Rundbrief Nummer 1 Zunftmeister

Hallo ihr Lieben :),
ich bin jetzt schon seit drei Monaten in Nordirland und dachte jetzt ist eine gute
Zeit mich bei euch zu melden und von meinen Erfahrungen zu berichten.
Bevor ich mit Erzählen loslege möchte ich mich aber noch mal ganz, ganz feste
bei meinen Spendern bedanken !!! Ihr habt mir durch Eure Unterstützung
eine unglaubliche Chance ermöglicht – vielen, vielen Dank dafür - ich weiß das
sehr zu schätzen.
Am Anfang nochmal kurz für alle, eine kleine Beschreibung von Corrymeela, wo ich
gerade ein Jahr meines Lebens verbringe :D.
Corrymeela wurde am 30. Oktober 1965 von Ray Davey gegründet. Ray Davey
hatte während des zweiten Weltkriegs als Gefängnispfarrer gearbeitet und so die
Bombardierung von Dresden miterlebt. Schockiert - welches zerstörerische Ausmaß
Konflikte zwischen Menschen haben können - kam in ihm der Wunsch auf nach
einem Ort, wo Menschen die guten Willens sind zusammen kommen können, um zu
lernen in Frieden miteinander zu leben und zu arbeiten.
Als sich dann die Situation in Nordirland immer weiter zuspitzte, beschloss Ray
seine Idee in die Tat umzusetzen und gründete Corrymeela, das älteste Friedensund VersöhnungsZentrum Nordirlands.
Heute gehört zu Corrymeela auch noch eine Gemeinde von 150 Mitglieder die
sogenannte „ Corrymeela Community “.
Angefangen hat mein Jahr in Corrymeela am 26 Juni. An diesem Tag habe ich mich
von Stuttgart aus mit dem Flugzeug nach Dublin aufgemacht, um von dort mit
Bussen an die Nordküste der Insel zu fahren. In die kleine Stadt Ballycastle, ca. 90
km nördlich von Belfast.
Mein erstes Wochenende dort verbrachte ich mit einem sehr netten älteren
Ehepaar, welches zur „Corrymeela Community“ gehört und schon seit Jahren aktiv
in Corrymeela mitwirkt. Gemeinsam mit ihnen erkundete ich Ballycastle und
Umgebung. Am Sonntag machten wir uns dann gemeinsam zum Corrymeela
Zentrum in Ballycastle auf, wo wir bei einem gemeinsamen Grillen herzlich
Willkommen geheißen wurden.
Das Corrymeela Zenrum besteht aus 6 Gebäuden:
Dem Haupthaus: mit der großen Küche, dem gemeinsamen Speisesaal, den Büros
und zwei Gästeflügeln.
Der „Davey Village“ : ein großes Gebäude, indem sich zwei Gästeflügel und
mehrere Tagungsräume befinden.
Der „ Croi “ (irisch für Herz): ein kapellenartiges Gebäude, das für kleine
Gottesdienste, Reflexionen und Meditationen genutzt werden kann.
Die „ Tara Gebäude“: drei kleine Häuschen - die den Corrymeela Shop,
einen Raum für Tischtennis etc. und Spielmaterialien und einen Raum für
Kunst und Handwerken beherbergen.
Und zwei Häuser für die Freiwilligen.
Das größere von beiden heißt „Coventry“ benannt nach der englischen Stadt die
1940 im zweiten Weltkrieg, von der deutschen Luftwaffe schwer angegriffen wurde.
Der Name ist zur
Erinnerung daran und
Mahnung was Konflikte
bewirken können.
Außerdem ist er Verweis
darauf, das Corrymeela mit
einer anderen Organisation
in Verbindung steht welche
sich auch für Frieden und
Versöhnung in der Welt
einsetzt. Ihr Symbol ist ein
Kreuz aus Nägeln, welche aus der während des Luftangriffs zerstörten „ Coventry
Cathedral “ stammen.
In diesem Haus lebe ich nun ein Jahr mit anderen Freiwilligen aus der ganzen Welt
zusammen. Im Moment sind hier 12 unterschiedliche Nationen vertreten, sodass
ein bunter Mix aus unterschiedlichen Religionen, Kulturen, Traditionen, Sprachen
und Angewohnheiten herrscht. Gemeinsam unterhalten können wir uns alle in
Englisch und es ist toll, mit so vielen unterschiedlichen Menschen unter einem Dach
zu leben. Das ich nun Freunde aus den verschiedensten Teilen der Welt habe, hat
mir erst mal bewusst gemacht wie groß unsere Welt eigentlich ist und wie viel
Vielfalt auf unserer Erde herrscht. Zugleich fühle ich mich aber auch viel mehr mit
anderen Ländern und Menschen auf der Welt verbunden.
Die Gemeinschaft unter uns Freiwilligen in Corrymeela gefällt mir sehr gut.
Tagsüber arbeiten wir gemeinsam und verbringen dann unsere Nachmittage und
Abende zusammen. Spielen Gemeinschaftsspiele, hören Musik, diskutieren über
Gott und die Welt, schauen gemeinsam Filme an, machen hin und wieder
gemeinsame Ausflüge und spielen Ultimate Frisbee. Eine Sportart für die ich - seit
dem ich hier bin - eine richtige Leidenschaft entwickelt habe, wir spielen leider
nicht ganz so oft wie ich es gerne hätte ;).
Die Vielfältigkeit unter uns Freiwilligen führt hin und wieder jedoch auch zu
Schwierigkeiten. Angewohnheiten die für einen selbst völlig normal sind, können für
andere total ungewöhnlich sein und sie verstehen sie vielleicht nicht einmal.
Solche Situationen sind jedoch auch Chancen für mich, meinen Horizont zu
erweitern und meine eigene Lebensweise zu hinterfragen.
An meinen freien Tagen mache ich gerne Ausflüge und besuche zum Beispiel
Belfast oder gehe Wandern. Die Landschaft und die Natur hier ist einfach der
„Wahnsinn“. Das Zentrum liegt auf einem Kliff direkt an der Küste, Meer soweit das
Auge reicht und wunderschöne Sonnenuntergänge.
Nicht weit von hier entfernt ist ein atemberaubendes Kliff „ Fair Head “ und direkt
vor der Küste liegt eine Insel namens „ Rathlin Island “. Ein toller Ort zum
Wandern und Entspannen.
Es gibt eine Vogelstation, wo man die Chance hat Papageitaucher zu sehen und
zwei Leuchttürme die besichtigt werden können.
Als Freiwillige in Corrymeela gehört es zu meinen Aufgaben in der Küche zu helfen.
Obst und Gemüse schneiden, Salate zubereiten, Essen servieren und Geschirr
spülen. Das Essen hier unterscheidet sich im Großen und Ganzen nicht so sehr von
dem, was ich von zuhause aus Deutschland gewöhnt bin, bis auf eines, BROT!!! ;D.
Richtiges Brot ist etwas, das ich sehr vermisse. Hier wird nämlich nicht getoastetes
Toast einfach als Brot bezeichnet und sobald es dann im Toaster landet ist es Toast.
Es hat für einige Verwirrung gesorgt, als ich versucht habe zu erklären das es einen
Unterschied zwischen Brot und Toast gibt- in Deutschland. Als ich dann aus einem
„Care Paket“ von zuhause Schwarzbrot bekommen habe und es mit den anderen
teilte, war die erste Frage - ob man das denn auch toasten könnte - :D.
Eine meiner weiteren Aufgaben ist es beim Säubern der Gebäude zu helfen.
Staubsaugen, wischen, Fenster putzen (und davon gibt es reichlich in Corrymeela :)
Betten richten …
Mein größter Aufgabenbereich ist jedoch mit den Gruppen zu arbeiten, die nach
Corrymeela kommen. Das ist eine sehr vielfältige und spannende Arbeit, da hier die
unterschiedlichsten Gruppen ihre Zeit verbringen. Grundschulklassen - die etwas
über das Leben in Gemeinschaften lernen wollen. Universitätsgruppen aus den USA
- die aufgrund ihrer Studienfächer am Konflikt in Nordirland interessiert sind.
Familien aus Belfast - die sich in schwierigen Situationen befinden und
Unterstützung brauchen. Menschen mit Beeinträchtigung - die hier Urlaub machen.
Jeder ist hier Willkommen der lernen oder dazu beitragen möchte, wie wir
miteinander in Einverständnis und Frieden leben können.
Eine von den Gruppen mit denen ich bisher gearbeitet habe und die mich mit am
Meisten beeindruckt hat, war eine Jugendgruppe aus Kalifornien. Die Jugendlichen
kommen aus einer Gegend in Kalifornien, mit massiven Konflikten und Problemen
mit Gangs, die sich dort gegenseitig bekriegen. Die Organisation der sie angehören
und für die sie als Gruppenleiter tätig sind, versucht Kindern und Jugendlichen eine
Alternative zu bieten. Eine Gruppe wo sie sich zugehörig fühlen können und wo sie
unterstützt werden, die - keine Gang ist. Die Jugendlichen von dort, mit denen ich
hier meine Zeit verbringen durfte, waren beeindruckende Persönlichkeiten mit
interessanten und teilweise auch traurigen persönlichen Geschichten. Ziel ihres
Aufenthalts hier war- ihren Horizont zu erweitern und die Möglichkeit zu bekommen
eine anderes Land zu erleben, als die USA. Vor allen Dingen aber sollten sie indem sie sich mit dem Konflikt in Nordirland beschäftigten - ein besseres
Verständnis für ihren eigenen Konflikt zu Hause bekommen.
Es gab dabei viele Parallelen zu entdecken. Beispielsweise die Art wie sich
Katholiken und Protestanten hier in Nordirland mit unterschiedlichen Farben,
Symbolen und Flaggen von einander abgrenzen das erinnerte stark an die Art und
Weise wie die unterschiedlichen Gangs Farben und Symbole nutzen, um ihre
Territorien und Mitglieder zu markieren.
Ich bin schon sehr gespannt darauf, was für weitere Erfahrungen ich hier in
Nordirland sammeln werde und was ich noch so Interessantes erlebe.
Alles liebe aus Nordirland
Annalena Zunftmeister
PS: Falls auch Jemand von Euch Interesse hat, mich während meines FSJ zu
unterstützen und für meinen Unterstützerkreis zu spenden, würde mich das sehr
freuen :) !!!
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