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Gewerbliches Mietrecht: Kündigungsmöglichkeit wegen fehlender Geschäftsgrundlage
Von Dr. Christof Kiesgen
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Nicht selten kommt es zwischen Vermieter und Mieter zum Streit über die Frage, in wessen Verantwortungsbereich fehlende Nutzungsmöglichkeiten bei behördlicher Untersagung der vorgesehenen Nutzung eines Mietobjektes fallen. Zwar wird in der Regel versucht, die Verantwortungsbereiche im Mietvertrag abzugrenzen, allerdings kommt es auch über die Wirksamkeit solcher
Vereinbarungen und die Rechtsfolgen einer etwaigen Unwirksamkeit zu Auseinandersetzungen.
Häufig sind es dabei insbesondere die Vermieter, die beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden zu
befürchten haben. Das Kammergericht Berlin hat mit Urteil vom 14.07.2014 (Az.: 8 U 140/13)
einen Fall dahingehend entschieden, dass die formularvertragliche Übertragung des Konzessionsrisikos auf den Mieter zwar unwirksam gewesen, dem Vermieter jedoch das Recht zuzusprechen
sei, das Mietverhältnis unter Berufung auf das Fehlen der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 3 Satz 2
BGB) zu kündigen und auf diesem Weg zumindest größeren Schaden abzuwenden.
In dem besagten Fall hatten die Parteien einen Mietvertrag über Räume zum Betrieb einer gewerblichen Spielothek/Sportsbar abgeschlossen. Die zuständige Behörde untersagte die Umnutzung in eine Spielhalle und wies den Antrag auf Erlaubnis zum Betreiben einer Spielhalle zurück.
Im Mietvertrag war u.a. geregelt, dass der Mieter das Risiko behördlicher Erlaubnis hinsichtlich der
Art des Betriebes trägt. Nach dem im Vertrag niedergelegten Parteiwillen wäre die Nutzungsuntersagung also in das Risiko des Mieters gefallen, der zur Mietzahlung verpflichtet gewesen wäre,
ohne das Mietobjekt wie beabsichtigt nutzen zu können. Das Kammergericht hat die Vereinbarung jedoch für unwirksam erklärt, weil sie eine Haftung des Vermieters auch für den Fall ausschließe, dass die erforderliche behördliche Genehmigung für den vom Mieter vorgesehenen Gewerbebetrieb aus Gründen versagt wird, die ausschließlich auf der Beschaffenheit oder der Lage
des Mietobjekts beruhen. Damit seien nach der Klausel im Falle der Verweigerung der Genehmigung nicht nur Gewährleistungsrechte des Mieters, sondern auch dessen Befugnis zur fristlosen
Kündigung des Mietvertrages ausgeschlossen. Ein so weitgehender Haftungsausschluss benachteilige den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sei deshalb
nach § 307 BGB unwirksam. Ergebnis: Entgegen der im Vertrag niedergeschrieben Absicht der
Parteien liegt das Risiko der Erteilung der erforderlichen behördlichen Erlaubnis insgesamt beim
Vermieter.
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Damit bürdet das Kammergericht dem Vermieter eine Verantwortung auf, die er nach den vertraglich getroffenen Vereinbarungen gerade nicht übernehmen wollte. Dem Vermieter drohen
neben einer Kündigung insbesondere Minderungs- und Schadensersatzansprüche des Mieters, da
das Mietobjekt zum vertraglich vorausgesetzten Zweck nicht geeignet ist. Für den Vermieter kann
sich damit auch die missliche Situation ergeben, dass er keine Mietzahlungen beanspruchen, das
Mietverhältnis aber auch nicht etwa selbst beenden kann. Dieses Ergebnis ist ersichtlich unbillig,
bei Annahme einer unwirksamen Vertragsklausel aber nur konsequent. Dennoch hat das Kammergericht zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse einen anderen Weg eingeschlagen und dem
Vermieter einen Weg aus dem Vertrag geebnet. Es räumt dem Vermieter ein Kündigungsrecht ein
und begründet dies wie folgt:
„Zwar ist für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage grundsätzlich kein
Raum, wenn nach der vertraglichen Regelung derjenige das Risiko zu tragen hat, der sich auf die
Störung beruft (BGH, Urteil vom 16.01.2004 – V ZR 166/03 – BGH – Report 2004, 776, zit. nach
juris Tz. 20 m.w.N.). Zu beachten ist allerdings, dass die Parteien hier fälschlich angenommen
haben, das Konzessionsrisiko liege gem. § 2 Abs. 3 des Mietvertrages beim Beklagten. In einer
vergleichbaren Konstellation hat der BGH (Urteil vom 01.06.1979 – X ZR 80/77 – BGHZ 74, 370,
zit. nach juris Tz. 13) entschieden, dass eine ergänzende Vertragsauslegung zulasten der Partei
geboten sein kann, welcher das Risiko vermeintlich vertraglich auferlegt worden war. Auch sollte
einer Partei, die gesetzlich oder vertraglich ein Risiko zu tragen hat, in Fällen krasser Unbilligkeit
gleichwohl ein Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage zustehen können (s.a. BGH, Urteil vom 31.05.2006 – VIII ZR 159/05 – NJW 2006, 2771, Tz. 15).
Vorliegend wäre es krass unbillig gewesen, wenn der Kläger die Räume für die vereinbarte Grundmietzeit bis zum 30.04.2015 oder im Falle der Optionsausübung gar noch für weitere 5 Jahre dem
Beklagten ohne Gegenleistung hätte belassen müssen.“
Die Entscheidung zeigt, dass es sich immer wieder lohnen kann, gedanklich nicht bei der Feststellung der Unwirksamkeit einer Klausel zu verharren und sich in die Rechtsfolgen zu fügen, sondern
auch über eher selten greifende Möglichkeiten wie etwa eine Kündigung wegen Fehlens bzw.
Wegfalls der Geschäftsgrundlage nachzudenken. Man darf sich durchaus kritisch fragen, ob den
Mietvertragsparteien mit der heutigen mietrechtlichen Rechtsprechung immer ein Gefallen getan
wird. Festzustellen ist aber hier wie auch an anderen Stellen – wie beispielsweise der Rechtspre-
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chung zum Schriftformerfordernis – immer wieder, dass die Rechtsprechung (vermeintlich) interessengerechte Ergebnisse herbeizuführen versucht. Diesem Gesichtspunkt ist daher stets angemessene Aufmerksamkeit zu widmen.
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