„Neue Autorität“ in der stationären Jugendhilfe Forum zum Fachtag 27.11.2015 Drogenberatung Dresden B. Lamprecht, 27.11.2015 Gliederung Haim Omer Neue Autorität Handlungsebenen Kinderdorf und Drogenkonsum Und immer wieder: Beispiele B. Lamprecht, 27.11.2015 Haim Omer Prof. klin. Psychologie, Tel Aviv Forschung: Unterstützung von Eltern mit Kindern, die dominanz-orientierte Verhaltensweisen zeigen Integration des gewaltfreien Widerstandes von Mahatma Gandhi und Martin Luther King in die pädagogisch-therapeutische Arbeit Neuer Autoritätsbegriff: Präsenz und Beharrlichkeit anstelle von Machtausübung B. Lamprecht, 27.11.2015 Logik dominanzorientierter Kinder/Jugendlicher Bestrafung Ich habe verloren. Ich bin besiegt. Ich muss das nächste Mal noch mehr kämpfen und noch härter sein. Belohnung Mir steht das zu. Ich lasse mich damit nicht erpressen. Das verpflichtet mich nicht. Ich muss noch mehr herausholen KIND JU Ich habe gewonnen. Ich bin der Größte, der Stärkere. Mal sehen, was ich mir als nächstes erkämpfe. Nachgeben 1. Schritt: Einsicht: Ich kann das Kind/den Jugendlichen nicht besiegen, nicht kontrollieren B. Lamprecht, 27.11.2015 B. Lamprecht, 27.11.2015 Die Grundhaltung DA-SEIN HALT GEBEN GEWALTFREI „Mir ist die Beziehung zu dir wichtig“ „Ich kämpfe UM dich, nicht gegen dich!“ „Ich kann dein Verhalten NICHT AKZEPTIEREN. Ich werde alles tun, um es zu stoppen. ÜBERZEUGT SEIN „Das, was ich mache, ist aus meiner Sicht wichtig und richtig!“ NICHT ALLEINE SEIN „Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen!“ B. Lamprecht, 27.11.2015 Vertrauen ist die Bereitschaft, das Risiko einzugehen, dem Anderen eine gute Absicht zu unterstellen! Niklas Luhmann B. Lamprecht, 27.11.2015 „Gute Absichten“ Menschen handeln nach ihren Bedürfnissen: Nahrung, Autonomie, Schutz/Sicherheit, Zugehörigkeit/Kontakt, Wertschätzung Jede Handlung ist der mehr oder weniger geglückte Versuch ein Bedürfnis zu befriedigen Menschen handeln für ihre Bedürfnisse, nicht gegen Menschen Menschen tun ihr Bestmöglichstes. B. Lamprecht, 27.11.2015 Herausforderndes Verhalten Eine konflikthafte Verhaltensweise ergibt sich aus zirkulären und wechselwirkungsbedingten Prozessen und Zusammenhängen Destruktives Verhalten ist ein Eskalationsmuster (und keine psychische Störung) B. Lamprecht, 27.11.2015 Handlungsebenen Grafik von B.Körner und M.Lemme PROTEST WIEDERGUTMACHUNG TRANSPARENZ ÖFFENTLICHKEIT HALTUNG WERTE PRÄSENZ UNTERSTÜTZUNG GESTEN SELBSTKONTROLLE B. Lamprecht, 27.11.2015 Präsenz als Quelle von Autorität Intentionale Präsenz Pragmatische Präsenz Internale Präsenz Moralische Präsenz Systemische Präsenz Physische Präsenz B. Lamprecht, 27.11.2015 Aspekte der Präsenz Physischer Aspekt: Ich bin da, mit allen Sinnen. Ich bleibe da. Verhaltens-Aspekt/Handlungsaspekt: Ich kann handeln! Erlebens-Aspekt/Überzeugungsaspekt: Das, was ich mache, ist aus meiner Sicht richtig! Ich bin davon überzeugt! Selbstkontrollierender Aspekt: Ich bin ruhig und lasse mich nicht provozieren, ich bestimme darüber, was und wann ich etwas tue! Beziehungsaspekt: Ich biete Beziehung an! Systemischer-Aspekt: Ich bin nicht alleine! Bei Bedarf greife ich auf das soziale Unterstützersystem zurück! B. Lamprecht, 27.11.2015 Handlungsebenen HALTUNG WERTE PRÄSENZ Schutz Illusion der Kontrolle Selbstwirksamkeit Kooperation Sichere Orte, Verbindung, Kontakt Wertschätzung, Respekt Präsenz Beharrlichkeit B. Lamprecht, 27.11.2015 Pädagogische Haltung • Ich weiß, dass ich dich nicht kontrollieren kann, aber ich kann mein Verhalten ändern. • Ich werde dich nicht aufgeben, nicht nachgeben und mich nicht abschütteln lassen, egal was du tust, weil es meine Pflicht ist. Ziel • Wiederherstellung der Beziehung: ich kämpfe um das Kind! • Rahmende Orientierung B. Lamprecht, 27.11.2015 Eine rahmende Orientierung geben… „Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber man kann es nicht zum Trinken zwingen. Trinken ist seine Sache. Aber selbst wenn das Pferd durstig ist, kann es nicht trinken, solange Sie es nicht zum Wasser führen. Das Hinführen ist Ihre Sache.“ Gregory Bateson B. Lamprecht, 27.11.2015 Handlungsebenen Selbstkontrolle De-eskalation NICHT-HINEIN-GEZOGEN-WERDEN Schweigen ist Gold Selbstwahrnehmung Mantren, Entspannungstechniken Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist AUFSCHUB „Ich habe gehört, was du gesagt hast. Ich werde darüber nachdenken und darauf zurückkommen.“ 5 Knöpfe: Angst/Scham/Schuld/Ärger/Ohnmacht B. Lamprecht, 27.11.2015 Durch folgende 5 Knöpfe kann ich in eine Auseinandersetzung hineingezogen werden Ich habe nicht aufgepasst, ich bin erwischt worden, mache was falsch = Scham Ich bin ein Versager Ärger/Wut Ich komme hier nicht raus, ich habe Angst= Angst/Kontrolle Ich bin überfordert, weiß nicht weiter...Lügen= Hilflosigkeit Ich habe einen Fehler gemacht, bin schuld. Du hast mich sowieso nicht lieb = Schuld B. Lamprecht, 27.11.2015 Handlungsebenen TRANSPARENZ ÖFFENTLICHKEIT Sich mit-teilen dürfen Aus der Isolation heraustreten Ent-Tabuisierung Scham statt Beschämung Schafft Verbindlichkeit B. Lamprecht, 27.11.2015 Handlungsebenen UNTERSTÜTZUNG • Unterstützer für das Kind • Unterstützer für die Erwachsenen • Funktion der Unterstützer: Zeugen, Vermittler, Supervisoren, Versorger... • Stärkt Präsenz: „Anführer eines gewaltfreien Kampfes gegen die Gewalt“ • Schafft Möglichkeiten schnellen Handelns • Netzwerke bilden B. Lamprecht, 27.11.2015 Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf. Afrikanisches Sprichwort B. Lamprecht, 27.11.2015 Handlungsebenen BeziehungsGESTEN • dürfen nicht als Belohnung verstanden werden • werden unabhängig vom Verhalten des Kindes gemacht • nicht unmittelbar nach einer Interventionen • müssen vom Kind nicht angenommen werden • Auch hier gilt: Ausdauer zeigen! B. Lamprecht, 27.11.2015 Handlungsebenen PROTEST • • • • • Ankündigung Sit-in Telefonrunde Aufsuchen von Orten Dienstleistungsstreik B. Lamprecht, 27.11.2015 Ankündigung ...so kann es gehen... • • • • Wir sind in Sorge um Dich! Wir nehmen wahr: - Fehlzeiten, Verweigerung, Angst, Gewalt… - Wir werden folgendes machen: - Kontakt aufnehmen zu… und informieren… - Achten auf… Protest zeigen durch… - Dich wiederholt ansprechen auf… - Präsent sein durch… - Und Dich nicht zwingen! Du bist uns wichtig! Beispiel Tim B. Lamprecht, 27.11.2015 Ankündigung • wirkt DEESKALATIV • bereitet das Kind auf die kommende Veränderung vor •präzisiert und stärkt die gemeinsamen Ziele der Pädagogen •fokussiert nicht so sehr auf das kindliche Verhalten, sondern v.a. auf die Veränderung im eigenen Verhalten •stärkt das gemeinsame Bündnis •stärkt die Akzeptanz des Kindes •lässt das nicht mehr akzeptierte Verhalten überschaubar werden B. Lamprecht, 27.11.2015 Sit-in – WIE? Pädagogen betreten Raum des Kindes - setzen sich möglichst mit dem Rücken gegen die Tür - wiederholen die Ankündigung (gegen was leisten wir Widerstand) - „Wir müssen dies tun, aus Achtung und Wertschätzung zu Dir“ - bleiben solange sitzen, bis das Kind ihnen einen Vorschlag macht, die derzeitige Situation positiv zu verändern - schweigen ab dann und beobachten das Kind Pädagogen beenden das Sit-in wie zuvor abgesprochen B. Lamprecht, 27.11.2015 Sit-in Voraussetzung: es hat eine Ankündigung gegeben Pädagogen nehmen das Kind anders wahr Das Kind nimmt die Pädagogen anders wahr Pädagogen schenken dem Kind Zeit und Aufmerksamkeit Pädagogen können den Konflikt anders sehen lernen Pädagogen stärken sich selbst durch das „Aushalten“ nicht zu sprechen Pädagogen geben eine Botschaft: „wir sind stark, wir sind derselben Meinung und wir erkennen deine Stärke auch an“. B. Lamprecht, 27.11.2015 Telefonrunden Sie bezwecken: Präsenz zu zeigen und das Recht und die Pflicht wieder herzustellen, das Kind zu beaufsichtigen Das Kind wieder zu finden Gruppendruck zu mobilisieren, um das Kind zur Rückkehr zu bewegen Für die Rückkehr des Kindes zu sorgen Schritte: Telefonliste Informationen sammeln Anrufen B. Lamprecht, 27.11.2015 Handlungsebenen WIEDERGUTMACHUNG • • • • • Wiedergutmachung anstelle von Sanktionen Entlastung von Schuldgefühlen Wiedergutmachung als Reintegrationsmodell Schafft Ausgleich Das Kind kann bei der Wiedergutmachung unterstützt werden • Das Kind fühlt sich wieder dazugehörig • Nach der Wiedergutmachung ist es wieder gut B. Lamprecht, 27.11.2015 Handlungsebenen PROTEST WIEDERGUTMACHUNG TRANSPARENZ ÖFFENTLICHKEIT HALTUNG WERTE PRÄSENZ UNTERSTÜTZUNG GESTEN SELBSTKONTROLLE B. Lamprecht, 27.11.2015 Kinderdorf B. Lamprecht, 27.11.2015 Ziele, u. a.: Wir sind Kinderdorf Kinderdorf schaffen wir nur gemeinsam Wir leben christliche Werte (Gewaltfreiheit, Wertschätzung, Präsenz) Wir stellen uns den Herausforderungen und übernehmen Verantwortung Eltern bleiben in ihrer Erziehungsverantwortung B. Lamprecht, 27.11.2015 Drogenkonsum Leitung Versicherung von Interesse und Unterstützung der Leitung Gültige Konzeption Umsetzung verbindlicher Richtlinien Qualifizierte Fachkräfte sind vorhanden Supervision, Weiterbildung, Fachliteratur B. Lamprecht, 27.11.2015 Drogenkonsum Team Rolle und Aufgaben der MA Werte und Grundhaltungen Konsens im Umgang mit Drogenkonsum Wissen über Drogen, Konsum, Folgen Jugendlicher im Mittelpunkt, nicht das Verhalten Bedürfnisse des Jugendlichen Ziele des Jugendlichen sind definiert Regeln und Konsequenzen festgelegt Unterstützersysteme und Netzwerke B. Lamprecht, 27.11.2015 Drogenkonsum: Familienarbeit §37 ff KJHG, Artikel 6;2 GG Eltern sind wichtigste Personen für Kind Begrenzter Aufenthalt: Rückplazierung oder Verselbständigung/Trauerarbeit Eltern tun ihr bestmöglichstes, was für das Kind nicht immer das beste ist. Eltern bleiben verantwortlich für die Erziehung ihres Kindes Familienarbeit B. Lamprecht, 27.11.2015 Leitfaden 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. Was wissen wir von dem Kind/Jugendlichen? Welches Verhalten können wir genau beobachten? Welche Bedürfnisse stehen hinter dem gezeigten Verhalten? Welche Entwicklungsaufgaben müssen in diesem Alter bewältigt werden? Welche Ziele und Konsequenzen haben wir vereinbart? Mit welchen Methoden erreichen wir diese Ziele? Wie erlebe ich unsere Beziehung? Was genau eskaliert? Welchem Verhalten soll Widerstand entgegengesetzt werden? Wie kann ich handeln? Netzwerk und Unterstützer: wer tut was? Mögliche nächste Schritte… B. Lamprecht, 27.11.2015 Peers Familie GesundheitsDrogenhilfe Kind/ Jugendlicher Schule B. Lamprecht, 27.11.2015 Gruppe Drogenkonsum Jugendlicher Vorstellungsgespräch Transparenz Rahmenbedingungen, Regeln, Konsequenzen Deine Ziele Was uns wichtig ist… B. Lamprecht, 27.11.2015 „Wir sind für Dich da und bleiben da“ Weil Du uns wichtig bist Weil Du einen Platz bei uns hast Weil Deine Familie … Weil wir mit Dir arbeiten möchten und das unser Job ist Weil… Deshalb… B. Lamprecht, 27.11.2015 Haim Omer Gruppe Leitbild Konzept AG KonzeptEntwickl. Handlungsleitlinien B. Lamprecht, 27.11.2015 Parti AG/KidoRat Methode: Auftragskarussell Problemsystem Erwartungen, Erwartungserwartungen Aufträge Blockaden und Sackgassen Fokussierungen Demokratisches Grundgefühl Annahme, Modifikation, Ablehnung B. Lamprecht, 27.11.2015 Vielen Dank für Ihre Präsenz! B. Lamprecht, 27.11.2015 Literaturliste Grabbe, M. (2006). Bündnisrhetorik in Spannungsfeldern mit Kindern. n: Tsirigotis, 0., Schlippe, A.v., Schweitzer, J. (Hg.)(2006). Coaching für Eltern. Heidelberg: Cart Auer Systeme Schlippe, A.v., Grabbe, M., (2007). Werkstattbuch Elterncoaching. Elterliche Präsenz und gewaltloser Widerstand in der Praxis. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht Hawellek, Ohr., Schlippe, A.v. (Hg.)(2005). Entwicklung unterstützen — Unterstützung entwickeln. Systemisches Coaching für Eltern nach dem Marte Meo Modell. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Lemme, M., Eberding,. A. (2006). Präsenz und Autorität. Gewaltfreier Widerstand gegen Gewalt und destruktive Verhaltensweisen in der Schule. Pädagogik 58(2), pp. 18-21 Levold, T. (2002). Elternkompetenzen — zwischen Anspruch und Überforderung. Systeme 16(1), pp.2- 13. Omer, H. (2003). Gewaltfreier Widerstand im Umgang mit gewaltätigen Kindern mit Zwangsstörungen. Systhema 17(3), pp.215-230 Omer, H., Elitzur, A. (2003). Wie spricht man mit dem Мenschen auf dem Dach‘? Krisenintervention angesichts akuter Suizidgefahr. Psychotherapie im Dialog 4(4), pp.354-359 Omer, H., Irbauch, R. Schlippe, A.v. (2005). Gewaltloser Widerstand in der Schule. Pädagogik 54, S. 42-47 Omer, H., Schlippe, A.v. (2002). Autorität ohne Gewalt. Coaching für Eltern von Kindern mit Verhaltensproblemen. Еlterliche Präsenz als systemisches Konzept. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Omer, H., Schlippe, A.v. (2003). Die Kunst des gewaltlosen Widerstandes gegen destruktivem Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Elterliche Präsenz als systemisches Konzept. (3 Videos bzw. DVD5). Dortmund: Video-Cooperative Ruhr (Kielstr.10, 44145 Dortmund) Omer, H., Schlippe, A.v. (2004). Autorität durch Beziehung. Gewaltloser Widerstand in Beratung und Therapie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Omer, H., Alon Nahi, Schlippe, A.v. (2007): Feindbilder. Psychologie der Dämonisierung. Göttingen Vandenhoek und Rupprecht. Pleyer, K.H. (2003). 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Lamprecht, 27.11.2015 Körner, Bruno; Stephan, Liane(2011).Körperliche Präsenz – ein unterstützendes Konzept für das Coaching zur Entwicklung elterlicher und professioneller Präsenz.(in Systhema 25.Jg. 2011
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