im Landkreis Osnabrück AK 7: Schulabsentismus und Ordnungswidrigkeitenverfahren - von Symptomen und Reaktionen 1 Warum Schulverweigerer in den Blick nehmen? 2 Grundannahmen Schulverweigerung ist ein Prozess. Die Gründe für Schulverweigerung sind vielfältig. Ursachen können Brüche und Instabilitäten im sozialen Umfeld oder in der Schule sein. Schulverweigerung tritt unterschiedlich häufig und regelmäßig auf. 3 aktive und passive Schulverweigerung passiv: aktiv: Anwesenheit ohne Beteiligung am Unterricht und Schulleben wiederholtes unentschuldigtes fehlen bis zum Totalausstieg 4 Schulverweigerung hat viele Facetten Schulangst Zurückhalten Schulphobie Schulschwänzen 5 Schulangst „Roxana war zunächst in der Hauptschule. Dort hing sie dem Unterrichtsstoff hinter her. Da sie zudem die Schule aufgrund des Umzugs der Familie wechseln musste fehlten ihr die stabilen sozialen Kontakte. In der Hauptschule war in den vergangenen ca. drei Jahren kein regelmäßiger Schulbesuch möglich. Sie war dann Teilnehmerin in einem außerschulischen Angebot. Das Projekt hat sie auf eigenen Wunsch im Januar 2014 verlassen. Zum Schuljahresende wurde sie in einer Jugendwerkstatt vorgestellt (SIJU SEK II). Die zuständige Pädagogin hat sich aufgrund des gezeigten Verhaltens noch nachträglich gegen sie als Teilnehmerin ausgesprochen. Aktuell Schülerin in einer BBS – dort bislang keinen Tag anwesend. Hausbesuche bislang erfolglos. Der FD Jugend hat in der Vergangenheit Angebote gemacht. Seinerzeit wollte die Familie die Situation selber lösen – nun fordern die Eltern Unterstützung ein, jetzt distanziert sich der FD Jugend von Angeboten, auch weil Roxana selbst keinen Bedarf signalisiert. Arrestantritt steht aufgrund des OWI - Verfahrens bevor! Leistungsanforderungen nicht gerecht werden können Leistungsangst Keine oder sehr geringe sozialen Bindungen zur Peergroup Keine oder sehr geringe soziale Bindungen 6 Schulphobie Klientin X (16) leidet an einer sozialen Phobie (diagnostiziert) und ist stark übergewichtig (Adipositas). Es treten unter anderem psychosomatische Symptome auf (Herzrasen, Panikattacken, Übelkeit, etc.) in Verbindung mit einem stark vermindertem Selbstbewusstsein. Das geringe Selbstbewusstsein, sowie die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper tragen maßgeblich zu ihrer Verweigerungshaltung bei. Hilfe nimmt sie kaum an, geht zwar sporadisch zu einer ambulanten Psychotherapie, jedoch auf Drängen der Mutter, ohne intrinsische Motivation. Klientin X befindet sich in einer Art Teufelskreis: Aus Angst vor negativer sozialer Bewertung vermeidet sie soziale Kontakte bis hin zum Schulbesuch, wird dadurch unter Umständen auf Grund ihres Verhalten vermeintlich oder tatsächlich negativ bewertet und ihre Angst wird bestätigt (selffulfilling prophecy). Im Bereich Schulleistung könnte Klientin X laut Aussagen des hier relevanten Umfeldes (LehrerInnnen, Schulleiterin, Mutter) den Realschulabschluss erreichen, würde aber bei fortgesetzter Schulverweigerung ohne Schulabschluss ihre Regelschulzeit beenden und auf eine Berufsschule wechseln. Sie befindet sich zurzeit im Hauptschulzweig einer Oberschule in der 9. Klassenstufe. Unentschuldigte Fehlzeiten wurden gemeldet und ein erstes Kontingent an Sozialstunden muss Klientin X ableisten (ein weiteres könnte in Kürze folgen). Trennungsängste zu wichtigen außerschulischen Bezugspersonen Meist ausgelöst durch schwere private Vorkommnisse Meist kein Bezug zur Schule Häufig durch das soziale Umfeld toleriert Kommunikation mit ihr findet wenn überhaupt über die Mutter statt, da sich Klientin X beim ersten Hausbesuch des Fachberaters nicht aus dem Zimmer traute. Die Beziehung zwischen Mutter und Klientin X scheint problembehaftet zu sein, wobei genauere Kenntnisse der Fachberatung noch nicht vorliegen. 7 Zurückhalten Martina B. besucht die 8. Klasse einer Hauptschule. Dort kommt es regelmäßig zu entschuldigten und unentschuldigten Fehltagen. Die Lehrkräfte haben auch bei den entschuldigten Fehltagen den Verdacht, dass diese ungerechtfertigt entschuldigt werden. Das Mädchen wirkt für ihr Alter sehr reif und selbstständig. An den Tagen der Anwesenheit zeigt sie sich sehr abgespannt und übermüdet. Ihre schulischen Leistungen waren bis zur 6. Klasse durchschnittlich. Seit Klasse 7, haben sich diese jedoch massiv verschlechtert. Die Versetzung in Klasse 9 ist gefährdet. Martina B. hat zwei jüngere Geschwister. Die Mutter von Martina ist psychisch an Depressionen erkrankt, so dass sie sich des Öfteren nicht in der Lage sieht, ihren Haushalt zu bewerkstelligen und sich adäquat um die Kinder zu kümmern. Da die Familie aus einem sozial schwachen Milieu kommt, fehlen ihr die Kompetenzen und auf Grund der Depressionen die Kraft, sich externe Hilfe für die Familie zu organisieren. Martina übernimmt vermehrt die Mutterrolle für ihre Geschwister und erledigt die Aufgaben im Haushalt (Erziehung, Geschwister in den Kindergarten bringen, etc.) . fehlendes Verständnis für Schulpflicht fehlendes Vertrauen der Eltern in das Schulsystem familienorganisatorische Gründe (z.B. fehlende Kinderbetreuung) andere kulturelle/religiöse Gründe 8 Schulschwänzen/Schulverweigerung Dennis ist 16 Jahre alt. Er muss jetzt zur Berufsschule. Die ist riesig und er muss morgens 45 Minuten mit dem Bus fahren. Er hat im BVJ Metall einen Platz bekommen. Eigentlich wollte er im Bereich Büro was machen, aber da hat er keinen Schulplatz bekommen. Er war zu spät mit der Anmeldung. Die Jungs in seiner Klasse kennt er alle nicht und was ihm dieses Jahr bringen soll sieht er nicht. Er hat er nur ab und zu den Bus verpasst und kam zu spät, dann hat aber keiner darauf reagiert und so passierte es öfter, bis hin zu Tagen und Wochen. Jugendliche werden von den Unterrichtsinhalten nicht erreichen Sinnhaftigkeit des Schulbesuchs wird in Frage gestellt Soziales Umfeld bekommt es nicht mit Beginnt häufig mit zu Spät kommen und steigert sich dann Jetzt muss er Sozialstunden ableisten und hofft, dass er im Sommer endlich frei ist. 9 Schulabsentismus im Landkreis Osnabrück: Annäherung aus unterschiedlicher Perspektive Ergebnisse der Schulbefragung 2011 S. Overmann M.A. Erziehungswissenschaften und Soziologie Dipl. Psych. M. K. List1 1 Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik Quantitative Studie – Facetten der Schulverweigerung Fehlen: – – Insgesamt 139 von 512 SuS (28%) Gy: 25%; RS: 26%; HS: 33% Gründe für das Fehlen: Häufigste Nennungen – – – „Ich hatte keine Lust auf Schule“ (50%) „Ich wollte aussschlafen“ (32%) „Der Unterricht war langweilig“ (27%) Ergebnisse Der Einfluss einer positiven emotionalen Bindung an Lehrkräfte und Schule ist maßgeblich für den Aufbau von tragfähigen und wertschätzenden Beziehungen in der Schule. Der Lernstoff sollte für die Schüler einen Transfer ermöglichen und mit Lebens- und Berufszielen verknüpfbar sein. Ergebnisse Durch partizipative Prozesse verinnerlichen Schüler Schulnormen und Regeln zum schulischen Miteinander und setzen diese entsprechend um. Das Erleben von Selbstwirksamkeit und Erfolgserlebnisse wecken die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme und zu Engagement für die Gemeinschaft. Fazit Unterstützung auf schulischer Ebene – – – Förderung der Beziehung zwischen Schülern und zwischen Schülern und Lehrkräften Ermöglichen von Selbstwirksamkeitserfahrungen Unterrichtszeiten verändern Unterstützung auf außerschulischer Ebene – – (frühzeitige) sozialpädagogische Betreuung Elternarbeit und jetzt … von den Ursachen zur Handlung! 15 Flächenlandkreis Optionskommune 21 Städte und Gemeinden 359.000 Einwohner ca. 130.000 Einwohner unter 30 Jahren ca. 25.000 Schüler 50 allgemeinbildende Schulen (ohne Grundschulen) 7 Förderschulen 4 berufsbildende Schulen 16 Landkreis Osnabrück Geschäftsbereich Wirtschaft und Arbeit MaßArbeit kAöR Jugendhilfeausschuss Bildungsausschuss Ausschuss für Soziales Berufsorientierung in der Schule Übergang in die Ausbildung und Begleitung Zusätzliche Angebote der Aktivierung und Qualifizierung Kommunale Arbeitsvermittlung Migrationszentrum Angebote für Schulverweigerer Regionale Arbeitskreise Jugendsozialarbeit Beirat Arbeitsmarktrelevante Akteure der Region 17 Übergangsmanagement (§ 13 SGB VIII) Schule und Beruf im Landkreis Osnabrück 18 Schulverweigerung in Zahlen Landkreis Osnabrück 419 gemeldete Personen 934 Anzeigen 15080 Fehltage Durchschnittsalter 16 Jahre 19 Rechtliche Grundlagen • Jeder Jugendliche in Niedersachsen ist 12 Jahre schulpflichtig. • Schulpflichtverletzung ist eine Ordnungswidrigkeit (§ 176 Abs. 1 NSchG) • Einleitung eines Bußgeldverfahrens (§ 176 Abs. 2 NSchG) • Sozialstunden und Freizeitarrest (§ 98 OWiG) Unsere Ziele Meldesystem Fachberatung • Langfristige Senkung der Schulverweigererzahlen Handreichung • Verbindliche Kooperationsstrukturen mit den Schulen aufbauen • • • Frühzeitiges Agieren Jedem Schulverweigerer ein Angebot Zuverlässige Datenerfassung 21 22 Handreichung Schulverweigerung Fachverfahren Schulpflichtverletzung • • • • Onlinemeldung der Schulpflichtverletzungen Integriert alle am Prozess beteiligten Stellen Transparenz der Verfahrensschritte Verkürzung der Verfahrensdauer www.schulpflichtverletzung.de 24 Fachberatung Schulverweigerung Außerschulische Angebote • Auf Kurs Junior (Sekundarbereich I) Motivation und Stabilisierung schulmüder und schulverweigernder Jugendlicher mit dem Ziel der Wiedereingliederung in die Schule. • Auf Kurs (Sekundarbereich II) Erfüllung der Berufsschulpflicht in den fünf Jugendwerkstätten mit dem Ziel der beruflichen Integration. • Deine Chance Sozialpädagogisches Angebot zur Begleitung und Erfüllung der Sozialstunden aufgrund von Schulverweigerung. Susanne Steininger Übergangsmanagement Schule - Beruf www.massarbeit.de 27
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