Syrien – Kulturland und Kriegsgebiet

Corporate Communication
Medieneinladung
12. November 2015
Veranstaltung an der Universität Bern:
Syrien – Kulturland und Kriegsgebiet
Die aktuelle Flüchtlingskrise erreicht das Zentrum Europas. Was sich bislang an den
EU-Aussengrenzen abspielte, ist nun auch innerhalb Europas greifbar geworden. Im Fokus
stehen immer wieder die Flüchtlinge aus Syrien, einem Land, das sich seit mehreren Jahren
im Bürgerkrieg befindet. 250‘000 Tote, sieben Millionen Flüchtlinge innerhalb und vier Millionen ausserhalb des Landes sowie zahllose Zerstörungen des kulturellen Erbes sind die vorläufige Bilanz – und ein Ende des Konfliktes ist nicht absehbar.
Gemäss UNHCR ist die Syrien-Krise die größte humanitäre und politische Herausforderung
dieser Zeit. Doch was wissen wir über Syrien? Was ist bekannt über die historischen und
religiösen Hintergründe des Konfliktes? Und wie sieht die aktuelle Situation in dem vom Bürgerkrieg geprägten Land aus?
Aus erster Hand berichten drei Experten der Universität Bern über die historisch-kulturelle
Vielfalt des Landes, die Kulturgüterzerstörung und den Alltag im Bürgerkrieg. Die Universität
Bern will damit einen Beitrag zur Wissensvermittlung und zum öffentlichen Diskurs leisten.
Die Veranstaltung findet statt:
Samstag, 28. November 2015, 15.00 – 18.00 Uhr
Universität Bern, UniS, Schanzeneckstrasse 1, Raum A003
Mit Referaten von:
Prof. Mirko Novák, Professor für Vorderasiatische Archäologie
Prof. Reinhard Schulze, Professor für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische
Philologie
Mohamad Fakhro, ehemaliger Vize-Direktor des Nationalmuseums in Aleppo
Anschliessend folgen eine Podiumsdiskussion und eine Fragerunde, moderiert von Frau
Elisabeth Nössing (Leiterin Forschungsprojekt Schweizerischer Nationalfonds zur syrischen
Flüchtlingskrise).
Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Weitere Infos unter: www.syrien.unibe.ch
Corporate Communication
Hochschulstrasse 6
3012 Bern
[email protected]
Programm
15.00 Uhr
Prof. Mirko Novák: Kriegsschäden, Raub und Vernichtung. Die Zerstörung von
Syriens Kulturschätzen und Weltkulturerbe
15.30 Uhr
Prof. Reinhard Schulze: Syrien – ein zerstörtes Land
16.00 Uhr
Pause
16.30 Uhr
Mohamad Fakhro: How to manage daily life in a civil war (in Englisch)
17.00 Uhr
Podiumsdiskussion und Fragerunde, Moderation: Elisabeth Nössing
18.00 Uhr
Ende der Veranstaltung
Medienschaffende sind herzlich eingeladen.
Gerne vermitteln wir Interviewtermine mit den Referenten.
Für weitere Auskünfte und Interviewanfragen wenden Sie sich bitte an:
Vera Knöpfel
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin
Universität Bern
Rektorat
Tel.: +41 31 631 82 10
E-Mail: [email protected]
Die Veranstaltung zu Syrien ist Auftakt zu einer Themenreihe «Flucht, Migration, Integration», welche im Frühjahr 2016 in Zusammenarbeit mit dem Collegium Generale an der Universität Bern stattfindet. Forschende der Universität Bern aus unterschiedlichen Wissenschaftsgebieten werden sich zur Thematik äussern und der hochaktuellen Frage nachgehen,
ob die momentane Krise auch Chancen auf Reformen und Innovationen birgt.
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Referate und Referenten
Prof. Mirko Novák: Kriegsschäden, Raub und Vernichtung. Die Zerstörung von
Syriens Kulturschätzen und Weltkulturerbe
Syrien ist reich an Kulturschätzen aus nahezu allen Epochen. Als Teil Mesopotamiens, der
Levante und des «Fruchtbaren Halbmonds» war es Schauplatz wichtiger Etappen der
Menschheitsgeschichte, wie der Sesshaftwerdung zu Beginn des Neolithikums, der Gründung der ersten Städte und der Verbreitung der ältesten Schriften. Auch die Bildung von
Grossreichen durch Babylonier, Assyrer und Perser sowie die Hellenisierung und Romanisierung und nicht zuletzt die erste Ausbreitung von Judentum, Christentum und Islam fanden in
diesem Gebiet statt.
Alle diese Perioden haben reichhaltige und eindrucksvolle Spuren in Form monumentaler
Denkmäler und Artefakte hinterlassen, die ebenso wie die religiöse und ethnische Vielfalt der
Bevölkerung nachhaltig die Identität des modernen Staates Syrien definierten.
Der Bürgerkrieg droht nun massiv dieses reiche kulturelle Erbe zu vernichten. Kollateralschäden durch Kampfhandlungen, Raubgrabungen zur Subsistenzsicherung und bewusste
Zerstörungen zu propagandistischen Zwecken führen zu unwiederbringlichem Verlust dieser
Schätze der Menschheitsgeschichte.
Der Vortrag schlägt die Brücke von einem kurzen Überblick über die Kulturgeschichte und
die Denkmäler Syriens über die aktuellen Zerstörungen bis hin zu Strategien für den Wiederaufbau.
Prof. Mirko Novák (geb. 1965)
Studium der Vorderasiatischen Archäologie, der Altorientalischen Philologie und der Islamwissenschaften in Saarbrücken und Berlin. Promotion 1998 in Berlin, Habilitation 2004 in
Tübingen. Privatdozent an der Universität Tübingen und der Ludwig-Maximilians-Universität
München. Seit 1985 Mitarbeiter an zahlreichen Ausgrabungsprojekten in Syrien, darunter
zuletzt als örtlicher Grabungsleiter in Qatna und Co-Direktor in Tell Halaf, dem antiken
Guzana. Gegenwärtig Leiter der Ausgrabungen in Sirkeli Höyük (Türkei) und Projektleiter der
schweizerischen Mission in Gonur Depe (Turkmenistan).
Prof. Mirko Novák ist seit 2011 Professor für Vorderasiatische Archäologie am Institut für
Archäologische Wissenschaften der Universität Bern. Gegenwärtig ist er Präsident der
Schweizerischen Gesellschaft für Orientalische Altertumskunde und Vertreter der Schweiz
im internationalen Komitee von shirín (Syrian Heritage in Danger: an International Research
Initiative and Network).
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Prof. Reinhard Schulze: Syrien – ein zerstörtes Land
Seit Sommer 2012 ist fast ein Drittel der syrischen Bevölkerung aus dem kriegszerstörten
Land geflohen. Der Bürgerkrieg hat die Lebensgrundlage von mehr als der Hälfte der syrischen Bevölkerung zerstört. Noch im Frühjahr 2011 hatten grosse Teile der Bevölkerung in
friedlichen Demonstrationen ihren Wunsch nach Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie zum
Ausdruck gebracht. Doch das Regime reagierte mit massiver Gewalt auf die zivilen Proteste,
der über 3'000 Menschen zum Opfer fielen. In vielen Orten gründeten sich daraufhin kommunale Verteidigungskomitees. Die Unnachgiebigkeit des Regimes radikalisierte den Widerstand und setzte den gesellschaftlichen Konsens aufs Spiel. Nutzniesser waren vor allem
ultraislamische Kampfbünde, die seit dem Winter 2012/2013 eine Hegemonie über die Widerstandsgruppen zu erringen suchten.
Inzwischen ist das Land in eine Vielzahl lokaler Herrschaften zerfallen. Das Regime kontrolliert nur noch knapp ein Viertel des alten Staatsgebiets. Doch was waren die Gründe für den
Zerfall des Staats und der Gesellschaft? Warum haben die ultraislamischen Kampfbünde wie
die Nusra-Front oder der «Islamische Staat» ein solches Gewicht bekommen? Welche Rolle
spielen die wachsende Konfessionalisierung und Internationalisierung des Konflikts? Und
was für eine Zukunft hat ein kriegszerstörtes Land, aus dem bald die Hälfte seiner Bevölkerung geflohen ist?
Prof. Reinhard Schulze (geb. 1953)
Studium der Islamwissenschaft, Semitistik, Linguistik und Romanistik in Bonn, Promotion
1981. Wissenschaftliche Mitarbeit am Seminar für Geschichte und Kultur des Vorderen Orients in Hamburg. Habilitation 1987 an der Universität Bonn. 1992 - 1995 Professor für Islamwissenschaft und Arabistik an der Universität Bamberg.
Prof. Reinhard Schulze ist seit 1995 Professor für Islamwissenschaft und Neure Orientalische Philologie an der Universität Bern und Direktor des Instituts. Er forscht u.a. im Bereich
islamische Kultur- und Religionsgeschichte. Schwerpunkt seiner aktuelleren Forschung sind
die zeitgenössischen islamisch-politischen Kulturen.
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Mohamad Fakhro: How to manage daily life in a civil war
Syrien ist traditionell ein Land kultureller, religiöser und ethnischer Vielfalt, in dem zahlreiche
Gruppen über Jahrhunderte hinweg friedlich nebeneinander lebten. Aufgrund eines guten
Ausbildungssystems ging die Analphabetenrate gegen Null. Der Schulunterricht war für alle
Kinder, Jungen wie Mädchen, zwischen sechs und zwölf Jahren obligatorisch. Sechs staatliche und 15 private Universitäten bildeten die Eliten aus, die grössten Universitäten waren die
staatlichen in Damaskus (180‘000 Studierende) und Aleppo (150‘000 Studierende).
Im Zuge des länderübergreifenden «Arabischen Frühlings» begannen Proteste gegen das
Ba’ath-Regime unter Bashar al-Assad, die zusehend in einen das ganze Land erfassenden
Bürgerkrieg mündeten. Die bisherige Bilanz umfasst mehr als 250‘000 Tote, sieben Millionen
Flüchtlinge innerhalb und vier Millionen ausserhalb des Landes. Diejenigen, die im Land verblieben sind, müssen ihren Alltag unter schwersten Bedingungen organisieren. Jeder Schulbesuch und Einkauf von Lebensmitteln ist lebensgefährlich. Der Vortrag wird diese Alltagbedingungen inmitten eines Bürgerkrieges thematisieren.
Mohamad Fakhro (geb. 1977)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Projekt «Ausgrabungen in Tell Halaf/Guzana» der Universität Tübingen. Mitarbeiter an zahlreichen Ausgrabungen in Syrien, u.a. Emar-Balis, Tell elKarmel, Al-Dayderiyah Höhle, Tell Halaf, Tell Ahmar, Tell Leilan.
Beurlaubter Vize-Direktor des Nationalmuseums Aleppo und der Direktion für Antiken und
Museen in Aleppo sowie Leiter des Ausgrabungsdepartements. Hochschullehrer an der Universität Aleppo.
Mohamad Fakhro ist gegenwärtig Doktorand am Institut für Archäologische Wissenschaften
der Universität Bern.
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