Infothek der Klima-Bündnis-Agentur Nord im Heinrich-Böll-Haus Lüneburg
Indigene Völker - Hintergrundinformationen
Indigene Völker –
am Rande der nationalen Gesellschaften
Die Vereinten Nationen haben die
frühere Bezeichnung Ureinwohner
mittlerweile durch den Begriff
„indigene Völker“ ersetzt. Diese Definition gilt für Nachfahren der jeweils ersten Besiedler einer Region,
die später von anderen Völkern unterworfen, kolonisiert, teilweise von
ihren ursprünglichen Siedlungsräumen vertrieben und insgesamt an
den Rand der nationalen Gesellschaft verdrängt wurden.
Ihr Sozialgefüge, ihre Kultur und
ihre traditionelle Wirtschaftsweise
unterscheidet sie bis heute von der
nationalen Gesellschaft. Die ungefähr 300 Millionen Angehörigen
indigener Völker verteilen sich auf
5.000 unterschiedliche Völker. Den
größten Anteil stellen die Adivasi Indiens mit ca. 70 Millionen, gefolgt
von den Ureinwohnern Amerikas
mit mehr als 40 Millionen. Die Tuareg in den Sahara-Staaten gehören
ebenso dazu, wie Pygmäen im zentralafrikanischen Regenwald, Penan
in Malaysia, Bergvölker in
Bangladesh und Burma, Ainu in Japan, sibirische Völker in Rußland,
Maori in Neuseeland, Aborigines in
Australien, die Bewohner der pazifischen Inseln, Inuit in Alaska, Kanada, Grönland und der GUS oder
Saami in Nordeuropa.
Ihr besonderes Verhältnis zu
ihrem Territorium
Alle indigenen Völker kämpfen
um die Anerkennung ihrer Landrechte und den Respekt vor ihrer
kulturellen Identität. Aus ihrer Geschichte haben sie eigene Institutionen bewahrt, mit denen sie eine
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selbstbestimmte Zukunft gestalten
wollen: eigene Rechtssysteme, Sprachen, soziale und politische Einrichtungen zur Selbstverwaltung. Zentral
für alle indigene Völker ist ihr besonderes Verhältnis zum Territorium:
„Die Verfügung über unser Land ist
unsere einzige Hoffnung auf Identität, erklärte ein Papua, weil es uns
ein Gefühl der Würde gibt. Unser
Land ist keine Ware, die wir leichten
Herzens verkaufen oder freiwillig
hergeben, nur um reich zu werden.
Nein! Wenn wir unser Land verlieren, büßen wir unsere Identität, unseren Stolz und unsere Geschichte
ein.“
Überall auf der Welt werden im
Namen von Entwicklung und Fortschritt oder zur Verteidigung des
Nationalstaates die Territorien
indigener Völker geraubt, reduziert,
militarisiert, zerstört, verseucht. Wer
sich wehrt, wird diskriminiert, verfolgt, gefoltert, ermordet. Die Missachtung ihrer Land- und anderer politischer und ziviler Rechte, die Zerstörung ihres Lebensraumes
(Ökozid), die Auslöschung ihrer Lebensweise (Ethnozid) und Völkermord (Genozid) bedrohen in vielen
Teilen der Welt das Überleben
indigener Völker: Abholzung und
Kupferbergbau in Papua-Neuguinea,
Besiedlung und militärische Besetzung der Chittagong Hill Tracts in
Bangladesh, gigantische Staudämme
in Brasilien, Indien oder Kanada,
Atombombentests im Pazifik oder in
Nevada/USA, Morde an indigenen
Führern in Kolumbien, Guatemala,
Peru oder Indien.
Welche Normen schützen
indigene Völker?
Die Rechte indigener Völker sind
national wie international völlig unzureichend geschützt. Es existieren
zwar einige Abkommen - die Konvention gegen Völkermord, die allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
die internationale Übereinkunft zur
Beseitigung der Rassendiskriminierung oder die Konvention über bürgerliche und politische Rechte - die
dem einzelnen Mitglied eines
indigenen Volkes Rechte einräumen.
Die Repräsentanten der Ureinwohner fordern jedoch nationale und internationale Standards, die ihnen
kollektive Rechte auf Selbstbestimmung, auf Sprache und Kultur einräumen, und nicht zuletzt Schutz gegen Ethnozid bieten. Hingegen gibt
es noch kein Rechtsinstrument für
Ureinwohner.
Die ILO-Konvention 169
Das bislang einzige verbindliche
Instrument zur Wahrung der Rechte
indigener Völker stellt die Konvention 169 der International Labour
Organization (ILO) von 1989 dar. Die
Konvention verpflichtet die unterzeichnenden Nationalstaaten, die
Landrechte, die politischen und sozialen Organisationsformen sowie
die kulturellen Institutionen der
indigenen Völker anzuerkennen und
zu fördern. Bislang haben diese Konvention allerdings nur wenige Staaten ratifiziert (Bolivien, Kolumbien,
Costa Rica, Mexico, Norwegen, Paraguay und Peru). In der Diskussion
befindet sich eine Deklaration der
1
Vereinten Nationen zu den Rechten
indigener Völker, die jedoch noch
von den UN-Ausschüssen debattiert
wird. Umstritten ist vor allem die
Reichweite der Selbstbestimmung.
Die indigenen Völker beharren auf
ihrem Standpunkt, dass Selbstbestimmung sich aus ihrer Geschichte
als eigenständiges Volk ableitet und
kein Gnadenakt der nationalen Regierung sein kann.
Quelle
Dr. Theodor Rathgeber, Abt.
Indigene Völker der Gesellschaft für
bedrohte Völker
Gesellschaft für bedrohte Völker e.V.
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