als kleines Mädchen
gebastelt, zusammen mit einer riesigen Ranch für ihre
Spielzeugpferde. Heute, knapp
30 Jahre später, ist Maude
Valceschini wieder dabei, für
ihre Pferde zu bauen. Diesmal
allerdings in echt.
Ihre Pferdeleidenschaft hat die
Bauerntochter nie verloren. Sie
hielt Pferde, ritt an Turnieren
und bildete sich ständig weiter. Nach langen Ausbildungen
in Frankreich und den USA ist
sie eine gefragte Trainerin
für Reiter und Pferde. Maude
arbeitete auf verschiedenen
Gestüten in der Westschweiz,
träumte aber immer von einer
eigenen Reitschule. Doch das
ging nicht, da auf dem elterlichen Hof dafür die Infrastruktur fehlte. Bis Maude all
ihren Mut und all ihr Erspartes
zusammennahm und an die
Realisierung ihrer eigenen
«Manège Vallée de Joux» ging.
Die bürokratischen Hürden
waren hoch, und die Suche
nach Geldgebern verschlang
viel Zeit und Energie. Doch
Maude spürte immer Unterstützung von der Gemeinde,
von Freunden und von ihrer
Familie. Deshalb blieb sie über
mehrere Jahre hinweg dran.
Und als dann die Schweizer
Berghilfe zusagte, das trotz aller Bemühungen noch offene
Loch im Finanzierungsplan zu
stopfen, konnte sie endlich
loslegen. Inzwischen steht der
Rohbau, und schon bald wird
Maude in der überdachten
«Manège» erste Kurse geben
können. (max)
11
Expertensicht
Henri Rouge,
ehrenamtlicher Experte
Welches Projekt haben Sie
zuletzt besucht?
Ich war kürzlich bei einer Familie im Waadtländer Jura.
Das Dach ihres Hauses und
der angrenzenden Scheune
war dringend renovationsbedürftig. Deshalb bat sie
die Schweizer Berghilfe um
Unterstützung.
Sie empfehlen das Projekt
zur Annahme. Wieso?
Das Schicksal dieser Familie
hat mich sehr bewegt. Der
Vater war kürzlich verstorben.
Die Mutter und der Sohn, der
den Betrieb in zwei Jahren
übernehmen will, hatten alle
Finanzierungsmöglichkeiten
ausgeschöpft und konnten
sich die teure Dachsanierung
nicht leisten. Ohne die Unterstützung der Berghilfe wäre
die Existenz der Familie bedroht gewesen.
www.berghilfe.ch/lesbioux
Zukunft hangab
FISCHINGEN/TG Mostindien sieht anders aus. Obschon sie im
Kanton Thurgau daheim sind, leben Odermatts im Berggebiet.
Der Hof in der Halden oberhalb von Fischingen liegt zwar nur
rund 750 Meter über Meer, das Gelände ist aber steiler als auf
mancher Alp. Direkt vor dem Stall geht es ein stotziges Tobel
hinunter. Und dieses Tobel wurde Odermatts fast zum Verhängnis. Denn der Hang hielt nicht. Bei jedem grösseren Gewitter,
in langen Regenperioden und bei der Schneeschmelze rutschten
grosse Brocken ins Tal. Bäume und Büsche verschwanden über
Nacht. Die Zufahrtsstrasse und sogar der Stall selbst waren
bedroht. Alle Versuche, den Hang selbst zu befestigen, scheiterten. Also blieb nur eine umfassende, aber teure Sicherung mit
langen Eisenankern, die bis in den Fels reichen. «Wir hatten
keine Wahl: Wir mussten die Arbeiten in Auftrag geben. Unsere
Existenz war bedroht», sagt Damian Odermatt. «Wir sind der
Schweizer Berghilfe sehr dankbar, dass sie uns dabei unterstützt
hat.» (max) www.berghilfe.ch/fischingen
Heidi und Damian Odermatt vor der neuen Verbauung des instabilen Hangs
unter ihrem Stall.
4_ 2015 Berghilf-Ziitig
12
PA N O R A M A
Das Einfeuern der Holzheizung ist immer noch ein Erlebnis für Johannes und Samuel.
NEUBAU EINES WOHNHAUSES IM APPENZELLERLAND
Weihnachten
im Warmen
Für die junge Appenzeller Bergbauernfamilie Etter gab es im vergangenen Jahr
ein einmaliges Weihnachtsgeschenk:
Zwei Tage vor Heiligabend konnte sie in
ihr neues Zuhause einziehen.
nes Etter und ihre beiden Buben Johannes (3) und Samuel
(2) vorher fast ein Jahr lang in
einem eigentlich nicht mehr
bewohnbaren Haus mit einem
Plumpsklo und der Dusche im
Garten gelebt hat, dann ist es
schon Luxus, wenn es nicht
mehr durch die Ritzen zieht.
Johannes und Daniela haben
vor knapp zwei Jahren den
Bergbauernbetrieb von Johannes’ Eltern übernommen. Er
besteht aus zwei Standorten:
Im Urnäscher Tobel war bisher
das Herz des Betriebs. Hier ist
Johannes aufgewachsen, hier
leben weiterhin seine Eltern,
und hier steht einer der beiden
Kuhställe. Der andere alte
Kuhstall und der etwas neuere
Anbau für die Kälber befindet
sich im Hundwiler Tobel.
Zwar in Sichtweite, doch etwa
zehn Minuten mit dem Auto
entfernt. Dass ihr neues Zuhause hier entstehen soll, war
für Johannes und Daniela klar.
Die Zufahrt ist viel einfacher,
das Gelände nicht ganz so
steil. Hier stand das alte Haus
der Grossmutter, das allerdings seit einigen Jahren nicht
mehr bewohnt war. Es stellte
sich heraus, dass eine Sanierung teurer gekommen wäre
als ein Neubau. Also zogen
Etters ins Haus der Grossmutter und konnten gleich daneben, mit dem Einsatz ihrer
Ersparnisse, viel Eigenleistung
und der Unterstützung der
Schweizer Berghilfe ihr eigenes Häuschen bauen. Es ist
nicht nur der Komfort, den sie
schätzen. Auch die Nähe zum
Kälberstall ist Gold wert, das
Pendeln fällt weg, und Daniela
kann ihrem Mann zwischendurch zur Hand gehen, ohne
immer eine Betreuungslösung
für die Kinder finden zu müssen. Daniela und Johannes
sind sich einig: «Das ist der
wahre Luxus.»
www.berghilfe.ch/hundwil
von Max Hugelshofer
HUNDWIL/AR «Ich staune immer noch darüber, wie einfach
alles ist», sagt die hochschwangere Daniela Etter,
während sie die Heizung mit
Holzscheiten befüllt und ganz
beiläufig dafür sorgt, dass sich
die beiden tatkräftig mithelfenden Buben nicht aus Versehen die Holzscheite um die
Ohren hauen. «Das neue Haus
Berghilf-Ziitig 4_ 2015
ist der reine Luxus», schwärmt
sie. Luxus? Der Holzbau mit
dem schönen Blumenschmuck
vor den Fenstern ist zwar
gemütlich und zweckmässig,
aber weder aussergewöhnlich
gross noch irgendwie extravagant eingerichtet. Aber es
kommt immer drauf an, womit man vergleicht. Wenn
man wie Daniela und Johan-
Im neuen Haus zieht es nicht mehr durch die Ritzen – und auch die Arbeit
ist einfacher geworden.
RÜ C K SP I E G EL
13
AUSBAU EINER FUSSGÄNGERBRÜCKE ÜBER DIE VERZASCA
Brückenschlag
in die Neuzeit
Wenn die Schweizer Berghilfe ein
Projekt unterstützt, hilft sie damit der
Bergbevölkerung nicht nur kurzfristig
aus der Klemme, sondern ermöglicht
eine langfristige positive Entwicklung.
Der Beweis liefert ein Blick zurück
auf Projekte, die vor zehn Jahren in der
«Berghilf-Ziitig» vorgestellt wurden.
von Max Hugelshofer
GERRA VERZASCA/TI Der Weiler Lorentino ist ein Stück Tessin wie aus dem Bilderbuch.
Unten die sanft plätschernde
Verzasca, nur wenig oberhalb
davon schmuck herausgeputzte Rusticos, ein kleiner Bauernbetrieb, ein Agritourismo. Vor
den Fenstern überall Blumen,
zwischen den Häusern kleine
Gärten. Alles ist gepflegt und
lebendig.
Vor zehn Jahren sah es hier
noch ganz anders aus. Die
meisten Häuser standen leer,
renoviert war kaum eines.
Ausgelöst hat die positive Entwicklung ein unscheinbares
Früher führte nur dieser Fusssteg
über die Verzasca.
Bauwerk: die neue Brücke über
die Verzasca. Sie konnte vor
zehn Jahren mit Unterstüt-
Die neue Brücke hat im Weiler Lorentino einen Entwicklungsschub ausgelöst.
zung der Schweizer Berghilfe
gebaut werden. Vorher war
Lorentino nur zu Fuss über einen Steg erreichbar. Mit ihren
landwirtschaftlichen Maschinen mussten die Bauern durch
den Bach fahren, und wer bauen wollte, war gezwungen, das
Material mit dem Helikopter
anliefern zu lassen.
«Es ist wunderbar zu sehen,
wie sich der Weiler in den vergangenen Jahren entwickelt
hat», sagt Silvio Foletta. Er ist
Präsident des Patriziato – der
Bürgergemeinde – von Gerra
Verzasca. Ihr obliegt die Verantwortung für Alpen, Weiden
und teils auch Strassen. «Unsere Erwartungen sind übertroffen worden», sagt Silvio.
Denn in erster Linie wurde die
Brücke für die Landwirtschaft
gebaut. Silvios Vorgänger Saverio Foletta, der damals die
Bauleitung inne hatte, erklärt:
«Wir mussten sicherstellen,
dass die ennet dem Fluss gelegenen Wiesen und Weiden
weiterhin bewirtschaftet werden. Dass sie einen kleinen
Renovationsboom auslösen
würde, hätten wir nicht zu
hoffen gewagt.» Auch dass der
Tourismus von der Brücke profitiert, sei ein schöner Nebeneffekt. Heute führt ein neuer Mountainbike-Weg darüber,
der von Sonogno der Verzasca
entlang talabwärts führt. Auf
dem Fusssteg hätten Velos
nicht gefahrlos den Bach überqueren können. Und auch das
Agritourismo wäre ohne Brücke niemals entstanden.
www.berghilfe.ch/gerra
4_ 2015 Berghilf-Ziitig
14
P O R T R ÄT
ÄTHERISCHES ÖL
HYDROLAT
BAU EINER DESTILLIERANLAGE FÜR DIE HERSTELLUNG ÄTHERISCHER ÖLE IN ICOGNE/VS
Den Kräutern
Dampf gemacht
Im Florentiner-Topf lassen sich
das ätherische Öl und das Pflanzenwasser, das sogenannte Hydrolat,
einfach voneinander trennen.
Berghilf-Ziitig 4_ 2015
P O R T R ÄT
15
Die meisten Alpenkräuter landen in Teebeuteln.
Der Landwirt Jean-Michel Mayor, der in Icogne
im Zentralwallis seit 20 Jahren Heilkräuter anbaut,
hat etwas Neues versucht: Diesen Sommer hat
er einen Teil seiner Bio-Kräuter destilliert.
Nicht zu hochprozentigem Schnaps, sondern zu
hochwirksamen Tropfen.
«
Der intensive Duft, den Heilkräuter wie der
Ysop verströmen, rührt von den darin enthaltenen
ätherischen Ölen her.
Aufgezeichnet von Isabel Plana
Kräuter enthalten wertvolle
ätherische Öle, die gegen die verschiedensten Beschwerden helfen. Das
Oregano-Öl, das ich hier gerade destilliere,
wirkt zum Beispiel stark entzündungshemmend, es ist sozusagen ein natürliches Antibiotikum. Es hilft unter anderem
gegen Halsschmerzen. Bereits wenige
Tropfen reichen, weil ätherische Öle
hochkonzentriert sind. Ich finde es total
faszinierend, welche Kraft in diesen
Pflanzen steckt. Seit 20 Jahren baue ich
Heilkräuter an. Bis letzten Sommer habe
ich jeweils die gesamte Ernte an die
Kooperative ‹Valplantes› geliefert. Da
ich über die Jahre viel über Kräuter und
ihre Heilwirkung gelernt habe, wollte ich
dieses Potenzial ausschöpfen und aus
einem Teil der Kräuter selber ätherische
Öle gewinnen.
Freunde in Frankreich destillieren schon
seit Jahren ätherische Öle und sind damit
erfolgreich. Ich wollte das auch versuchen.
Als gelernte Drogistin und Kräuterfachfrau teilt meine Frau Catherine meine
Leidenschaft für Heilpflanzen. Die Kräuter
haben uns sogar zusammengebracht:
Catherine hat einst für eine Lokalzeitung
ein Interview mit mir gemacht – über den
Kräuteranbau in der Region. Wir legten
also los. Doch mit der Destillieranlage
alleine war es nicht getan. Ich musste
auch ein Gebäude bauen mit einem Ladenlokal und einem Laborraum, wo die
ätherischen Öle sauber abgefüllt werden
können. Alleine hätte ich diese Investitionen nicht stemmen können. Zum Glück
hat die Schweizer Berghilfe uns finanziell
unterstützt.
einem grossen, geschlossenen Kessel erhitzt. Über den aufsteigenden Dampf
werden die ätherischen Öle gelöst und
mittransportiert. Dieser Dampf wird
anschliessend wieder heruntergekühlt
und kondensiert zu einer Mischung aus
Pflanzenwasser, dem sogenannten Hydrolat, und ätherischen Ölen. Auch das Hydrolat ist ein wertvolles Produkt, das vor
allem für kosmetische Zwecke, zum Beispiel für die Gesichtspflege, eingesetzt
wird. Im sogenannten Florentiner-Topf
oder ‹Essencier›, dem kleinen Gefäss
am Ende der Destillieranlage, wird das
aufschwimmende Öl schliesslich vom
Pflanzenwasser getrennt.
Für die Destillation verwende ich die Kräuter frisch geschnitten. Man kann auch
getrocknete Kräuter destillieren, aber die
Ausbeute ist kleiner. Oder besser gesagt:
noch kleiner. Denn viel Öl gewinnt man
ohnehin nie. Mein Destillierkessel hat ein
Fassungsvermögen von 1000 Litern. Aus
einem Kessel voll Kräuter hole ich gerade
mal ein paar Deziliter Öl raus. Die Menge
hängt von der Pflanzenart ab.
Nur wenige Deziliter Öl
Das Prinzip der Destillation beruht auf
dem Verdampfen und Kondensieren eines
Stoffes. Zunächst werden die Kräuter in
Catherine teilt die Leidenschaft ihres Mannes
für Heilpflanzen.
Natürlich kommt es mir vor allem auf die
Qualität des Öls an. Der entscheidendste
Faktor dafür sind die Pflanzen selbst: Das
Öl ist nur so gut wie die Kräuter, aus
denen es gewonnen wird. Deshalb produziere ich Bio. Für die rund ein Dutzend
Kräuterarten setze ich weder Kunstdünger noch Pestizide ein. Dass der Boden
und das Klima in dieser Gegend ideal
sind für Heilkräuter, ist natürlich hilfreich.
Ich führe genau Buch, wann ich welche
Kräuter schneide, in welchem Wachstumsstadium sie sich befinden und wie
das Wetter zu diesem Zeitpunkt ist. So
lässt sich später nachvollziehen, unter
welchen Bedingungen Qualität und
Menge des Öls am besten sind.
Bio-Kräuter für reinste Öle
Nach der Destillation werden die ätherischen Öle gefiltert, dekantiert, in Flaschen
gefüllt und chemisch untersucht, bevor
sie einige Monate ruhen. Die Öle, die
meine Frau und ich diesen Sommer aus
Thymian, Muskat-Salbei, Oregano, BergBohnenkraut, Echtem und Spanischem
Lavendel, Ysop, Rosmarin, Pfefferminze,
Föhre, Fichte, Lärche und Kamille gewonnen haben, gehen also erst nächsten
Frühling über den Ladentisch. Bis dann
ist hoffentlich unser Hofladen fertig
eingerichtet. Dazu kommen wir erst
jetzt, im Sommerhalbjahr war einfach
zu viel zu tun. Ich baue ja nicht nur
Kräuter an, sondern halte auch Ehringerkühe und produziere Eier, die ich in
der ganzen Region ausliefere. Und ich
überlege, Besucherführungen anzubieten
oder Leuten die Möglichkeit zu geben,
beim Kräuterschneiden und Destillieren
mitzumachen. Es ist noch vieles im
Aufbau, aber der Name der
Destillerie steht schon fest:
‹L’Essencier›.
www.berghilfe.ch/icogne
»
4_ 2015 Berghilf-Ziitig
16
P ER S Ö N L I C H
ALBERT GREDIG IST IM FERNEN KANADA MIT DEN SCHWEIZER BERGEN VERBUNDEN
Küchenarbeit gegen
Englischunterricht
D
er 86-jährige Albert Gredig erinnert sich gut an seine Schulzeit
in Pontresina im Engadin. Vor
allem daran, dass er nie gerne in die
Schule ging. «Ich wollte immer nur Bauer werden.» Und dies, obwohl die Eltern
mit der Landwirtschaft nichts am Hut
hatten. Bereits als Zehnjähriger ging
Albert erstmals z’Alp, und auch im Winter half er lieber den Bauern im Dorf, als
Hausaufgaben zu machen. Als es später
Englisch als Wahlfach gab, war er der
einzige der Klasse, der sich nicht einschrieb. «Wozu sollte ich als Bauer auch
Englisch brauchen?» Fünf Jahre später
stand er in einer kanadischen Küche,
half der Farmersfrau beim Abwasch
und bekam als Gegenleistung Englischunterricht. Heute ist Englisch Alberts
Hauptsprache. Er lebt seit über 50
Jahren in St.Thomas in Ontario, nahe
am Erie-See, zwischen Toronto und
Detroit. Bauer ist er geworden, und sogar ein erfolgreicher. Ein Bergbauer in
der Schweiz bewirtschaftet im Durchschnitt 18 Hektaren Land. Albert Gredig
besitzt heute acht Farmen mit 320
Hektaren Land, die er mit seinem Sohn
Peter ohne Angestellte bewirtschaftet.
Sie bauen Mais und Sojabohnen an,
die sie auf dem Weltmarkt verkaufen.
Wenn sein Sohn in den Mähdrescher
steigt, dann nimmt er Laptop und Handy mit, um neue Verkaufsverträge auszuhandeln, während die Maschine per
Autopilot ihre grossen Runden dreht.
Albert Gredig baut auf seinen Feldern in Kanada hektarweise Sojabohnen an.
Berghilf-Ziitig 4_ 2015
Weiter weg von der Schweizer Berglandwirtschaft könnte Albert Gredig
kaum sein. Und doch liegt ihm diese
immer noch am Herzen. Er liest jede
Ausgabe des Schweizer Bauern, und auf
die neue «Berghilf-Ziitig» freut er sich
jeweils Wochen im Voraus. Albert spen-
DA N K E SB R I EF E
17
Danke!
Täglich treffen bei der Schweizer Berghilfe Briefe ein,
in denen Familien den Spenderinnen und Spendern
für die wertvolle Unterstützung danken. Diesen Dank
leiten wir gerne an Sie weiter.
Ontario
Doch noch angepackt
det regelmässig an die Schweizer
Berghilfe. «Das ermöglicht mir, auch im
fernen Kanada mit den Schweizer
Bergen verbunden zu sein.» Seit zehn
Jahren kommt er auch wieder regelmässig für einen Monat pro Jahr zurück
ins Engadin. Nicht ganz unschuldig
daran ist seine zweite Frau Edith. Die
beiden kamen auf einer Klassenzusammenkunft zusammen, zu der Albert vor
15 Jahren auf seine Farm nach Kanada
eingeladen hatte. «Die Farm gefiel mir,
Albert gefiel mir – also bin ich später
wiedergekommen», sagt Edith mit
einem Schmunzeln. Bereut hat sie es
nie. «Es gefällt mir in Kanada. Wenn ich
aus dem Fenster schaue, sehe ich ein
wunderschönes riesiges Maisfeld.»
Dennoch geniesst sie den jährlichen
Engadin-Aufenthalt in vollen Zügen.
«Manchmal brauche ich halt auch wieder die Sicht auf meine Berge.»
Die ganze Familie dankt
Ich und mein Sohn, ja die ganze Familie
dankt recht herzlich für Ihre finanzielle
Unterstützung. Dank Ihnen konnten wir
unseren Neubau des Boxenlaufstalls für
die Kühe und den Umbau des alten Stalles
für das Jungvieh mit etwas weniger finanziellen Sorgen in Angriff nehmen. Wir sind
der Berghilfe sehr dankbar, da während
des Aushubs für den Neubau grosse
geologische Probleme aufgetreten sind.
Diese verursachten zusätzliche Kosten.
Dank Ihnen dürfen wir etwas sorgenfreier
in die Zukunft blicken.
Familie J., Kanton Wallis
Endlich ist unser neues Steindach fertiggeworden. Es macht uns viel Freude. Wir
haben extra ein Bänkli hingestellt, von
wo man schön auf das Steindach sieht.
Wenn wir dort sitzen, staunen wir immer
aus Neue. Fast hätten wir das Problem
des nicht mehr reparierbaren Daches der
folgenden Generation überlassen und
uns durchgemogelt bis zur Pensionierung.
Jetzt sind wir riesig froh, dass es nach
Jahren doch noch geklappt hat. Ohne die
Berghilfe hätten wir das Dach trotz Beitrag des Kantons nicht finanzieren können.
Es geht ja nicht «nur» um die Finanzierung.
Wenn die Berghilfe Projekte unterstützt,
belohnt sie auch den Mut und die Initiative der Menschen aus dem Berggebiet.
Ein wertvolles Gut. Deshalb herzlichen
Dank für euren Einsatz.
Familie M., Kanton Tessin
Zwei Familien am Bauen
Ein funktioneller Stall
Drei Generationen Gredigs:
Sohn Peter, Vater Albert und Enkel Sam.
Dank Ihrer Unterstützung war es uns
möglich, einen funktionellen Stall zu bauen, der unseren Arbeitsalltag deutlich erleichtert. Die ganze Familie freut sich über
den Neubau und möchte ganz herzlich
Danke sagen.
Familie W., Kanton Jura
Dank Ihrer Unterstützung können wir –
zwei Familien – unseren seit Jahren geplanten Freilaufstall realisieren. Wir
möchten der Berghilfe und den Spendern
einen riesigen Dank aussprechen. Mit viel
Begeisterung engagieren sich alle beim
Bau. Auch die drei Kinder sind tatkräftig
am Helfen. Wir freuen uns sehr auf den
neuen Stall, da er für alle eine grosse
Arbeitserleichterung bringen wird.
Familien S. und K., Kanton Bern
4_ 2015 Berghilf-Ziitig
18
SP EN D EN
Zug um Zug
für die
Bergbevölkerung
Bereits im Sommer denken Elisabeth und Ueli Steiner ans Kerzenziehen. Dann muss das Material geprüft und neues bestellt werden.
von Max Hugelshofer
Eine Voradventszeit ohne Kerzenziehen?
Für die Einwohner von Bubikon und
Wolfhausen im Zürcher Oberland undenkbar. Seit 1979 sorgen Freiwillige dafür,
dass jedes Jahr über 1000 Kunstwerke aus
Bienenwachs entstehen können. Der erwirtschaftete Gewinn geht traditionellerweise an die Schweizer Berghilfe.
Berghilf-Ziitig 4_ 2015
D
ie Bienenwachskerze wächst mit jedem Eintauchen in
den heissen Wachs. Stolz leuchtet aus den Kinderaugen.
Bald hat sich die Geduld ausgezahlt und das Weihnachtsgeschenk für den Götti ist fertig – doch da passiert das Missgeschick. Die Schlinge im Docht rutscht über den Zeigefinger,
und mit einem gemeinen «Blubb» verschwindet die Kerze auf
Nimmerwiedersehen im heissen Wachs.
Solche «Tragödien» passieren täglich bei all den Kerzenziehen, die
zurzeit in der ganzen Schweiz stattfinden. Beim Kerzenziehen,
das jährlich abwechselnd in den Nachbardörfern Bubikon und
Wolfhausen durchgeführt wird, versiegen die Tränen jeweils etwas schneller als anderswo. Denn die freiwilligen Helfer ziehen
SP EN D EN
19
So können Sie spenden
selbst auch Kerzen, wenn sie zwischendurch mal Zeit finden. Sie
stellen sie allerdings nicht fertig. Sie hören mittendrin auf und
legen die angefangenen Kerzen in eine Schachtel. Aus dieser
Schachtel dürfen sich die kleinen Pechvögel bedienen und müssen nicht nochmals ganz von vorne beginnen. «Ich finde das
einen schönen Brauch», sagt Elisabeth Steiner, die selbst auch
schon manche angefangene Kerze zur Kiste beigesteuert hat. «So
verleidet auch den Kleinsten der Spass am Kerzenziehen nicht.»
Eine lange Tradition
Elisabeth und ihr Mann Ueli organisieren das Kerzenziehen seit
2011. Vorher machten diese Arbeit die Initianten Ruedi und Elsi
Tanner. 32 Jahre lang. «Wir können viel von der Vorarbeit der beiden profitieren», sagt Ueli Steiner. «So hält sich der Aufwand in
einem erträglichen Rahmen.» Steiners hatten sich nicht um das
Amt gerissen, als Tanners altershalber aufhörten. «Aber sonst hat
sich niemand gefunden, und wir wollten verhindern, dass diese
schöne Tradition stirbt», so Elisabeth Steiner. Inzwischen, nach
dem fünften Mal Organisieren, ist Steiners «ihr» Kerzenziehen
ans Herz gewachsen. Ob sie ihm auch 32 Jahre lang treu bleiben
werden wie ihre Vorgänger? «Nein, das sicher nicht», lacht Ueli.
«Aber ans Aufhören denken wir vorerst auch noch nicht.»
Zu tun gibt das Kerzenziehen für die Organisatoren nicht nur
im November, wenn es stattfindet. Bereits im Sommer muss
Wachs bestellt werden, im September beginnt die Einsatzplanung der Helfer. Von denen haben Steiners bisher immer problemlos genug gefunden in Bubikon und Wolfhausen. Auch wenn
es für die Einsätze keine Entschädigung gibt. Denn das ist
eine weitere Tradition dieses Kerzenziehens: Der erwirtschaftete Gewinn kommt immer der Schweizer Berghilfe zugute.
Pro Jahr sind es jeweils zwischen 2000 und 4000 Franken, die
an ein Projekt der Berghilfe gehen. Ueli und Elisabeth Steiner sind
sich einig: «Uns ist wichtig, dass wir eine Familie mit Kindern
unterstützen können.»
Allgemeine Spenden
Sie unterstützen die Schweizer Berghilfe mit einem
Geldbetrag. Hier entscheidet die Schweizer Berghilfe,
welches Projekt mit Ihrer Spende unterstützt wird.
Themen-Gönnerschaft
Sie können Ihre Spende für die Themenbereiche «Haus
und Hof», «Alp und Käse» sowie «Innovation und Zukunft» einsetzen. Mit einem Jahresbeitrag von 480 Franken bestimmen Sie selbst, für welches Thema Ihre Hilfe
verwendet werden soll.
Projektspenden
Sie spenden für ein konkretes Projekt. Eine Auswahl
finden Sie auf www.berghilfe.ch oder auf Wunsch steht
eine Liste mit weiteren Projekten zur Verfügung. Projektspenden sind ab einem Betrag von 1000 Franken möglich.
Ereignisspenden
Ein runder Geburtstag, eine Hochzeit, ein Jubiläum oder
ein anderes freudiges Ereignis sind immer auch ein guter
Anlass, an Menschen zu denken, die der Unterstützung
bedürfen.
Trauerspenden
Bei einem Trauerfall kann auf Wunsch des Verstorbenen oder seiner Hinterbliebenen auf Kränze und Blumen
verzichtet und dafür der Schweizer Berghilfe gedacht
werden. Alles zum Vorgehen auf: www.berghilfe.ch unter der Rubrik Spenden/Trauerspenden.
Erbschaften und Legate
Sie möchten der Schweizer Berghilfe eine Erbschaft oder
ein Legat vermachen? Martin Schellenbaum berät Sie
gerne, Telefon 044 712 60 56. Wertvolle Tipps erhalten
Sie auch im Testament-Ratgeber «Dem Leben in den Bergen Zukunft geben».
Zahlungsmöglichkeiten
Postkonto 80-32443-2
IBAN CH44 0900 0000 8003 2443 2
WIR-Konto 264641-38-0000
Oder benützen Sie den diesem Heft beigefügten Einzahlungsschein. Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Spende!
Weitere Informationen unter www.berghilfe.ch
Hunderte Kunstwerke aus Bienenwachs entstehen jedes Jahr.
Haben Sie Fragen zum Thema Spenden? Rufen Sie uns
an, wir beraten Sie gerne. Sie erreichen uns unter Telefon
044 712 60 60 oder per Mail unter [email protected]
4_ 2015 Berghilf-Ziitig
20
Stiftung Schweizer Berghilfe
Soodstrasse 55, 8134 Adliswil, Telefon 044 712 60 60
www.berghilfe.ch, [email protected]
Postkonto 80-32443-2