Ausgabe Februar 2016

Staatsschauspiel Dresden
Die Theaterzeitung 61
Februar 2016
Liebes Publikum,
im Februar geht es im Schauspielhaus um die Sehnsucht
des Bürgertums nach Ausbruch, Freiheit und dem vermeintlich Verruchten: Theaterdirektor Striese erobert
die Bühne und bringt mit seiner Jagd nach dem nächsten
Erfolgsstück die Welt des ehrenwerten Professors Gollwitz in Unruhe. Der Schwank „Der Raub der Sabinerinnen“ ist ein Fest für Schauspieler, die Inszenierung von
Susanne Lietzow feiert am 20. Februar Premiere.
In der Reihe „Dresdner Reden“ sind seit mehr als zwanzig Jahren sind prägende Persönlichkeiten aus Politik,
Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur zu Gast, die zu brisanten Fragen Stellung beziehen. Eröffnet wird die diesjährige Runde von der Sozialwissenschaftlerin Naika Foroutan, die das Einwanderungsland Deutschland in den
Fokus nimmt. Ihr folgen der Journalist, Autor und gebürtige Dresdner Peter Richter mit einem Blick auf seine
Geburtsstadt; der ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, der über die Rolle der Medienmacher nachdenkt
und schließlich Joachim Klement, der sich als zukünftiger Intendant des Staatsschauspiels vorstellen wird.
Nach wie vor bietet die „Initiative weltoffenes Dresden
(#WOD)“ der Dresdner Kulturinstitutionen in vielen
Veranstaltungen die Möglichkeit, ein Zeichen für Toleranz und Solidarität zu setzen. Beweisen Sie gemeinsam
mit uns, dass Dresden eine fremdenfreundliche Stadt
ist.
Wir freuen uns auf Sie!
Ihr Wilfried Schulz
Der Raub der Sabinerinnen
Schwank von Franz und Paul von Schönthan
Premiere am 20. Februar um 19:30 Uhr
im Schauspielhaus
weitere Termine: 16. 2. (Öffentliche Probe),
24. 2. und 29. 2.
Jugendsünde in der Schublade
„E
s tut mir wirklich leid, aber wir gehen eigentlich
nie ins Theater!“, versucht Professor Gollwitz
seinen Besucher abzuwimmeln, den Theaterdirektor
Emanuel Striese. Dabei hat er eine dunkle Vergangenheit, hat tatsächlich ein Theater-Techtelmechtel hinter
sich! Denn der Professor hat als Student, jung und wild,
ein Stück geschrieben, vor Jahren, ach was, vor Jahrzehnten. Von jung und wild kann heute keine Rede mehr
sein. Der Professor hat sich – nicht gerade gemütlich,
aber stabil – eingerichtet in seinem Leben zwischen Lateinunterricht, Dienstmädchen und Ehefrau, zwischen
Tochter eins und Tochter zwei samt Schwiegersohn. Jegliche Sehnsucht ist verschwunden oder vergessen, verbannt in die Schublade zu seinem Jugendstück. Und das
ist auch gut so: Professor Gollwitz führt eine gute Ehe
und ein gutes Familienleben. Im Moment leidet er nur
ein wenig unter der Abwesenheit seiner Frau und seiner
jüngeren Tochter. Eine kleine Lebenslüge möchte aber
vielleicht doch im Spiel sein, immerhin liest der Professor, kaum ist die Ehefrau weg, dem Dienstmädchen
seine Jugendsünde vor.
Von einer kleinen Lebenslüge kann man auch auf der
Seite von Striese reden. Auch der Theaterdirektor, der
mit seiner kleinen Truppe durch die Gegend tingelt und
Zuschauer persönlich und einzeln in seine Vorstellung
Fortsetzung auf Seite 02
Torsten Ranft und Ahmad Mesgarha als Professor Gollwitz und Direktor Striese
FOTO: DAVID BALTZER
Staatsschauspiel Dresden
02
Fortsetzung von Seite 01
Goetheallee 24, Dresden: Theaterdirektor Striese (Ahmad Mesgarha) klingelt nach einer Autopanne beim Autor und Professor Gollwitz (Torsten Ranft) in der Villa des realen Autors Franz von
Schönthan und schwatzt ihm sein unveröffentlichtes und unaufgeführtes Manuskript ab.
einladen muss, hat früher wahrscheinlich von anderen
Dingen geträumt. Trotzdem vertritt er mit Stolz sein
Leben und die Leistung, die er damit verbindet: „Es ist
wahr, wir ziehen von einem Ort zum anderen, es ist auch
wahr, dass ich meinen Schauspielern fast keine Gage
zahlen kann, aber dafür leisten sie umso mehr. … Wenn
meine Frau als wahnsinnig gewordene Ophelia wie eine
schöne Blume verwelkt, ersetzt eine einzige Träne von
ihr alles, was uns an Personal und Dekoration fehlt!“
Der Regisseurin Susanne Lietzow gefällt genau das:
„Beide Protagonisten sind in ihrem Kampf und ihren
Sehnsüchten sehr schöne Figuren. Der Professor, der
sein Leben seit Jahren in ewiger Wiederholung führt, der
sich danach sehnt, einen Schritt hinaus zu tun aus seinem Austern-Dasein in dieser Kleinstadt, in der er als
stadtbekannte Persönlichkeit ein halb-öffentliches
Leben führt, wo man sich nicht zu springen traut. Und
andererseits der „fahrende“ Theaterdirektor, der sich
ständig am Rande des Prekariats befindet und versucht,
dies vor sich und den anderen schön zu reden. Das zeichnet die gesamte Theaterfamilie aus, dass sie sich ständig
in die Tasche lügt, dass schon alles in Ordnung ist.“
Natürlich verkörpert diese Theatertruppe den Alptraum
jeder guten Familie: Der Nimbus des fahrenden Volkes,
Quiz
Die Großbuchstaben
vor der richtigen
Antwort ergeben
die Lösung.
Frage 1
Die ehemalige Dresdner
Villa des für seine Lustspiele und Schwänke
bekannten Autors Franz
von Schönthan steht in:
WEL Pieschen
GEG Striesen
UNT Blasewitz
FOTOS: DAVID BALTZER
der Schauspieler lange Zeit umgeben hat, ist es aber
genau, der das Bürgertum auch anzieht. So gibt es im
„Raub“ neben dem dichtenden Professor auch den gefallenen, entlaufenen Bürgerssohn, der wegen einer schönen Schauspielerin zum Theater gegangen ist, das
Dienstmädchen, das fürs Theater brennt und die jüngere Tochter Gollwitz, die sich in den Jungschauspieler
verliebt. „Es sind zwei Systeme, die aufeinanderprallen,
daraus entsteht eine Menge humoristisches Potential“,
meint Susanne Lietzow. Natürlich wird die „Römertragödie“ zum Prüfstein – für Autor und Schauspieler, für
das bürgerliche Leben wie die zukünftige Existenz – und
scheitert kolossal: verlorene Requisiten, kaputte Waffen,
vergessener Text, ein verrückter Papagei, brennende Dekorationen und eine ambitionierte Feuerwehr… Dass am
Ende beide Seiten profitieren, versteht sich im Schwank
von selber.
Die Autoren des Stücks, das Brüderpaar Franz und Paul
von Schönthan (eigentlich Schönthan von Pernwaldt),
waren beide auf Wunsch der Familie bei der k.k. Kriegsmarine, quittierten aber nach kurzer Zeit den Dienst.
Franz wurde Schauspieler und arbeitete sich vom Statisten zum jugendlichen Liebhaber hoch, begann zu schrei-
Frage 2
Das Staatsschauspiel Dresden drückt
Christian Friedel und „Woods of Birnam“ die Daumen! Die Band ist in den
Inszenierungen „Hamlet“ und „Die
Zuschauer“ zu erleben und tritt am
25. Februar in Köln beim deutschen
Vorentscheid des Eurovision Song
Contest mit folgendem Song an:
ENB Dance
ERW Lift Me Up
ENW I’ll Call Thee Hamlet
ben und war als Regisseur tätig, Paul wurde Journalist.
Gemeinsam schrieben sie u.a. 1884 „Der Raub der Sabinerinnen“.
Übrigens: Dass der „Raub“ nach Dresden gehört, ist spätestens dann klar, wenn man die außerordentlichen Verbindungen zwischen Stück und Stadt betrachtet: Nicht
nur, dass der Theaterdirektor Striese ein Sachse ist und
bisweilen Probleme mit dem Hochdeutschen hat, er ist
auch ein Namensvetter des Dresdner Stadtteils Striesen.
Und im Stadtteil Blasewitz, an der Goetheallee 24, hat
sich der eine der beiden Autoren 1891 – 1894, kurz nach
der Entstehung des Stückes, eine Villa bauen lassen. Er
bewohnte das Haus zwar nur bis 1896, aber noch heute
wird es „Pernwaldhaus“ genannt, nach seinem Erbauer
Franz Schönthan von Pernwaldt.
Felicitas Zürcher
Besetzung
Mit: Thomas Braungardt, Christian Clauß, Holger Hübner, Lars Jung,
Hannelore Koch, Berthold List, Matthias Luckey, Ahmad Mesgarha,
Benjamin Pauquet, Torsten Ranft, Laina Schwarz, Antje Trautmann,
Ines Marie Westernströer
Regie: Sunsanne Lietzow
Bühne: Aurel Lenfert
Kostüm:
Marie-Luise Lichtenthal
Musik: Gilbert Handler
Video: Petra
Zöpnek
Dramaturgie: Felicitas Zürcher
Frage 3
Alexandra Sinelnikova und Marius Ahrendt sind seit dieser Spielzeit Mitglieder des Dresdner Schaupielstudios. In
Igor Bauersimas „norway.today“ sind sie
unter der Regie von Ben Daniel Jöhnk als
zwei junge Menschen zu sehen:
GEL die vergeblich versuchen, eine
Norwegenreise zu planen
ERF die sich via Internet zum Selbstmord in Norwegen verabreden
EGL die eine webbasierte Nachrichtensendung produzieren wollen
Frage 4
Mit Giovanni di Lorenzo und
Peter Richter sind gleich zwei
journalistisch stark involvierte
Redner bei den „Dresdner Reden
2016“ zu Gast. Richter und di Lorenzo arbeiten aktuell für:
UNG die „Süddeutsche Zeitung“
und „Die Zeit“
ING den „Tagesspiegel“ und
den „Spiegel“
OLG die „FAZ“ und die „FAS“
Das Lösungswort bitte bis zum 12.2.2016 an: [email protected], Betreff: „Quiz Februar 2016“. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir 10 x 2 Karten
für „Drei Schwestern“ am 27.2.2016 um 19:30 Uhr. Die Lösung des Januar-Rätsels lautete: ROBE.
Die Theaterzeitung
02/2016
03
Dresdner Reden 2016
In Zusammenarbeit mit der Sächsischen Zeitung – jeweils sonntags um 11:00 Uhr im Schauspielhaus
14. Februar Naika Foroutan (Sozialwissenschaft-
21. Februar Peter Richter (Journalist und Autor)
28. Februar Giovanni di Lorenzo (Chefredakteur
6. März Joachim Klement (zukünftiger Intendant
lerin) Postmigrantische Gesellschaften. Was es für
Als Dresdner reden – Warum mich diese Herkunft der „Zeit“) Alles Lüge? Warum Deutschlands Me-
des Staatsschauspiels Dresden) Theater heute. Über
Deutschland bedeutet, ein Einwanderungsland zu
nicht fortlässt.
gesellschaftliche Spielräume.
sein.
FOTO: NINA PIEROTH
E
s wird streitbar zugehen, das ist vorauszusehen.
Und das ist so, seit die Reihe der Dresdner Reden
vor über zwanzig Jahren startete. Der Auftakt mit Günter Gaus, Christoph Hein, Willy Brandt und Egon Bahr
setzte Maßstäbe. Damals stand die Verlagsgruppe Bertelsmann im Hintergrund. Inzwischen bestreiten die
Sächsische Zeitung und das Staatsschauspiel Dresden
das Projekt gemeinsam. Mehr als achtzig Redner
kamen zu Wort, Schriftsteller, Politiker, Theaterleute,
Wissenschaftler, Architekten und Vertreter der Kirche.
Jeder Jahrgang bot neue Namen. Entscheidend für die
Auswahl ist die Brisanz: Welcher Redner könnte auf aktuelle Fragen interessante Positionen vertreten? Wer
könnte das Denken in neue Richtungen lenken? Fertigrezepte sind auch diesmal nicht zu erwarten.
Jede Zeit wäre leichter zu erforschen als jene, die bei
Naika Foroutan im Stundenplan steht. Die 44-Jährige
analysiert heiße Gegenwart: Migration und Integration. Ihr Forschungsmaterial ist vertrackt. Es verändert
sich stündlich. Gerade noch konnte die Politologin verkünden, dass bei einer Umfrage 62 Prozent der Deutschen die Zuwanderung eher als Chance begreifen
denn als Risiko. Doch schon gilt das nicht mehr. Die
Sympathie für Flüchtlinge sinkt, und sie sinkt in dem
Maße, wie die Bundesregierung das Konfliktpotenzial
betont. Die Prophezeiung erfüllt sich selbst. Das kann
die Professorin der Berliner Humboldt-Uni nachweisen. Sie vertraut auf die Überzeugungskraft der Zahlen. Vielfalt, meint sie, ist in Deutschland kein Ausnahmezustand, sondern Normalität: Schon jetzt haben
75 Prozent der Kinder, die in Frankfurt am Main eingeschult werden, einen Migrationshintergrund. Sie
selbst kam in den Achtzigerjahren nach Deutschland.
Ihr Vater ist Iraner, die Mutter Deutsche. Als Zwölfjährige erlebte Naika Foroutan, was der Verlust des Vertrauten und völliges Fremdsein bedeutet. Sie biss sich
durch, studierte, gehört dazu. Ihre Erfolgsgeschichte
steht für viele ähnliche Biografien. Sie sollten sich in
einem neuen Leitbild des Landes widerspiegeln, sagt
Naika Foroutan. Das Bild beschreibt sie mit Worten wie
Pluralität, Solidarität und Gleichwertigkeit. Ihre Thesen finden nicht nur Beifall. Das ist so, seit sie sich mit
Thilo Sarrazin anlegte und viele seiner Behauptungen
widerlegte. In ihrer Dresdner Rede am 14. Februar
denkt sie darüber nach, was es für Deutschland bedeutet, ein Einwanderungsland zu sein.
FOTO: RODERICK AICHINGER
dien so stark – und manchmal doch so angreifbar
sind.
Der Schriftsteller Peter Richter, 42, ging vorübergehend den umgekehrten Weg. Für die Süddeutsche Zeitung schreibt er seit 2012 Kulturreportagen aus New
York. Nur als Gast kommt er gelegentlich in seine Geburtsstadt Dresden zurück. Hier hat er als Oberschüler
das Ende des einen Landes und den Anfang des anderen
erlebt, den letzten Wehrkundeunterricht und den ersten
schrägen Kneipenladen in der Neustadt. In seinem beinahe-biografischen Bericht „89/90“ hält Richter diesen
besonderen Augenblick fest, als plötzlich alles anders
wurde zwischen keiner Hoffnung und allzu großer Hoffnung. Er beschreibt ein Machtvakuum, in dem Freunde
zu Feinden wurden und einander in Straßenschlachten
verwickelten. Erst schlugen sich Oppositionelle mit
Volkspolizisten, dann Punks mit Skinheads. Die Stimmung von damals beschreibt der Autor als dünkelhaftes
Wegducken, dümmliche Selbstverzücktheit und Konservatismus von reaktionärem Zuschnitt – auf diesem
Boden, meint er, entwickelte sich später die Pegida-Bewegung. Peter Richter, der über den Plattenbau als Krisengebiet promovierte, erweist sich als Beobachter mit
Scharfsinn und bösem Witz, neugierig und abgeklärt zugleich. Sein Roman stand im Vorjahr auf der Longlist für
den Deutschen Buchpreis. Manche seiner Prophezeiungen aus der Nachwendezeit haben sich unschön bestätigt. „Der Ruf Sachsens ist fundamental im Arsch“, sagte
Peter Richter in einem Interview nach ausländerfeindlichen Angriffen in Heidenau. Was es bedeutet, ein
Dresdner zu sein, untersucht er in seiner Rede am 21. Februar.
Eine Zeitung ist nicht der Marktplatz für Hinrichtungen
und der Journalist kein Transporteur von Latrinengerüchten. So hat Giovanni di Lorenzo kürzlich in einem
Interview seine Branche verteidigt. Der 56-Jährige plädiert für größtmögliche Genauigkeit beim Recherchieren und Schreiben und weiß doch: „Wer macht, macht
auch Fehler.“ Seit August 2004 ist der Journalist mit
deutschem und italienischem Pass Chefredakteur der
Wochenzeitung „Die Zeit“. Die Auflage stieg unter seiner Leitung gegen den Trend auf knapp 500 000 Exemplare. Zuvor verantwortete Giovanni di Lorenzo unter
anderem die Seite 3 der „Süddeutschen Zeitung“ und
war Chefredakteur des Berliner „Tagesspiegels“. Diesem
Blatt bleibt er als Herausgeber verbunden. Dort hält er
die Fäden im Hintergrund fest. Im Vordergrund agiert er
einmal im Monat in der Talksendung „3nach9“. Es ist die
FOTO: NINA STILLER
FOTO: JIM RAKETE
dienstälteste Talkshow im deutschen Fernsehen und
Giovanni di Lorenzo dort der dienstälteste Moderator.
Seit 1989 saßen etwa 2000 Gäste bei ihm und wechselnden Mitstreiterinnen am runden Tisch. Jedem Einzelnen
gibt der Gastgeber das Gefühl, besonders willkommen
zu sein. Denn nur dann sind die Leute auch zum Reden
bereit. Giovanni di Lorenzo fragt eher beiläufig als insistierend. Mit charmantem Witz überspielt er knifflige
Situationen. Während andere Moderatoren stur die Fragezettel der Redaktion abarbeiten, entstehen hier wirkliche Gespräche. Es ist das Interesse am anderen, das den
Journalisten Giovanni di Lorenzo antreibt. Umso stärker
trifft ihn Zurückweisung oder gar Ablehnung, die er als
Medienmacher erfährt. Über die Stärke und die Schwäche deutscher Medien spricht er am 28. Februar.
Wenn Joachim Klement, 54, Auskunft geben soll über
seine Biografie, könnte er die Routen seiner Umzugswagen beschreiben. Als Dramaturg ist er viel herumgekommen zwischen Graz, Hamburg, Wilhelmshafen, Bremen,
Mannheim und Düsseldorf. Lieber aber erinnert er sich
an die Begegnungen auf diesem Weg, an bemerkenswerte Menschen. Dazu zählt er nicht nur die Künstler auf
und hinter der Bühne. Dazu zählt er auch engagierte
Schullehrer und evangelische Pfarrer und die Frauen seiner Familie. Besonders gern erinnert er sich an die Großmutter, die einen Bauernhof mit etlichen Kindern managte. „Von ihr habe ich viel gelernt.“ Klement lobt den
„lebenszugewandten Realitätssinn“ dieser Frau. Es
könnte das Motto für seine Arbeit als Theaterchef sein.
Mit Beginn der Spielzeit 2017 übernimmt er die Intendanz des Staatsschauspiels Dresden. Noch leitet er das
Fünfsparten-Haus in Braunschweig. Stadt und Land
hätte ihn gern behalten, auch wegen seiner Zugewandtheit. Das Theater kooperiert mit über vierzig Schulen.
Kinder und Jugendliche lernen in dem Dreijahresprojekt
den Alltag hinter den Kulissen kennen. Nicht nur das
junge Publikum, auch die junge Kunst hat Klement im
Sinn, wenn er seine Aufgabe als „Entwickeln und Fördern“ beschreibt. Das Festival für internationale Regietalente „Fast Forward“ will er nach Dresden mitbringen.
Theater ist für ihn ein öffentlicher Raum und eine Kunst,
die öffentliche Räume besetzen kann. Eine Premiere in
der Straßenbahn ist für Joachim Klement nichts Ungewöhnliches. Das Theater als Kunstform und als Bühne
für die Bürger der Stadt – ist das Thema seiner Dresdner
Rede am 6. März.
Karin Großmann
Staatsschauspiel Dresden
04
#WOD –
Initiative weltoffenes Dresden
„Die wohl meistbeachtete Theaterinszenierung des Jahres. Löschs düstere Bilder entfalten ihre Wirkung. Der
Regisseur zwingt seine Zuschauer dazu, Stellung zu nehmen.“ Der Spiegel
„Erschreckend real. Das Stück denkt zu Ende, was passieren könnte, wenn die Wutbürger die Macht ergreifen,
wenn Führerfantasien gesellschaftsfähig werden und die
bürgerliche Mitte distanziert gleichgültig bleibt.“
ARD Tagesthemen
„Eine beeindruckend recherchierte Analyse.“
ZDF heute journal
Die „Initiative weltoffenes Dresden (#WOD)“ ist ein
Zusammenschluss der Dresdner Kulturinstitutionen.
Unter diesem Namen bieten über 50 Institutionen und
Ensembles seit Januar 2015 gezielt Veranstaltungen in
unseren Häusern an, mit denen wir Zeichen setzen wollen für eine offene Gesellschaft, für Toleranz und Solidarität und gegen Angstmacherei und Populismus. Mit unseren Veranstaltungen treten wir öffentlich ein für ein
fremdenfreundliches Dresden, das stolz ist auf eine Kultur des Miteinander.
Stattgefunden haben bisher weit über 100 Veranstaltungen, die Bandbreite reicht von Theater, Tanz, Musik und
Literatur über Gesprächsrunden, Redenreihen, Filme und
Ausstellungen bis hin Treffpunkten für Geflüchtete und
Einheimische, Vorstellungen mit Übertiteln, Freikartenaktionen, Deutschkursen, Theaterworkshops, gemeinsame
Kochaktionen, Fahrradwerkstatt sowie konkreten Informations- und Hilfsangeboten. Alle aktuellen Angebote
finden Sie unter www.staatsschauspiel-dresden.de.
Montagscafé – Theaterworkshop
FOTO: DANIEL KOCH
Sa., 13.2., 19:30 Uhr / So., 14.2., 16:00 Uhr / So., 21.2.,
19:00 Uhr / Do., 25.2., 19:30 Uhr / Mi., 9.3., 19:30 Uhr /
Di., 29.3., 19:30 Uhr im Schauspielhaus
„Graf Öderland / Wir sind das Volk“
von Max Frisch mit Texten von Dresdnerinnen
und Dresdnern
Mo., 1.2., 11:00 Uhr / Do., 4.2., 19:30 Uhr / Mo., 8.2.,
20:00 Uhr / Do., 25.2., 19:30 Uhr im Kleinen Haus 1
„Nathan der Weise“
Ein dramatisches Gedicht von
Gotthold Ephraim Lessing
Diese Vorstellungen zeigen wir mit englischen
und arabischen Übertiteln.
Die WOD-Veranstaltungen des Monats Februar
im Staatsschauspiel Dresden
Mo., 8.2. / Mo., 15.2. / Mo., 22.2. / Mo., 29.2.
jeweils ab 15:00 Uhr
„Montagscafé im Kleinen Haus –
Refugees are welcome here“
Nathan der Weise
Graf Öderland / Wir sind das Volk
Montagscafé
FOTO: DANIEL KOCH
Jeden Montag ist im Kleinen Haus das Montagscafé
geöffnet. Damit bietet das Staatsschauspiel Dresden
einen Ort der Vernetzung für Geflüchtete und Einheimische an, einen offenen Treffpunkt für alle Alt- und
Neudresdner.
15:00 Uhr geht es los mit einem Theaterworkshop, der
von der Schauspielerin Olga Feger geleitet wird. Es sind
keine Theater- und Sprachkenntnisse erforderlich.
Von 17:00 Uhr bis 22:00 Uhr ist das Café geöffnet. Hier
werden bei Getränken, Snacks, Brettspielen und Tischtennis Unbekannte zu Bekannten.
Zusätzlich zum Café finden ab 19:00 Uhr wöchentlich
wechselnde Aktionen statt: 1.2., 19:00 Uhr: Der Dresden-Balkan-Konvoi. Mitglieder der Initiative berichten
von der Situation an Europas Grenzen. 8.2., 19:30 Uhr:
Homosexualität in Deutschland. Ein Paar erzählt von
seinen Erfahrungen. 15.2., 19:00 Uhr: Ich bin neu hier –
wie lerne ich Leute kennen? 7.3., 19:00 Uhr: Das Asylverfahren. Franziska Michel vom Ausländerrat Dresden
e.V. informiert.
Für alle Interessierten bietet Gharam Mansour aus Syrien außerdem seit einigen Wochen immer freitags um
18:00 Uhr einen Bauchtanzworkshop an.
Der Eintritt ist frei.
FOTO: MATTHIAS HORN
Die Inszenierungen von Volker Lösch orientieren sich
oft an den großen Themen der Städte, in denen sie gezeigt werden – sie politisieren, sie polemisieren, sie fordern heraus zur Auseinandersetzung. Am Staatsschauspiel waren dies z. B. seine „Dresdner Weber“ nach
Gerhart Hauptmann oder „Die Wunde Dresden“. Der
„Bürgerchor“ wurde ebenfalls hier gegründet und ist
auch in dieser Inszenierung dabei. In „Graf Öderland“
bringt Max Frisch einen Kessel zum Überkochen, in dem
ein Gebräu aus diffuser Angst, unklarer Sehnsucht und
Ignoranz brodelt – er lässt eine ganze Gesellschaft das
Gleichgewicht verlieren. Volker Lösch hat Max Frischs
Drama mit Texten angereichert, die er Dresdner Bürgern
ablauscht hat, und macht dadurch die Ängste dieser
Stadt hörbar.
Graf Öderland / Wir sind das Volk
FOTO: MATTHIAS HORN
FOTO: DAVID BALTZER
Dem Thema Toleranz entgeht man heute nicht, das
Stück „Nathan der Weise“ drängt wieder in viele Spielpläne. Gotthold Ephraim Lessing nannte seinen „Nathan“ 1779 „ein dramatisches Gedicht“ und antwortete
damit auf eine in seiner Zeit heftig diskutierte Frage: Es
ging um den Absolutheitsanspruch der christlichen Religion und die Frage nach der wahren Religion. Lessing
selbst hatte nicht mit einer Bühnenkarriere des explizit
als Argumentationsdrama konzipierten Stückes gerechnet. Es wurde erst 1783, zwei Jahre nach Lessings Tod, uraufgeführt und ist mittlerweile humanistische Pflichtund Schullektüre. Der weise Nathan antwortet im Stück
auf Saladins Frage mit der berühmten Ringparabel und
der Aufforderung, dem eigenen Anspruch ohne Vorurteile und durch Taten nachzueifern. Regisseur Wolfgang
Engel hat das Argumentationsdrama mit Philipp Lux als
Nathan und Matthias Reichwald als Saladin inszeniert.
Nathan der Weise
FOTO: DAVID BALTZER
Die Theaterzeitung
02/2016
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05
Staatsschauspiel Dresden
06
Neues aus dem Staatsschauspiel
1. April 2015 zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald gesendet worden. 70 Jahre
nach Hitlers Tod ist der Urheberrechtsschutz von Hitlers
Hetzschrift „Mein Kampf“ erloschen. Soeben ist der Text
in einer kritischen kommentierten Ausgabe erschienen.
Mit seiner aktuellen Publikation hält der Europa Verlag
Berlin dagegen. In „Mein Kampf – gegen Rechts“ schildern elf Männer und Frauen, darunter der Chefdramaturg des Staatsschauspiels Dresden, Robert Koall, wie
sie sich rechtem Gedankengut und rechter Gewalt zur
Wehr setzen und sich damit gegen die Wiederkehr
rechtsextremen Gedankenguts wenden. Ein Teil des
Erlöses aus dem Buchverkauf geht an „Gesicht Zeigen!“,
eine Initiative, die sich seit 15 Jahren gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und rechts-
extreme Gewalt und für ein weltoffenes, menschenfreundliches Deutschland einsetzt.
Bei einer Spendenaktion, die das Schauspielensemble gemeinsam
mit dem Förderverein des Staatsschauspiels Dresden
im Dezember durchgeführt hat, haben die Schauspielerinnen und Schauspieler im Anschluss an ausgewählte
Vorstellungen gesammelt: für das Montagscafé – dem
wöchentlichen Treffpunkt für Geflüchtete und Einheimische – und für den Dresden-Balkan-Konvoi, eine private
Initiative, die Geflüchtete an Europas Grenzen mit
Essen und Kleidung versorgt. Insgesamt sind dabei
rund 20.000 Euro Spenden eingegangen. Für diese
große Hilfe möchten wir uns im Namen aller Beteiligten ganz herzlich bei unserem Publikum bedanken!
Burghart Klaußner (rechts) und Jonas Friedrich
FOTO: DAVID BALTZER
Leonhardi in „Terror“
Burghart Klaußner wurde für die Hauptrolle in dem Kinofilm „Der Staat gegen Fritz Bauer“ von Lars Kraume
mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet. Klaußner spielt darin den hartnäckigen Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der Anfang der 60er Jahre die
Auschwitz-Prozesse in Gang brachte. Am Staatsschauspiel Dresden ist der Schauspieler und Regisseur derzeit
in dem aktuellen Gerichtsdrama von Ferdinand von
Schirach „Terror“ zu sehen, das er im Schauspielhaus inszeniert hat.
Christian Friedel und Woods of Birnam nehmen am 25. Februar in Köln beim deutschen
Vorentscheid des Eurovision Song Contests teil. Ihr Song
„Lift Me Up (From The Underground)“ ist brandneu und
wird gerade noch fertig produziert. Wer dann im Mai
zum 61. Eurovision Song Contest nach Schweden fährt,
entscheidet das Fernseh-Publikum per Telefon und SMS.
Vorgeschlagen wurden Friedel und seine Band von MDR
Sputnik. Christian Friedel und Woods of Birnam sind natürlich auch nach wie vor live auf der Schauspielhaus-
Julie und August lernen sich im Internet kennen und verabreden sich zum gemeinsamen Selbstmord. In
Norwegen wollen sie sich von einer Klippe stürzen. Doch aus der echten Begegnung erwachsen plötzlich Hindernisse für den geplanten Tod. norway.today von Igor Bauersima basiert auf einem realen Fall und ist eine
gleichermaßen genaue wie humorvolle Analyse des Lebensgefühls der Web-Generation. Alexandra Sinelnikova und Marius Ahrendt zeigen das Stück im Rahmen ihres Studiums am Schauspielstudio Dresden am
FOTO: DANIEL KOCH
9. und 26.2. jeweils um 20:00 Uhr im Kleinen Haus 3 unter der Leitung von Ben Daniel Jöhnk.
Neues von der Bürgerbühne
Am 5.2. lädt der Club der erzählenden Bürger zu einem
märchenhaften Schneegestöber ein. In gestorben an
des alten jahres letztem abend widmen sich die Spielerinnen und Spieler den winterlichen Werken von Hans
Christian Andersen und geben die Hoffnung nicht auf,
ein wärmendes Happy End zu finden – bevor das letzte
Schwefelhölzchen erlischt.
gang. Der zehntägige Trip von Dresden nach Prag führte
Tanja Krone und Jiři Zeman, die sich bis zum Zeitpunkt der Abreise nicht kannten und fortan 24 Stunden
pro Tag miteinander verbachten, an geographische, kulturelle und persönliche Grenzen. Ob es dabei zum Culture Clash kam und was Deutsche und Tschechen verbindet und trennt, erfahren Sie am 24.2. in Form eines
großen Bürger Dinners im Kleinen Haus Mitte. Das
Für Fremde Freunde begaben sich Ende August 2015 Projekt des Staatsschauspiels Dresden ist eine Koprozwei Theatermacher aus Deutschland und Tschechien duktion mit dem Archa Theater Prag mit Unterstützung
auf eine theatrale Entdeckungsreise mit offenem Aus- des europäischen Theaternetzwerks Theatron.
Woods of Birnam
bühne zu sehen, nämlich am 18. und 28.2. in Shakespeares „Hamlet“ und am 6.2., 18.3. und 10.4. in „Die
Zuschauer“ von Martin Heckmanns. Für den ESC drücken wir ganz fest die Daumen, Handys sind zur Abstimmung bereits gezückt!
Die ARD-Produktion „Nackt
unter Wölfen“ wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „bester Film“ ausgezeichnet.
Das Drama um ein von Häftlingen verstecktes Kind, in
dem Torsten Ranft und Ben Daniel Jöhnk aus dem
Dresdner Schauspielensemble mitwirken, war am
Staatsschauspiel Dresden
Impressum
Adressen:
Schauspielhaus Theaterstraße 2, 01067 Dresden
Kleines Haus Glacisstraße 28, 01099 Dresden
Herausgeber: Staatsschauspiel Dresden
Intendant:
Wilfried Schulz
Redaktion:
Dramaturgie / Öffentlichkeitsarbeit
Layout:
Anett Hahn, Rita Schönberger-Gay
Sächsische Zeitung GmbH
Redaktionsschluss: 25.1.2016
Karten:
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