Kreta im Winter - DAV Sektion Berlin

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Kreta im Winter
Von Lothar Sowada (Text und Fotos)
Die Weißen Berge vom Strand in der Nähe des Ortes Rethymno aus gesehen.
Die meisten Griechenland-Urlauber reisen nicht im Winter nach
Kreta, da die Insel - wie ganz Griechenland - allgemein als Reiseziel für die wärmeren Jahreszeiten angesehen wird. Bei Sommertemperaturen von über 30°C wirkt dieses Reiseverhalten
jedoch ungewöhnlich. Besonders wenn man in die kretischen
Berge will, wo es meistens keine Deckung durch Bäume und
Büsche gibt.
Ein Vorteil einer Winterreise nach Griechenland sind daher die meist
moderaten Temperaturen an den Küsten und im flacheren Inland.
Geht man in die Höhe – dies ist bis max. 2.456 m möglich – ändert
sich das jedoch rapide. Weiter oben liegen Eis und Schnee, wo man
im Sommer heiße und bergige Steinwüsten vorfindet.
Im Gegensatz zu den anderen Jahreszeiten ist der kretische Winter
reich an Niederschlägen. Aber diese sind dann nicht häufiger als in
Mitteleuropa das ganze Jahr über.
Ein weiterer Vorteil einer Reise außerhalb der Hauptsaison ist die
relative Einsamkeit. Die Strände sind leer und im Hochland trifft
man nur gelegentlich Wanderer.
Weiße Berge
Die Weißen Berge, oder griechisch Lefka Ori, befinden sich im
Westen der Insel. Sie gehören zu den drei höheren Gebirgsgruppen auf Kreta, deren Gipfel über 2.000 m gehen. Neben den Lefka
Ori (max. 2.453 m) gehören dazu das Ida-Gebirge (max. 2.456 m)
und das Dikti-Gebirge (max. 2.148 m). Der Name „Weiße Berge“
leitet sich aus dem Umstand ab, dass in den im Westen der Insel
gelegenen Lefka Ori im Winter besonders viel Schnee fällt, da die
Schneewolken oft aus Nordwest heranziehen.
Wie nach Kreta?
Meistens wird nach Kreta mit dem Flugzeug angereist. Da ein Auto
mit einem höher gelegten Fahrwerk und Allrad für den bergigen
Teil Kretas jedoch besser geeignet ist als einer der dortigen Standardleihwagen, entschieden wir uns, mit dem eigenen Auto zu
fahren. Die 2.200 km lange Fahrt ging durch Österreich, Ungarn,
Serbien, Mazedonien und das Festland von Griechenland. Alle Länder nehmen Maut. Da zu dieser Zeit (Winter 2012/2013) Serbien
und Mazedonien noch nicht in der EU waren, brauchte man einen
gültigen Reisepass und eine grüne Versicherungskarte, welche in
Mazedonien kontrolliert wurde. Wer keine dabei hat, muss zahlen.
Vom Hafen Piräus fahren verschiedene Autofähren über Nacht auf
die kretische Nordseite. Wir hatten uns für den Zielhafen in Chania,
der alten Hauptstadt der Insel, entschieden.
Berge
Kreta ist extrem bergig und besteht aus mehreren Gebirgen und
Höhenzügen. Wie die Alpen auch, sind die Gebirge Kretas durch
Plattenaufschiebung entstanden. Hier schiebt sich die afrikanische
unter die ägäische Platte. Dies verursacht eine Hebung und Senkung der Insel und immer wieder Erdbeben. Beweise für den seit
langem andauernden Hebungsprozess findet man an verschiedenen
Stellen der großen Insel. Im Nordosten (Bereich der Orte Malia und
Sitia) senkt sich die Insel ab. Dies versteht man, wenn man sich
die Oberfläche der ägäischen Platte im Bereich von Kreta wie ein
Wellblech vorstellt, welches gestaucht wird. Die Erhebungen des
Wellblechs erhöhen sich und die Senken vertiefen sich.
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Ein Kostprobe der in den Lefka Ori im Winter häufigen Niederschläge gab
es beim Abstieg von der Kallergi-Hütte (1.680 m). Ende Dezember tobte
dort ein Schneesturm, der erst mehrere 100 Meter tiefer nachließ.
Die bewirtschafteten Hütten in den Lefka Ori und den anderen
Gebirgen sind meist bis Oktober geöffnet und im Winter – wenn
überhaupt – nur noch an den Wochenenden und Feiertagen. Es
gibt nur wenige Hütten mit Winterräumen. So z. B. die Katsiveli-Hütte unterhalb des Pachnes (2.453 m) oder die Volika-Hütte,
ca. 3.30 Std. vom Ort Kambi Keramia entfernt. Wegen der Öffnungszeiten der Hütten sollte man vorher bei der zuständigen
Sektion des griechischen Bergsteiger-Verbandes EOS nachfragen.
Bei den drei genannten Hütten ist es die Sektion Chania.
Ida-Gebirge
Das Ida-Gebirge ist im Zentrum der Insel gelegen. Es ist mit dem
Psiloritis (2.456 m, sinngemäß übersetzt „Hoher Berg“) das höchste
Gebirge Kretas. Anders als die Weißen Berge besitzt das Ida-Gebirge eine geringere Ausdehnung und weniger Gipfel. Die dorische
Bezeichnung Ida-Gebirge bedeutete „Waldgebirge“. Allerdings ist
von den Wäldern nur noch ein kleiner Rest geblieben. Seit der
Antike wurde in diesem Gebirge abgeholzt und die Flächen überweidet. Besonders Letzteres ist auf Kreta immer noch ein ProBerliner Bergsteiger 01/2014
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Auf dem Gipfel des Psiloritis befindet sich eine kleine Kapelle, die
aber nicht mehr als eine durch religöse Symbole – wie Glocke und
Kreuz – erweiterte Hirtenhütte ist. Solche Hirtenhütten, die meist
aus rundgeschichteten Natursteinen errichtet sind, findet man
ab und zu in den kretischen Bergen. Sie werden durch die Hirten
weniger genutzt als früher, da diese heutzutage meist mit geländegängigen Pickups unterwegs sind, so dass Übernachtungen am
Berg nicht mehr unbedingt notwendig sind.
Vom Gipfel des Psiloritis bietet sich ein fantastischer Rundblick
über die Insel bis zum Meer. Im Süden liegt das Libysche Meer
und im Norden das Ägäische Meer. Der Abstieg erfolgt über die
gleiche Route wie der Aufstieg.
Schluchten
Das Ida-Gebirge (von Südwesten aus gesehen) mit dem Ort Sivas.
blem. Entsprechend karg sieht die Landschaft oft aus und die auf
der Insel am häufigsten vorkommende Baumart ist der Olivenbaum.
Dieser hat natürlich vorkommende Baumarten wie die Kermeseiche
weitgehend verdrängt. Restbestände bilden den Wald von Rouvas
am Ida-Gebirge.
Besteigung des Psiloritis
Dem Psiloritis, nach seiner Gipfelkapelle auch Timios Stavros („Ehrwürdiges Kreuz“) genannt, kann man sich von Westen und Osten
nähern. Wir nahmen ihn von der Westseite in Angriff. Ausgangsort war Kouroutes auf ca. 550 m Höhe. Von diesem Bergdorf aus
schraubt sich eine Teerstraße, die schnell zur Schotterpiste wird,
teilweise in engen Kehren die Westhänge des Ida-Gebirges empor.
Für diese Schotterpiste empfiehlt sich ein geländegängiges Fahrzeug.
Geparkt wird an der Toumbotos-Hütte (1.550 m), welche dem EOS
Rethymnon gehört. Im Winter ist diese Hütte zeitweise an Wochenenden geöffnet.
Der Anstieg zum Psiloritis folgt über den größten Teil der Strecke
dem E4. Der Weitwanderweg führt in Gipfelnähe in die Ostflanke des
Psiloritis zur Zeus-Höhle Richtung Nida-Ebene. Bei guter Sicht lassen
sich die weit auseinanderliegenden gelben Stangen problemlos erkennen. Bei schlechter Sicht oder Dunkelheit sollte man den Aufstieg
nicht unternehmen. Allzu leicht kommt man vom Weg ab, wie wir am
Tag zuvor bei schlechtem Wetter erfahren mussten. Man bricht dann
besser ab, anstatt sich im unübersichtlichen Gelände zu verlaufen.
Abgesehen von der Wegfindung ist der Aufstieg technisch leicht.
Im Winter empfehlen sich jedoch für einzelne, etwas steilere Passagen im oberen Bereich Steigeisen, wenn der Harschdeckel so fest
ist, dass man ihn nicht durchbricht. Der Aufstieg zum Gipfel von der
Toumbotos-Hütte dauert gut 3 Stunden.
Eine landschaftliche Besonderheit auf Kreta sind die oft langen
Schluchten, die sich teilweise zum Meer öffnen oder im Landesinneren enden. Die wohl berühmteste Schlucht ist die Samaria-Schlucht. Sie ist mit 17 km Länge die drittlängste Schlucht
Europas, übertroffen nur von der Tara-Schlucht in Montenegro
(ca. 78 km) und der Verdonschlucht in Frankreich (über 20 km). In
der Sommersaison wurden schon bis zu 4.000 Besucher täglich in
der Samaria-Schlucht gezählt. Daher empfehlen sich die kühleren
Jahreszeiten. Allerdings ist die Schlucht nur von Mai bis Oktober
geöffnet. Es gibt aber auch andere interessante Schluchten auf
Kreta, welche zu bewandern sich lohnt, so z. B. die Schlucht der
Agia Irini (Heilige Irene).
Begehung der Schlucht der Agia Irini
Die Agia Irini-Schlucht liegt im Süden Kretas in den westlichen
Ausläufern der Lefka Ori. Sie beginnt etwas südlich des kleinen
Ortes Agia Irini auf ca. 585 m Höhe und führt nach 7,5 km zur Taverne Oasis (auf 110 m). Hier endet die Schlucht zwar noch nicht,
aber bis hierher reicht der interessanteste Abschnitt. Wer auf der
Straße wandern mag, kann noch weiter Richtung Süden zum ca.
5,5 km entfernt gelegenen Küstenort Soughia am Libyschen Meer
laufen, doch fehlt hier der Schluchtcharakter. Die ganze Strecke
bis Shougia ist Teil des E4.
Der Weg durch die Schlucht war in einem überwiegend guten Zustand.
An einigen Stellen muss man jedoch Hand anlegen. Auf allen Teilen des
Schluchtweges sind leichte Wanderschuhe ausreichend.
Blick vom Psiloritis Richtung Westen zu den Lefka Ori, links das Libysche,
rechts das Ägäische Meer
Berliner Bergsteiger 01/2014
Die Seiten der Schlucht bestehen aus steilen Geröllfeldern oder
Felswänden, die oft mehrere hundert Meter hoch sind. In der
Schlucht gibt es Höhlungen und kleine Grotten. Wenige davon
sind durch Verstürzen und Abbrechen entstanden, die meisten
im Laufe der Jahrtausende durch Wassereinwirkung. Aktuell gibt
es in der Schlucht bei trockenem Wetter nur an wenigen Stellen
Wasser.
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Sportklettern
Auf Kreta gibt es einige Klettergebiete,
z. B. Maliá an der Nordküste oder Plakiás und Agiofarango an der Südküste –
überwiegend mit Kalkstein. Viele Gebiete
sind noch am Wachsen und es werden
neue Routen erschlossen und alte sicher
ausgebaut. Nicht sanierte alte Routen
finden sich noch häufig, haben teilweise
alpinen Charakter und müssen selber abgesichert werden. Zurzeit gibt es zwei
wichtige Kletterführer von Philippe Bugada (siehe Literatur am Ende).
Klettern in der Agiofarango
Aufgrund der vergleichsweise großen
Anzahl der Routen (ca. 125) und deren
Schwierigkeitsgraden besuchten wir die
Agiofarango („Schlucht der Heiligen“).
Dieser Name entstand aus der Nutzung Die Agiofarango endet am Libyschen Meer, welches jene, die nicht zimperlich sind, auch in der
dieses Ortes für religiöse Zwecke seit kälteren Jahreszeit zum Baden einlädt.
dem Altertum. So befinden sich in der
Schlucht eine Höhle, welche der Apostel Paulus zeitweise bewohnt haben soll,
eine kleine Kirche und andere Stellen, welche auf eine religiöse Wir waren erstaunt, dass am letzten Tag des Jahres noch so viel in
Nutzung hinweisen. Die Weltenferne und Schönheit der Schlucht der Agiofarango geklettert wurde und ca. 20 Zelte in der Schlucht
mögen Anlass für die Ortswahl aus religiösen Gründen gewesen standen. Es lag wohl an den Feiertagen. Sauberes Wasser gibt es an
dem Brunnen bei der Kirche. Das Wetter war etwas regnerisch mit
sein.
Der Schotterweg in die Schlucht startet am Kloster Odigitrian, moderaten Temperaturen. Leichte und kurze Regenschauer kann
welches 7 km südlich des kleinen Ortes Sivas liegt (siehe auch der raue, warme Kalkfels jedoch absorbieren oder man weicht in die
Ida-Gebirge). Der Weg zum letzten Parkplatz lässt sich auch mit schwierigeren Routen in den Grotten und Überhängen aus.
einem normalen PKW bewältigen. Es muss jedoch zuvor ein Bach Die Agiofarango zählt zu den wachsenden Klettergebieten, in welgequert werden, der nach oder bei starkem Regen anschwellen chen neue Routen eingebohrt werden. In den unteren Schwierigkeitskann. Vom letzten Parkplatz vor der Schlucht kann man nur zu graden gibt es jedoch noch Routen, z. B. in den Sektoren am Meer,
Fuß weitergehen. Die ersten Sektoren beginnen schon bald nach welche z. Z. keine oder nur wenige Bohrhaken aufweisen.
dem Parkplatz (ca. 15 Minuten).
INFOS
Link mit mehr Fotos und Text (inklusive erweiterter
Quellenangaben) von bzw. über die Reise unter
http://berg-welten.de/Kreta2012-13
Literatur
„Kreta“ von Andreas Schneider,
DuMont Reiseverlag, 2003
„Kreta West“ von Gert Hirner/Jakob Murböck,
Bergverlag Rother, 2009
„Kreta Ost“ von Gert Hirner/Jakob Murböck,
Bergverlag Rother, 2010
Kletterführer
„Crete – Kapetaniana – Kofinas“ von Philippe
Bugada, Verlag La Cortidella, 2006 (in Deutsch,
Englisch , Französisch und Griechisch)
„Crete – From North to South“ von Philippe Bugada, Verlag La Cortidella, 2009 (in Englisch und
Französisch)
Der Schluchtgrund ist an einigen Stellen so eben, dass Zelten gut möglich ist.
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Karten
„Touring & Hiking Atlas“, 1:50.000,
Verlag Anavasi Digital Athen, 2010
„Kreta Auto + Freizeitkarte“ 1:150.000,
Verlag Freytag & Berndt Wien, gültig bis 2014
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