BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1358 21. Wahlperiode 25.08.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 19.08.15 und Betr.: Antwort des Senats Verfahren der Identitätsfeststellung von Flüchtlingen Die Identität eines Flüchtlings, der Asyl ersucht, ist durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu sichern. Sofern die Identität nicht anhand eines Passes oder anerkannten Passersatzes nachgewiesen werden kann, sind weitere Verfahren zur Feststellung der Identität erforderlich (vergleiche §§ 48, 49 AufenthG, 16 AsylVfG und andere). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Behörden sind in welchem Rahmen für die Überprüfung und Feststellung der Identität von Flüchtlingen in Hamburg zuständig? Für die erstmalige Erfassung der Personalien neu ankommender Flüchtlinge und den Abgleich mit vorhandenen Datenbanken (zum Beispiel Ausländerzentralregister, VisaDatenbank) ist die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung (ZEA) zuständig. Eine weiter gehende Überprüfung der Identität erfolgt im Zuge des Asylverfahrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Rahmen der Anhörung und der Auswertung der von dort veranlassten erkennungsdienstlichen Behandlung. Nach vollziehbarem beziehungsweise rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist die Ausländerbehörde im Zuge der Erteilung eines Aufenthaltstitels oder der Rückführung bei bestehender Ausreiseverpflichtung für die Prüfung der Identität zuständig. 2. Wird die Identität eines Asylsuchenden, der einen Pass oder anerkannten Passersatz vorlegt, überprüft? Ja. a. Wenn ja, wie erfolgt diese Überprüfung? Wie lange dauert die Überprüfung der Identität? Welche Stellen prüfen die Echtheit des Dokuments und die Übereinstimmung mit der Person? Die vorgelegten Dokumente werden in der ZEA durch Inaugenscheinnahme auf Echtheit überprüft. Bei der Feststellung von Fälschungsmerkmalen erfolgt eine weiter gehende Prüfung durch das Landeskriminalamt. Die Dauer dieser Überprüfung hängt stark vom Einzelfall ab und wird statistisch nicht erfasst. b. Wenn nein, warum erfolgt keine Identitätsprüfung in diesem Fall? c. Enthalten die Pässe der Herkunftsländer, aus denen Flüchtlinge nach Hamburg kommen, elektronisch gespeicherte Daten zur Person beziehungsweise biometrische Daten wie Fingerabdrücke? (Bitte für die Länder Syrien, Iran, Irak, Afghanistan, Pakistan, Eritrea, Somalia, Sudan, Nigeria, Serbien, Montenegro, Albanien, Kosovo, Entfällt. Drucksache 21/1358 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Mazedonien einzeln aufschlüsseln über welche Daten die Pässe jeweils Aufschluss geben.) Neuere Pässe aus den folgenden Ländern enthalten biometrische Merkmale: Iran, Somalia, Sudan, Nigeria, Serbien, Montenegro, Albanien, Kosovo, Mazedonien. In diesen Pässen sind die Lichtbilder hinterlegt. Ob weitere biometrische Merkmale gespeichert sind, kann in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden. 3. Wie erfolgt die Feststellung der Identität von Flüchtlingen in Hamburg, die keinen Pass oder anerkannten Passersatz vorlegen können? Das Verfahren entspricht dem in der Antwort zu 1. geschilderten Ablauf. Im Fall eines fehlenden Passes oder Passersatzes werden zunächst die Angaben der Betroffenen übernommen. Sofern andere Dokumente vorgelegt werden, werden diese geprüft. Kommt es aufgrund einer Entscheidung des BAMF oder der Ausländerbehörde zu einem Bleiberecht, wird der Betroffene in der Regel aufgefordert, einen Nationalpass vorzulegen; für anerkannte Asylberechtigte und Andere gelten abweichende Regelungen. Hat das BAMF eine negative Entscheidung getroffen und eine (vollziehbare) Ausreiseaufforderung erlassen, werden zur Vorbereitung der Rückführung weitere erforderliche Maßnahmen zur Identitätsfeststellung gemäß § 49 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) eingeleitet. Regelhaft erfolgt eine Auswertung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Wenn Anhaltspunkte über die Herkunft gewonnen werden, erfolgt eine Kontaktaufnahme mit der Auslandsvertretung des infrage kommenden Herkunftsstaates. Bei Bedarf wird durch eine Vorführung die Identität geklärt. Sofern die Auslandsvertretung die Staatsangehörigkeit verneint, werden weitere Auslandsvertretungen sonstiger in Betracht kommender Herkunftsstaaten konsultiert. Als weitere Maßnahmen kommen eine unmittelbare Kontaktaufnahme mit den Heimatbehörden der potenziellen Herkunftsstaaten (insbesondere bei bestehenden Rücknahmeabkommen), die Einschaltung der Deutschen Botschaft im potenziellen Herkunftsstaat – teilweise unter Beteiligung eines örtlichen Vertrauensanwaltes – oder die Hinzuziehung von entsandten Vertretern aus den potenziellen Herkunftsstaaten in Betracht. In Einzelfällen kann auch ein Personenfeststellungsverfahren durch das zuständige Landeskriminalamt eingeleitet werden. 4. Wie lange dauern die Verfahren der Identitätsfeststellung? (Bitte durchschnittliche jährliche Verfahrensdauer für die Jahre 2010 – 2013 und durchschnittliche Verfahrensdauer für die Quartale 1 – 4 2014 sowie 1 – 2 2015 angeben.) Die Dauer dieser Verfahren hängt stark vom Einzelfall ab und wird statistisch nicht erfasst, sodass auch eine durchschnittliche Verfahrensdauer nicht ermittelbar ist. 5. Welche Dokumente werden als Nachweis auf die Identität und das Herkunftsland anerkannt/zugelassen? Als Nachweis werden die für die Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Reisedokumente anerkannt. 6. Wie werden die unter Ziffern 3. und 5. vorgelegten Dokumente beziehungsweise getätigten Aussagen zur Feststellung der Identität überprüft? Siehe Antworten zu 2., 2. a. und 3. 7. Gibt es Flüchtlinge, die Angaben zu ihrer Identität und zu ihrem Herkunftsland verweigerten? Ein solcher Fall ist nicht bekannt. Die Angaben erweisen sich jedoch oftmals als inhaltlich nicht richtig. 2 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1358 a. Wenn ja, wie viele? (Bitte jährlich aufschlüsseln für die Jahre 2010 bis 2014 und monatlich für das Jahr 2015.) b. Wie ist in diesen Fällen verfahren worden? c. Ist eine Klärung der Identität in allen Fällen möglich gewesen? Wenn nein, in wie vielen Fällen konnte die Identität nicht aufgeklärt werden? Entfällt. 8. Welche Konsequenzen hat die Angabe falscher Daten im Hinblick auf Identität und Herkunftsland für die Asylsuchenden? Strafrechtliche Konsequenzen ergeben sich aus § 95 AufenthG. Ebenso kann die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 73 Absatz 2 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) vom BAMF zurückgenommen werden. Darüber hinaus kann nach § 33 Beschäftigungsverordnung die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung zu versagen sein. 9. Welchen Aufenthaltsstatus erhält ein Asylsuchender, dessen Identität nicht festgestellt werden kann? Werden nach einer aus diesem Grund erteilten Duldung wiederholt Maßnahmen ergriffen, um die Identität festzustellen? Wenn ja welche? Wenn nein, warum nicht? Für welchen Zeitraum wird die Duldung beziehungsweise wiederholte Duldung in diesem Fall erteilt? Nach § 55 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG ist einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet (Aufenthaltsgestattung); hierüber wird gemäß § 63 AsylVfG eine Bescheinigung ausgestellt. Zur Erteilung einer Duldung vergleiche § 60a AufenthG. 10. Stellt Hamburg für alle in Hamburg ankommenden Flüchtlinge vor Aufteilung nach dem Königsteiner Schlüssel die Identität fest? Von allen in Hamburg ankommenden Flüchtlingen werden die Personalien erfasst. Bei den Personen, die anderen Ländern zugewiesen werden, erfolgt die erkennungsdienstliche Behandlung im aufnehmenden Land durch die örtliche Außenstelle des Bundesamtes. Dies entspricht der gängigen Praxis aller Länder. 11. Wie viele Asylsuchende haben ohne Pass oder Passersatz in Hamburg Asyl gesucht? Wie viele Asylsuchende sind davon nach Königsteiner Schlüssel in Hamburg geblieben? Wie viele Asylsuchende sind ohne Pass beziehungsweise Passersatz eingereist? Wie viele Asylsuchende durchliefen das Verfahren der Identitätsprüfung? Wie viele Asylsuchende durchliefen das Verfahren der Identitätsfeststellung? Wie viele Ausreisepflichtige sind aufgrund einer gescheiterten Identitätsfeststellung im Besitz einer Duldung? (Bitte in einer Tabelle aufschlüsseln, monatlich für den Zeitraum Januar 2013 bis Juli 2015.) Die Anzahl der Personen, die wegen fehlender Reisedokumente im Besitz einer Duldung sind, können der folgenden Übersicht entnommen werden. Es handelt sich dabei um eine Sonderauswertung, die seit Ende 2013 auf Bitten des EinwohnerZentralamtes durch das Ausländerzentralregister (AZR) erstellt wird. Inwieweit die Zahlen für die ersten Monate repräsentativ sind, kann nicht beurteilt werden, da die Abfragekriterien nachträglich angepasst wurden. Datum 31.12.2013 31.01.2014 28.02.2014 31.03.2014 30.04.2014 31.05.2014 Anzahl der Duldungen 210 667 1.032 1.216 1.343 1.469 3 Drucksache 21/1358 Datum 30.06.2014 31.07.2014 31.08.2014 30.09.2014 31.10.2014 30.11.2014 31.12.2014 31.01.2015 28.02.2015 31.03.2015 30.04.2015 31.05.2015 30.06.2015 31.07.2015 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Anzahl der Duldungen 1.503 1.524 1.521 1.514 1.515 1.561 1.561 1.556 1.582 1.613 1.628 1.637 1.689 1.708 Zahlenangaben zu den übrigen Fragen liegen weder vom AZR noch vom BAMF vor. 12. Inwiefern erfolgt Amtshilfe durch deutsche Auslandsvertretungen in den Herkunftsländern zur Klärung der Identitätsfrage? Inwiefern erfolgt eine Zusammenarbeit mit in Hamburg beziehungsweise Deutschland ansässigen Konsulaten beziehungsweise Botschaften der Herkunftsländer von Flüchtlingen? Inwiefern erfolgt eine Zusammenarbeit mit den Behörden in den Herkunftsländern? Mit welchen Ländern und mit welchen in Hamburg beziehungsweise Deutschland ansässigen Auslandsvertretungen erfolgt in dieser Angelegenheit eine Zusammenarbeit? Mit welchen nicht? Die Ausländerbehörde arbeitet mit allen relevanten Auslandsvertretungen zusammen. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. 13. Wird die Ermittlung der Identität bei Ausländern ohne gültige Ausweisdokumente als Problem wahrgenommen? Wie bewertet der Senat die gängige Praxis? 14. Findet eine Evaluation über die Verlässlichkeit der Identitätsfeststellung statt? a. Wenn ja, mit welchem Ergebnis? b. Sind Identitäten ermittelt worden, die sich im Nachhinein als nachweisbar falsch erwiesen? Falls ja, in wie vielen Fällen? c. Sind Herkunftsstaaten ermittelt worden, die sich im Nachhinein als nachweisbar falsch erwiesen? Falls ja, in wie vielen Fällen? 15. Welche Zielstaaten haben in jeweils wie vielen Fällen Zweifel an der Staatsangehörigkeit von ausreisepflichtigen Asylbewerbern erhoben, deren Identität in Hamburg, von Hamburger Behörden beziehungsweise von in Hamburg ansässigen Behörden des Bundes ermittelt wurde? (Bitte jährlich aufschlüsseln für die Jahre 2010 – 2014 und für die Monate Januar bis Juli 2015.) Ein Fehlen geeigneter Identitätsdokumente erhöht den Aufwand für die Feststellung der Identität. Darüber hinaus basieren die Feststellungsmaßnahmen zwangsläufig zunächst grundsätzlich auf den Angaben der Betroffenen. Bei den notwendigen Kontakten zu den Auslandsvertretungen zur Beschaffung von Passersatzpapieren kann dies zu Problemen beim Nachweis der jeweiligen Staatsangehörigkeit führen, die sich individuell unterschiedlich gestalten können. Die Erfahrungen aus den Verfahren zur Identitätsfeststellung werden in den betroffenen Aufgabenbereichen fortlaufend ausgetauscht, um die Maßnahmen entsprechend anzupassen. 4 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1358 Es erfolgt hierzu jedoch keine statistische Erfassung, sodass Zahlen nicht vorliegen und in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erhoben werden können. 16. Welche nicht beziehungsweise noch nicht in Anwendung befindlichen Maßnahmen würden aus Sicht des Senats die Identitätsfeststellung erleichtern? Aus welchem Grund werden diese Maßnahmen nicht angewendet? Die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder stehen hierzu in einem ständigen Meinungsaustausch. Geeignete Maßnahmen finden Eingang in die bundesrechtlichen Vorschriften, vergleiche zum Beispiel den durch Artikel 1 Nummer 25 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. Teil I S. 1386, 1392) neu geschaffenen § 48a AufenthG. Die bestehenden rechtstaatlichen Möglichkeiten werden ausgeschöpft. 5
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