Berghilf-Ziitig NUMMER 90 WINTER 2015 Mit der Heizung Geld verdienen Seite 4 Keine Angst mehr vor Lawinen Seite 8 Weihnachten im Warmen Seite 12 AZB CH-8027 Zürich PP/Journal Post CH AG 2 EDITORIAL INHALT 4 Eigentlich brauchte Familie Fahrni nur eine neue Heizung. Jetzt verkauft sie Wärme an mehr als ein Dutzend Häuser. Die Wärmelieferanten Gelebte Solidarität Liebe Freunde der Schweizer Berghilfe, liebe Leserinnen und Leser Ovronnaz 2013 Berninapass 2001 Grindelwald 1999 Säntis 1991 Robiei 1986 Simplon Dorf 1972 4 m 3 m 2 m 1 m 235 cm 5 m 685 cm 645 cm 6 m 373 cm 7 m Schweizer Schneehöherekord 816 cm 8 m 250 cm Mehr über einzelne dieser Projekte lesen Sie in dieser «Berghilf-Ziitig» – zusammen mit 129 999 anderen. Bosco Gurin 1951 Denn nur dank dieser Solidarität der Städter mit den Berglern kann die Berghilfe jedes Jahr über 500 Projekte im gesamten Schweizer Berggebiet unterstützen. Wir ermöglichen neue Ställe, Sanierungen von Wohnbauten, touristische Initiativen und gewerbliche Weiterentwicklungen. Damit helfen wir jedes Jahr unzähligen Familien, ihre Zukunft zu sichern, schaffen Arbeitsplätze und treten der Entvölkerung der Berggebiete entgegen. Schneerekordhöhen in den Bergen 430 cm Zeitungen definieren sich gerne über ihre Auflage. Der «Blick» kommt auf 158 000, der «Tages-Anzeiger» auf 157 000 und «24 heures» auf 60 000. Die «Berghilf-Ziitig» hat eine Auflage von 130 000 Exemplaren. Darauf sind wir stolz. Nicht, weil wir besonders eitel wären. Sondern, weil der Grossteil der Leser auch Spender der Schweizer Berghilfe sind. Eine hohe Auflage bedeutet also viele Spenderinnen und Spender. Sehr viele Frauen, Männer und Familien aus den Städten und Agglomerationen unterstützen die Schweizer Berghilfe regelmässig. Und das ist eine gute Nachricht für die Bergbevölkerung. 0 m Willy Gehriger Präsident des Stiftungsrats Der Winter hat gerade mal begonnen. Wie er sich entwickelt, ist noch völlig offen. Wird er schneereich? Bleibt es bis weit hinauf grün? Wahrscheinlich wird es kaum so viel Schnee geben wie im Jahr 1991. Damals lag auf dem Säntis eine Schneedecke von 8,16 Meter Dicke – Schweizer Rekord. Solche Zahlen sind zwar eindrücklich. Doch wer in den Bergen lebt, bevorzugt eher gemässigten Schneefall. Denn viel Schnee bedeutet vor allem eines: viel Arbeit. Quelle: WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF Impressum Herausgeber Schweizer Berghilfe, Soodstr. 55, 8134 Adliswil, Tel. 044 712 60 60, www.berghilfe.ch Leitung Max Hugelshofer (max) Redaktion Isabel Plana (ip) Layout Exxtra Kommunikation, Zürich Produktion, Korrektorat und Druck gdz, Zürich Fotografie Yannick Andrea Bildrechte Max Hugelshofer (S. 2, 3, 10, 11, 12, 13, 18), Isabel Plana (S. 14, 15) Erscheinungsweise Die «Berghilf-Ziitig» erscheint 4 x jährlich in deutscher und französischer Sprache Abonnement 5 Franken pro Jahr sind in der Spende enthalten Gesamtauflage 130 000 Exemplare Berghilf-Ziitig 4_ 2015 3 8 Lawine ist gebändigt Ein sorgenvoller Blick den Hang hoch gehörte zum Alltag von Familie Häfliger. Dank einer Lawinenverbauung gehört das der Vergangenheit an. 11 Reiten im Jura Maude Valceschini baut im Vallée de Joux eine «Manège» für ihre Pferde. 10 Projektstandorte dieser Ausgabe Mauer von Dauer Die Trockensteinmauer oberhalb des Kräutergartens von Cornelia Josche ist mehr als 1000 Jahre alt. Um einen Wildschutzzaun aufnehmen zu können, musste die Mauer nun saniert werden. 1Les Bioux/VD Seite 11 6 2 Icogne/VS Seite 14 7 3Unterlangenegg/BE Seite 4 4 4 Romoos/LU Seite 8 5 Gerra Verzasca/Ti Seite 13 6 Fischingen/TG Seite 11 7 Hundwil/AR Seite 12 8Guarda/GR Seite 10 8 3 1 2 5 4_ 2015 Berghilf-Ziitig 4 R EP O R TAG E FERNWÄRMEANLAGE IN UNTERLANGENEGG/BE Wärme aus dem eigenen Wald Beim Baggern in der Schnitzelhalle ist der kleine Lorin meistens mit dabei. von Max Hugelshofer Eigentlich brauchte Adrian Fahrni nur dringend eine neue Heizung für sein altes Bauernhaus. Heute liefert er Wärme an 13 weitere Gebäude. Aus der Not hat der innovative Bergbauer eine Geschäftsidee entwickelt, die zu einem wichtigen Standbein geworden ist. Berghilf-Ziitig 4_ 2015 D ie Motorsäge verstummt. Ein Knarren. Dann fällt die Buche mit lautem Knirschen um – und bleibt in der Krone eines anderen Baumes hängen. Adrian «Ädu» Fahrni springt aus dem Traktor raus, mit dessen Seilwinde er die Buche daran gehindert hat, talwärts zu fallen. Läuft die paar Schritte zur Krete. «Was isch?», ruft er den steilen Abhang hinunter. «Blöd isch», tönt es zurück. R EP O R TAG E 5 Zwischen Emmental und Berner Oberland gelegen – das Dorf Unterlangenegg. Holzes als Bauholz verkaufen», so Ädu. Der Rest blieb früher weitgehend ungenutzt. Seit 2011 ist das anders. Denn damals konnte Ädu nach langer Planung endlich seine Holzschnitzelheizung in Betrieb nehmen. «Typisch, immer wenn jemand zuschaut, läuft alles schief», knurrt Ädu. Am liebsten würde er die Buche einfach hängen lassen, wo sie ist. Aber das geht natürlich nicht. Viel zu gefährlich. Und ausserdem sieht er jetzt, nachdem er mit einer Hand am Stahlseil den verschneiten Steilhang hinuntergeklettert ist, dass der Stamm der Buche von bester Qualität ist. Darauf will er nicht verzichten. Idee verselbständigt sich Es war im Jahr 2008, als Ädu mit seiner Frau Anne den Betrieb übernahm, den sein Vater zuvor gemeinsam mit Ädus Onkel geführt hat. Eine Sanierung des alten Bauernhauses war unumgänglich. Auch eine neue Heizung musste her. Dass es eine Holzheizung sein sollte, war von Im Winter verbringt Ädu einen grossen Teil seiner Zeit im Wald. Beim Holzen hilft ihm oft sein Freund Fippu, mit dem er früher bei einem Tiefbauunternehmen zusammengearbeitet hat. Manchmal greift auch sein Bruder zur Motorsäge. Früher haben die teils an steilen Hängen gelegenen Wälder der Familie Fahrni viel Arbeit, aber kaum Ertrag eingebracht. «Ich kann vielleicht ein Viertel des geschlagenen Anfang an klar. Aber was für eine? Bald fing Ädu an, mit einer Schnitzelheizung zu liebäugeln. Da könnte man gleich auch das Stöckli anhängen. Ädu erzählte in der Nachbarschaft von seiner Idee, und kurz darauf fragte die Kirche von vis-à-vis an, ob man deren Gebäude nicht auch an die neue Schnitzelheizung anhängen könnte. Klar, das würde die hohen Investitionen eher rechtfertigen, dachte Ädu und machte sich ans Planen. Noch während er über Prospekten brütete und Pläne zeichnete, kamen weitere Interessenten dazu. Einfamilienhäuser, die ehemalige Käserei, die nun einen Dorfladen beherbergt. Ädu fing an, in der Holzschnitzelanlage nicht nur eine Lösung für sein Heizungsproblem zu sehen, sondern eine Verdienstmöglichkeit. Der Baum hängt fest. Nach oben bringt man ihn nie. Also muss er nach unten aus dem Hang raus. Zu Fuss eine Sache von einer Minute klettern. Mit dem Traktor und der Seilwinde heisst es aber, zur Überlandstrasse tuckern, die ins Tobel runter Hier ist die Fernwärmeanlage untergebracht. Das Gebäude wird zudem als Remise genutzt. 4_ 2015 Berghilf-Ziitig 6 R EP O R TAG E aurant Kreuzweg Rest Ho hnitzelheizun lzsc g hnhaus Fahrni Wo hgemeindehaus Kirc Fernwärmeanlage Unterlangenegg aus es H r e t wei So funktioniert eine Holzschnitzelheizung 4 1 2 5 3 Berghilf-Ziitig 4_ 2015 1 Holzschnitzellager 2 Heizungskessel 3 Entaschung 4 Entaschung Rauch 5 Boiler/Speicher R EP O R TAG E 7 führt, von dort aus über Felder dem Bach nach bis zur Stelle unterhalb der festgesessenen Buche. Mit dem Stahlseil der Winde in der Hand geht es quer über den Bach. Der ist tiefer als gedacht, das eiskalte Wasser läuft von oben in die wasserdichten Bergschuhe rein. Drei Jahre nach der ersten Idee war es soweit: Ädu konnte ein erstes Mal einheizen. In der Zwischenzeit hatte er viel gebaut. Einen Schopf für die ganze Anlage, samt Unterstand für das Holzschnitzellager. Und natürlich viele Leitungen. Denn es sind laufend neue Abnehmer dazugekommen. Weitere Einfamilienhäuser, das Gemeindehaus. Das Projekt wurde immer grösser, damit potenziell rentabler. Aber auch die Investitionen wurden immer höher. Obschon Ädu als ehemaliger Maschinist und Baggerführer alle Leitungsarbeiten selbst machen konnte, kam er finanziell an die Grenzen. Die junge Familie verschuldete sich, soweit es die Banken zuliessen, steckte das gesamte Ersparte in das Projekt. Aber es reichte trotzdem nicht. Erst als die Schweizer Berghilfe ihre Unterstützung zusagte, konnten sie aufatmen. Ädu: «Ich bin extrem dankbar für diese Hilfe. Ich weiss nicht, wie es sonst weitergegangen wäre.» «Es läuft nie alles rund» Bis der Stamm endlich dort ist, wo er sein soll, vergeht der ganze Vormittag. Auch Fippus Füsse werden eingeweicht, die Kupplung der Seilwinde leidet, weil derart Ädu und sein Freund Fippu sind ein eingespieltes Team. viel Kraft nötig ist, den Stamm vom Wurzelstock zu reissen. Doch die beiden schaffen es. Und ihre gute Laune lassen sie sich trotz einiger Rückschläge nicht vermiesen. «Klar, normalerweise hätten wir in dieser Zeit ein Dutzend Bäume gefällt und entastet», sagt Ädu. «Doch beim Holzen gehört es dazu, dass mal etwas nicht rund läuft. Da darf man sich nicht aufregen.» Im Gegensatz zum Holzen bedeutet der Betrieb der Schnitzelheizung wenig Arbeit. Ädu muss dafür sorgen, dass die Schnitzelberge schön gleichmässig abgebaut werden und wieder nachwachsen. Alle paar Wochen muss der Aschebehälter geleert werden. Das warʼs. Am Anfang verbrachte Ädu deutlich mehr Zeit im Heizungsschopf. «Die Technik ist sehr ausgeklügelt. Bis du da richtig drauskommst, dauert es eine Weile.» Nächtelang sass er vor dem Touchscreen, spielte mit Belüftung, Zufuhrmenge und Verbrennungstemperatur, um einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erzielen. Verkompliziert wird die Sache durch den Umstand, dass Ädu ganz bewusst auch minderwertiges Holz verbrennt. Etwa von Gebüschen und Bäumen an den Strassenrändern, welche die Männer vom Strassenunterhalt bei ihm abliefern. «So kann ich ausschliesslich mit Holz aus der Umgebung heizen», sagt der 36-Jährige. «CO2-neutral und umweltfreundlich.» Rohstoff statt Abfall Der Tag im Wald hat doch noch ein erfreuliches Ende genommen. Sobald die Problem-Buche erst einmal erledigt war, ging es ruckzuck weiter. Die Ausbeute des Tages steht nun am Waldrand. Eine kleine, säuberlich aufgeschichtete Beige Stämme, die man als Bauholz nutzen kann, und ein grosser, etwas unordentlicherer Berg Holz, der später direkt hier im Wald zu Schnitzeln verarbeitet wird. Früher wäre es Abfall gewesen, heute ist es ein wertvoller Rohstoff. www.berghilfe.ch/unterlangenegg Ädu Fahrnis Heizung verträgt auch minderwertiges und nicht ganz trockenes Holz. Dafür muss sie häufiger geputzt werden. 4_ 2015 Berghilf-Ziitig 8 R EP O R TAG E PRIVATE LAWINENVERBAUUNG IN ROMOOS/LU Die Lawinen im Griff Hält der Schnee? Rutscht er? Der Winter war jahrzehntelang eine unsichere Zeit für Familie Häfliger. Eine Lawinenverbauung aus 100 «Ogi-Böcken» macht die Zufahrt zu ihrem Bergbauernbetrieb nun sicher. Berghilf-Ziitig 4_ 2015 R EP O R TAG E 9 von Max Hugelshofer B ei solchem Wetter wie heute hatten wir immer ein ungutes Gefühl», erinnert sich Ruedi Häfliger. Der Wind weht um das kleine Wohnhaus, das am steilen Hang klebt, die Sicht beträgt gerade mal zehn Meter. Das Haus selbst und der Stall stehen zwar sicher, aber die Zufahrt wurde regelmässig von kleinen Lawinen verschüttet. Wenn jeweils eine grosse Menge Schnee herunterkam, waren Häfligers oft tagelang von der Aussenwelt abgeschnitten, bis eine Schneeschleuder die Strasse wieder öffnen konnte. Verletzt wurde zum Glück nie jemand. Aber einen Schrecken haben Ruedi und seine Frau Agnes ein paar Mal bekommen. «Einmal war ich im Stall und hörte die Lawine kommen. Ein paar Minuten später bin ich rausgegangen zum Nachschauen. Da sah ich auf der anderen Seite des Kegels Reifenspuren, die in der Lawine verschwanden», erinnert sich Ruedi. «Der Pöstler!», sei ihm durch den Kopf geschossen. «Den hat es runtergerissen.» Sofort kletterte Ruedi so weit es ging den steilen Hang unterhalb der Strasse hinunter. Aber wegen der schlechten Sicht entdeckte er nichts. Lag der gelbe Fiat Panda irgendwo dort unten im Wald? Ein Anruf in der Beiz im Dorf unten brachte die Entwarnung. Dort sass der Pöstler beim Mittagessen. Als er den Lawinenkegel sah, hat er den Rückwärtsgang eingelegt und ist in seiner eigenen Spur wieder bergab gefahren. Darum sah es so aus, als höre die Spur in der Lawine auf. «Ich war unglaublich erleichtert», so Ruedi. 100 «Ogi-Böcke» verhindern, dass am steilen Hang der Schnee ins Rutschen kommt. Viel Schnee ist keine Seltenheit unterhalb des Napfs. Häfligers Zufahrtsstrasse wird vom Nachbarn gepflügt. Nach diesem Erlebnis war für Ruedi und Agnes klar: Wir müssen etwas unternehmen, bevor doch noch etwas geschieht. Sie setzten sich mit Gemeinde und Kanton in Verbindung. Aber an beiden Stellen hatte man keine Ahnung. Lawinenverbauungen braucht man im Kanton normalerweise nicht. Die Luzerner Ämter holten sich Hilfe auf der anderen Seite des Napfs, bei den Bernern. Und bald war klar, dass die Lösung für das Problem der «Ogi-Bock» war. Ein Dreieck aus Holz, in ganz bestimmtem Winkel im Hang verankert, benannt nach seinem Erfinder, dem Vater von alt Bundesrat Adolf Ogi. 100 Stück davon waren nötig, um den Hang bei Häfligers zu sichern. Die Ogi-Böcke sind simpel und vergleichsweise günstig. Den Hang zu sichern kostete insgesamt aber doch gut 30 000 Franken. Den grössten Teil der Kosten würden Kanton und Gemeinde übernehmen, aber knapp die Hälfte davon blieb an Häfligers hängen. Zu viel für die Bergbauern. «Wir haben praktisch kein Erspartes. Und seit Ruedi vor ein paar Jahren eine schwere Lungenkrankheit hatte und seither den Heustaub im Stall nicht mehr verträgt, sind auch unsere Einnahmen etwas zurückgegangen», so Agnes. Seit Ruedis Therapie und Genesung teilen sich die beiden die Arbeit in Haushalt und Stall. Weil eine Beibehaltung der Rinderhaltung aber zu streng und arbeitsintensiv gewesen wäre, stellten sie auf Schafe um. «Wir hatten schon lange ein paar Schafe, und ich kam mit ihnen immer gut klar», sagt Agnes. Heute blöken im ehemaligen Kuhstall ungefähr 65 Muttertiere und nach Weihnachten auch ihre Lämmer. «Die Schafe geben uns im Winter viel Arbeit, aber dann haben wir ja Zeit für sie», sagt Agnes. Grosse Erleichterung «Uns gefällt die neue Arbeit, und wir kommen auch gut über die Runden, aber übrig bleibt nicht viel am Ende des Monats», so Agnes. Ohne Unterstützung würde der Traum von der sicheren Zufahrt also ein Traum bleiben. Häfligers fragten bei der Schweizer Berghilfe an, mehr als ungewiss, ob ihr Gesuch bewilligt werden würde. «Ich habe mal irgendwo gehört, dass die Berghilfe keine Lawinenverbauungen unterstützt», sagt Agnes. Umso grösser war die Erleichterung, als der positive Bescheid kam. Normalerweise ist der Lawinenschutz Aufgabe der öffentlichen Hand, und die Berghilfe leistet tatsächlich keine Unterstützung. Wenn aber wie bei Häfligers Private auf Restkosten sitzen bleiben, dann hilft die Berghilfe auch bei Lawinenverbauungen. Zum Glück für Häfligers. Denn sie geniessen es, endlich ohne Angst zu ihrem Haus und wieder wegfahren zu können – auch wenn sie es sich wohl ihr Leben lang nicht abgewöhnen können, auf den früher gefährlichen fünfzig Metern immer den Hang im Blick zu haben. Und das Schönste: «Jetzt sieht es sogar so aus, als ob unser Sohn mit seiner Frau den Betrieb doch übernehmen wird. Wegen der Lawinensituation waren sie vorher immer skeptisch.» www.berghilfe.ch/romoos 4_ 2015 Berghilf-Ziitig 10 PA N O R A M A Cornelia Josche arbeitet täglich in ihrem Kräutergarten unterhalb des Schellenursli-Dorfs Guarda im Engadin. SANIERUNG EINER TROCKENSTEINMAUER IM UNTERENGADIN Trockene Mauer für saftige Kräuter Eine neu sanierte Trockensteinmauer ermöglicht es Cornelia Josche, endlich einen wirkungsvollen Wildschutzzaun um ihren Kräutergarten herum zu errichten. von Max Hugelshofer GUARDA/GR Frühmorgens im Schellenursli-Dorf Guarda im Unterengadin. Alles ist still. Nur vom Hang unterhalb des Dorfes her tönt ein unregelmässiges Hämmern. Wer sich auf die Suche nach dem Ursprung des Geräuschs macht, landet im Kräutergarten von Cornelia Josche. Dort sind Zivildienstleistende daran, eine Trockenmauer neu aufzubauen. Manchmal müssen dazu Steine mit dem Meissel Berghilf-Ziitig 4_ 2015 zugehauen werden. Daher also das Klopfen. Cornelia Josche hat vor 28 Jahren damit begonnen, verschiedene Kräuter anzubauen und daraus Tees, Gewürze und Körperpflegeprodukte herzustellen. Über die Jahre hinweg ist ihr Betrieb stetig gewachsen, Cornelia konnte Mitarbeiterinnen anstellen und an verschiedenen Standorten am Dorfrand kleine Gärten anlegen. Dass alles so verzettelt war, machte die Arbeit allerdings ineffizient. «Viele der Gärten waren ausserdem so steil, dass man nicht einmal mit einer Garette reinfahren konnte.» Cornelia war klar: Wenn ihr Betrieb längerfristig bestehen und von jungen Menschen übernommen werden sollte, dann musste sich etwas ändern. Als sie vor fünf Jahren die Chance bekam, unterhalb des Dorfes ein grosses Stück einer steilen Wiese zu übernehmen, zögerte sie nicht. Gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen machte sie sich an die gewaltige Aufgabe, die Wiese in einen Kräutergarten zu verwandeln. Was ihr jedoch Sorgen machte, war der fehlende Zaun um das Gelände. «Er muss hoch und stabil sein, sonst fressen uns die Hirsche die Kräuter schneller weg, als wir sie aussähen können.» Oberhalb des Gartens wird das Grundstück von einer uralten, mehr als 1000-jährigen, 30 Meter langen Trockensteinmauer abgeschlossen. Und diese Mauer war in einem miserablen Zustand. «Ich konnte doch nicht einen neuen Zaun auf eine halb zerfallene Mauer bauen, die am Steilhang zudem eine wichtige Stützfunktion hat», so Cornelia. Die Kosten für den Zaun und die Sanierung waren immens. Zwar übernahmen verschiedene Stiftungen einen Grossteil der Kosten für die Mauer, und die Arbeiten konnten mit Zivildienstleistenden ausgeführt werden – dennoch blieb mehr offen, als Cornelia bezahlen konnte. «Ich bin sehr dankbar, dass die Schweizer Berghilfe mich unterstützt hat. Alleine hätte ich es nicht geschafft.» www.berghilfe.ch/guarda Für den Bau der Stützmauer standen Zivildienstleistende im Einsatz. PA N O R A M A Nur Pferde im Kopf Herzliche Begrüssung auf der Weide. Noch leben Maude Valceschinis Pferde verstreut rund um den Lac de Joux. LES BIOUX/VD «Maude hatte nie etwas anderes im Kopf als Pferde», erzählt Claudine Rochat. Sie verschwindet auf dem Estrich und taucht kurz darauf mit einem vergilbten Torbogen im Miniformat zurück. Oben drauf steht «Ranch de l’Espoir». Den habe ihre Tochter als kleines Mädchen gebastelt, zusammen mit einer riesigen Ranch für ihre Spielzeugpferde. Heute, knapp 30 Jahre später, ist Maude Valceschini wieder dabei, für ihre Pferde zu bauen. Diesmal allerdings in echt. Ihre Pferdeleidenschaft hat die Bauerntochter nie verloren. Sie hielt Pferde, ritt an Turnieren und bildete sich ständig weiter. Nach langen Ausbildungen in Frankreich und den USA ist sie eine gefragte Trainerin für Reiter und Pferde. Maude arbeitete auf verschiedenen Gestüten in der Westschweiz, träumte aber immer von einer eigenen Reitschule. Doch das ging nicht, da auf dem elterlichen Hof dafür die Infrastruktur fehlte. Bis Maude all ihren Mut und all ihr Erspartes zusammennahm und an die Realisierung ihrer eigenen «Manège Vallée de Joux» ging. Die bürokratischen Hürden waren hoch, und die Suche nach Geldgebern verschlang viel Zeit und Energie. Doch Maude spürte immer Unterstützung von der Gemeinde, von Freunden und von ihrer Familie. Deshalb blieb sie über mehrere Jahre hinweg dran. Und als dann die Schweizer Berghilfe zusagte, das trotz aller Bemühungen noch offene Loch im Finanzierungsplan zu stopfen, konnte sie endlich loslegen. Inzwischen steht der Rohbau, und schon bald wird Maude in der überdachten «Manège» erste Kurse geben können. (max) 11 Expertensicht Henri Rouge, ehrenamtlicher Experte Welches Projekt haben Sie zuletzt besucht? Ich war kürzlich bei einer Familie im Waadtländer Jura. Das Dach ihres Hauses und der angrenzenden Scheune war dringend renovationsbedürftig. Deshalb bat sie die Schweizer Berghilfe um Unterstützung. Sie empfehlen das Projekt zur Annahme. Wieso? Das Schicksal dieser Familie hat mich sehr bewegt. Der Vater war kürzlich verstorben. Die Mutter und der Sohn, der den Betrieb in zwei Jahren übernehmen will, hatten alle Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft und konnten sich die teure Dachsanierung nicht leisten. Ohne die Unterstützung der Berghilfe wäre die Existenz der Familie bedroht gewesen. www.berghilfe.ch/lesbioux Zukunft hangab FISCHINGEN/TG Mostindien sieht anders aus. Obschon sie im Kanton Thurgau daheim sind, leben Odermatts im Berggebiet. Der Hof in der Halden oberhalb von Fischingen liegt zwar nur rund 750 Meter über Meer, das Gelände ist aber steiler als auf mancher Alp. Direkt vor dem Stall geht es ein stotziges Tobel hinunter. Und dieses Tobel wurde Odermatts fast zum Verhängnis. Denn der Hang hielt nicht. Bei jedem grösseren Gewitter, in langen Regenperioden und bei der Schneeschmelze rutschten grosse Brocken ins Tal. Bäume und Büsche verschwanden über Nacht. Die Zufahrtsstrasse und sogar der Stall selbst waren bedroht. Alle Versuche, den Hang selbst zu befestigen, scheiterten. Also blieb nur eine umfassende, aber teure Sicherung mit langen Eisenankern, die bis in den Fels reichen. «Wir hatten keine Wahl: Wir mussten die Arbeiten in Auftrag geben. Unsere Existenz war bedroht», sagt Damian Odermatt. «Wir sind der Schweizer Berghilfe sehr dankbar, dass sie uns dabei unterstützt hat.» (max) www.berghilfe.ch/fischingen Heidi und Damian Odermatt vor der neuen Verbauung des instabilen Hangs unter ihrem Stall. 4_ 2015 Berghilf-Ziitig 12 PA N O R A M A Das Einfeuern der Holzheizung ist immer noch ein Erlebnis für Johannes und Samuel. NEUBAU EINES WOHNHAUSES IM APPENZELLERLAND Weihnachten im Warmen Für die junge Appenzeller Bergbauernfamilie Etter gab es im vergangenen Jahr ein einmaliges Weihnachtsgeschenk: Zwei Tage vor Heiligabend konnte sie in ihr neues Zuhause einziehen. nes Etter und ihre beiden Buben Johannes (3) und Samuel (2) vorher fast ein Jahr lang in einem eigentlich nicht mehr bewohnbaren Haus mit einem Plumpsklo und der Dusche im Garten gelebt hat, dann ist es schon Luxus, wenn es nicht mehr durch die Ritzen zieht. Johannes und Daniela haben vor knapp zwei Jahren den Bergbauernbetrieb von Johannes’ Eltern übernommen. Er besteht aus zwei Standorten: Im Urnäscher Tobel war bisher das Herz des Betriebs. Hier ist Johannes aufgewachsen, hier leben weiterhin seine Eltern, und hier steht einer der beiden Kuhställe. Der andere alte Kuhstall und der etwas neuere Anbau für die Kälber befindet sich im Hundwiler Tobel. Zwar in Sichtweite, doch etwa zehn Minuten mit dem Auto entfernt. Dass ihr neues Zuhause hier entstehen soll, war für Johannes und Daniela klar. Die Zufahrt ist viel einfacher, das Gelände nicht ganz so steil. Hier stand das alte Haus der Grossmutter, das allerdings seit einigen Jahren nicht mehr bewohnt war. Es stellte sich heraus, dass eine Sanierung teurer gekommen wäre als ein Neubau. Also zogen Etters ins Haus der Grossmutter und konnten gleich daneben, mit dem Einsatz ihrer Ersparnisse, viel Eigenleistung und der Unterstützung der Schweizer Berghilfe ihr eigenes Häuschen bauen. Es ist nicht nur der Komfort, den sie schätzen. Auch die Nähe zum Kälberstall ist Gold wert, das Pendeln fällt weg, und Daniela kann ihrem Mann zwischendurch zur Hand gehen, ohne immer eine Betreuungslösung für die Kinder finden zu müssen. Daniela und Johannes sind sich einig: «Das ist der wahre Luxus.» www.berghilfe.ch/hundwil von Max Hugelshofer HUNDWIL/AR «Ich staune immer noch darüber, wie einfach alles ist», sagt die hochschwangere Daniela Etter, während sie die Heizung mit Holzscheiten befüllt und ganz beiläufig dafür sorgt, dass sich die beiden tatkräftig mithelfenden Buben nicht aus Versehen die Holzscheite um die Ohren hauen. «Das neue Haus Berghilf-Ziitig 4_ 2015 ist der reine Luxus», schwärmt sie. Luxus? Der Holzbau mit dem schönen Blumenschmuck vor den Fenstern ist zwar gemütlich und zweckmässig, aber weder aussergewöhnlich gross noch irgendwie extravagant eingerichtet. Aber es kommt immer drauf an, womit man vergleicht. Wenn man wie Daniela und Johan- Im neuen Haus zieht es nicht mehr durch die Ritzen – und auch die Arbeit ist einfacher geworden. RÜ C K SP I E G EL 13 AUSBAU EINER FUSSGÄNGERBRÜCKE ÜBER DIE VERZASCA Brückenschlag in die Neuzeit Wenn die Schweizer Berghilfe ein Projekt unterstützt, hilft sie damit der Bergbevölkerung nicht nur kurzfristig aus der Klemme, sondern ermöglicht eine langfristige positive Entwicklung. Der Beweis liefert ein Blick zurück auf Projekte, die vor zehn Jahren in der «Berghilf-Ziitig» vorgestellt wurden. von Max Hugelshofer GERRA VERZASCA/TI Der Weiler Lorentino ist ein Stück Tessin wie aus dem Bilderbuch. Unten die sanft plätschernde Verzasca, nur wenig oberhalb davon schmuck herausgeputzte Rusticos, ein kleiner Bauernbetrieb, ein Agritourismo. Vor den Fenstern überall Blumen, zwischen den Häusern kleine Gärten. Alles ist gepflegt und lebendig. Vor zehn Jahren sah es hier noch ganz anders aus. Die meisten Häuser standen leer, renoviert war kaum eines. Ausgelöst hat die positive Entwicklung ein unscheinbares Früher führte nur dieser Fusssteg über die Verzasca. Bauwerk: die neue Brücke über die Verzasca. Sie konnte vor zehn Jahren mit Unterstüt- Die neue Brücke hat im Weiler Lorentino einen Entwicklungsschub ausgelöst. zung der Schweizer Berghilfe gebaut werden. Vorher war Lorentino nur zu Fuss über einen Steg erreichbar. Mit ihren landwirtschaftlichen Maschinen mussten die Bauern durch den Bach fahren, und wer bauen wollte, war gezwungen, das Material mit dem Helikopter anliefern zu lassen. «Es ist wunderbar zu sehen, wie sich der Weiler in den vergangenen Jahren entwickelt hat», sagt Silvio Foletta. Er ist Präsident des Patriziato – der Bürgergemeinde – von Gerra Verzasca. Ihr obliegt die Verantwortung für Alpen, Weiden und teils auch Strassen. «Unsere Erwartungen sind übertroffen worden», sagt Silvio. Denn in erster Linie wurde die Brücke für die Landwirtschaft gebaut. Silvios Vorgänger Saverio Foletta, der damals die Bauleitung inne hatte, erklärt: «Wir mussten sicherstellen, dass die ennet dem Fluss gelegenen Wiesen und Weiden weiterhin bewirtschaftet werden. Dass sie einen kleinen Renovationsboom auslösen würde, hätten wir nicht zu hoffen gewagt.» Auch dass der Tourismus von der Brücke profitiert, sei ein schöner Nebeneffekt. Heute führt ein neuer Mountainbike-Weg darüber, der von Sonogno der Verzasca entlang talabwärts führt. Auf dem Fusssteg hätten Velos nicht gefahrlos den Bach überqueren können. Und auch das Agritourismo wäre ohne Brücke niemals entstanden. www.berghilfe.ch/gerra 4_ 2015 Berghilf-Ziitig 14 P O R T R ÄT ÄTHERISCHES ÖL HYDROLAT BAU EINER DESTILLIERANLAGE FÜR DIE HERSTELLUNG ÄTHERISCHER ÖLE IN ICOGNE/VS Den Kräutern Dampf gemacht Im Florentiner-Topf lassen sich das ätherische Öl und das Pflanzenwasser, das sogenannte Hydrolat, einfach voneinander trennen. Berghilf-Ziitig 4_ 2015 P O R T R ÄT 15 Die meisten Alpenkräuter landen in Teebeuteln. Der Landwirt Jean-Michel Mayor, der in Icogne im Zentralwallis seit 20 Jahren Heilkräuter anbaut, hat etwas Neues versucht: Diesen Sommer hat er einen Teil seiner Bio-Kräuter destilliert. Nicht zu hochprozentigem Schnaps, sondern zu hochwirksamen Tropfen. « Der intensive Duft, den Heilkräuter wie der Ysop verströmen, rührt von den darin enthaltenen ätherischen Ölen her. Aufgezeichnet von Isabel Plana Kräuter enthalten wertvolle ätherische Öle, die gegen die verschiedensten Beschwerden helfen. Das Oregano-Öl, das ich hier gerade destilliere, wirkt zum Beispiel stark entzündungshemmend, es ist sozusagen ein natürliches Antibiotikum. Es hilft unter anderem gegen Halsschmerzen. Bereits wenige Tropfen reichen, weil ätherische Öle hochkonzentriert sind. Ich finde es total faszinierend, welche Kraft in diesen Pflanzen steckt. Seit 20 Jahren baue ich Heilkräuter an. Bis letzten Sommer habe ich jeweils die gesamte Ernte an die Kooperative ‹Valplantes› geliefert. Da ich über die Jahre viel über Kräuter und ihre Heilwirkung gelernt habe, wollte ich dieses Potenzial ausschöpfen und aus einem Teil der Kräuter selber ätherische Öle gewinnen. Freunde in Frankreich destillieren schon seit Jahren ätherische Öle und sind damit erfolgreich. Ich wollte das auch versuchen. Als gelernte Drogistin und Kräuterfachfrau teilt meine Frau Catherine meine Leidenschaft für Heilpflanzen. Die Kräuter haben uns sogar zusammengebracht: Catherine hat einst für eine Lokalzeitung ein Interview mit mir gemacht – über den Kräuteranbau in der Region. Wir legten also los. Doch mit der Destillieranlage alleine war es nicht getan. Ich musste auch ein Gebäude bauen mit einem Ladenlokal und einem Laborraum, wo die ätherischen Öle sauber abgefüllt werden können. Alleine hätte ich diese Investitionen nicht stemmen können. Zum Glück hat die Schweizer Berghilfe uns finanziell unterstützt. einem grossen, geschlossenen Kessel erhitzt. Über den aufsteigenden Dampf werden die ätherischen Öle gelöst und mittransportiert. Dieser Dampf wird anschliessend wieder heruntergekühlt und kondensiert zu einer Mischung aus Pflanzenwasser, dem sogenannten Hydrolat, und ätherischen Ölen. Auch das Hydrolat ist ein wertvolles Produkt, das vor allem für kosmetische Zwecke, zum Beispiel für die Gesichtspflege, eingesetzt wird. Im sogenannten Florentiner-Topf oder ‹Essencier›, dem kleinen Gefäss am Ende der Destillieranlage, wird das aufschwimmende Öl schliesslich vom Pflanzenwasser getrennt. Für die Destillation verwende ich die Kräuter frisch geschnitten. Man kann auch getrocknete Kräuter destillieren, aber die Ausbeute ist kleiner. Oder besser gesagt: noch kleiner. Denn viel Öl gewinnt man ohnehin nie. Mein Destillierkessel hat ein Fassungsvermögen von 1000 Litern. Aus einem Kessel voll Kräuter hole ich gerade mal ein paar Deziliter Öl raus. Die Menge hängt von der Pflanzenart ab. Nur wenige Deziliter Öl Das Prinzip der Destillation beruht auf dem Verdampfen und Kondensieren eines Stoffes. Zunächst werden die Kräuter in Catherine teilt die Leidenschaft ihres Mannes für Heilpflanzen. Natürlich kommt es mir vor allem auf die Qualität des Öls an. Der entscheidendste Faktor dafür sind die Pflanzen selbst: Das Öl ist nur so gut wie die Kräuter, aus denen es gewonnen wird. Deshalb produziere ich Bio. Für die rund ein Dutzend Kräuterarten setze ich weder Kunstdünger noch Pestizide ein. Dass der Boden und das Klima in dieser Gegend ideal sind für Heilkräuter, ist natürlich hilfreich. Ich führe genau Buch, wann ich welche Kräuter schneide, in welchem Wachstumsstadium sie sich befinden und wie das Wetter zu diesem Zeitpunkt ist. So lässt sich später nachvollziehen, unter welchen Bedingungen Qualität und Menge des Öls am besten sind. Bio-Kräuter für reinste Öle Nach der Destillation werden die ätherischen Öle gefiltert, dekantiert, in Flaschen gefüllt und chemisch untersucht, bevor sie einige Monate ruhen. Die Öle, die meine Frau und ich diesen Sommer aus Thymian, Muskat-Salbei, Oregano, BergBohnenkraut, Echtem und Spanischem Lavendel, Ysop, Rosmarin, Pfefferminze, Föhre, Fichte, Lärche und Kamille gewonnen haben, gehen also erst nächsten Frühling über den Ladentisch. Bis dann ist hoffentlich unser Hofladen fertig eingerichtet. Dazu kommen wir erst jetzt, im Sommerhalbjahr war einfach zu viel zu tun. Ich baue ja nicht nur Kräuter an, sondern halte auch Ehringerkühe und produziere Eier, die ich in der ganzen Region ausliefere. Und ich überlege, Besucherführungen anzubieten oder Leuten die Möglichkeit zu geben, beim Kräuterschneiden und Destillieren mitzumachen. Es ist noch vieles im Aufbau, aber der Name der Destillerie steht schon fest: ‹L’Essencier›. www.berghilfe.ch/icogne » 4_ 2015 Berghilf-Ziitig 16 P ER S Ö N L I C H ALBERT GREDIG IST IM FERNEN KANADA MIT DEN SCHWEIZER BERGEN VERBUNDEN Küchenarbeit gegen Englischunterricht D er 86-jährige Albert Gredig erinnert sich gut an seine Schulzeit in Pontresina im Engadin. Vor allem daran, dass er nie gerne in die Schule ging. «Ich wollte immer nur Bauer werden.» Und dies, obwohl die Eltern mit der Landwirtschaft nichts am Hut hatten. Bereits als Zehnjähriger ging Albert erstmals z’Alp, und auch im Winter half er lieber den Bauern im Dorf, als Hausaufgaben zu machen. Als es später Englisch als Wahlfach gab, war er der einzige der Klasse, der sich nicht einschrieb. «Wozu sollte ich als Bauer auch Englisch brauchen?» Fünf Jahre später stand er in einer kanadischen Küche, half der Farmersfrau beim Abwasch und bekam als Gegenleistung Englischunterricht. Heute ist Englisch Alberts Hauptsprache. Er lebt seit über 50 Jahren in St.Thomas in Ontario, nahe am Erie-See, zwischen Toronto und Detroit. Bauer ist er geworden, und sogar ein erfolgreicher. Ein Bergbauer in der Schweiz bewirtschaftet im Durchschnitt 18 Hektaren Land. Albert Gredig besitzt heute acht Farmen mit 320 Hektaren Land, die er mit seinem Sohn Peter ohne Angestellte bewirtschaftet. Sie bauen Mais und Sojabohnen an, die sie auf dem Weltmarkt verkaufen. Wenn sein Sohn in den Mähdrescher steigt, dann nimmt er Laptop und Handy mit, um neue Verkaufsverträge auszuhandeln, während die Maschine per Autopilot ihre grossen Runden dreht. Albert Gredig baut auf seinen Feldern in Kanada hektarweise Sojabohnen an. Berghilf-Ziitig 4_ 2015 Weiter weg von der Schweizer Berglandwirtschaft könnte Albert Gredig kaum sein. Und doch liegt ihm diese immer noch am Herzen. Er liest jede Ausgabe des Schweizer Bauern, und auf die neue «Berghilf-Ziitig» freut er sich jeweils Wochen im Voraus. Albert spen- DA N K E SB R I EF E 17 Danke! Täglich treffen bei der Schweizer Berghilfe Briefe ein, in denen Familien den Spenderinnen und Spendern für die wertvolle Unterstützung danken. Diesen Dank leiten wir gerne an Sie weiter. Ontario Doch noch angepackt det regelmässig an die Schweizer Berghilfe. «Das ermöglicht mir, auch im fernen Kanada mit den Schweizer Bergen verbunden zu sein.» Seit zehn Jahren kommt er auch wieder regelmässig für einen Monat pro Jahr zurück ins Engadin. Nicht ganz unschuldig daran ist seine zweite Frau Edith. Die beiden kamen auf einer Klassenzusammenkunft zusammen, zu der Albert vor 15 Jahren auf seine Farm nach Kanada eingeladen hatte. «Die Farm gefiel mir, Albert gefiel mir – also bin ich später wiedergekommen», sagt Edith mit einem Schmunzeln. Bereut hat sie es nie. «Es gefällt mir in Kanada. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich ein wunderschönes riesiges Maisfeld.» Dennoch geniesst sie den jährlichen Engadin-Aufenthalt in vollen Zügen. «Manchmal brauche ich halt auch wieder die Sicht auf meine Berge.» Die ganze Familie dankt Ich und mein Sohn, ja die ganze Familie dankt recht herzlich für Ihre finanzielle Unterstützung. Dank Ihnen konnten wir unseren Neubau des Boxenlaufstalls für die Kühe und den Umbau des alten Stalles für das Jungvieh mit etwas weniger finanziellen Sorgen in Angriff nehmen. Wir sind der Berghilfe sehr dankbar, da während des Aushubs für den Neubau grosse geologische Probleme aufgetreten sind. Diese verursachten zusätzliche Kosten. Dank Ihnen dürfen wir etwas sorgenfreier in die Zukunft blicken. Familie J., Kanton Wallis Endlich ist unser neues Steindach fertiggeworden. Es macht uns viel Freude. Wir haben extra ein Bänkli hingestellt, von wo man schön auf das Steindach sieht. Wenn wir dort sitzen, staunen wir immer aus Neue. Fast hätten wir das Problem des nicht mehr reparierbaren Daches der folgenden Generation überlassen und uns durchgemogelt bis zur Pensionierung. Jetzt sind wir riesig froh, dass es nach Jahren doch noch geklappt hat. Ohne die Berghilfe hätten wir das Dach trotz Beitrag des Kantons nicht finanzieren können. Es geht ja nicht «nur» um die Finanzierung. Wenn die Berghilfe Projekte unterstützt, belohnt sie auch den Mut und die Initiative der Menschen aus dem Berggebiet. Ein wertvolles Gut. Deshalb herzlichen Dank für euren Einsatz. Familie M., Kanton Tessin Zwei Familien am Bauen Ein funktioneller Stall Drei Generationen Gredigs: Sohn Peter, Vater Albert und Enkel Sam. Dank Ihrer Unterstützung war es uns möglich, einen funktionellen Stall zu bauen, der unseren Arbeitsalltag deutlich erleichtert. Die ganze Familie freut sich über den Neubau und möchte ganz herzlich Danke sagen. Familie W., Kanton Jura Dank Ihrer Unterstützung können wir – zwei Familien – unseren seit Jahren geplanten Freilaufstall realisieren. Wir möchten der Berghilfe und den Spendern einen riesigen Dank aussprechen. Mit viel Begeisterung engagieren sich alle beim Bau. Auch die drei Kinder sind tatkräftig am Helfen. Wir freuen uns sehr auf den neuen Stall, da er für alle eine grosse Arbeitserleichterung bringen wird. Familien S. und K., Kanton Bern 4_ 2015 Berghilf-Ziitig 18 SP EN D EN Zug um Zug für die Bergbevölkerung Bereits im Sommer denken Elisabeth und Ueli Steiner ans Kerzenziehen. Dann muss das Material geprüft und neues bestellt werden. von Max Hugelshofer Eine Voradventszeit ohne Kerzenziehen? Für die Einwohner von Bubikon und Wolfhausen im Zürcher Oberland undenkbar. Seit 1979 sorgen Freiwillige dafür, dass jedes Jahr über 1000 Kunstwerke aus Bienenwachs entstehen können. Der erwirtschaftete Gewinn geht traditionellerweise an die Schweizer Berghilfe. Berghilf-Ziitig 4_ 2015 D ie Bienenwachskerze wächst mit jedem Eintauchen in den heissen Wachs. Stolz leuchtet aus den Kinderaugen. Bald hat sich die Geduld ausgezahlt und das Weihnachtsgeschenk für den Götti ist fertig – doch da passiert das Missgeschick. Die Schlinge im Docht rutscht über den Zeigefinger, und mit einem gemeinen «Blubb» verschwindet die Kerze auf Nimmerwiedersehen im heissen Wachs. Solche «Tragödien» passieren täglich bei all den Kerzenziehen, die zurzeit in der ganzen Schweiz stattfinden. Beim Kerzenziehen, das jährlich abwechselnd in den Nachbardörfern Bubikon und Wolfhausen durchgeführt wird, versiegen die Tränen jeweils etwas schneller als anderswo. Denn die freiwilligen Helfer ziehen SP EN D EN 19 So können Sie spenden selbst auch Kerzen, wenn sie zwischendurch mal Zeit finden. Sie stellen sie allerdings nicht fertig. Sie hören mittendrin auf und legen die angefangenen Kerzen in eine Schachtel. Aus dieser Schachtel dürfen sich die kleinen Pechvögel bedienen und müssen nicht nochmals ganz von vorne beginnen. «Ich finde das einen schönen Brauch», sagt Elisabeth Steiner, die selbst auch schon manche angefangene Kerze zur Kiste beigesteuert hat. «So verleidet auch den Kleinsten der Spass am Kerzenziehen nicht.» Eine lange Tradition Elisabeth und ihr Mann Ueli organisieren das Kerzenziehen seit 2011. Vorher machten diese Arbeit die Initianten Ruedi und Elsi Tanner. 32 Jahre lang. «Wir können viel von der Vorarbeit der beiden profitieren», sagt Ueli Steiner. «So hält sich der Aufwand in einem erträglichen Rahmen.» Steiners hatten sich nicht um das Amt gerissen, als Tanners altershalber aufhörten. «Aber sonst hat sich niemand gefunden, und wir wollten verhindern, dass diese schöne Tradition stirbt», so Elisabeth Steiner. Inzwischen, nach dem fünften Mal Organisieren, ist Steiners «ihr» Kerzenziehen ans Herz gewachsen. Ob sie ihm auch 32 Jahre lang treu bleiben werden wie ihre Vorgänger? «Nein, das sicher nicht», lacht Ueli. «Aber ans Aufhören denken wir vorerst auch noch nicht.» Zu tun gibt das Kerzenziehen für die Organisatoren nicht nur im November, wenn es stattfindet. Bereits im Sommer muss Wachs bestellt werden, im September beginnt die Einsatzplanung der Helfer. Von denen haben Steiners bisher immer problemlos genug gefunden in Bubikon und Wolfhausen. Auch wenn es für die Einsätze keine Entschädigung gibt. Denn das ist eine weitere Tradition dieses Kerzenziehens: Der erwirtschaftete Gewinn kommt immer der Schweizer Berghilfe zugute. Pro Jahr sind es jeweils zwischen 2000 und 4000 Franken, die an ein Projekt der Berghilfe gehen. Ueli und Elisabeth Steiner sind sich einig: «Uns ist wichtig, dass wir eine Familie mit Kindern unterstützen können.» Allgemeine Spenden Sie unterstützen die Schweizer Berghilfe mit einem Geldbetrag. Hier entscheidet die Schweizer Berghilfe, welches Projekt mit Ihrer Spende unterstützt wird. Themen-Gönnerschaft Sie können Ihre Spende für die Themenbereiche «Haus und Hof», «Alp und Käse» sowie «Innovation und Zukunft» einsetzen. Mit einem Jahresbeitrag von 480 Franken bestimmen Sie selbst, für welches Thema Ihre Hilfe verwendet werden soll. Projektspenden Sie spenden für ein konkretes Projekt. Eine Auswahl finden Sie auf www.berghilfe.ch oder auf Wunsch steht eine Liste mit weiteren Projekten zur Verfügung. Projektspenden sind ab einem Betrag von 1000 Franken möglich. Ereignisspenden Ein runder Geburtstag, eine Hochzeit, ein Jubiläum oder ein anderes freudiges Ereignis sind immer auch ein guter Anlass, an Menschen zu denken, die der Unterstützung bedürfen. Trauerspenden Bei einem Trauerfall kann auf Wunsch des Verstorbenen oder seiner Hinterbliebenen auf Kränze und Blumen verzichtet und dafür der Schweizer Berghilfe gedacht werden. Alles zum Vorgehen auf: www.berghilfe.ch unter der Rubrik Spenden/Trauerspenden. Erbschaften und Legate Sie möchten der Schweizer Berghilfe eine Erbschaft oder ein Legat vermachen? Martin Schellenbaum berät Sie gerne, Telefon 044 712 60 56. Wertvolle Tipps erhalten Sie auch im Testament-Ratgeber «Dem Leben in den Bergen Zukunft geben». Zahlungsmöglichkeiten Postkonto 80-32443-2 IBAN CH44 0900 0000 8003 2443 2 WIR-Konto 264641-38-0000 Oder benützen Sie den diesem Heft beigefügten Einzahlungsschein. Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Spende! Weitere Informationen unter www.berghilfe.ch Hunderte Kunstwerke aus Bienenwachs entstehen jedes Jahr. Haben Sie Fragen zum Thema Spenden? Rufen Sie uns an, wir beraten Sie gerne. Sie erreichen uns unter Telefon 044 712 60 60 oder per Mail unter [email protected] 4_ 2015 Berghilf-Ziitig 20 Stiftung Schweizer Berghilfe Soodstrasse 55, 8134 Adliswil, Telefon 044 712 60 60 www.berghilfe.ch, [email protected] Postkonto 80-32443-2
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