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Alpenpässe in Norditalien
Text und Fotos von Markus Biebricher
DIE VERGESSENEN
PÄSSE
L Karten: C. Werel, MAIRDUMONT, Illustrationen: H. Hornig
etztes Jahr stellten wir
Ihnen die für uns zehn
schönsten Alpenpässe
Italiens vor (MOTORRAD
18/2010). Heute haben wir fünf
Underdogs unter den norditalienischen Pässen in den Fokus
gerückt. Weniger spektakulär
als die nominierten zehn besten, aber mit fahrerischer Würze
und urigem Charme unbedingt
eine Reise wert. Zumal sich unsere vergessenen Pässe in eine
etwa 600 Kilometer lange Runde integrieren lassen, auf der
man auch manchen der
„Siegerpässe“
nochmal fahren kann.
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Der Vivione-Pass
lockt mit kleinen,
erlebnisreichen
Abzweigungen,
superschmalem
Asphaltband und
viel Abwechslung
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Länge: 57 Kilometer • Höhe: 1827 Meter • Öffnungszeiten: Mai bis Oktober • Maximale Steigung: 15 Prozent •
Besonderheiten: Zählt zu den schmalsten asphaltierten Straßen im gesamten Alpengebiet
PASSO DEL VIVIONE
B
ravo, Vivione! Der Pass führt vom Val
Camonica mitten in die Bergamasker
Alpen und damit in eine äußerst reizvolle Landschaft der Lombardei. Das nur zwei
bis drei Meter breite Asphaltsträßchen windet
sich durch eine Bergszenerie, die jeden Modelleisenbahn-Fan vor Neid erblassen lassen würde. Die Befahrung des Vivione ist Genuss in
reinster Form. Wenig Verkehr, zahllose Kehren,
Panoramablicke auf die Adamello-Gruppe,
die idyllische Passhöhe mit Bergsee und die
Möglichkeit, mal einen harmlosen Abstecher
ins Gelände zu unternehmen, machen diesen
Pass zu einem grandiosen Natur- und Fahrerlebnis. Außerdem lässt er sich gut mit dem
Gavia- oder dem Mortirolopass kombinieren.
Unser Tipp: Auf der Passhöhe in die Wirtschaft
einkehren und die himmlische Ruhe genießen.
1. PLATZ
31 von 50 Punkten
PASSBEWERTUNG
6
5
3
8
9
Fahrspaß
Langsame Kurven
Schnelle Kurven
Landschaft
Passhöhe
UNTERWEGS
85
Alte Dörfchen, geflickter Asphalt, ein
Pass zum Genießen, nicht zum Heizen
PASSO DURAN
2. PLATZ
29 von 50 Punkten
Länge: 25 Kilometer • Höhe: 1605 Meter • Öffnungszeiten: April bis November •
Maximale Steigung: 15 Prozent • Besonderheiten: Geringes Verkehrsaufkommen
D
PASSBEWERTUNG
Fahrspaß
Langsame Kurven
Schnelle Kurven
Landschaft
Passhöhe
86
UNTERWEGS
5
5
3
8
8
er Passo Duran in der Region VeneMotorradfahrer, das Rifugio Tomé und das
tien ist ein Geheimtipp. Er liegt südRifugio San Sebastiano laden zum Verweilen
östlich der Sella-Runde, verläuft viel
und Übernachten ein. Pässe in der Nachbardurch Wald, wobei zwischendurch immer
schaft sind Staulanza, Giau, Fedaia, Cibiana,
wieder grandiose Aussichten geboten werCereda, San Pellegrino und San Oswaldo.
Unser Tipp: Bergtour auf den nahe gelegenen
den. Die schmale Straße ist von stark wech2488 Meter hohen Cima San Sebastiano.
selnder Asphaltqualität und oft ungesichert.
Es ist also Vorsicht geboten, vor allem in
den unübersichtlichen Ecken. Ein Pass
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zum Heizen sieht anders aus, doch der
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Duran entfaltet einen urigen Charme,
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wenn man sich Zeit nimmt, Straßenfüh/DJRGL3RQWHVHL
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rung wie Umgebung genießt und sich
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über Blumen, alte Dörfchen, bemooste
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Brücken oder skurrile Bäume freuen kann.
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Auf der Passhöhe treffen sich oft viele
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PASSO
ROLLE
3. PLATZ
28 von 50 Punkten
Länge: 43 Kilometer • Höhe: 1984 Meter • Öffnungszeiten: Ganzjährig • Maximale Steigung: 11 Prozent •
Besonderheiten: Einer der ältesten Dolomitenpässe, führt durch traumhaften Nationalpark
T
raurige Berühmtheit erlangte der
Passo Rolle im Dolomitenkrieg (1915
bis 1918), weil eine der Hauptkampflinien entlang der Bergkette am Pass verlief.
Erfreulicher ist die Geschichte der Wälder um
San Marino di Castrozza und Paneveggio, aus
denen der berühmte Geigenbauer Stradivari
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das Holz für seine Instrumente holte. Auch
die Venezianer besuchten den Forst, um für
ihre Schiffe das beste Holz zu schlagen. Motorradfahrer fahren von Predazzo nach Fiera
die Primiero oder umgekehrt und genießen
besonders auf der Südrampe zügige Kurven
und freche Schräglagen. Spätestens hinter
der touristisch zugebauten Passhöhe
sollte man anhalten, um einen Blick auf
die turmartigen Gipfel der Pala-Gruppe
oder die sehenswerte Landschaft des
Parco Naturale Paneveggio zu werfen.
Der Rolle lässt sich kombinieren, z. B. mit
den Pässen Valles, Cereda und Colbricon.
Unser Tipp: Den vom Rolle ausgehenden Valles hoch- und runterfahren.
Sportlicher orientierten Fahrernaturellen bietet der Rolle einige Gelegenheiten zu schönen Schräglagen
PASSBEWERTUNG
7
4
7
8
2
Fahrspaß
Langsame Kurven
Schnelle Kurven
Landschaft
Passhöhe
UNTERWEGS
87
Länge: 26 Kilometer • Höhe: 1773 Meter • Öffnungszeiten: Durchgehend •
Maximale Steigung: 14 Prozent • Besonderheiten: Schöne, schnelle Kehren
PASSO STAULANZA
Die Nordseite des Staulanza bietet
sportlichen Fahrern ein Paradies an dynamischen Kurven und gutem Asphalt.
Auf der Südseite (Bilder) wird die Fahrt
eingebremst, es locken pittoreske Orte
PASSBEWERTUNG
Fahrspaß
Langsame Kurven
Schnelle Kurven
Landschaft
Passhöhe
88
UNTERWEGS
9
5
8
3
2
4. PLATZ
27 von 50 Punkten
O
hne Frage ist der Staulanza von den
go und Duran sind vom Staulanza ebenfalls
hier vorgestellten fünf Pässen derjeleicht erreichbar. Auch wenn Landschaft und
nige mit den schnellsten Kehren.
Passhöhe nicht ganz so spektakulär scheinen,
Besonders auf der Nordseite überzeugt die
gewinnt der Staulanza auf jeden Fall die Fahrgut ausgebaute Verbindung zwischen Selva
spaß-Wertung. Hinfahren, ausprobieren!
Unser Tipp: Das Rifugio auf der Passhöhe
di Cadore und Zoldo Alto mit tollem Asphalt
und rennstreckenmäßigen Radien in typischer offeriert leckere Speisen, außerdem gibt es in
der Nähe zwei lohnenswerte Klettergärten.
Dolomitenlandschaft. Auf der Südseite beeindrucken engere Schleifen, überraschend liebliche Ausblicke und der
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aufstrebende Ort Zoldo Alto mit sei,7$/,(1
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nen Fraktionen Mareson, Pecol, Pianaz
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und Fusine. Der Asphalt ist nicht mehr
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ganz so gut, reicht aber immer noch
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für spaßbringende Schräglagen. Von
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Selva di Cadore geht es auch auf den
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Passo Giau. Die Pässe Fedaja, Falzare9LOOD
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JAUFENPASS
5. PLATZ
26 von 50 Punkten
Länge: 35 Kilometer • Höhe: 2094 Meter • Öffnungszeiten: Mai bis Oktober • Maximale Steigung:
12 Prozent • Besonderheiten: Nördlichster inneritalienischer Alpenpass, Postkartenpanorama
PASSBEWERTUNG
5
4
3
8
6
Fahrspaß
Langsame Kurven
Schnelle Kurven
Landschaft
Passhöhe
D
er Jaufenpass ist die kürzeste Verbindung zwischen den Südtiroler
Touristenhochburgen Sterzing und
Meran. Entsprechend stark frequentiert ist
der Pass während der Saison. Die Asphaltqualität wechselt zwischen gut und mäßig,
es wird viel repariert. Die Südseite bietet
etwas weitere Kehren als die engen Serpentinen der Nordseite. Auf beiden Seiten
muss man mit einem schnellen Wechsel
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Natürlich gibt es noch viel mehr Pässe
mit urigem Charme im Norden Italiens. Wir haben diese fünf herausgesucht, weil sie einen guten Kompromiss aus Höhe und Exotik bieten.
DIE ROUTE: Einsteigen in die Route der
vergessenen Pässe kann man wahlweise über
Garmisch und Innsbruck oder über Füssen und
Imst. Es mutet fast unfair an, unsere Route
hervorzuheben, da es im Norden von Italien,
insbesondere in den Dolomiten, vor faszinierenden Motorradstrecken nur so wimmelt.
Doch immerhin hat Alpenkenner und MOTORRAD action team-Tourguide Daniel Lengwenus
dieser Runde sein Gütesiegel verpasst. Der
Strecken-Guru sieht die Tour als Anregung und
attestiert jedem Pass und seinen Nachbarn,
dass sich auch eine genussvolle Einzelbefahrung lohnt. Ganz nach Gusto und Fahrernatur.
Spektakuläre Ausblicke, schneller
Wechsel zwischen Licht und Schatten,
viele Motorräder in der Saison
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zwischen Licht und Schatten rechnen und
entsprechend aufpassen. Achtung auch vor
Reisebussen. Früh am Morgen oder später
am Nachmittag ist die Welt auf dem Jaufen
aber voll in Ordnung. Unser Tipp: Von der
Passhöhe aus auf den westlichen Kamm
steigen und die tolle Aussicht nach mehreren Seiten genießen.
DIE BEWERTUNG: Die Punkteskala
stellt die aus den letztjährigen MOTORRADAusgaben bekannten, von uns entwickelten
„Passdisziplinen“ dar. Der generelle Fahrspaß
beinhaltet eine Bewertung der Fahrbahnbeschaffenheit in Kombination mit dem Abwechslungsreichtum der Strecke, des Naturund Fahreindrucks. Das Kurvenerlebnis ist in
schnell und langsam unterteilt, weil es hier
Variationsmöglichkeiten gibt, je nachdem ob
die jeweilige Kehre runden Strich und flüssigen
Fahrstil zulässt, gut einsehbar ist und auf ihre
Art süchtig macht. Die Passhöhe als geografisches Ziel eines jeden Passes wird extra bewertet hinsichtlich ihrer Pausenqualitäten samt
Aussicht. Das Naturerlebnis während der Passbefahrung ist ein weiteres Kriterium. Es kann
wie im Falle von Vivione, Duran oder auch Rolle
so dominieren, dass auch Langsamfahren zum
absoluten Genuss wird. Natürlich gibt es Überschneidungen der einzelnen Disziplinen, und
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unsere Bewertungen unterliegen subjektiven
Einschätzungen. Was bedeutet, dass sie diskutiert werden können.
ÜBERNACHTEN: Empfehlen können
wir diesmal das Rifugio San Sebastiano auf
dem Passo Duran (www.passoduran.it, Telefon
00 39/04 37/6 23 60), stellvertretend für alle
anderen ausgewählten Hotels im Norden
Italiens, die im MOTORRAD-Hotelführer 2011
gelistet sind. Der tankrucksackfreundliche
Hotelführer ist unter der Telefonnummer
07 11/1 82/13 74 bestellbar und wird unseren
Lesern gratis zugesandt.
KARTEN/LITERATUR/ADRESSEN:
MairDuMont-Generalkarte Südtirol-Trentino
und Veneto-Friaul, Maßstab 1:200 000, je 8,50
Euro, Großer Alpenstraßen-Führer, DenzelVerlag, 39,90 Euro, www.alpentourer.de,
www.dolomitesworld.com
In der MOTORRAD-Ausgabe 6/2010 zeigten wir die zehn besten Alpenpässe der Schweiz,
in der MOTORRAD-Ausgabe 11/2010 präsentierten wir die zehn besten Alpenpässe Österreichs,
in der MOTORRAD-Ausgabe 18/2010 stellten wir die zehn besten Alpenpässe Italiens und in der
MOTORRAD-Ausgabe 21/2010 die zehn besten Alpenpässe Frankreichs vor. Nachzulesen unter
www.motorradonline.de/
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UNTERWEGS
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