BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21. Wahlperiode 21/751 19.06.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 12.06.15 und Betr.: Antwort des Senats Recht auf ganztägige Bildung und Betreuung an speziellen Sonderschulen – Was will der Schulsenator wirklich? Dem Newsletter der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) vom 5. Juni 2015 war zu entnehmen, dass an den sogenannten speziellen Sonderschulen aufgrund der positiven Resonanz auf das flächendeckende Ganztagsangebot an den Regelschulen nun auch das Recht auf ganztägige Bildung und Betreuung an Schulen umgesetzt werden soll. Die Zauberworte heißen „Anschluss- und Ferienbetreuung“, ausgeführt von zwei externen Dienstleistern, dem Verein „Leben mit Behinderung in Hamburg e.V.“ und „BHH Sozialkontor gGmbH“. Erstaunlich daran ist, dass es bereits in der Broschüre „Hamburger Sonderschulen stellen sich vor“ vom 6. Dezember 2013 hieß, dass die „speziellen Sonderschulen Ganztagsschulen mit speziellen zusätzlichen Betreuungsangeboten sind“. Insofern gehörten Mittagessen und Unterricht auch am Nachmittag als typische Ganztagsmerkmale schon lange zu dem für die speziellen Sonderschulen geltenden Beschulungskonzept. Strittig, sehr problematisch und schlecht organisiert war und ist allerdings die Beförderung der Sonderschüler. Die Schulbehörde hat es bis heute nicht geschafft, ein Transportkonzept zu erarbeiten und umzusetzen, welches sicherstellt, dass alle Hamburger Sonderschüler auch wirklich die volle Schulzeit von 8 Uhr bis 16 Uhr in ihren jeweils zuständigen Sonderschulen verbringen. Im Klartext bedeutet dies, dass eine große Zahl von Schülern das vorhandene Ganztagsangebot faktisch gar nicht wahrnehmen kann, weil sie entweder später gebracht oder früher abgeholt werden müssen. Und dies, obwohl die Ressourcen für den Ganztagsbetrieb den Schulen zugeteilt werden und die Ganztagsbeschulung für den betroffenen Personenkreis der Sonderschüler in besonderem Maße sinnvoll ist. Gerade die oftmals sehr schwer behinderten Sonderschüler profitieren von einer Ganztags-Stundenplanung, die Langsamkeit verzeiht, Zeit für individuelle Ansprache im Unterricht gewährt und einen kontinuierlichen, beständigen Bezug zum versierten Lehr- und Fachpersonal ermöglicht. Wenn demnach die Ankündigung des Schulsenators darauf abzielt, endlich ein vernünftiges Transportkonzept zu erarbeiten und dazu auch noch ein ausgereiftes und funktionierendes Anschluss- und Ferienkonzept zu liefern, bleibt abzuwarten, wie dies in der Umsetzung aussehen und woher das zusätzliche Personal kommen soll und wie sich die Kosten entwickeln werden. Wenn der Schulsenator allerdings, wie leider zu befürchten ist, beabsichtigt, den Sonderschulen ein Ganztagskonzept im Sinne der Grund- und allgemeinbildenden Schulen „überzustülpen“, vorhandene feste Stellen an den (Ganztags-)Schulen durch externe Dienstleister zu ersetzen und dadurch überall Qualitätseinbu- Drucksache 21/751 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode ßen zugunsten von Einsparungen herbeizuführen, kann dies nicht akzeptiert werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die speziellen Sonderschulen der Freien und Hansestadt Hamburg werden seit Jahren in der Regel als Ganztagsschule in einer gebundenen Form geführt. Für die Schulen mit den Förderschwerpunkten geistige beziehungsweise körperliche und motorische Entwicklung ist dies in § 13 Absatz 4 des Hamburgischen Schulgesetzes (HmbSG) normiert. In den Bildungszentren für die Förderschwerpunkte Hören und Kommunikation (Elbschule) sowie Sehen (Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte, BZBS) gibt es ebenfalls eine Form der ganztägigen Beschulung, die von der der vorgenannten Schulen leicht abweicht. Die im Newsletter der Behörde für Schule und Berufsbildung für das Schuljahr 2015/ 2016 angekündigten Veränderungen ergänzen die bestehenden Konzepte der ganztägigen Beschulung um eine Anschlussbetreuung (buchbar für die Zeiten ab Schulschluss bis 17 beziehungsweise bis 18 Uhr) sowie um eine zusätzliche Betreuung während der Schulferien. Mit diesen zusätzlichen Betreuungsangeboten kommt die Behörde für Schule und Berufsbildung einem vielfach vorgetragenem Wunsch aus der Elternschaft der speziellen Sonderschulen nach. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Was genau ist gemeint, wenn es in der Kurzinformation der BSB von Mai 2015, auf die der Newsletter der BSB vom 5. Juni 2015 verweist, heißt „Es ist ein wichtiger Schritt, um auch in den speziellen Sonderschulen das Recht auf ganztätige Bildung und Betreuung an Schulen umzusetzen.“, wenn doch das Gros der speziellen Sonderschulen bereits als Ganztagsschule geführt wird? 2. Inwieweit plant die Schulbehörde, im Rahmen der angekündigten Maßnahmen das bereits vorhandene Ganztagskonzept der Sonderschulen zu modifizieren oder aufzuheben, indem sie es durch das an den allgemeinbildenden Schule vorherrschende GBS-Konzept ersetzt? Welche Vorteile gegenüber dem derzeit vorherrschenden System werden darin gesehen? 3. Auf welche Schulen bezieht sich die in 1. angeführte Aussage konkret, nur auf spezielle Sonderschulen oder aber auch auf Sprachheil- und Förderschulen? Bitte die Schulen mit Schwerpunkt und derzeitigem Status benennen und ausweisen, ob bereits ein sogenanntes sporadisches Betreuungsangebot verfügbar ist und wie dieses organisiert wurde. Siehe Vorbemerkung. Anschluss- und Ferienbetreuungsangebote gab es bisher jeweils abhängig von der aktuellen Nachfrage an einzelnen Standorten der speziellen Sonderschulen. Diese konnten in der Vergangenheit im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten genutzt werden, standen aber grundsätzlich nur für die Eltern zur Verfügung, die aufgrund einer Berufstätigkeit auf eine Betreuung für ihr behindertes Kind angewiesen sind. Mit der angekündigten Änderung werden die zusätzlichen Betreuungsangebote zu einem regelhaften Bestandteil des schulischen Bildungs- und Betreuungsangebots, das allen Familien offen steht. Eine Übersicht zu den Schulstandorten, auf die sich die in Frage 1. angeführte Aussage bezieht, und den bisher dort umgesetzten Anschluss- und Ferienbetreuungsangeboten ist der nachfolgenden Aufstellung zu entnehmen: Schulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung Schule Bekkamp Ferienbetreuung zeitweise* Schule Kielkamp Anschluss- und Ferienbetreuung zeitweise* Schule Lokstedter Damm Schule Marckmannstraße Schule Nymphenweg Ferienbetreuung zeitweise* 2 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/751 Schulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung Schule Paracelsusstraße Ferienbetreuung zeitweise* Schule Weidemoor Schulen mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Kurt-Juster-Schule Ferienbetreuung zeitweise* Schule Elfenwiese Ferienbetreuung zeitweise* Schule Hirtenweg Ferienbetreuung zeitweise* Schule Tegelweg Bildungszentren Sehen bzw. Hören und Kommunikation BZBS Ferienbetreuung zeitweise* Elbschule Randzeiten- und Ferienbetreuung als Regelangebot Quelle: Daten der zuständigen Behörde, Stand: 15. Juni 2015 * Die zusätzlichen Betreuungsangebote konnten bisher oft durch Zusammenfassung von Schülerinnen und Schülern mehrerer Standorte realisiert werden; sie standen daher nicht an jedem Standort regelmäßig zur Verfügung. Die Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ, vormals Sprachheil- und Förderschulen) sind von den hier beschriebenen Änderungen nicht betroffen. 4. Ändert sich durch die angekündigten Maßnahmen etwas an der Stundenplanstruktur beziehungsweise der Zahl der Lehrerstunden an den betreffenden Schulen? 5. An welchen der speziellen Sonderschulen (und gegebenenfalls auch den Sprachheil- und Förderschulen) wird (derzeit und seit wann genau) mit gebundenen Ganztagsklassen gearbeitet, wie sehen hier die täglichen Schulzeiten aus, wie ist der Transport der Schüler organisiert? Nein. Siehe Vorbemerkung sowie Anlage. 6. Wie sieht an diesen Schulen die Verknüpfung des (inhaltlichen) Unterrichtsangebots auf der Grundlage des geltenden Bildungsplanes mit den sonderpädagogischen Interventionen und Fördermaßnahmen aus, welche Bildungspläne und Förderpläne gelten und wonach richtet sich dies? 7. Welche Bereiche werden in den gebundenen Ganztagsschulen in besonderem Maße gefördert (zum Beispiel Stärkung der fachlichen Kompetenzen besonders im Lesen, Schreiben und Rechnen, Stärkung der kommunikativen Kompetenzen, Stärkung und Stabilisierung der sozialen Fähigkeiten), wie genau erfolgt diese Förderung und gibt es hier Unterschiede an den verschiedenen Sonderschulen (und gegebenenfalls Förder- und Sprachheilschulen)? Wenn ja, wonach wird unterschieden und wie sehen die Unterschiede aus? 8. Ist es zutreffend, dass die gebundene Ganztagsschule quantitativ mehr Fördermöglichkeiten durch Rhythmisierung, Konzentrierung und Vernetzung zulässt und/oder die Förderqualitäten erhöht und deshalb die idealen Voraussetzungen für die Beschulung von zum Teil schwertbehinderten Schülern bietet? Alle Unterrichts- und Förderangebote an den speziellen Sonderschulen werden durch das Lehrpersonal sowie die dort beschäftigten pädagogisch-therapeutischen Fachkräfte in multiprofessionellen Teams umgesetzt. Die schulische Bildung und individuelle Förderung orientiert sich dabei soweit wie möglich an den Bildungsplänen der allgemeinen Schulen sowie an den Handreichungen „Inklusive Bildung und sonderpädagogische Förderung“ sowie „Sonderpädagogische Bildung, Beratung und Unterstützung“. Je nach Förderschwerpunkt der speziellen Sonderschule, vor allem aber orientiert am individuellen Förderbedarf jeder Schülerin/jedes Schülers, wird gezielt ein 3 Drucksache 21/751 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Programm für Unterricht, Erziehung und – sofern erforderlich – therapeutische Behandlung entwickelt. Nähere Angaben zur praktischen Umsetzung in den einzelnen Schulformen sind den praktischen Hinweisen zur bereits erwähnten Handreichung zu entnehmen (siehe http://www.hamburg.de/inklusion-in-hamburgs-schulen-informationenfoerderschwerpunkte/4271532/sonderpaedagogische-bildung-beratungunterstuetzung/. Aufgrund der äußerst differenzierten Fördermethoden bietet die Ganztagsschule für die große Mehrheit der Schülerinnen und Schüler einen guten Rahmen, der mehr Raum für eine pädagogisch orientierte Rhythmisierung des Schulalltags bietet. In Einzelfällen ist jedoch festzustellen, dass Kinder oder Jugendliche aufgrund ihrer gesundheitlichen Voraussetzungen durch einen langen Schultag überfordert sind. In diesen Fällen werden (nach Rücksprache mit behandelnden Ärzten) individuell angepasste Zeitstrukturen für Unterricht und Förderung erforderlich, um eine sinnvolle Teilhabe am schulischen Lernen zu ermöglichen. 9. Ist deshalb vorgesehen, sämtliche spezielle Sonderschulen (und Förderund Sprachheilschulen) zu gebundenen Ganztagsschulen umzugestalten? Wenn ja, zu welchem Schuljahr soll diese Veränderung eintreten, wenn nein, warum ist dies trotz gegebener Sinnhaftigkeit nicht geplant? 10. An welchen Schulen wird aus welchen Gründen mit dem sogenannten Konzept des offenen Ganztages gearbeitet? Wie sieht dieses Konzept konkret und in Abgrenzung zum gebundenen Ganztag an speziellen Sonderschulen aus? Siehe Vorbemerkung und Anlage 1. 11. Wer ist an den speziellen Sonderschulen (und gegebenenfalls Förderund Sprachheilschulen) zuständig für die Nachmittagsangebote im a) gebundenen und b) offenen Ganztag? Siehe Antwort zu 6. bis 8. 12. An welchen Schulen wird seit wann für welche Art von Angeboten mit externen Dienstleistern gearbeitet? Angebote in Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern gibt es zumindest temporär an allen speziellen Sonderschulen (zum Beispiel im Rahmen des Projekts „Kulturschule“). Derartige Kooperationen sind in der Regel in das Unterrichtsgeschehen während des gesamten Schultags integriert und nicht ausschließlich auf Betreuungsangebote am Nachmittag beschränkt. 13. Gibt es messbare Qualitätsunterschiede zwischen Förderangeboten von angestellten Fachkräften und externen Anbietern und wenn ja, wie werden diese sichtbar gemacht und wie sehen sie konkret aus? Nein. 14. Mit welchem konkreten Konzept plant die Schulbehörde, das bereits bestehende Transportproblem zu lösen und dem wachsenden Transportbedarf, der mit der Ausweitung der Ganztagsbetreuung einhergeht, Herr zu werden? 15. Wie soll der zusätzliche personelle Bedarf für die Ausweitung der Ganztagsbetreuung sichergestellt werden, wenn bereits jetzt ein Personalnotstand im sozialen und therapeutischen Bereich beklagt wird? Hierzu sind die Planungen der zuständigen Behörden noch nicht abgeschlossen. 16. Welche Kosten entstehen durch die geplanten Maßnahmen und sind diese bereits in den Haushalt eingestellt? 4 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/751 Da das Anmeldeverfahren für die Anschluss- und Ferienbetreuung noch läuft, ist es derzeit nicht möglich, Angaben zur voraussichtlichen Nachfrage für diese Betreuungsangebote und somit zu den erwartbaren Kosten zu machen. Die Finanzierung erfolgt aus der Produktgruppe 25406 Kindertagesbetreuung. 5 Drucksache 21/751 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Anlage Aufstellung der Beförderungszeiten für die speziellen Sonderschulen Ankunftszeiten Abfahrtzeiten der Busse der Busse Tour I Tour II Tour I Tour II Tour I Mo.-Fr. Mo.-Fr. Mo.-Do. Mo.-Do. freitags Schulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung Schule Bekkamp 7:50 9:20 14:40 16:10 13:40 Schule Kielkamp 7:50 15:10 15:10 Schule Lokstedter Damm 7:50 9:20 15:00 13:45/ 15.00 14:40 Schule Marckmannstraße 7:50 9:20 14:40 16:10 13:40 Schule Nymphenweg 7:50 9:20 14:40 16:10 13:40 Schule Nymphenweg 7:50 15:10 15:10 Standort Hausbruch Schule Paracelsusstraße 7:50 15:10 15:10 Schule Weidemoor 7:50 9:20 14:40 16:10 13:40 Schulen mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Kurt-Juster-Schule 7:50 9:20 14:40 16:10 13:40 Schule Elfenwiese 7:50 9:20 14:40 16:10 13:40 Schule Hirtenweg 7:50 9:20 14:40 16:10 13:40 Tegelweg 7:50 9:20 14:40 16:10 13:40 Tegelweg 9:20 15:30 Standort Paracelsusstr.* Bildungszentren Sehen bzw. Hören und Kommunikation BZBS 7:50 9:20 14:10 15:50 13:10 Elbschule 7:50 16:00 13:15 Tour II freitags 15:10 13:45/ 14:40 15:10 15:10 15:10 15:10 15:10 15:10 15:10 16:10 16:00 Quelle: Daten der zuständigen Behörde, Stand: Juni 2015 Unterrichtsbeginn: 10 Minuten nach Ankunft in der Schule Unterrichtsschluss: 10 Minuten vor Abfahrt aus der Schule *Am diesem Zweigstandort der Schule Tegelweg werden ausschließlich Gruppen mit schwerst-mehrfachbehinderten Schülerinnen gefördert, die eine andere Tagesrhythmisierung benötigen. 6
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