Zuwendung ist auch bei Verbindung mit einem erbverzicht

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SCHENKUNG
Zuwendung ist auch bei Verbindung
mit einem Erbverzicht unentgeltlich
von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm
| Der BGH hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Verzicht auf
das gesetz­liche Erb- oder Pflichtteilsrecht als Gegenleistung für eine Zuwendung anzusehen ist. Kennen Sie die Maßstäbe dieses Urteils, können Sie
­ermitteln, ob der Schenkungscharakter der Zuwendung bestehen bleibt. |
PDF erstellt für Gast am 23.04.2016
Sachverhalt
Der Kläger (Vater V) verlangt, ihm mehrere Miteigentumsanteile an ­einem
Grundstück zu übertragen. Er macht geltend, er habe sie der Beklagten, seiner Tochter (T) aus erster Ehe, geschenkt.
Die Parteien schlossen eine notarielle Vereinbarung. Darin verpflichtete sich
der V, der T einen Geldbetrag zu schenken. Diesen Betrag durfte die T ausschließlich dazu verwenden, eine bestimmte Eigentumswohnung (Nr. 4)
nebst Tiefgaragenstellplatz sowie Miteigentumsanteile an zwei weiteren
­bestimmten Eigentumswohnungen (Nrn. 6 und 9) auf demselben Grundstück
zu erwerben. In den am selben Tag geschlossenen Kaufverträgen über die
Wohnungen wurde festgehalten, dass der V der T die Grundstücksanteile
schenke. Die Parteien gingen davon aus, dass es sich bei den zugewendeten
Geldbeträgen um eine mittelbare Grundstücksschenkung handele.
Notarieller
Schenkungsvertrag
und ...
Neben der Schenkung setzte der V der T in derselben Urkunde ohne Rücksicht auf gegenwärtige oder künftige Pflichtteilsberechtigte ein Vermächtnis
über seine Miteigentumsanteile an den Wohnungen Nr. 6 und 9 aus. Für den
Fall, dass die T zugleich Erbin werden sollte, sollte das Vermächtnis als
­Vorausvermächtnis gelten. Die T verzichtete gegenüber dem V auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht sowie auf das Noterbrecht nach türkischem
Recht, aufschiebend bedingt dadurch, dass die Schenkung vollzogen und die
Vermächtnisse erfüllt sind.
... zugleich
Erbvertrag
Der V widerrief die Schenkungen wegen groben Undanks, nachdem die T zu
ihrem jetzigen Ehemann gezogen war. Die T habe ihm vorgespielt, bedürftig
zu sein. Sie habe ihn so veranlasst, sie und seine Enkelin über die Überlassung der Wohnungen hinaus finanziell zu unterstützen. Ferner habe die T ihn
daran gehindert, die nach ihrem Auszug leer stehende Wohnung zu vermieten, und den Kontakt zu seiner Enkelin unterbunden.
V widerrief
die Schenkungen
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des V war erfolglos. Die
­Revision führt dazu, dass der Beschluss aufgehoben und die Sache an das
OLG zurückverwiesen wird. Der BGH hat seine Rechtsansicht in den Leitsätzen wie folgt zusammengefasst:
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◼◼Leitsätze: BGH 7.7.15, X ZR 59/13
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Abruf-Nr. 182381
a)Auch bei einer mit einem Erbverzicht verbundenen Zuwendung ist für deren
Qualifikation als Schenkung maßgeblich, ob sich die Vertragsparteien über die
Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind.
b)Ob eine unentgeltliche Zuwendung gewollt war, ist unter Würdigung aller
­Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Maßgebliche Bedeutung kann hierbei neben dem Wortlaut des Vertrags über die Zuwendung und den Erbverzicht
den Umständen seines Zustandekommens und seiner Ausgestaltung im Einzelnen zukommen.
c) Der Verzicht auf das Erb- und Pflichtteilsrecht nimmt der Zuwendung jedenfalls insoweit nicht den Charakter der Unentgeltlichkeit, als er nach dem Willen der Vertragsparteien der Ausgleichung der lebzeitigen Zuwendung bei der
Erbfolge dienen soll. Ein solcher Wille ist mangels gegenläufiger Anhaltspunkte regelmäßig anzunehmen, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa der
Erberwartung entspricht oder diese gar übersteigt.
(Abruf-Nr. 182381)
Entscheidungsgründe
Entgegen der Ansicht des OLG führt nicht allein der Erbverzicht dazu, dass
ein entgeltlicher Vertrag vorliegt. Ob eine Zuwendung eine Schenkung ist,
hängt davon ab, ob sich die Vertragsparteien darüber einig sind, dass sie
­unentgeltlich erfolgt (§ 516 Abs. 1 BGB). Hierfür sind weder die Wertungen
des Anfechtungsrechts (vgl. BGHZ 113, 393 = FamRZ 91, 695) noch des Pflichtteilsrechts (vgl. BGH NJW 09, 1143 = ZEV 09, 77 = FamRZ 09, 418) maßgeblich.
Vertrag ist nicht
allein wegen
des Erbverzichts
entgeltlich
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Auch ein Schenker, der bestimmt, dass die Schenkung an einen Abkömmling
nach § 2050 Abs. 3 BGB auszugleichen oder auf den Pflichtteil anzurechnen ist
(§ 2315 Abs. 1 BGB), kann im Fall der Not gem. § 528 Abs. 1 BGB oder bei einem
groben Undank des Beschenkten gem. § 530 Abs. 1 BGB die Schenkung widerrufen. Dadurch, dass der Schenker die Ausgleichungs- oder A
­ nrechnungspflicht
anordnet, wird der Vertrag nicht entgeltlich. Vielmehr drückt er damit nur aus,
dass er seine lebzeitigen und letztwilligen, gleichermaßen „unentgeltlichen“
Vermögenszuwendungen in ein Gleichgewicht bringen möchte.
Soll die Ausgleichung dadurch erfolgen, dass der beschenkte Abkömmling auf
sein Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet, gilt das Gleiche (Staudinger/Schotten, BGB, 2010, § 2346 Rn. 131 m. w. N.). Verliert der ­Zuwendende später sein
verbliebenes Vermögen und gerät hierdurch in wirtschaftliche Not, wäre es
nicht zu rechtfertigen, ihm den Anspruch aus § 528 BGB gegen den Beschenkten zu versagen. Damit wären auch nach § 93 Abs. 1 SGB XII übergeleitete
­Ansprüche des Sozialhilfeträgers ausgeschlossen, weil der Beschenkte auf
sein – in diesem Fall wertloses – Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet hat.
­Damit würde das Gegenteil des erstrebten Ausgleichs b
­ ewirkt. Der zu Lebzeiten des Erblassers Beschenkte wäre dauerhaft besser gestellt als der Erboder Pflichtteilsberechtigte.
Das Gleiche gilt bei
Ausgleichung durch
einen Erb- und
Pflichtteilsverzicht
Gleiches gilt für die Rückforderung gem. § 530 BGB. Wenn diese ausgeschlossen würde, würde ebenfalls das Gegenteil des erstrebten Ausgleichs ­gegenüber
einem Abkömmling ­erreicht, den der Erblasser von der Erbfolge ausschließen
und dem er unter den V
­ oraussetzungen des § 2333 BGB sogar den Pflichtteil
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entziehen kann. Auch wenn die Voraussetzungen dafür, den Pflichtteil zu entziehen, strenger sind als die Voraussetzungen dafür, eine Schenkung wegen
groben Undanks zu widerrufen, werden jedenfalls in den Fällen des § 2333
Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BGB regelmäßig auch die Voraussetzungen des groben Undanks gem. § 530 Abs. 1 BGB erfüllt sein. Wenn die Zuwendung wegen des
Pflichtteilsverzichts als entgeltlich qualifiziert würde, würden solche Verfehlungen nicht sanktioniert.
Der Verzicht auf das Erb- oder Pflichtteilsrecht nimmt deshalb der Zuwendung
insoweit nicht den Charakter der Unentgeltlichkeit, als er nach dem Willen der
Vertragsparteien dazu dienen soll, lebzeitige Zuwendungen bei der Erbfolge
auszugleichen. Ein solcher Wille ist bei Fehlen g
­ egenläufiger Anhaltspunkte
regelmäßig anzunehmen, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa dem entspricht, was als Erbe erwartet wird oder dies gar übersteigt. Demgegenüber
kann es gegen eine Schenkung sprechen, wenn die Zuwendung wertmäßig
deutlich hinter dem zurückbleibt, was als Erbe ­erwartet wird. Für den maßgeblichen Willen der Vertragsparteien können ­neben dem Wortlaut des Vertrags
über die Zuwendung und des Erbverzichts insbesondere auch die Umstände
bedeutsam sein, wie er zustande gekommen und im Einzelnen ausgestaltet ist.
Abwägungskriterien
des BGH
Das Berufungsgericht muss den Willen der Parteien ermitteln. Dafür, dass
der Vertrag unentgeltlich ist, spricht Folgendes:
„„ Die Parteien haben die Zuwendung als Schenkung bezeichnet.
„„ Der Vertrag regelt zunächst die Schenkung, dann ein Vermächtnis, also
eine Verfügung von Todes wegen und schließlich den Erbverzicht.
„„ Der Zweck der Zuwendung – Erwerb bestimmter Immobilien – spricht
­dagegen, dass der V einen Erbverzicht wollte. Naheliegender ist, dass er
die T in ihrer schwierigen finanziellen Lage unterstützen wollte.
„„ Wenn der Erbverzicht Hauptleistung sein sollte, hätte es nahe gelegen,
keine Auflage für die Zuwendung zu machen.
„„ Nach dem Vertrag war eine Erbeinsetzung möglich.
Nach dem Vertrag liegt damit näher, dass die Parteien die Zuwendungen des V
als Hauptgegenstand angesehen und den Erbverzicht lediglich als eine
­besondere Form gewählt haben, diese auf das Erbrecht der T anzurechnen.
Gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Zuwendungen des V
an die T als Schenkungen zu qualifizieren sind, ist festzustellen, ob die
­Voraussetzungen dafür vorliegen, diese wegen groben Undanks zu widerrufen.
Sollte eine Schenkung vorliegen,
prüfen, ob grober
Undank gegeben ist
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Relevanz für die Praxis
Der BGH hat mit dieser Entscheidung eine wichtige Frage entschieden (zum
Streitstand Staudinger/Schotten, BGB, Neubearb. 2010, § 2346 Rn. 124).
Er gibt einen Maßstab an die Hand, wie zu klären ist, ob der Vertrag unentgeltlich ist oder nicht: Maßgeblich ist, ob der Verzicht nach dem Willen der Vertragsparteien dazu dienen soll, lebzeitige Zuwendung bei der Erbfolge auszugleichen. Ein solcher Wille ist ­regelmäßig anzunehmen, wenn die Höhe der
Zuwendung in etwa dem entspricht, was als Erbe erwartet wird oder dies sogar
übersteigt.
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