Ansprechen in Sommernächten

Wild - Jagdpraxis
S
MMERNA
SCHWARZWILD ANSPRECHEN
Wir haben drei Experten Nachtbilder von
Sommersauen gezeigt und gefragt: Schießen
oder nicht? Testen auch Sie ihr Können, und
lesen Sie, zu welchem Urteil Norbert Happ,
Helmut Hilpisch und Burkhard Stöcker kamen.
Simon Obermeier
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WILD UND HUND | 11/2014
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CHTSSAUEN
Wer kennt diese Situation nicht: Bis auf 50 Meter ist
scher Entschluss, und den noch voll auf die Muttermilch
angewiesenen Frischlingen könnte die Bache fehlen. Aber
worauf achten Schwarzwildkenner beim Ansprechen von
Sommersauen, welche Entscheidungshilfen gibt es? Wir
wollten das wissen und haben Norbert Happ, Helmut Hil­
pisch und Burkhard Stöcker getrennt voneinander auf
Nacht getrimmte Fotos vorgelegt und sie gefragt: „Welches
Stück würden Sie erlegen, vorausgesetzt es würde mit Ku­
gelfang breit und frei stehen?“
Foto: Sven-Erik Arndt
man an die Sauen rangepirscht. Sie stehen bei diffusem
Mondlicht auf Grünland im Gebräch. Immer wieder der
prüfende Blick durchs Fernglas: Wuseln da gestreifte Frisch­
linge durchs Gras? Sind bei der Überläuferbache Striche zu
erkennen – führt sie? Viele Fragen schießen einem in sol­
chen Situationen durch den Kopf. Nämlich gerade bei som­
merlichem Bewuchs ist das Ansprechen von Schwarzwild
eine nicht immer ganz einfache Angelegenheit. Ein fal­
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Foto: Wolfgang Radenbach
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Rotte am Waldrand
Bei Licht lassen sich mehrere Stücke der Rotte anhand des Pinsels als männlich ansprechen.
Helmut Hilpisch: Familienverband mit stärkeren Frisch­
lingen. Stärkere Stücke in der Sommerschwarte. Bei eini­
gen Stücken kann es sich anstelle des Pinsels auch um
einen einzelnen, angezogenen Strich handeln. Daher gilt
auch hier erhöhte Vorsicht.
Im Bild links außen und im Hintergrund sind zwei
Frischlinge mit circa 20 Kilogramm zu erkennen. Wenn
der Frischling im Bildhintergrund, Bildmitte, vorzieht,
kann er erlegt werden.
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Norbert Happ: Erkennbar sind an beiden Seiten zwei
schießbare Frischlinge. Aber: Wer sommers im Wald in eine
solche Rotte hineinschießt, handelt verantwortungslos.
Burkhard Stöcker: Gemischte Rotte im Spätsommer, die
offenbar überwiegend aus Überläufern besteht. Hier können
führende Stücke mit dabei sein, auch wenn aktuell keine
ganz jungen Frischlinge zu sehen sind.
Ich würde versuchen, das geringste Stück, den Frischling
in der Mitte halb verdeckt, zu bekommen.
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Foto : Marlene Rautenberg
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Morgendliche Begegnung im Getreide
Helmut Hilpisch: Familienverband im Getreidefeld.
Sehr gut erkennbar bei den beiden linken Stücken ist der
markante, lange Bachenkopf. Zu 100 Prozent sind bei
den stärkeren Sauen die Frischlinge, nicht sichtbar, im
hohen Getreide dabei.
Hier darf auf keinen Fall auf eine der Sauen geschos­
sen werden. Mit tödlicher Sicherheit hat man dann eine
führende Bache erlegt. Zur Wildschadensverhütung kann
man nur außerhalb vom Getreidefeld auf erkennbare
Frischlinge jagen.
3
Norbert Happ: Nichts zu machen, das junge Gemüse steckt
unsichtbar unten im Getreide.
Burkhard Stöcker: Bachengruppe mit möglicherweise
zwei Überläufern (zwei Paar Teller ragen knapp über den
Getreiderand) und einer großen Schar von Frischlingen die
gewiss den Grund des Getreidefeldes zwischen den Läufen
ihrer Mütter bevölkern. Hier winkt aktuell kein Waidmanns­
heil, sondern potenziell der Wildschaden. In dieser Situati­
on würde ich lärmend versuchen, die Sauen zum Verlassen
des Feldes zu bewegen.
Einzelnes im Gebräch stehendes Stück
Foto: Michael Breuer
Pinsel oder Strich:
Auf dem Tagbild wird deutlich,
dass es sich tatsächlich um
eine führende Sau handelt.
Helmut Hilpisch: Ein weiblicher Frischling säugt einen Frisch­
ling. Erkennbar an dem deutlichen Strich. Dieser schwache
Frischling zählt als säugende Bache und genießt Mutterschutz.
Norbert Happ: Frischlingsbache mit einem angesaugtem
Milchstrich – führendes Stück: Immer schonen!
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Burkhard Stöcker: Junge Bache mit einer, vielleicht zwei
angesogenen Strichen.
Klassischer Fall für den Fehlabschuss bei Mondschein an
der Kirrung, wenn ein scheinbar allzu präsentes Genital uns
den Keiler vorgaukelt.
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Familienverband auf Grünland
Zwei Stücke, gleiche Größe
Foto: Wolfgang Radenbach
Deutlich sind am Tag bei dem
vorderen Stück die Striche, bei
dem hinteren der Pinsel zu sehen.
Helmut Hilpisch: Links eine führende Überläuferbach mit
Gesäuge, die somit unter Mutterschutz steht. Rechts im Bild,
wahrscheinlich der Bruder, ein Überläuferkeiler und somit
jagdbar. So wie auf dem Bild ist eine Schussabgabe nicht mög­
lich, da sich im Hintergrund noch weitere Sauen aufhalten und
beim Schuss verletzt würden.
Norbert Happ: Links: führende Überläuferbache, rechts:
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Überläuferkeiler. Wenn man später einmal Erntekeiler erle­
gen will, darf man diese nicht reihenweise totschießen.
Burkhard Stöcker: Links führende Überläuferbache mit
mehreren erkennbaren Strichen, rechts Überläuferkeiler, bei
dem deutlich der Pinsel zu sehen ist. Der kleine Keiler passt,
falls Sie noch rechtzeitig vor dem Wiedereintauchen in den
offenbar naheliegenden Deckungsdschungel fertig werden.
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Foto: Wolfgang Radenbach
Nachts sind die gestreiften Frischlinge, gerade bei etwas
höherem Bewuchs, teils schwer auszumachen.
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Helmut Hilpisch: Familienverband mit
führenden Stücken und geringen Frisch­
lingen. Nichtführende Stücke sind nicht
erkennbar. Hier können nur Frischlinge
erlegt werden.
Norbert Happ: Wenn im Feld, dann
einen, möglichst mehrere der vielen
­
Frischlinge schießen. Bei den rechts und
links stehenden Überläufern müsste man
erst die Bauchlinie sehen, um zu erken­
nen, ob sie führen oder nicht.
Burkhard Stöcker: Vier Bachen mit
jungen Frischlingen und einem älteren
Frischling oder schwachen Überläufer.
Letzterer hat das potenzielle Frisch­
gewicht von knapp 20 Kilogramm noch
nicht erreicht und ist gewiss nicht füh­
rend. Auf ihn dürfen wir getrost jagen.
Einzelne Sau verhofft auf Waldweg
Foto: Sven-Erik Arndt
Bei Nacht nur mit Mühe zu erkennen:
die zurückgebildeten Striche
Helmut Hilpisch: Deutlich eine führende Bache in der
Sommerschwarte. Die Zitzen sind zurückgebildet, da nach
vier Lebensmonaten der Frischlinge die Säugezeit endet. Die
Bache steht unter Mutterschutz.
Norbert Happ: Führende Bache am Ende der Laktation:
Schonen!
Burkhard Stöcker: Mehrjährige Bache – ganz fein heben
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sich die Striche vor dem hellen Hintergrund ab – vielleicht
liegen die Frischlinge im Kessel oder sie folgen gleich auf
den Weg. Bloß nicht schießen.
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Foto: Klaus Schendel
Wild - Jagdpraxis
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Starke Sau im Bestand
Finger geradelassen: Selbst
bei Tag sind die entscheidenden
Merkmale, wie Waffen oder Pinsel,
nicht erkennbar.
Helmut Hilpisch: Keiler in der Sommerschwarte. Wenn er
das Alter über fünf Jahre hat, ist er jagdbar.
Norbert Happ: Starker Erntekeiler.
Burkhard Stöcker: Ein mehrjähriges Stück und mit ziemli­
cher Sicherheit ein Keiler im angehenden Reifealter. Aber da
Berufsjäger
und Referent
bei WILD
UND HUND
aktivSeminaren
Fotos: Archiv
Helmut Hilpisch
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Norbert Happ
man keine Waffen sieht und auch die Bauchkante nicht frei
ist, muss in dieser Situation die Kugel im Lauf bleiben. Zuwei­
len haben auch Bachen „Keilerfiguren“ und Keiler „Bachen­
figuren“, und solange ich hier keinen Pinsel sehe oder mich
deutlich Waffen im Mondlicht anblinken: Enthaltsamkeit!
Autor mehrerer
Bücher und
Fachbeiträge zum
Thema Schwarzwild (unter anderem: Hege und
Bejagung des
Schwarzwildes)
Burkhard Stöcker
Wildbiologe,
Fotograf und
Referent bei
Ansprechseminaren im
Rahmen von
WILD UND
HUND aktiv
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Foto: Carol Scholz
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Aus dem Mais ins Ährenmeer
Helmut Hilpisch: Tatsächlich zu sehen sind nur geringe
Überläufer. Durch die unübersichtliche Situation und das
nur kleine Blickfenster ist es möglich, dass noch Frischlinge
in der Nähe stecken. Nicht schießen!
Norbert Happ: Finger davon: Das ganze Jungvolk steckt
noch im Schlag.
Burkhard Stöcker: Überläuferrotte. Bei den weiblichen
Überläufern dürfen Sie bei der Stärke der Stücke auch
schon mit Muttertieren rechnen. Sehen sie einen Pinsel
und gefährden keine anderen Stücke sollte ein Keilerchen
erlegt werden. Im Moment ist das Ansprechen aber nicht
möglich: Finger bleibt gerade!
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