Beispiel Presseschau Kindheit, Jugend und Familie

Presseschau
Kindheit, Jugend und Familie
Woche 48 / 20. – 26. November 2015
Thematische Schwerpunkte
Familie und Aufwachsen, Kinder- und Jugendhilfe, Soziale Arbeit und Schule
Die Chance auf ein gutes Leben
Das Bethesda-Spital eröffnet das erste Babyfenster im Raum Nordwestschweiz .............................1
Bern ist nicht kinderfreundlich genug
Kinder möchten günstigeren ÖV, um etwa zum Längmuur-Spielplatz zu kommen ............................3
Familienzentrum hat sich etabliert
Seit gut einem Jahr wird das Familienzentrum Uster von einem Trägerverein geführt ......................6
«Es gibt bei uns viele traurige Kinderschicksale»
Bei den Sozialdiensten weiss man das Engagement der Kiwanis-Clubs zu schätzen .......................8
Sorgenbarometer der Schule
In einigen Gemeinden im Aargau ist Schulsozialarbeit ein Thema. ..................................................10
«Nur weil man gute Noten hat, muss der gymnasiale Weg nicht der richtige sein»
Das duale Bildungssystem wird von allen gelobt – zuletzt von Bundesrat Johann SchneiderAmmann am Ustertag .......................................................................................................................12
Basler Zeitung - Seite 13
26. November 2015
Die Chance auf ein gutes Leben
Das Bethesda-Spital eröffnet das erste Babyfenster im Raum Nordwestschweiz
Ausweglosigkeit, Abschied und Anfang. Seit heute gibt es im Basler Bethesda-Spital ein Babyfenster
Nadine A. Brügger._ Neben der Badewanne liegen fein säuberlich aufgereiht: eine Schere, Desinfektionsmittel, Schmerztabletten und ein dickes Frotteetuch. In der Wanne liegt eine junge Frau.
Schweiss perlt über die Stirn, das Haar klebt am Kopf, ihr Gesicht ist schmerzverzerrt. Ein Waschlappen dämpft ihre Schreie. Sie bäumt sich auf, Blut ergiesst sich in die weisse Wanne. Dann ist es
plötzlich vorbei. Das Kind ist auf der Welt. Das Baby wimmert. Blutige Finger packen die Schere,
durchtrennen die Nabelschnur, greifen nach dem Tuch und wickeln das kleine Bündel ein. Die Plazenta kommt in den Müll, das Blut wird weggespült – keiner soll die Spuren dieser Geburt sehen.
Sie ist so geheim, wie es auch die Schwangerschaft war. Weil es beides niemals hätte geben dürfen. Das Kind, das nun eingewickelt im Frotteetuch schläft, am allerwenigsten. Es muss verschwinden. Sofort. Bloss wohin?
Mütter wider Willen
In Fällen wie diesem, der sich irgendwann und irgendwo in der Schweiz zugetragen hat, ist das
Babyfenster Rettung in grösster Not. Eine solche Möglichkeit gibt es jetzt auch in Basel. Heute hat
das Bethesda-Spital als erstes Krankenhaus in der Nordwestschweiz ein Babyfenster in Betrieb
genommen. Kurz davor hatte der Baselbieter Regierungsrat ein entsprechendes Postulat von SVPLandrätin Sandra Sollberger abgelehnt. Mütter wider Willen können aktuell nur in Basel ihr Kind
anonym in erfahrene Hände abgeben. Hinter dem Fenster liegt ein warmes Bettchen bereit – jeden
Tag zu jeder Zeit. Wird das Fenster geöffnet, geht intern ein stummer Alarm los. Jetzt weiss das
Personal, dass draussen etwas passiert – und das Kissen im Fenster wird automatisch auf 37
Grad aufgewärmt. Nun legt die Mutter ihr Kind hinein, füllt vielleicht sogar das Formular aus, das
nach dem Namen des Kindes fragt, dem Geburtsdatum, besonderen Erkennungszeichen und dem
Namen der Mutter. Falls sie es sich anders überlegt. Ein Jahr hat die Mutter dafür Zeit. So lange
kümmert sich eine Pflegefamilie um das Kind. Danach wird es zur Adoption freigegeben. Wird ein
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Kind auf dem warmen Kissen gefunden, werden auch die Medien informiert – und die unbekannte
Mutter wird aufgefordert, sich zu melden. «Wir versuchen stets, gemeinsam mit der Mutter und unter Wahrung des Persönlichkeitsschutzes eine Lösung zu finden », sagt Dominik Müggler, Präsident der Schweizerischen Hilfe für Mutter und Kind (SHMK). Doch auch jetzt muss die Mutter sich
nicht melden – wenn sie will, darf sie absolut anonym bleiben. Von den 16 Säuglingen, die in einem der sieben Schweizer Babyfenster gefunden worden sind, wurden zwei von ihren Müttern zurückgeholt. Bei mehr als der Hälfte hat die Mutter sich später gemeldet, ohne Anspruch auf den
Säugling zu erheben.
Anonyme Geburt wäre besser
Die übrigen Frauen entschlossen sich, anonym zu bleiben. Sie haben ihrem Kind dennoch etwas
Wunderbares mit auf den Weg gegeben: die Chance auf ein gutes Leben. «Jedes Kind, das in ein
Babyfenster gelegt wird, hat sie», sagt Müggler. «Werden Kinder aber an öffentlichen Plätzen ausgesetzt, ist die Möglichkeit, dass ihnen etwas zustösst, sie nicht früh genug gefunden werden und
nicht die Pflege bekommen, die sie brauchen, viel grösser.» Um das auch in der Region Basel zu
verhindern, gingen Müggler und seine Stiftung bereits 2003 auf das Bethesda- Spital zu – die damals angestrebte Kooperation kommt jetzt endlich zum Tragen. «Mit dem Umzug der Frauenklinik
Bruderholz ins Bethesda hat das zwar nichts zu tun», sagt Spitaldirektor Thomas Rudin, «weil wir
künftig ein besonderes Gewicht auf die Frauenmedizin legen wollen, passt das Babyfenster aber
sehr gut ins Konzept.» Finanziert hat das Fenster die SHMK. Sie kommt auch für den Unterhalt
des Säuglings auf, bis sich die Mutter entweder entscheidet, ihr Kind zurückzunehmen, oder sich
nach Ablauf der Jahresfrist eine Adoptionsfamilie findet. Das Bethesda übernimmt derweil Unterhalt und Personalkosten. Einen behördlichen Auftrag gibt es nicht. Das Ziel der Beteiligten ist, dem
Verzweiflungsmord an ungewollten Säuglingen mit einer Alternative vorzubeugen. Zwar geht eine
deutsche Studie davon aus, dass das Babyfenster von jener Gruppe der Eltern, die einen Kindsmord begehen, nicht oder zu spät wahrgenommen wird. Zahlen von Terre des Hommes sprechen
aber eine andere Sprache: Seit 2001 in Einsiedeln das erste Babyfenster in der Schweiz eingerichtet wurde, sei die Zahl der Kindstötungen um rund 45 Prozent zurückgegangen. «Wenn nur ein
Kind in das Fenster gelegt wird, hat es sich bereits gelohnt», sagt Müggler. Eine Babyklappe garantiert die fachgerechte Versorgung des Säuglings. Davor hat ihn seine Mutter jedoch in den
meisten Fällen alleine oder mit unqualifizierter Hilfe zur Welt gebracht. «Man erkennt das vor allem
an der Abnabelung – nur die wenigsten Nabelschnüre sind korrekt abgeklemmt», sagt Müggler.
Kaum eine Mutter nimmt zudem nach der Abgabe ihres Kindes medizinische Angebote in Anspruch. Darum bieten viele Spitäler eine vertrauliche Geburt an. «Ganz anonym bleibt die Mutter
aber nicht: Der Gynäkologe, das Krankenhauspersonal, die Krankenkasse, die die Kosten trägt,
und die Behörden kennen ihren Namen. Sie gehen damit aber vertraulich um», erklärt Müggler.
Erst sechs Wochen nach der Geburt kann die Mutter ihren Antrag auf Adoption stellen. Nach zwölf
Wochen muss sie ihn erneut direkt vor Ort bei der Kesb bestätigen. «Für Mütter, die unter einem
derart enormen Druck stehen, dass sie anonym gebären möchten, ist das ein Spiessrutenlauf»,
fährt Müggler fort. Eine völlig anonyme Geburt wäre in der Schweiz aber illegal. Unser Gesetz
kennt die Meldepflicht bei der Geburt, ihr unterliegen nicht nur die biologischen Eltern, sondern alle
Personen, die bei der Geburt anwesend sind. «Alle Helfer würden sich strafbar machen», sagt
Müggler. Das Babyfenster dagegen ist eine Grauzone, in der die Eltern sich nicht strafbar machen,
weil sie in einer Notlage handeln. Wie die Frau in der Badewanne. Keine 20 Minuten nachdem sie
das Kind ins Fenster gelegt hatte, rief sie im Krankenhaus an. Sie wollte wissen, wie es ihrem Kind
geht. Ob es gefunden wurde, gesund ist, umsorgt wird. Sie erzählte von dem Schock, der Schwangerschaft, dem Verdrängen und der Geburt. Und sie bedankte sich für die Chance, die das Babyfenster vielleicht für beide ist
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Der Bund - Seite 21
20. November 2015
Bern ist nicht kinderfreundlich genug
Kinder möchten günstigeren ÖV, um etwa zum Längmuur-Spielplatz zu kommen
Das UNO-Kinderhilfswerk Unicef fordert, dass auch Kleinkinder, die jünger als fünf Jahre
sind, eigenständig den nächsten Spielplatzerreichen sollen. Jugendliche möchten mehr
Räume ohne Konsumzwang.
Foto: Adrian Moser
Naomi Jones. Bern ist kinderfreundlich. Doch Bern strebt nach Höherem. Die Stadt will nächstes
Jahr vom UNO-Kinderhilfswerk Unicef das Label «Kinderfreundliche Stadt» erhalten. So einfach ist
das aber nicht.
«Unicef hat uns durchleuchtet», sagte Franziska Teuscher (Grüne), Direktorin für Bildung, Soziales
und Sport (BSS), gestern an einer Medienkonferenz. Danach hat Unicef in einem Bericht das Entwicklungspotenzial der Stadt in Sachen Kinderfreundlichkeit formuliert. Um das Label zu erlangen,
muss die Stadt nun Kinder und Jugendliche nach ihren Bedürfnissen befragen. Aus den Ergebnissen dieser Umfrage und den Empfehlungen von Unicef soll Bern einen verbindlichen Aktionsplan
formulieren, wie Alex Haller, Leiter des städtischen Jugendamtes, sagt. Noch vor den Medien begann er damit, eingeladene Schüler und Schülerinnen nach ihren Wünschen an die Berner Verwaltung zu befragen.
Mehr Spielplätze für Kleine
«Die Stadt sollte mehr Spielplätze machen», antwortete die zwölfjährige Elina auf Hallers Frage,
was die Stadt für Kinder und Jugendliche tun solle. Vor allem für kleinere Kinder brauche es mehr
Spielplätze in deren näherer Umgebung, sagt das Mädchen. Yannis, 15, pflichtet ihr bei. Er selbst
habe vom grossen Abenteuerspielplatz am Schützenweg profitiert. Noch heute gehe er mit seinen
Freunden manchmal dorthin. Er stelle jedoch fest, dass das Angebot für Kinder und Jugendliche
vor allem am Stadtrand weniger gut ausgebaut sei.
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Yannis wünscht sich ausserdem mehr Räume, wo Jugendliche am Abend hingehen könnten, ohne
dass «Erwachsene wie Helikopter herumschwirren». Vor allem im Winter wünsche er sich einen
Ort, um seine Freunde zu treffen, wo kein Konsumzwang herrsche. Denn er wolle und könne nicht
mit sieben Kollegen bei sich zu Hause sein, wenn auch Mutter und Schwester dort seien, erklärt
der Junge. Im Sommer gebe es genügend Orte, wo sich die Jugendlichen draussen treffen könnten und niemanden störten. Trotzdem habe er schon oft Lärmklagen erlebt, wenn er mit seinen
Freunden draussen gewesen sei und gelacht habe. Auch von Pinto-Einsatzkräften sei er schon öfter angesprochen worden. Pinto ist eine mobile Interventionsgruppe des Jugendamtes, die für ein
friedliches Zusammenleben im öffentlichen Raum sorgen soll.
Sowohl Elina wie Yannis finden, dass es in Bern viele tolle Angebote für Kinder und Jugendliche
gebe. Der öffentliche Verkehr sei allerdings für viele Kinder zu teuer. Ein Zwölfjähriger sei schon
ziemlich mobil. «In Bern kann er auch abends überall hingehen, ohne dass es gefährlich ist», sagt
Yannis. Aber gerade für Kinder aus ärmeren Familien, die oft am Stadtrand lebten, sei das Trambillett mit 2.80 Franken teuer. Deshalb könnten sie den attraktiven Kindertreff im andern Stadtteil
nicht besuchen.
Der Unicef-Bericht sieht den Berner Nachholbedarf in Sachen Kinderfreundlichkeit vor allem in den
Angeboten für Kleinkinder unter fünf Jahren und im Verkehr. Zwar gebe es zahlreiche Spielräume
für grössere Kinder. Doch brauche es auch Spielräume und Spielplätze, die jüngere Kinder autonom von ihrer Wohnung aus erreichen könnten. «Der Unicef-Bericht hat die wunden Punkte getroffen», sagt Alex Haller dazu.
«Das Label ist uns egal»
Die Berner Jungparteien äussern sich zum angestrebten Label kritisch. «Ich glaube nicht, dass das
Label etwas bringt», sagt Erich Hess, Präsident der Jungen SVP. Familien würden kaum aufgrund
des Labels in die Stadt ziehen. In Sachen Kinderbetreuung mache die Stadt schon heute viel, «fast
zu viel», sagt er.
Auch die Juso schert sich wenig um das Unicef-Label. «Die Zertifizierung ist uns egal», sagt Präsidentin Tamara Funicello. Anders als Hess findet Funicello nicht, dass die Stadt schon viel für Kinder tue, und sie begrüsst die Massnahmen, welche die Stadt nun umsetzen soll, um das Label zu
erhalten. Vor allem gefällt der Juso, dass Unicef ein grosses Gewicht auf Partizipation von Kindern
und Jugendlichen legt. «Das ist die Basis unseres politischen Systems.»
Die Jungen Grünen sehen im Unicef-Label ebenfalls kein «Wundermittel». «Die Zertifizierung
bringt einen externen Blick und eine Standortanalyse», sagt Séraphine Iseli, Mitglied der Partei und
Einwohnerin von Bern. Kinderfreundlichkeit bringe für alle Bewohner und Bewohnerinnen einer
Stadt mehr Lebensqualität. Deshalb dürfe die Zertifizierung und die Umsetzung der Massnahmen
etwas kosten.
Die Unicef-Zertifizierung als kinderfreundliche Stadt werde Bern 22 000 Franken kosten, sagt Alex
Haller. Wolle die Stadt das Label nach dem Erhalt vier Jahre später erneuern, müsse sie sich wieder rezertifizieren lassen. Dies koste nicht mehr den vollen Betrag, sonder jeweils nur 5500 Franken.
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Das Label - ein Gewinn für Basel
In der Schweiz haben unter anderem die Städte Basel und Lausanne das Unicef-Label der Kinderfreundlichkeit. Im Kanton Bern ist Lyss offiziell als kinderfreundliche Gemeinde ausgezeichnet. Sowohl Basel wie Lyss sind überzeugt, dass das Label für ihre Stadt ein Gewinn sei.
Roland Frank, Leiter der Basler Fachstelle Stadtteilentwicklung, sagt: «Das Label hat uns so viel
gebracht, dass die Regierung eine Rezertifizierung will.» Das Label sei wichtig für das Standortmarketing. Vor allem für Familien sei es ein Grund mehr, nach Basel zu ziehen. Aber auch innerhalb der Verwaltung habe die Zertifizierung der Stadt viel in Bewegung gebracht.
Auch Margrit Junker (SP), stellvertretende Gemeindepräsidentin von Lyss, sieht in der Kinderfreundlichkeit einen Image-Gewinn. «Neuzuzüger wissen, dass Lyss das Label hat», sagt sie.
Doch dieser sei nur das «Sahnehäubchen». Viel wichtiger als der Image-Gewinn sei ein neues
Bewusstsein für die Anliegen der Kinder im politischen Alltag. «Heute beziehen wir Kinder und Jugendliche viel mehr in Fragen der Verwaltung ein», erzählt sie. Das sei wunderbar. Innerhalb der
Verwaltung sei der Zertifizierungsprozess wertvoll gewesen. «Alle Bereiche mussten sich an einen
Tisch setzen und Lyss aus Sicht der Kinder betrachten.»
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Zürcher Oberländer - Seite 15
25. November 2015
Familienzentrum hat sich etabliert
Seit gut einem Jahr wird das Familienzentrum Uster von einem Trägerverein geführt
Im Vorstand ist auch die Stadt Uster als grösste Geldgeberin vertreten. Nötig wurde die
Neustrukturierung, weil sich der Kanton als Betreiber zurückgezogen hatte.
Immer freitags: Der Svenska fredagsklubben, ein Treff für schwedische Familien, ist eines der Angebote im Familienzentrum. Markus Zürcher
Beatrice Zogg . Müttertreff, Café, Spielgruppen, Deutschkurse, niederschwellige Erziehungsberatung, Mütterberatung: Unter dem Dach des Ustermer Familienzentrums an der Zentralstrasse 32
werden vielfältige Angebote zusammengeführt. «Wir sind oft erste Anlaufstelle, wenn Familien mit
kleinen Kindern neu nach Uster ziehen und noch kein Beziehungsnetz haben», erklärt Leiterin Manuela Fried. Da im Familienzentrum viele Angebote an einem Ort zu finden sind, würden Mütter
und Väter hier schnell Kontakte mit anderen Familien knüpfen können. «Das Angebot ist vielfältig,
es gibt auch Treffen etwa für schwedische oder japanische Väter und Mütter mit ihren Kindern»,
sagt Fried.
Stadt setzte Verein als Trägerschaft ein
1991 wurde das Familienzentrum Uster als erstes im Kanton Zürich gegründet. Im nächsten Sommer, am 27. August 2016, findet zum 25-jährigen Bestehen ein grosses Jubiläumsfest statt. Auftreten wird unter anderen Kinderliedermacher Andrew Bond. Dass das Jubiläum nächstes Jahr gefeiert werden kann, war im letzten Jahr so noch nicht klar. Der Betrieb lag bis Juni 2014 in der Verantwortung des Amts für Jugend und Berufsberatung des Kantons Zürich. Da der Kanton sich als
Träger der Familienzentren aber zurückzog, mussten die Kommunen in die Bresche springen. Verschiedene Gemeinden haben nach dem Rückzug des Kantons ihre Familienzentren direkt in die
Gemeindestruktur integriert – so etwa in Dübendorf. In Uster wählte man einen anderen Weg. Der
Betrieb des Familienzentrums wurde Anfang 2015 in die Hände eines Trägervereins gelegt. Im
Vorstand des neu gegründeten Vereins Familien- und Gemeinwesenarbeit ist auch die Stadt als
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grösste Geldgeberin vertreten. «Die Stadt zahlt pro Jahr 80 000 Franken an das Familienzentrum.
Damit wird der grösste Teil der Miete bezahlt», erklärt Andreas Wyss, städtischer Leiter der Soziokultur. Der Kanton respektive das Amt für Jugend und Berufsbildung steuert 46 000 Franken dazu
bei, und das Familienzentrum erwirtschaftet jährlich rund 34 000 Franken durch Mieteinnahmen,
die etwa Kursanbieterinnen für die Raumnutzung bezahlen. Den Entscheid, die Betriebsführung einem Verein zu überlassen, findet Wyss auch ein Jahr nach der Neuorganisation noch richtig. «Die
neue Trägerschaft hat sich bewährt. Die Nutzergruppen, die teilweise auch Vereinsmitglieder sind,
können stärker in den Betrieb mit eingebunden werden und haben direktere Einflussmöglichkeiten.
» Und die Abstützung in der Bevölkerung sei sicher breiter.
Viel Raum, um Idee zu verwirklichen
Betriebsleiterin Manuela Fried, die mit einem 30-Prozent-Pensum vom Verein angestellt ist, pflichtet Wyss bei. «Die Entscheidungswege sind kürzer und direkter. Wir können mehr bewegen », findet sie. Fried ist nicht neu im Familienzentrum. Während 14 Jahren war der Kanton ihr Arbeitgeber
und sie als Koordinatorin für das Familienzentrum zuständig. Nun hat sie mit dem Verein zwar einen neuen Arbeitgeber, ihr Tätigkeitsgebiet ist aber immer noch dasselbe. Insgesamt nutzen 23
Gruppen das Familienzentrum – unter ihnen auch die Mütterberatung, die weiterhin vom Kanton
betrieben wird, die Elternbildung Uster sowie der Verein Mütterzentrum Uster, besser bekannt als
Müze. «Das ist gerade die Stärke des Familienzentrums. Es laufen viele Fäden zusammen, und
unterschiedliche Gruppen finden hier Raum für ihre Aktivitäten», sagt Fried. Habe jemand eine
neue Idee oder möchte ein neues Angebot für Familien lancieren, könne der Verein unbürokratisch
Hand bieten. «Wir sind immer auf der Suche nach Freiwilligen, die sich engagieren möchten», so
Fried. Vor allem am Abend seien die Räume nicht immer ausgelastet, und es hätte noch Platz für
neue Kurse oder Treffs.
Vorerst weiterhin an der Zentralstrasse
Langfristig ist vorgesehen, dass das Familienzentrum in einer städtischen Liegenschaft betrieben
werden kann. Das grosse Manko am gemieteten Gebäude an der Zentralstrasse, das zurückversetzt inmitten anderer Mehrfamilienhäuser liegt, sind die fehlenden Aussenräume. Sämtliche Kinderaktivitäten müssen im Innern stattfinden. «Als möglicher neuer Standort ist das Zeughaus im
Gespräch und durchaus eine Option», sagt Wyss. Da die Gesamtplanung des Zeughausareals
noch am Anfang stehe, rede man von einem Planungshorizont von fünf bis zehn Jahren. «Bis dahin bleiben wir gerne an einem solch zentralen Ort wie an der Zentralstrasse», so Wyss. Der Verein habe vor, das Mietverhältnis mit dem privaten Vermieter weiterzuführen. Und Fried meint:
«Auch wenn es sicher schön wäre, etwas Aussenraum zu haben – die Räumlichkeiten an der Zentralstrasse haben ihren Charme und sind für viele Benutzerinnen und Benutzer zu einem Stück
Heimat geworden.» Beatrice Zogg
Alle Angebote des Familienzentrums Uster an der Zentralstrasse 32 unter:
www.familienzentrum-uster.ch
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Südostschweiz - Seite 4
21. November 2015
«Es gibt bei uns viele traurige Kinderschicksale»
Bei den Sozialdiensten weiss man das Engagement der Kiwanis-Clubs zu schätzen
Acht Kiwanis-Clubs aus der Region engagieren sich im Kinderhilfswerk Kipaki. Dieses
springt finanziell dort ein, wo Kinder von Armut betroffen und dadurch sozial benachteiligt
sind. Unterstützt werden mittlerweile über 200 Patenkinder.
Augenschein vor Ort: Sarah Tschirky und Daniel Kohler vom Kinderhilfswerk Kipaki (von links) wohnen der Hundetherapie
bei, die ihr Patenkind Jaimeé im Kinderheim der StiftungTherapeion in Anspruch nimmt. Bild Olivia Item
Dario Morandi. Die 15-jährige Jaimeé fühlt sich sichtlich wohl. Sie strahlt übers ganze Gesicht.
Kein Wunder. Sie hat Besuch. Von Dolly, einer Leonberger-Hündin des Schweizer Therapiehundezentrums. Die beiden verstehen sich auf Anhieb prächtig. In Worte fassen kann Jaimeé ihre Freude aber nicht. Das Mädchen ist schwerstbehindert. Jaimeé kann zwar sehen, hören, verstehen, lachen und weinen. Aber sich verbal mitteilen oder sich selbstständig bewegen kann sie nicht. Die
Vollwaise muss im Kinderheim der Stiftung Therapeion in Zizers rund um die Uhr betreut werden.
Alle sind ehrenamtlich tätig
Sarah Tschirky und Daniel Kohler kennen das Mädchen seit mehreren Jahren. «Sie ist eines unserer ersten Patenkinder », erzählt Kohler. Er ist Finanzchef des Bündner Kinderhilfswerks Kipaki,
Tschirky koordiniert die Aktivitäten. Beide engagieren sich ehrenamtlich, ebenso wie Präsident
Christian Rohner und die übrigen Vorstandsmitglieder des Vereins. Getragen wird das Hilfswerk
von acht Kiwanis-Clubs aus Nordbünden und dem Fürstentum Liechtenstein. Kipaki unterstützt sozial benachteiligte Kinder unter 16 Jahren aus den Einzugsgebieten der Kiwanis- Clubs. Oder anders gesagt: Das Hilfswerk springt überall dort ein, wo Eltern finanziell überfordert sind, um ihren
Kindern etwa eine Mitgliedschaft in einem Sportverein zu ermöglichen. Kipaki finanziert auf der Basis einer Patenschaft ausserdem Therapien, die nicht von der Invalidenversicherung übernommen
werden. Einen Zustupf kann es ferner für Aufenthalte in einer Pflegefamilie, Sportausrüstungen,
Kleider und Spielsachen, Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke und Aufenthalte in Ferienlagern
geben, um hier weitere Beispiele zu nennen.
Über 200 Kinder unterstützt
Als das Hilfswerk 2008 von Kohler und weiteren Initianten des Kiwanis-Clubs Herrschaft ins Leben
gerufen wurde, gab es die ersten Patenschaften. Heute sind es über 200. Knapp 400 Mal wurden
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Kinder unterstützt und dafür wendeten die Kipaki-Leute gemäss Jahresbericht 2014/15 über 72
000 Franken auf. Für Kohler ist dies ein klares Zeichen, «dass es auch bei uns in unserer Wohlstandsgesellschaft nach wie vor viele traurige Kinderschicksale gibt». Mit Kipaki wolle man auch
Kindern aus einkommensschwachen Familien, Gelegenheit geben, ihren Platz in der Gesellschaft
zu finden, sagt der Informatikunternehmer aus Maienfeld. «Wenn beispielsweise kein Geld für einen Skiausflug vorhanden ist, und Jugendliche allein deswegen zu Hause bleiben müssen, ist das
denkbar schlecht für die Entwicklung und die Sozialisation», glaubt Kohler. Daraus folgert er: «Eine
schlechte Integration kann im späteren Leben zu Problemen führen.» Deshalb ist führ ihn eines
klar: «Kipaki ist ganz auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.»
Nicht ohne nähere Abklärungen
Spenden und Beiträge stammen nach Angaben von Kipaki von Privaten, Firmen, Stiftungen und
vom kantonalen Amt für Migration und Zivilrecht sowie aus dem Kiwanis-Netzwerk. Die Gelder –
sie fliessen zu 100 Prozent den Kindern zu – werden allerdings nicht ohne nähere Abklärungen
verteilt. Es dürfen beispielsweise keine Unterstützungsleistungen der öffentlichen Hand oder von
Versicherungen im Spiel sein. Voraussetzung ist gemäss Kohlers Worten weiter, dass weder die
Familie noch das Kind im Konflikt mit Behörden stehen. Die Bedürftigkeit eines Kindes und die
Zweckmässigkeit jeder Unterstützung müssten auf jeden Fall durch eine Fachstelle abgeklärt werden, betont Kohler. «In der Regel sind die örtlichen sozialen Dienste unsere Ansprechpartner.»
Lob vom Sozialdienst
Bei den Sozialdiensten weiss man das Engagement der Kiwanis-Clubs zu schätzen. Kinder seien
auch in Graubünden häufig und in besonderem Masse von Armut betroffen. Armut wirke sich oft
sehr negativ auf die Sozialisation von Kindern und auf die Lebensperspektive aus, heisst es in einer Stellungnahme des Regionalen Sozialdienstes Prättigau, Herrschaft, Fünf Dörfer. Und: «Speziell in diesem Bereich leistet Kipaki mit seiner Spende einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung
der Situation und der Chancen. » Die Zusammenarbeit zwischen dem Regionalen Sozialdienst
Landquart und Kipaki finde – sowohl schriftlich als auch persönlich – «in einem unkomplizierten
und vor allem auch wertschätzenden Rahmen statt».
Nicht alles wird übernommen
Froh um die Unterstützung durch das Kinderhilfswerk ist man auch in der Stiftung Therapeion,wo
das Kipaki-Patenkind Jaimeé betreut wird. «Das ist eine sehr gute Sache», sagt Kinderheim- Leiterin Elisabeth Christen und lobt das Engagement der Kiwanis- Clubs. Es gebe viele Aufwendungen,
die weder von staatlichen Institutionen noch von den Versicherungen rückvergütet würden. Als
Beispiel führt sie die Spezialbekleidung für all jene Kinder auf, die an einen Rollstuhl gefesselt sind.
Diese Textilien würden nur alle drei Jahre von der Invalidenversicherung bezahlt. «Und genau da,
wie bei vielen anderen Gelegenheiten, hilft uns Kipaki mit Spenden», erklärt sie. Derweil verabschiedet sich Jaimeé im Aufenthaltsraum des Kinderheims von ihrer Spielgefährtin Dolly. Die Augen des Mädchens leuchten. Das sagt mehr als tausend Worte. Das wissen Kohler und Tschirky.
nur zu gut.
* Weitere Informationen über das Kinderhilfswerk der Kiwanis-Clubs unter www.kipaki.ch
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Aargauer Zeitung - Seite 25
26. November 2015
Sorgenbarometer der Schule
In einigen Gemeinden im Aargau ist Schulsozialarbeit ein Thema.
Doch was machen sie überhaupt, die Schulsozialarbeiter
«Würdet ihr dieses Bild online stellen?», fragt Mirjam Malitius drei Schüler. Präventionsarbeit wie diese Schulungslektion ist
ein wichtiger Teil der SSA. MEB
Marina Bertoldi. In Auenstein wird bald die Schulsozialarbeit (SSA) an der Primarschule eingeführt.
Im mittleren Wynental fordert Schulpflegepräsidentin Christine Hächler dringend eine Stellenerweiterung der SSA. Auch in Kölliken diskutiert man über mehr Stellenprozente. Ob die Pensen erweitert werden, entscheiden die Gemeinden an ihren jeweiligen Herbstversammlungen. Die Meinungen sind gespalten. In Kölliken ist der Gemeinderat aufgrund der angespannten finanziellen Lage
kritisch gegenüber der Stellenerweiterung. In Oberkulm ist der Gemeinderat gar gegen eine Aufstockung der Schulsozialarbeit. Doch was macht ein Schulsozialarbeiter überhaupt? Die az hat
zwei bei ihrer Arbeit begleitet. «Wer von euch hat kein Handy?», fragt Mirjam Malitius die Schülerinnen und Schüler der ersten Sek-Klasse von Joachim Hörner. Ein einziger Knabe streckt auf. Er
ist einer der rund 80 Schüler der Regionalschule Lenzburg, welche die Schulsozialarbeiter Mirjam
Malitius und Pascal Kurath im Umgang mit neuen Medien schulen. Noch vor einigen Jahren wäre
ein Kurs über den Umgang mit neuen Medien schwierig durchzuführen gewesen. «Während der
Pilotphase von 2008 bis 2011 war die Schulsozialarbeit mit 70 Stellenprozenten knapp bemessen.
Darunter litt vor allem die Präventionsarbeit», sagt Schulleiter Edgar Kohler. Deshalb wurde die
Schulsozialarbeit auf 160 Stellenprozente ausgebaut. Die Kosten trägt die Stadt, der die Schulsozialarbeit unterstellt ist. «Wir würden uns wünschen, dass der Kanton mehr zahlt. So bleibt alles an
den Gemeinden hängen», sagt Mirjam Malitius, zuständig für das Schulhaus Lenzhard. Sie verabschiedet sich von der Klasse und öffnet die Tür zu ihrem Büro. An der Wand hängt ein Barometer,
das verschiedene Stadien der Wut zeigt, vier rote Stühle stehen in einem Halbkreis. «Hier finden
die Beratungen statt.» Auf einem Regal an der Wand stehen Plastikfigürchen. «Wenn Schüler
Schwierigkeiten haben sich auszudrücken, lassen wir sie eine Situation nachspielen. » Die Gründe
für ein Gespräch mit der Schulsozialarbeit sind unterschiedlich. Häufige Themen sind Mobbing,
Streit in der Familie, Liebeskummer. «In dem Alter passiert bei Jugendlichen sehr viel. Sie verändern sich, werden erwachsen. Da kann auch die Scheidung der Eltern, die Jahre zurückliegt, zum
Problem werden.» Das äussere sich nicht selten in Schwierigkeiten in der Schule. Einige würden
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auch eine Essstörung entwickeln oder sich selbst verletzten. Dann seien die Schulsozialarbeiter oft
die erste Anlaufstelle, so Kollege Pascal Kurath.
Schule dankbar um SSA
«Viele unserer Schülerinnen und Schüler wachsen in einem schwierigen Umfeld auf», sagt Schulleiter Edgar Kohler. Die Situation sei heute anders als vor zehn, zwanzig Jahren. Die zunehmenden gesellschaftlichen Probleme würden auch die Schüler des Lenzhard tangieren. «Da ist es gut,
als Schulleiter mit diesen Problemen nicht alleine zu sein.» Die Schulsozialarbeit sei zu einer unverzichtbaren neutralen Stelle geworden.
Probleme werden früher erkannt
Auch Lehrer wenden sich vermehrt an die Schulsozialarbeiter. Im letzten Jahr sei vor allem das
Sozial- und Leistungsverhalten in der Klasse wieder zu einem grossen Thema geworden, sagt Mirjam Malitius. «Die Schule ist heute darauf sensibilisiert, Probleme frühzeitig wahrzunehmen.» Das
sei positiv. Je früher man ein Problem erkenne, desto leichter könne man es lösen. Viele Schüler
werden von einem Lehrer für ein Erstgespräch bei der Schulsozialarbeit angemeldet. Oft kämen
Jugendliche und Kinder aber auch von sich aus. «Die Tür steht immer offen», so Malitius. Vor ein
paar Tagen beispielsweise sei ein Mädchen völlig aufgelöst zu ihr gekommen, weil es einen
schlimmen Streit hatte. «Am nächsten Tag hat sie sich bei mir bedankt. Das Gespräch habe ihr
sehr geholfen. Der Streit war vergessen.» Die Schulsozialarbeit habe den Vorteil eines sehr unkomplizierten Beratungssystems vor Ort. Andere Fälle sind gravierender und brauchen viel Zeit
und Engagement. Mit den Präventionsmassnahmen will man sensibilisieren und Problemen vorbeugen. Gerade die Schulung im Umgang mit Instagram, Whatsapp und Co. sei dabei essenziell.
Mirjam Malitius: «Konflikte werden heute vermehrt im Netz ausgetragen. Es kommt oft zu Mobbing
und Beleidigungen über Whatsapp.»
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882 Beratungen machte das dreiköpfige Team der Schulsozialarbeit Lenzburg im letzten Jahr.
353 davon führte es mit Kindern und Jugendlichen. Bei 30 Prozent der 225 angemeldeten Schüler
und Klassen war das «Sozialverhalten in der Schule» Grund für ein Erstgespräch. Die drei
Schulsozialarbeiter Mirjam Malitius, Pascal Kurath und Marianne Thalmann betreuen zusammen
1150 Schülerinnen und Schüler aus Lenzburg, Ammerswil und Staufen.
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Zürcher Oberländer - Seite 2
24. November 2015
«Nur weil man gute Noten hat, muss der gymnasiale Weg nicht der richtige
sein»
Das duale Bildungssystem wird von allen gelobt – zuletzt von Bundesrat Johann Schneider-Ammann am Ustertag
Und doch: die Lehre wird gegenüber der Matura als minderwertig angesehen, sagt Josef
Widmer, der Bildungsbeauftragte des Bundes. Am Mittwoch spricht er in Uster über die
Thematik.
Perspektiven aufzeigen: Eine Berufslehre bietet Jugendlichen gemäss Bildungsexperte Josef Widmermindestens gleich gute Chancen wie eine Matura. Symbolbild Symbolbild Fotolia
Interview: Eva Künzle
«Unsere Kronjuwelen sind das duale Bildungssystem», sagte Bundesrat Johann Schneider- Ammann am Sonntag am Ustertag. Josef Widmer, der stellvertretende Direktor des Staatssekretariats
für Bildung, Forschung und Innovation, unterstützt diese Aussage. «Nur ist es so, dass viele Eltern
und auch Jugendliche immer noch das Gefühl haben, dass der Weg der Berufslehre weniger
Chancen bietet als die Matura.» Der Bildungsbeauftragte des Bundes machte es sich deshalb zur
Aufgabe, das Image der Berufslehre zu verbessern. Am Mittwoch referiert er an der Berufswahlschule Uster zum Thema Perspektiven der Berufslehre.
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Herr Widmer, können Sie mit Gewissheit sagen, dass man mit einer Lehre die gleichen
Chancen hat wie mit der Matura?
Josef Widmer: Ich bin überzeugt, dass die Chancen mindestens gleich gut sind. Wenn ein Jugendlicher zum Beispiel eine Lehre mit Berufsmatura absolviert und anschliessend an eine Fachhochschule geht, kann er je nach Fach sogar besser dastehen als jemand mit Universitätsabschluss.
Wieso hält sich das schlechte Image der Berufslehre dann so hartnäckig?
Häufig ist es einfach fehlendes Wissen. Zugewanderte Leute etwa kennen unser System nicht, im
Ausland ist die Gymnasialquote oft viel höher, teils bis zu 95 Prozent.
Sie selber sagten in einem anderen Interview, dass Sie sich gegen eine Lehre entschieden,
weil Ihr Lehrer aufgrund Ihrer guten Noten das Gymnasium empfohlen hat. Ist es nicht dieses Stigma, das Sie bekämpfen wollen?
Absolut. Nur weil man gute Noten hat, heisst das nicht, dass der gymnasiale Weg der richtige ist.
Aber in meiner Schulzeit gab es Berufsmaturität und Fachhochschulen noch nicht. Man musste
sich früh entscheiden, in welche Richtung es gehen soll. Ich glaube, ich wäre auch mit einer Lehre
an einem guten Ort gelandet, aber aus der damaligen Perspektive wäre es wohl schwieriger geworden. Heute ist das anders. Im technischen Bereich gibt es viele Führungskräfte mit Lehrabschluss, und sogar im Bankenwesen kann man mit einer Lehre Karriere machen: Der CEO der
UBS hat ursprünglich eine Lehre absolviert.
Kann man auch mit einer Lehre ohne ein Fachhochschulstudium Karriere machen?
Absolventen mit einer Lehre ohne BMS, also ohne Berufsmaturität, können sich auf der Tertiärstufe weiterbilden: Die sogenannt höhere Berufsbildung bietet Vertiefungsrichtungen, die hervorragende Fach- und Führungskräfte heranbilden. Diese Möglichkeiten könnten noch viel häufiger genutzt werden.
Aber ist es wirklich nötig, dass alle sich nach einer Lehre noch weiterbilden?
Nein, es gibt natürlich auch Leute, die das entweder nicht wollen oder nicht können. Deshalb haben wir in der Schweiz so viele unterschiedliche Gefässe, die zweijährige, die dreijährige, die vierjährige Lehre, die BMS, die Berufs- und höheren Fachprüfungen, die Höheren Fachschulen und
die Fachhochschulen. Man kann die ganze Palette bespielen.
Genau diese grosse Bandbreite macht es doch auch schwierig einzuschätzen, welche Richtung was bietet? So bieten Höhere Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten teilweise ähnliche oder gar gleiche Studienfächer an.
Durch diese vielen Optionen ist das tatsächlich schwierig geworden. Es ist deshalb eine wichtige
Aufgabe, Jugendliche und Eltern gut zu informieren. In diesem Bereich müssen wir noch zulegen.
Die Informationen sind zwar alle verfügbar, aber man muss sich auch zurechtfinden in der Fülle.
Da müssen Beratungszentren und Informationsveranstaltungen helfen, die Spreu vom Weizen zu
trennen.
Was raten Sie jungen Leuten, die nicht wissen, was sie wollen?
Viele, die nicht wissen, welchen Weg sie einschlagen sollen, haben zu spät angefangen, sich mit
der Materie auseinanderzusetzen. Es braucht einen Reifungsprozess; man muss eine Schnupperlehre machen, an einen Tag der offenen Tür eines Unternehmens gehen, sich mit Kollegen und
Lehrpersonen unterhalten, seine Interessen abklären. Das geht nicht innerhalb eines Monats.
Und doch gibt es einige, die sich trotz diesen Bemühungen für einen Lückenfüller entscheiden, etwa für das KV.
Ja, weil es ein generalistischer Beruf ist. Tatsache ist aber, dass KV-Absolventen oft Mühe haben,
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einen Job zu finden. Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Möglichkeiten lohnt sich deshalb. Es gibt zum Beispiel viele neue Berufe, die sehr interessant und anspruchsvoll sind. Heute
trifft man den Entscheid, welche Lehre es wird, nicht mehr fürs Leben. Man sollte deshalb etwas
wählen, das einem Freude bereitet. Wichtig ist, dass man überhaupt einen Lehrabschluss hat. Darauf lässt sich in jedem Fall aufbauen.
An Ihrem Vortrag morgen sprechen Sie über die Perspektiven bis 2030. Können Sie einige
Stichworte nennen?
Stichworte sind etwa die Automatisierung und die Digitalisierung. Letztere wird die Methodik der
Berufsbildung beeinflussen; E-Learning ergänzt die bisherigen Ausbildungsformen. Sicher werden
auch viele neue Berufe entstehen, die wir heute noch gar nicht kennen, während andere verschwinden. Die Berufsbildung bleibt ein dynamisches Feld.
Morgen Mittwoch referiert Bildungsexperte Josef Widmer um 19.30 Uhr zum Thema Perspektiven
der Berufslehre. Der Anlass findet in der Aula der Berufswahlschule Uster statt und ist öffentlich.
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