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Gründonnerstag 2016 (1 Kor 11,23-26; Joh 13,1-15)(24.3.16)
Liebe Gottesdienstgemeinde!
Papst Franziskus wäscht seit den drei Jahren seines Pontifikats in der Abendmahlsmesse
Füße – nicht nur ehrbaren katholischen Herren, sondern Menschen unabhängig von ihrer
Herkunft und ihrem Glauben, auch Kriminellen und Armen, Männern und Frauen. Das war
eigentlich gegen das Kirchenrecht, das bisher nur männliche Katholiken vorgesehen hat.
Heute Abend ist er im größten italienischen staatlichen Flüchtlingszentrum in Castelnuovo,
wo 900 „Boatpeople“ sind, die von Afrika über Lampedusa dorthin gekommen waren, und er
wäscht dort zwölf jungen Migranten die Füße. Was wir schon lange tun, nämlich auch
Frauen die Füße zu waschen, hat nun Papst Franziskus auch ganz offiziell bewilligt und geht
mit gutem Beispiel seit drei Jahren voraus; auch eine Muslimin war dabei.
Ja, manche wünschenswerte Entwicklung im Kirchenrecht braucht Zeit, oft zu lange, so dass
die Praxis in den Pfarren oft schon eine andere ist. Anlässlich der neuen Regelung lohnt es
sich, über den Ritus der Fußwaschung etwas nachzudenken.
Es hat die Fußwaschung schon bei Mönchen in Ost und West seit dem 5.Jahrhundert
gegeben; sie fand auch Eingang in die Benediktsregel. Sie wurde an den Brüdern und an den
Armen praktiziert – und wohl auch an Pilgern, wie ich es vor 13 Jahren noch auf dem
Jakobsweg erlebt habe. Es scheint auch Papst Franziskus, entsprechend seinem Programm
an die Ränder zu gehen, diese Tradition aufzugreifen, indem er in ein Gefängnis, ein
Behindertenheim oder ein Flüchtlingszentrum geht.
In der Liturgie der katholischen Kirche gibt es die Fußwaschung erst seit 1955.
Wäre dieser Ritus gleichsam ein Nachspiel des eben gehörten Evangeliums, so könnten
wahrscheinlich Frauen nicht dabei sein. Darum geht es aber nicht, wie auch die Offenheit der
Zahl und auch des Geschlechts zeigen. Es geht nicht um die äußere Nachahmung dessen,
was Jesus getan hat, sondern vor allem auch um die Bedeutung dessen, was er mit Geltung
für alle vollzogen hat, nämlich die Selbsthingabe für das Heil der ganzen Menschheit; es geht
um die Vollendung seiner Liebe, die alle umfasst. Durch die Nachahmung seines Vorbilds
sind alle geschwisterlich verbunden. Es sagt ja: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit
auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13,15). Wir feiern den Ritus, um
uns an seinen Auftrag zu erinnern und in Jesu neuem Gebot der Liebe zu bestärken
Was wir sehen und tun, sollen wir verinnerlichen, d.h. Niemand darf heute bloß ein passiver
Zuschauer sein, alle sind in die Pflicht genommen: wir beginnen in der Liturgie zeichenhaft
den im Evangelium gehörten Auftrag Jesu, den wir im Alltag fortsetzen sollen.
Die Fußwaschung ist nicht irgendein Highlight der Liturgie, sondern sie hat ihren Sinn in der
Hingabe Jesu aus Liebe, die ihn „für unser Heil und für das Heil aller Menschen“ (so heißt es
heute im Einsetzungsbericht) zu Tod und #Auferstehung führte. Ohne diese Umsetzung im
Alltag im Leben wäre der Ritus leer und schal. Diese Liebe Christi, die wir in der Eucharistie
feiern und die uns in seinem Leib und Blut geschenkt wird, ist selbst wiederum Quelle
menschlicher Liebe: „Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh
13,34).
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Das neue Dekret besagt, dass die Gruppe derer, denen die Füße gewaschen werden, „in
angemessener Weise aus Jungen und Alten, Gesunden und Kranken, Klerikern, Ordensleuten
und Laien“ bestehen kann, denn „sie sollen die Verschiedenheit und Einheit eines jeden teils
des Gottesvolkes repräsentieren“. Ich freue mich sehr, dass heuer Mitglieder des
Fachausschusses „Ehe und Familie“ samt einigen ihrer Kinder sich für die Fußwaschung
bereiterklärt haben. Ich selbst bin nicht nur Gründungsmitglied dieses Gremiums im Jahre
1985, sondern seither auch dessen Mitglied.
Die Familie gehört sicherlich zu den elementarsten und wichtigsten Einrichtungen
menschlichen Daseins. Papst Franziskus hat übrigens die Heilige Woche in Rom mit dem
Fokus auf die Sorgen und Hoffnungen der Familien und auf die Flüchtlinge begonnen. Auch
die Mediationen zum Karfreitag morgen werden diesen Themen gewidmet sein.
Die Familie ist und bleibt die größte Einladung und Chance, durch die Erfahrung der
Zuwendung der Eltern im Urvertrauen zu wachsen und auch zum Glauben an den mütterlichväterlichen Gott zu finden. Die Familie ist der Ort der größten Liebe und Geborgenheit,
freilich kann es auch ein Ort der Zerwürfnisse, des Streites und des Auseinanderlebens statt
Zusammenfindens werden.
Es war Papst Franziskus deshalb auch ein Anliegen , die Ehe und Familie zum Thema der
letzen Bischofssynode zu machen – und wir hoffen in diesen Wochen auf die
Veröffentlichung seiner Gedanken dazu – zumal heuer im „Jahr der Barmherzigkeit“. Es gilt
dabei nicht nur Ideale aufzuzeigen, sondern den Menschen – oft in ihren
Patchworksituationen den für sie nächsten möglichen konkreten Schritt aufzuzeigen, also
nicht zu verurteilen, sondern Mut zu machen auf einem neuen guten Weg.
Schwestern und Brüder! Noch ein Gedanke zum Abendmahl, das wir ja in der Eucharistie
feiern. Auch dabei geht es nicht um ein Nachspiel von damals, sondern um die erinnernde
Gegenwärtigkeit der Liebe Jesu in seiner Hingabe bis zum Tod am Kreuz. In Brot und Wein
deutet er sein Leiden als Weg der Solidarität mit uns Menschen bis hinein in den Nullpunkt
menschlicher Existenz. Auch hier gilt: Tut was Ihr feiert! Ahmt im Alltag nach, was Ihr hier
begeht!
Das heißt doch, dass nicht nur Jesus zum Brot des Lebens und zum Kelch des Heiles für uns
wird, sondern dass auch wir füreinander Brot und Wein werden sollen, also
Gastfreundschaft schenken und andere an unseren Tisch laden, um satt zu werden in ihrem
Hunger nach Liebe und Angenommensein. Brot ist dabei für mich das Lebens-Mittel
schlechthin, Symbol für alles, was Mittel zum Leben ist.
Ich frage mich jedoch, wie weit es uns gelingt, wenn Liturgie und Alltag so weit
auseinanderklaffen, m.a.W. wenn das menschliche Alphabet des Essens durch Fastfood und
mangelnde „Mahlzeit“ im Alltag so weit weg ist vom geschwisterlichen Teilen – und das in
einem Land, das zu den reichsten Ländern der Erde gehört. Abgesehen davon, dass es ein
himmelschreiende Sünde ist, dass etwa 60 Familien mehr als die Hälfte der Güter der Welt
besitzen, es bringt nichts, über andere zu reden, aber wir selbst müssen uns fragen, wie weit
die Schlagzeilen aus der gestrigen Zeitung auch immer wieder für uns selbst hier in
Österreich zutreffen:
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„Statt im Magen landen immer mehr Lebensmittel im Mistkübel. … Demnach entsorgen die
Österreicher rund 760.000 Tonnen Lebensmittel pro Jahr. Aber nicht nur verdorbene Kost
wird weggeworfen, sondern auch normal verpackte oder nur teilweise verbrauchte
Lebensmittel. Diese Verschwendung bedeutet vor allem für die Umwelt eine enorme
Belastung, da bei der Produktion von Lebensmitteln viele Ressourcen und Energie
verbraucht werden.“ (OÖN 23.3.16, S 1.20)
Ich füge hinzu: es ist vor allem eine Belastung für die Menschen selbst, weil es Zeichen der
Gleichgültigkeit und der mangelnden Solidarität ist mit denen, die zu wenig zum Essen
haben. Ist das nicht bedenklich, wenn etwa zur gleichen Zeit die Mindestsicherung auf ein
unmögliches Minimum gesenkt werden soll und sich für echte Flüchtlinge das
Menschenrecht des Asyls an der Obergrenze entscheidet?
So wie Israel das himmlische Brot, das Manna, nicht horten durfte, sondern darauf vertrauen
sollte, es täglich neu zu bekommen, und wie Israel es teilen musste, so sind wir bei der Feier
des Abendmahles Jesu und bei der Teilhabe am Brot des Lebens und am Kelch des Heiles
eingeladen, auch im Alltag nicht den Gesetzen des Turbokapitalismus und des ständigen
eigenen Wachstums zu verfallen, sondern im Teilen in der geschwisterlichen Liebe zu
wachsen. Auch hier gilt: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie
ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13,15). Amen.
Pfarrer Walter Wimmer