SimpleLanguageTool Johannes Fruth | Christian Gless | Carsten Weck SimpleLanguageTool Einführung: Verständlich? Für wen? Nach europaweit geltenden Richtlinien, muss Produkten immer eine Bedienungsanleitung in der jeweiligen Landessprache beigelegt werden. Auf diese Weise soll Nutzern der sichere und richtige Gebrauch der Produkte ermöglicht werden. Damit die Anleitungen von Nutzern jedweder Vorbildung verstanden werden können, setzen Technische Redakteure auf eine möglichst verständliche Sprache, die von der Zielgruppe mit dem geringsten Erfahrungsschatz bestimmt wird. Leider profitieren nicht alle Menschen von dieser verständlichen Sprache. Eine große Nutzergruppe in Deutschland kann die Sprache, in der Technische Dokumente verfasst sind, nicht oder nur mit größter Anstrengung lesen. Die Betroffenen sind Menschen mit geringer sprachlicher Kompetenz. Dazu zählen zum Beispiel Menschen mit Lernschwierigkeiten und funktionale Analphabeten. In Deutschland leben 7,5 Millionen funktionale Analphabeten und, je nach Quelle, 350.000 bis 500.000 Menschen mit Lernschwierigkeiten sowie Menschen mit Migrationshintergrund, die noch nicht gut deutsch sprechen. Das macht in der Summe mindestens 10% der gesamtdeutschen Bevölkerung, die von vielen technischen Geräten eventuell keinen Gebrauch machen können. Es ist wichtig, möglichst jedem Menschen die Dokumentation eines Produktes in der jeweils benötigten Form zu bieten. Unternehmen können so ihren Kundenstamm vergrößern und Betroffene ein freieres, selbstbestimmteres Leben führen. Das Problem ist nun: nach welchen Regeln sollen Dokumentationen verfasst werden? 2 SimpleLanguageTool Die Lösung? Leichte Sprache, oder? Um allen Menschen mit geringer Sprachkompetenz die Nutzung technischer Geräte zu ermöglichen, muss die Dokumentation der Geräte in einem Sprachderivat vorliegen. Einige Vereine haben sich mit der Thematik bereits auseinandergesetzt und mit Hilfe von Betroffenen verschiedene Regelwerke erstellt. Die vereinfachte deutsche Sprache, die aus den angewandten Regeln resultiert, wird Leichte Sprache genannt. Diese Leichte Sprache verfügt über ein deutlich verkleinertes Vokabular, vereinfachte Grammatik und Regeln für einen verkürzten Satzbau. Sie soll dabei helfen, Betroffenen ein selbstbestimmteres Leben zu ermöglichen und deren Lebensqualität zu steigern. Zusammen mit der erhöhten Selbstbestimmtheit werden weitere psychische Faktoren, wie das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen, gestärkt. Doch hilfreich sind diese Regelwerke noch nicht. Zu viele verschiedene gibt es und zu wenige Technische Redakteure, die sie sicher anzuwenden wissen. Auch ist es mühsam, die fertigen Texte auf ihre Richtigkeit zu prüfen. An dieser Stelle setzt unsere Idee an. Die Lösung! Das SimpleLanguageTool! Aus der Gesamtheit aller Regelwerke möchten wir Gemeinsamkeiten finden und daraus ein Derivat von Regeln erstellen. Das Ergebnis ist ein neues Regelwerk, welches alle Gemeinsamkeiten der bereits existenten Regelwerke enthält. Die im neuen Regelwerk vorhandenen Regeln sollen dann um weitere, für die Technische Redaktion relevante Regeln ergänzt werden. Das finalisierte Regelwerk wird dann über eine Webseite als PDF angeboten. So können alle Technischen Redakteure auf das Regelwerk zugreifen, es herunterladen und als Grundlage für Texte in Leichter 3 SimpleLanguageTool Sprache verwenden. Zudem soll eine computergestützte Textüberprüfung angeboten werden. Wir möchten die Regeln dazu in das LanguageTool einbinden. LanguageTool ist eine Software, die Texte auf Grammatik-, Rechtschreib-, Interpunktions-, und stilistische Fehler untersucht. Die Regeln, die das Programm bei der Korrektur beachten soll, lassen sich mit XML erweitern. LanguageTool steht unter der Open-Source-Lizenz und kann somit auch kommerziell verwendet werden. Dadurch kommen auf Unternehmen keine weiteren Kosten zu. Außerdem liegt das Programm in mehreren Versionen vor. Neben einer Standalone-Version existieren Erweiterungen für Mozilla Firefox und OpenOffice bzw. LibreOffice sowie eine Online-Version. Die Online-Version soll mit den Regeln unseres Regelwerkes auf einer Webseite eingebunden werden. Auf dieser können Technische Redakteure ihre Texte in Leichter Sprache auf alle Regeln hin überprüfen, inkl. Rechtschreib- und Grammatikkorrektur. Und das alles, ohne eine weitere Software auf dem Rechner installieren zu müssen. Die Webseite liegt im Responsive Design vor, so dass sie auch vom Smartphone oder Tablet aus bedienbar ist und gut aussieht. Wer lieber offline arbeitet, kann auch eine Desktopversion mit integriertem Regelwerk herunterladen und installieren. Die StandaloneVersion, wie sie auf der Webseite von LanguageTool genannt wird, ist in Java geschrieben. Das bedeutet, dass sie plattformunabhängig verwendet werden kann. Java ist auf allen gängigen Betriebssystem ausführbar. Als Web-CMS werden wir WordPress nutzen. WordPress ist ein BloggingSystem, mit dem wir Nutzer per integriertem Blog über Neuigkeiten informieren können. So bleiben die Anwender unseres Systems auf dem neusten Stand, was die Entwicklung des Regelwerks angeht. Außerdem soll ein Tutorial über die Erweiterung des Regelwerkes in deutscher 4 SimpleLanguageTool Sprache verfügbar sein, so dass freiwillige Entwickler sich an dem Projekt beteiligen können. Zielgruppen Die Zielgruppen für unser Projekt haben wir in primär und sekundär eingeordnet. Die primäre Zielgruppe sind diejenigen, die mit dem Regelwerk und der Software arbeiten sollen, um Texte in Leichter Sprache zu schreiben. Die sekundäre Zielgruppe ist nicht minder wichtig, profitiert aber mehr von den Regeln als dem Regelwerk: es sind all jene Menschen, die auf Texte in Leichter Sprache angewiesen sind. Die primäre Zielgruppe sind die Technischen Redakteure, die Texte in Leichter Sprache verfassen wollen. Sie sollen auf ein möglichst einfaches und für sie verständliches Regelwerk zurückgreifen können, denn mit der Qualität des Regelwerks steigt auch die Qualität der publizierten Texte. Außerdem brauchen sie einen möglichst einfachen Weg, um ihre Texte auf Korrektheit zu überprüfen. Zu sekundären Zielgruppe gehören Menschen mit Lernschwierigkeiten, solche, die die deutsche Sprache nicht gut beherrschen sowie funktionale und sekundäre Analphabeten. Funktionale Analphabeten können nicht so gut lesen und schreiben, wie es von der Gesellschaft vorausgesetzt und erwartet wird. Sekundäre Analphabeten dagegen konnten einmal ausreichend gut lesen und schreiben, haben diese Fähigkeiten jedoch wieder verlernt. Die Regeln im Regelwerk sollen an ihre Bedürfnisse angepasst sein, denn auch sie benötigen verständliche Dokumentation, um technische Geräte sicher und richtig bedienen zu können. 5 SimpleLanguageTool Nutzen Mindestens drei Nutzergruppen würden Vorteile aus dem Regelwerk und der Kontrollsoftware ziehen. Eine Nutzergruppe stellt alle auf Leichte Sprache angewiesenen Menschen dar. Sie erfahren passive Vorteile von unserem Produkt: Eine nach Regeln der Leichten Sprache verfassten Technischen Dokumentation. Die Betroffenen können beispielsweise Bedienungsanleitungen leichter verstehen und die zugehörigen Produkte bestimmungsgemäß einsetzen. Dadurch könnten sie ein selbstbestimmteres und luxuriöseres Leben führen. Aktive Vorteile erfahren die Technischen Redakteure und freischaffend Arbeitenden, die unser Produkt für die Erstellung ihrer Texte nutzen. Sie können für das Schreiben von Technischen Dokumenten in Leichter Sprache auf ein einheitliches Regelwerk zurückgreifen und ihre Texte durch die Software zudem auf Einhaltung aller Regeln hin überprüfen. Dadurch wird eine hohe Qualität der Texte gewährleistet und viel Zeit eingespart, da die Herleitung eigener Regeln entfällt. Die Unternehmensleitung ist die dritte Nutzergruppe, die Vorteile aus dem Regelwerk und der Software zieht. Zum einen werden sowohl Kosten durch die geringere Zeit bei der Erstellung der Dokumentation gespart. Zum anderen funktioniert die Übersetzung besser; durch die vereinfachte Sprache machen Programme bei der maschinellen Übersetzung weniger Fehler. Weiterhin steigt der Umsatz durch die größere Kundschaft, da die Produktdokumentation von mehr Menschen verstanden wird. Schließt sich ein Unternehmen frühzeitig unserer Idee an und vertreibt seine Produkte mit einer Dokumentation in Leichter Sprache, steigert es die Barrierefreiheit seiner Produkte und damit sein Image auf dem freien Markt. 6 SimpleLanguageTool Betroffene Produkttypen Bevor alle technischen Geräte mit Dokumentation in Leichter Sprache ausgeliefert werden, muss die Dokumentation von einer kleinen Testgruppe geprüft werden. Diese Testgruppe muss aus einer Mischung von Mitgliedern unserer sekundären Zielgruppe bestehen. Die Probanden versuchen nun, ein Gerät mit Hilfe der Dokumentation in Leichter Sprache zu bedienen. Diese Art von Produkttest hat jedoch den Nachteil, dass unser Produkt so nur von einem kleinen Ausschnitt der riesigen Zielgruppe getestet werden kann. Deshalb muss ein weiterer Test auf dem freien Markt durchgeführt werden. Um unser Produkt auf dem freien Markt zu testen, sollte nur eine kleine festgelegte Gruppe von Produkten eines bestimmten Typs mit Technischer Dokumentation in Leichter Sprache ausgeliefert werden. Eine kleine Produktgruppe vereinfacht die Beobachtung und ermöglicht schnell durchführbare Maßnahmen bei nicht vorhergesehenen Komplikationen. Das Produkt sollte schon ohne Dokumentation leicht bedienbar sein und eine geringe Komplexität aufweisen. Außerdem soll von ihm nur eine geringe Verletzungsgefahr ausgehen. Damit möglichst schnell viele Nutzer, die in unsere Zielgruppe fallen, das beobachtete Produkt nutzen, sollte es möglichst für den alltäglichen Gebrauch bestimmt sein. Dazu gehören zum Beispiel die meisten Küchengeräte wie Toaster, Mikrowellen oder Kaffeemaschinen. Betroffene Dokumente und Dokumentteile Nicht alle Dokumentteile müssen in Leichter Sprache überarbeitet werden. Einige in Technischer Dokumentationen enthaltene Informationen werden üblicherweise schon so aufbereitet, dass Betroffene sie verstehen können. Andere wiederum beinhalten Informationen, die für Betroffene irrelevant sind. Wir haben Dokumente 7 SimpleLanguageTool und Dokumentteile identifiziert und sortiert, und danach beschlossen, was davon in Leichter Sprache verfügbar sein sollte. Eine Bedienungsanleitung setzt sich aus mehreren Teilen zusammen, die inhaltlich voneinander getrennt werden können. Nicht alle diese Teile müssen in Leichter Sprache neu aufbereitet werden. Informationen, die Betroffene bereits ohne Leichte Sprache verstehen können, sind zum Beispiel auf dem Deckblatt. Hier befindet sich lediglich eine Abbildung des Produktes, die Bezeichnung der Anleitung, eine Produktabbildung, der Hersteller und eventuell einige weitere, zur Identifizierung nötige Angaben. Genauso verhält es sich mit dem Impressum, welches sich aus einigen klar verständlichen Angaben zusammensetzt. Sowohl das Deckblatt, als auch das Impressum, müssen nicht in Leichte Sprache übersetzt werden. Angaben, die beim Nutzer des Gerätes eine gewisse Fachausbildung voraussetzen und die den Nutzer im Zweifel gefährden könnten, sollten aus Sicherheitsgründen nicht in Leichte Sprache übersetzt werden. Zu diesen nicht zu übersetzenden Dokumentteilen gehören zum Beispiel Wartungsanleitungen, bei denen eine Maschine mit freiliegenden rotierenden Einzelteilen geöffnet werden muss. Im Ernstfall muss vom Technischen Redakteur individuell und verantwortungsbewusst entschieden werden, ob sich der Nutzer einer Gefahr aussetzt, wenn er die Handlungsanweisungen nicht richtig versteht. Die Dokumentteile, die übersetzt werden sollten, sind die Leistungsbeschreibung, Handlungsanweisungen und Warnhinweise. 8 SimpleLanguageTool Voraussichtliche Probleme bei der Umsetzung Leider bergen alle Projekte ungeahnte Probleme bei der Umsetzung. Um dieses Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, ist es daher unablässig, sich vorher ein paar Gedanken über voraussichtliche Schwierigkeiten zu machen. Das größte Problem ist unser fehlender Kontakt zu Menschen mit Problemen beim Textverständnis. Wir können leider nur mit den vorhandenen Regelwerken arbeiten und uns aus diesen weitere Regeln herleiten. Um dieses Problem zu lösen, könnte man das neue Regelwerk inklusive einiger beispielhafter Texte an die Vereine schicken, die mit den Betroffenen arbeiten bzw. von ihnen geleitet werden. Innerhalb der Vereine können Betroffene die Texte testen und das Regelwerk überprüfen. Über ein Feedback können Fehler und Ungenauigkeiten beseitigt oder Vergessenes ergänzt werden. Zudem könnten sich die Betroffenen äußern, welche Produkte unbedingt Anleitungen in Leichter Sprache benötigen. Ein weiteres Problem ist das Verständnis von Grafiken. Leider haben wir bei der Recherche keine wissenschaftlichen Arbeiten gefunden, die die Verarbeitung von Grafiken und Texten im Gehirn differenziert haben. Wir wissen nicht, ob Grafiken möglicherweise ganz anders verarbeitet und verstanden werden, sodass Menschen mit Problemen beim Textverständnis überhaupt keine Probleme mit Grafiken haben. Müssten Grafiken jedoch neu aufbereitet werden, könnte es unserem Konzept nach keine Computerunterstützung geben. Das LanguageTool kann nur mit Texten, jedoch nicht mit Grafiken arbeiten. Ein Programm, welches diese Funktion erfüllt, gibt es unserem Kenntnisstand nach nicht. 9 SimpleLanguageTool Ausblick In der Technischen Dokumentation wird großer Wert auf einfache und leicht verständliche Sprache gelegt. Dazu werden noch vor dem eigentlichen Schreibvorgang einer Dokumentation Zielgruppen definiert. Der Schreibstil wird dann für die Zielgruppe mit dem geringsten benötigten Erfahrungsschatz verfasst. Leider werden Zielgruppen, die auf spezielle Texte angewiesen sind, meistens nicht beachtet. Durch dieses Projekt möchten wir dazu beitragen, allen Menschen die Bedienung technischer Geräte zu ermöglichen und ihnen zu einem selbstbestimmteren Leben zu verhelfen. In Zukunft könnte dieses Konzept tatsächlich einmal aufgegriffen und realisiert oder sogar erweitert werden. Wir halten die Umsetzung eines Regelwerkes für Leichte Sprache in Form eines XMLDokuments für machbar, wenn es genug Arbeitskräfte gibt, die an der Entwicklung mitwirken. Auch kann man das Prinzip bis auf die aktive Schreibunterstützung ausdehnen, um so Technische Redakteure noch besser beim Erstellungsprozess zu unterstützen. Damit das Projekt von Anfang an durch viele Menschen unterstützt wird, sollte das Thema “Leichte Sprache in der Technischen Redaktion” mehr publik gemacht werden. Technische Redakteure und Firmen sollten von der Dringlichkeit von Technischer Dokumentation in Leichter Sprache überzeugt werden. 10
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