03/2015

Klinikrundbrief
Inhaltsverzeichnis
1. Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 03.03.2015:
Kein Recht zur Liquidation von wahlärztlichen Leistungen durch einen
Honorararzt?
2. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.11.2014:
Mindestentgelt in der Pflegebranche
3. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.08.2014:
Kostentragung bei Notfallbehandlung eines Sozialhilfeempfängers
1. Kein Recht zur Liquidation von wahlärztlichen Leistungen durch
einen Honorararzt?
Durch Nichtannahmebeschluss vom 03.03.2015 (Az.: 1 BvR 3226/14)
beendete das Bundesverfassungsgericht ein viel beachtetes Verfahren
um das Liquidationsrecht für wahlärztliche Leistungen eines Honorararztes. Der Bundesgerichtshof (BGH), über dessen Entscheidung wir
bereits berichtet haben (Urteil vom 14.10.2014), hatte im Revisionsverfahren entschieden, dass dem betroffenen Honorararzt kein eigenes
Liquidationsrecht zusteht.
Der Beschwerdeführer, ein niedergelassener Facharzt für Neurochirurgie, operierte im Rahmen seiner Honorararzttätigkeit eine seiner Patientinnen im Krankenhaus. Die Patientin schloss eine Wahlleistungsvereinbarung mit dem Krankenhaus ab, die jedoch nicht den Beschwerdeführer als Wahlarzt nannte. Zudem vereinbarte sie eine Behandlung
gegen Privatrechnung mit dem Beschwerdeführer. Es ging um die Frage, ob der operierende Arzt seine Leistungen als Wahlleistungen ab_________________________________________________________________________________________
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rechnen konnte. Die erste Instanz verneinte diese Frage. Berufung und
Revision blieben ohne Erfolg. Begründend führte der BGH aus, dass der
Beschwerdeführer weder aufgrund der Wahlleistungsvereinbarung noch
aufgrund der Vereinbarung über die Behandlung gegen Privatrechnung
berechtigt werde, die von ihm erbrachten Leistungen gegenüber der
Patientin abzurechnen. Denn er sei nicht gem. § 17 Abs. 3 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in die Wahlarztkette mit einbezogen worden und dies könne nicht durch eine privatrechtliche Vereinbarung umgangen werden. Wörtlich heißt es in dem Urteil weiter:
„Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG erstreckt sich eine Wahlleistungsvereinbarung … auf angestellte und beamtete Krankenhausärzte, denen der Krankenhausträger das Liquidationsrecht eingeräumt hat. Niedergelassene Honorarärzte wie der Beklagte, die auf Grund eines Kooperationsvertrags im Krankenhaus tätig
werden, ohne dort angestellt zu sein, sind jedoch weder Beamte noch
Angestellte des Krankenhauses.“
(BGH, Urteil vom 16. Oktober 2014 – III ZR 85/14 –, BGHZ 202, 365375, Rn. 19)
Gegen das Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs legte der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde ein. Das Bundesverfassungsgericht
lehnte die Annahme der Verfassungsbeschwerde ab, da eine hinreichende Begründung der geltend gemachten Verletzung von Grundrechten nicht erfolgt sei.
Der Beschwerdeführer hatte unter anderem geltend gemacht, der BGH
habe § 17 KHEntgG nicht korrekt ausgelegt bzw. die Grenze der richterlichen Rechtsauslegung überschritten, da die Entscheidung auf der
Annahme beruhe, Honorarärzte könnten generell keine wahlärztlichen
Leistungen abrechnen. Das Bundesverfassungsgericht lehnte diese Argumentation jedoch als fehlgehend ab. Das Revisionsgericht habe vielmehr darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht in der Wahlleistungsvereinbarung aufgeführt worden sei. Es sei nicht entschieden
worden, ob ein Honorararzt in einer Wahlleistungsvereinbarung zwischen Krankenhaus und Patient als Wahlarzt bestimmt werden könne.
Insoweit habe der BGH lediglich entsprechend dem Wortlaut des § 17
Abs. 3 KHEntgG erkannt, dass ein Honorararzt nicht in die Gruppe von
Ärzten fällt, die zwar nicht ausdrücklich in einer Wahlleistungsvereinbarung genannt werden, auf die sich eine Vereinbarung aber ohne weiteres gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG erstreckt.
Nach diesem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist die Schlussfolgerung aus dem Urteil des BGH, Honorarärzte könnten auf keinen
Fall – mehr – Wahlleistungen erbringen und abrechnen, hinfällig. Mit
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dieser Entscheidung im Rücken sollte es möglich sein, Honorarärzte
durch ausdrückliche Nennung in der Wahlleistungsvereinbarung zwischen Krankenhausträger und Patient auch als Wahlärzte tätig werden
zu lassen.
2. Mindestentgelt in der Pflegebranche
In einem Rechtsstreit, der im November 2014 vom Bundesarbeitsgericht entschieden wurde, ging es um Ansprüche auf Mindestentgelt
nach der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV). Gem. § 2 PflegeArbbV war das Mindestentgelt (8,50 €) „je Stunde“ festgelegt. Geklagt hatte eine Pflegehelferin,
die von August bis Oktober 2010 Rund-um-die-Uhr-Dienste in einem
„Haus der Schwesternschaft“ leistete. Die zu betreuenden Schwestern
waren teilweise dement und an den Rollstuhl gebunden. Die Klägerin
bewohnte im „Haus der Schwesternschaft“ ein Zimmer in unmittelbarer
Nähe der zu betreuenden Schwestern. Es war ihr während ihrer Dienstzeiten, und zwar für 24 Stunden täglich, nicht gestattet, das „Haus der
Schwesternschaft“ zu verlassen. In dem Rechtsstreit machte sie die
Mindestvergütung nach der PflegeArbbV für Zeiten geltend, in denen
sie Bereitschaftsdienst leistete. Die Arbeitgeberin wandte unter anderem ein, dass jeweils in der Zeit von 21.00 Uhr bis 6.30 Uhr allenfalls
Rufbereitschaft vorgelegen habe.
Das Bundesarbeitsgericht stellte zunächst fest, dass nach dem Wortlaut
des § 2 PflegeArbbV das Mindestentgelt für alle Stunden zu zahlen ist,
während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeit erbringt. Die
Art der Tätigkeit oder die Frage, ob Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft oder
Bereitschaftsdienst geleistet wird, wird in der Verordnung nicht erwähnt
und spielt somit keine Rolle.
Das Bundesarbeitsgericht definierte dann den Begriff der vergütungspflichtigen Arbeit dahingehend, dass dieser auch solche Zeiten umfasst,
während derer der Arbeitnehmer nicht frei über die Nutzung seiner Zeit
entscheiden kann, sondern sich auf Anordnung des Arbeitgebers an einem bestimmten Ort aufzuhalten hat. Diese Voraussetzungen sind nach
Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sowohl im Fall der Arbeitsbereitschaft, als auch im Fall eines Bereitschaftsdienstes erfüllt. In dem Urteil
wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es zulässig ist, für Zeiten
der Arbeitsbereitschaft oder des Bereitschaftsdienstes eine geringere
Vergütung zu vereinbaren als für Zeiten des vollen Arbeitseinsatzes.
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Diese Vergütung durfte jedoch das durch die Verordnung vorgegebene
Mindestentgelt nicht unterschreiten. Da das Bundesarbeitsgericht die
Rufbereitschaft deutlich von der Arbeitsbereitschaft und dem Bereitschaftsdienst unterscheidet, indem es hervorhebt, dass der Arbeitnehmer während der Rufbereitschaft nicht gezwungen ist, sich am Arbeitsplatz oder an einem anderen, vom Arbeitgeber zu bestimmenden Ort
aufzuhalten, dürften diese Ausführungen für Zeiten einer Rufbereitschaft nicht gelten.
Da die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche mittlerweile nicht mehr in Kraft ist, erhält dieses Urteil seine
aktuelle Bedeutung durch die Einführung des Mindestlohngesetzes
(MiLoG). Auch nach § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ist die vorgeschriebene Vergütung „je Zeitstunde“ zu zahlen. Daher ist diese Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts auch unter dem Geltungsbereich des Mindestlohngesetzes zu beachten.
3. Kostentragung bei Notfallbehandlung eines Sozialhilfeempfängers
Der Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen lag
folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein polnischer Staatsangehöriger hatte sich an einem Samstagabend
beim Anzünden eines Kamins schwere Verbrennungen zugezogen und
wurde deshalb gegen 23.00 Uhr als Notfall in die BrandverletztenAbteilung des klagenden Krankenhauses verlegt. Die Klinik berechnete
für die Behandlung die entsprechende Fallpauschale.
Aus den Unterlagen, die dem Krankenhaus zur Verfügung standen,
ergaben sich erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich des möglichen Kostenträgers. Angaben zu einer gesetzlichen Krankenversicherung gab es
nicht. Erst eine gute Woche nach der Notaufnahme des Patienten erklärte dessen Bruder, dessen Namen und Anschrift bereits zuvor im
Krankenhaus bekannt war, dass kein Krankenversicherungsschutz bestehe. Die klagende Klinik stellte daraufhin bei verschiedenen in Betracht kommenden Kostenträgern Anträge auf Kostenübernahme.
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Das Landessozialgericht stellte fest, dass es sich bei der Behandlung
des Patienten um einen Eilfall im Sinne des § 25 SGB XII handelte. Die
Notwendigkeit der sofortigen Behandlung bestand und am späten
Samstagabend konnte der zuständige Sozialhilfeträger nicht benachrichtigt werden.
Angesichts der von Anfang an bestehenden Unsicherheit über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Patienten hätte die Klinik allerdings nach Auffassung des Landessozialgerichts so schnell wie möglich
diese Unklarheiten beseitigen müssen. Sie habe insbesondere den Bruder des Patienten umgehend befragen müssen. Nach erfolgter Befragung hätte bereits am Montag nach der Einlieferung in die Klinik der
zuständige Sozialhilfeträger – nämlich der am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Patienten – verständigt werden können. Der „Eilfall“, der
für den Anspruch des Nothelfers Voraussetzung ist, sei somit bereits
zwei Tage nach der Aufnahme des Patienten entfallen. Dieser Umstand
wirke allerdings nicht zurück auf den Tag der Aufnahme, sondern erst
mit seinem Eintritt.
Das Landessozialgericht beschäftigt sich dann mit der Frage, ob die
entstandenen Kosten der Krankenhausbehandlung pro rata temporis
aufzuteilen sind, nämlich in die Vergütung für die ersten beiden Tage
und diejenige für die Zeit danach. Wäre diese Frage zu bejahen, hätte
der Krankenhausträger nur für die beiden ersten Tage einen eigenen
Leistungsanspruch gehabt. Das Gericht verweist auf die Regelungen in
der Fallpauschalen-Verordnung, nach denen die Behandlungskosten
insgesamt, d. h. in Höhe der gesamten anzuwendenden Fallpauschale,
bereits mit dem Tag der Aufnahme des Patienten entstehen. Dies gilt
für alle Rechnungsposten, also auch für etwa berechnete Zuschläge.
Etwas anderes gilt nach Auffassung des Landessozialgerichts nur dann,
wenn die obere Grenzverweildauer überschritten wird. Dies war im entschiedenen Fall jedoch nicht geschehen.
Im Ergebnis musste somit die Gemeinde, in der sich der Patient gewöhnlich aufhielt, die gesamten Kosten des Krankenhausaufenthalts
unmittelbar an den Krankenhausträger begleichen.
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