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ECMO und Interhospitaltransfer
ECMO und Interhospitaltransfer
Felli Alessia; Klinische Abteilung für Herz-Thorax-Gefäßchirurgische
Anästhesie und Intensivmedizin, Medizinische Universität Wien
Rienösl Harald; Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin,
LKH Feldkirch, ITH Zürich TCS
Fischer Henrik; Intensivhubschrauber (ITH) Wiener Neustadt;
ÖAMTC/Flugrettungszentrum OST; Chefärztlicher Dienst, BM.I.
Die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), ist eine therapeutische Option für
Patienten im Lungen- und/oder Herzversagen. Sie ermöglicht eine künstliche Oxygenierung und CO2 Elimination des Blutes bzw. bietet sie eine kardiale Unterstützung.
Begrifflich unterscheidet man zwischen ECMO, welche hauptsächlich ein veno-venöses
Verfahren zur respiratorischen Unterstützung darstellt, und ECLS (Extra Corporal Life
Support), einem veno-arteriellen Verfahren zur kardio-respiratorischen Unterstützung.
Das System besteht aus einer venösen Kanüle, die Blut aus dem rechten Vorhof entnimmt,
einer Blutpumpe, die das Blut in den Oxygenator und dann zum/zur Patient/-in rückführt.
Dies erfolgt, je nach Typ und Indikation, über eine venöse oder arterielle Kanüle.
Es gibt verschiedene Indikationen für die Anwendung einer ECMO: ARDS, chronisches
Lungenversagen, schwere Pneumonie, Lungenödem, etc...
Patienten im Lungenversagen bei gut erhaltener Herzfunktion bekommen in erster Linie
eine veno-venöse ECMO implantiert.
Patienten im Herzversagen werden mit einer veno-arteriellen ECMO versorgt, wenn eine
Erholung des Herzens zu erwarten ist („bridge to recovery“), aber auch um die Wartezeit
auf ein Spenderorgan zu überbrücken („bridge to transplantation“). (1)
Der Einbau erfolgt durch einen Chirurgen oder einen Intensivmediziner.
Die Kanülierungsstellen variieren je nach Indikation bzw. Gefäßstatus:
Veno-venös (V-V):
V. femoralis zu V. jugularis oder
mit Doppellumen-Kanüle, Zu- und Abfluss über V.jugularis.
Veno- arteriell (V-A):
V. femoralis zu A. femoralis,
V. femoralis zu A. subclavia, (selten A. axillaris)
V. jugularis interna zu A. femoralis
oder Zentralkanülierung:
re Vorhof (direkt oder durch eine der obengenannten
Venen) zu Aorta ascendens.(2)
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ECMO und Interhospitaltransfer
Die Oxygenierung des Blutes erfolgt im Oxygenator, sie ist abhängig von Einflussgrößen
wie der Blutflussgeschwindigkeiten, dem Frischgasfluss, des FiO2-Gehaltes (21 – 100 %
Sauerstoff) und der Oxygenator Qualität.
Am Oxygenator kann der Luft- und Sauerstoff-Zufluss geregelt werden. Viele Geräte
ermöglichen bereits die verwendete Sauerstoffkonzentration direkt in Prozent einzustellen.
Bei älteren Modellen muss der Anwender selbst aus Druckluft und Sauerstoff die benötigte
Sauerstoffkonzentration mischen. In diesem Fall würde die Summe aus Sauerstoff und
Druckluftgasfluss den Gesamtgasfluss ergeben. Dieser Gesamtgasfluss ist für die CO2
Elimination zuständig. Er wird im normalen Betrieb zwischen 1 und 10 Litern geregelt und
mittels regelmäßigen Blutgasananalysen überprüft.
Die Oxygenation/CO2-Elimination muss somit anhand von Blutgasanalysen adaptiert
werden und die Abnahmestelle muss die Kanülierungstelle aufgrund von antegraden bzw.
retrograden ECMO Blutflussverhältnissen berücksichtigen:
· Bei V-V ECMO wird das Blut aus einem arteriellen Zugang gewonnen.
· Bei veno-arterieller Behandlung ist die Kanülierungstelle entscheidend:
- ofemoro-femoraler Zugang: Abnahme aus Arterie rechter Arm
- ofemoro-subclavialer Zugang: Abnahme aus Arterie am kontralateralen (nichtkanülierten) Arm oder A. femoralis
- ozentrale Kanülierung: beide Arme oder A. femoralis möglich. (2)
Die Überwachung der peripheren Sauerstoffsättigung (SpO2) sollte denselben Regeln
folgen.
Wichtig ist auch die Funktionskontrolle des Oxygenators:
Diese wird ebenfalls mittels einer Blutgasanalyse mindestens einmal täglich kontrolliert.
Das Ergebnis sind dabei technische Werte, nicht physiologische. Man überprüft, inwieweit
man das Blut mit einer FiO2 von 100% im Oxygenator theoretisch noch aufsättigen kann.
Werte unter einem pO2 von 200mmHg sind Anzeichen einer schlechten Oxygenatorleistung bzw. einerzunehmenden Oxygenatorerschöpfung.
Die Konsole der ECMO ermöglicht eine schnelle Kontrolle des ECMO Flusses (l/min), der
Umdrehungszahl (rpm). Je nach ECMO-Modell sind auch andere Informationen am
Display ablesbar (SvO2, geschätzter Hämoglobinwert, Blut-Temperatur, Ansaugdruck,
Druck in der arteriellen Kanüle, etc.).
Internationale Richtlinien schreiben für den Betrieb einer ECMO auch einen entsprechenden Lagervorrat von Blut und Blutersatzprodukten in der Blutbank vor, da es bei
einer möglichen Diskonnektion des Schlauchsystems aber auch beim evtl. Tausch einzelner
Gerätekomponenten zu erheblichen plötzlichen Blutverlusten kommen kann. (3)
Die Behandlungsdauer mit einem ECMO-System kann zwischen wenigen Tagen bis hin zu
mehreren Wochen betragen. In dieser Zeit kann auch ein Transport des betroffenen
Patienten notwendig sein.
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ECMO und Interhospitaltransfer
Dieser kann intra- (z. B. für Diagnostik, eine Intervention oder OP) oder auch interhospital
(z.B. an ein spezialisiertes Zentrum) erfolgen.
In den letzten Jahren bieten zunehmend mehr Spitäler in Österreich eine Akutversorgung
mit extrakorporalen Verfahren, wie ECMO, oder ECLS an. Neue Geräte, die ein deutlich
einfacheres Aufrüsten bieten und auch ohne Kardiotechniker betrieben werden können,
ermöglichen auch in Krankenhäusern ohne Herzchirurgie eine lebensrettende Sofortversorgung mit ECMO/ECLS in Fällen wie akutem kardialen Pumpversagen, Lungenversagen,
Pulmonalembolie und Reanimation.
Diese Entwicklung stellt den Rettungsdienst vor neue Herausforderungen, da die Patienten
nach dem Einbau eines extrakorporalen Verfahrens entweder akut zu einer Intervention,
oder geplant aufgrund der höheren Expertise in ein ECMO Zentrum verlegt werden. Vor
allem im Rahmen der Akutverlegungen zur weiteren Intervention (z.B. Coronary artery
bypass graft) wird es jedoch nötig sein, Transportkonzepte zu erstellen (als Vorbild können
diesbezüglich Schweizer Strukturen gesehen werden). Klar strukturierte Checklisten und
Schulungsmaterial ermöglichen auch im Notfall einen raschen und sicheren Patiententransport.
Während des Transports sind kontinuierliche die Konsole inkl. Turbine und alle weiteren
ECMO Komponenten zu überwachen und für eine kontinuierliche Sauerstoffversorgung
(1-10l/min) zu sorgen, dies geschieht durch den Arzt und anderem speziell ausgebildeten
medizinischen Personal (z.b. Kardiotechniker). Für kurze Transporte kann auf eine zusätzliche Luftzufuhr verzichtet werden, welches jedoch das Risiko der Hyperoxämie birgt. Die
Geräte ermöglichen neben dem integrierten Akku auch eine Stromversorgung über alle
gängigen Bordnetze der Transportmittel (12V, 24V, 230V). Für die in Österreich verwendeten Hubschrauber vom Typ EC 135 gibt es zugelassene Transporthalterungen für die
Bodenschienen. Speziell diese müssen jedoch bereits im Vorfeld angeschafft und vorrätig
gehalten werden.
Transporte von Intensivpatienten stellen immer ein erhöhtes Risiko dar – dies gilt verständlicher Weise besonders für jene, die eine ECMO benötigen:
Technische Probleme am Gerät sind sehr selten, aber eventuell auftretende Probleme sind
immer als potentiell lebensbedrohlich zu werten! Es kommt somit sehr auf die Erfahrung
des betreuenden Teams an, damit ein ECMO-Transport sicher erfolgen kann. (4,5)
Internationale Studien zeigen, dass bei geeigneter Vorbereitung die Mortalität während
ECMO-Transporten sehr niedrig ist. (4)
In der Literatur finden sich unterschiedliche Angaben hinsichtlich der Zusammensetzung
des Begleitteams eines Patiententransports mit ECMO. In der rezenten Publikation von
Broman et al. sind mindestens zwei erfahrene begleitende Spezialisten angeführt:
Anästhesisten/Intensivmediziner bzw. Chirurgen und eine erfahrene Pflegekraft. (3)
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ECMO und Interhospitaltransfer
Die Vorbereitung des Transports ist die wichtigste Phase eines Transfers.
Die folgende Checkliste soll als Beispiel und Vorlage dienen und kann natürlich an die
eigenen Gegebenheiten angepasst werden:
1. Kontrolle und schriftliche Dokumentation der Vitalparameter des Patienten und der
Einstellungen an der ECMO vor dem Transport:
- ECMO Flow (L/min und rpm)
- O2- und Frischgas-Fluss (= Gesamtgasfluss -> dieser kann während des
Transportes auch nur aus reinem O2- Fluss bestehen)
2. Beatmungseinstellungen des Patienten
- bei erhaltener Perfusion des Lungenkreislaufes hängt bei den meisten veno –
arteriellen Kanülierungsformen die Hirnperfusion auchvorallemvon derVentilation ab!
- besonders wichtig ist an einen ausreichenden O2-Vorrat für den Transport
zudenken (ECMO + Respirator)
3. Die medikamentöse Therapie (inkl. Perfusoren) sollte beim Transport wie zuletzt auf der
ICU erfolgen
- Katecholamine je nach hämodynamischem Bedarf adaptieren
- Informationen über die Antikoagulation, dessen Monitoring und evtl. Probleme
notieren. Bei langen Transporten sollte es während des Transportes eine
Möglichkeit geben ACT zu messen, um die Antikoagulation zu adaptieren.
- die Sedoanalgesie kann bei Bedarf auf lang wirksame Medikamente umgestellt
werden um die Perfusorlogistik zu erleichtern (z.b. Benzodiazepin + langwirksames
Opiat)
4. Strom: Alle ECMO-Geräte sind mit einer Akkukapazität von ca. 30 bis 90 Minuten
ausgestattet. Während des Transportes hat somit die Verfügbarkeit von Strom-Quellen
absolute Dringlichkeit.
5. Temperatur des Wärmetauschers kontrollieren (je nach Indikation z.B. Kühlung bei St. p.
CPR oder Fieber). Abwägen ob bei einem sehr kurzen Transport auf einen
Wärmetauscherverzichtet werden kann (schlankere Logistik bei Hubschraubertransport,
mit höherem Risikovon nicht kontrollierbarer Körpertemperatur).
6. Visuelle Kontrolle des Schlauchsystems auf defekte Stellen, Thromben, Luft.
Das Schlauchsystem muss jederzeit komplett zugänglich sein, die Lagerung der
Schläuche muss daher übersichtlich und zugfrei sein
- ein Vorrat an Schlauch Fixierungsmöglichkeiten (z.B. Schlauch-Klemmen) ist wichtig
7. Patienten vor dem Transport statuieren und z.B. auf Anzeichen einer Hypoperfusion im
kanülierten Bein achten. Auch die Kanülierungsstellen gehören begutachtet und ihr
Zustand dokumentiert. Alle Probleme, die vor dem Transport lösbar sind, sollten auch
gelöst werden, um einen sicheren Transport zu ermöglichen.
8. An ausreichendes Blutvolumen denken:
- wichtige Maßnahme in Hinblick auf hämodynamische Stabilität
- vermeidet das „Ansaugen“ dervenösen ECMO-Kanüle (Flow sinkt bei
gleichbleibender Umdrehungszahl)
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ECMO und Interhospitaltransfer
9. Kenntnisse über den Handbetrieb der ECMO: bei Stromausfall oder Flow-Stop oder
anderen technischen Problemen, kann es notwendig werden manuell kurbeln zu müssen!
Während bei einem bodengebundenen Transport auch während der Fahrt eine intensivmedizinische Betreuung leichter durchgeführt werden kann, ist während eines Hubschraubertransports selbige intensivmedizinische Betreuung aus platztechnischen Gründen und
aufgrund der Umgebungsbedingungen wie Licht und Lärm schwieriger; aber die großen
Vorteile dieses Transportmittels liegen vor allem in der raschen Verfügbarkeit und der
hohen Transportgeschwindigkeit
Hierfür steht in Ost Österreich ein spezieller Intensivtransporthubschrauber zu Verfügung,
ansonsten sollte angedacht werden, dass das implantierende Team/das VersenderKrankenhaus den Patienten selbst begleitet.
Um die optimale Patientenbetreuung zu gewährleisten ist, wie international bereits
geschehen eine klare Konzeptausarbeitung unumgänglich.
Literatur:
1. ELSO guidelines for ECMO centers (updated May 2015) http://www.elso.med.umich.edu/guide.htm
2. Extrakorporale Membran Oxygenierung (ECMO) und Extrakorporales Life Support System (ECLS); Klüß C,
Intensiv-news 2012; 4: 26–30
3. ELSO Guidelines for ECMO transport, (updated May 2015 ) http://www.elso.med.umich.edu/guide.htm .
4. The Stockholm experience: interhospital transports on extracorporeal membrane oxygenation. Broman LM,
Holzgraefe B, Palmer K, Frenckner B. Critical Care 2015;19:278
5. Mobile ECMO team forinter-hospital transportation of patients withARDS: a retrospective case series. Lucchini A,
De Felippis C, Elli S; Gariboldi R, Vimercati S, Tundo P, Bondi H, Costa MC. Heart, Lung and Vessels 2014; 6(4):262-273
(Die Autoren erklären betreffend dieses Artikels keinen Interessenskonflikt)
Korrespondenzadresse:
Priv. Doz. Dr. Henrik Fischer
E-Mail: [email protected]
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Ernährung und Comfort Terminal Care
Ernährung und Comfort Terminal Care
Frank Günther
Allgemein dürfen medizinische Maßnahmen nicht durchgeführt werden, wenn sie entweder nicht indiziert sind oder vom Patienten nicht gewünscht werden. Die Komplexität der
Entscheidung über Beginn, Unterlassung oder Beendigung einer Therapie ergibt sich im
Einzelfall daraus, dass sowohl die Indikation als auch der Patientenwunsch nicht immer
leicht oder eindeutig feststellbar sind. Trinken und Essen gehören zu allgemeinen menschlichen Grundbedürfnissen und dürfen daher als solche weder verwehrt werden, noch
prospektiv in einer Patientenverfügung abgelehnt werden. Flüssigkeitsgabe und Ernährung allgemein dienen der Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen und sind als solche
prinzipiell immer indiziert. Künstliche Ernährung oder Flüssigkeitsgabe, verabreicht über
artifizielle Zugänge wie Venenwege oder Sonden, können dagegen vom Patienten
unmittelbar oder prospektiv abgelehnt werden. Diese Entscheidungen sind, wenn sie nach
entsprechender Aufklärung und im Bewusstsein der Alternativen und Konsequenzen
gefällt wurden, ethisch und rechtlich bindend.
Comfort Terminal Care definiert den Umgang mit sterbenden Patienten in der Intensivstation. Im Sterbeprozess ist das Therapieziel Palliation, Symptomkontrolle und Ermöglichung
eines würdevollen und möglichst natürlichen Todes. Vor der Entscheidung über therapeutische Maßnahmen muss nach Sicherung der Diagnose und Prognose des Patienten ein
Therapieziel, vereinbar mit dem geäußerten oder vermuteten Patienten-willen, festgelegt
werden. Die KH Aufnahme, die tägliche Visite, das Angehörigengespräch und die geplante
KH Entlassung sind gut Gelegenheiten die Wünsche des Patienten einzuholen und das
Therapieziel festzulegen. Das behandelnde Team kann erkennen, dass das Therapieziel
Überleben nicht erreichbar ist. Das Therapieziel kann von Genesung und Entlassung aus
dem Krankenhaus auf Erhaltung der Patientenwürde, Schmerzfreiheit und Angstfreiheit
geändert werden und so dem Patienten ein würdevolles, schmerzfreies, angstfreies
Sterben ermöglichen. Dies wird ermöglicht durch eine Reduktion der Invasivität der
Maßnahmen und wird im Alltag der Intensivstation oft mit dem Begriff „Allow natural
death“ ausgedrückt.
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Ernährung und Comfort Terminal Care
Sterben auf der Intensivstation kann unterschiedliche Verläufe annehmen wie z.B. einen
plötzlichen Tod unter max. Therapie, eine laufende Verschlechterung unter max. Therapie, eine
mehr oder weniger rasche Verschlechterung der Vitalfunktionen unter Therapiebegrenzung
oder Therapiereduktion. Klinische Zeichen des Sterbeprozesses sind schnappende oder
ziehende Atmung, schwacher oder fehlender Hustenstoß und damit verbunden ev. rasselnde
Atemgeräusche, Oligurie oder Anurie, niedriger Blutdruck, allgemeine Schwäche und
fehlende oder minimale Spontanbewegungen und Einschränkung des Bewusstseins. Es ist die
oberste ärztliche und pflegerische Pflicht, eventuell auftretende Missempfindungen wie
Atemnot, Erstickungsgefühl, Schmerzen, Durst oder Angst zu lindern. Aus dieser Pflicht kann
man als behandelndes Team nicht entlassen werden. Die Dauer des Sterbeprozesses wird
allgemein in Stunden bis wenigen Tagen gemessen und beträgt selten mehr.
Im so definierten Sterbeprozess ist künstliche Ernährung nicht indiziert, weder parenteral noch
per Sonde. Das Symptom Hunger existiert im Sterbeprozess nicht, eine künstliche Ernährung
überSondenverursacht häufig Übelkeit, Erbrechen und Atemnot und bringt keinen Vorteil [1].
Die Gabe von Flüssigkeiten mit oder ohne Elektrolyten dient allgemein der Deckung des
basalen Bedarfes und dem Ausgleich von Defiziten und Verlusten an Wasser und / oder
Elektrolyten. Eine ausreichende Hydrierung und ein ausgeglichener Elektrolyt Status kann
Verwirrtheit, Müdigkeit und Durst verhindern. Diese physiologischen Annahmen gelten aber
nicht mehr im Sterbeprozess. Das subjektive Gefühl Durst wird in dieser Phase durch ausgetrocknete Schleimhäute und nicht durcheinen Flüssigkeitsmangel verursacht. Behoben werden
diese Missempfindung durch Benetzen und Pflege der Lippen und Schleimhäute. Zu hohe
Flüssigkeitsgaben können Atemnot und Todesrasseln verstärken und zu Pleuraergüssen und
Ödemen führen, die das subjektive Symptom der Kraftlosigkeit und Atemnot verstärken
können [2,3]. Im Sterbeprozess benötigt der Patient daher keine oder nur sehr wenig Flüssigkeit, auchein Basisbedarf muss nicht gedeckt werden [4,5].
Kommt es zu einer unerwarteten Besserung und ist das Überleben des Patienten wahrscheinlich, muss das Therapieziel geändert werden. Damit besteht unter Umständen wieder
medizinisch die Indikation für eine Flüssigkeitsgabe und Ernährung. In diesem Fall kommt der
vermutete oder geäußerte Patientenwille zu tragen. Es handelt sich in diesem Fall aber nicht
mehrum Comfort Terminal Care.
Zusammenfassung:
Comfort Terminal Care definiert die Behandlung und Pflege vom Patienten im Sterbeprozess auf der Intensivstation. Am Beginn jeder Entscheidung über eine Maßnahme steht die
Festlegung des Therapiezieles unter Beachtung der Diagnose, Prognose und des Patientenwillens. Im Sterbeprozess ist Ernährung nicht indiziert. Flüssigkeitsgabe soll zurückhaltend
erfolgen, eine basale Flüssigkeitszufuhr ist nicht erforderlich. Pflegerische Maßnahmen zur
Linderung von Durstgefühl und Symptom-kontrolle allgemein stehen im Vordergrund.
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Ernährung und Comfort Terminal Care
Literatur:
1. Good, P., et al., Medically assisted nutrition for palliative care in adult patients. Cochrane Database
Syst Rev, 2008(4): p. Cd006274.
2. Morita, T., et al., Association between hydration volume and symptoms in terminally ill cancer patients
with abdominal malignancies. Ann Oncol, 2005. 16(4): p. 640-7.
3. Bruera, E., et al., Parenteral hydration in patients with advanced cancer: a multicenter, double-blind,
placebo-controlled randomized trial. J Clin Oncol, 2013. 31(1): p. 111-8.
4. Force, A.S.P.E.N.E.P.P.T., et al., A.S.P.E.N. ethics position paper. Nutr Clin Pract, 2010. 25(6): p. 672-9.
5. Dalal, S., E. Del Fabbro, and E. Bruera, Is there a role for hydration at the end of life? Curr Opin
Support Palliat Care, 2009. 3(1): p. 72-8.
Korrespondenzadresse:
OA Dr. Günther Frank
Steinackerstraße 11
2521 Trumau
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Volumenmanagement beim prähospitalen
Notfall – Was und Wieviel?
Volumenmanagement beim prähospitalen
Notfall – Was und Wieviel?
Frank Günther
Zur präklinischen Infusionstherapie stehen Elektrolytlösungen und synthetische Kolloide
zur Verfügung. Unter den zahlreichen synthetischen kolloidalen Lösungen wird präklinisch
in Österreichvor allem 6% Hydroxyethylstärke (HES) Lösung mit einem mittleren Molekulargewicht von 130.000 Da und einer molaren Substitution von 0,38 – 0,45 (HES 130/0,4)
aus Wachsmaisstärke oder Kartoffelstärke in NaCl 0,9% oder in balancierten Vollelektrolytlösung eingesetzt. Mit einem deutlichen West – Ost Gefälle in der Häufigkeit kommen
auch 3-4% Gelatine Lösungen zum Einsatz. Erythrozyten Konzentrate werden kaum mehr
mitgeführt, humane Plasmaprodukte kommen bis auf die wissenschaftliche Erprobung von
Fibrinogen Konzentraten präklinisch nicht zum Einsatz.
Glukose Infusion ist präklinisch ausschließlich als Medikament zur Behandlung einer
bestätigten Hypoglykämie anzusehen. Glukose 5% enthält freies Wasser, das sich
intrazellulär verteilt und ist daher beim Schädelhirntrauma und beim Hirnödem kontraindiziert. Gleiches gilt für hypoosmolare Elektrolytlösungen wie Ringer Laktat, das mit einer
Osmolarität von 277 mOsmol/l ebenfalls freies Wasserzuführt.
Natrium Chlorid 0,9% ist isoosmolar, enthält aber eine unphysiologisch hohe Chlorid
Konzentration, die nach größeren Volumina (2000ml aufwärts) zu einer relevanten
hyperchlorämischen Azidose führen kann. Ob die Verwendung von NaCl 0,9% oder von
anderen hyperchlorämischen Lösungen wie Ringer Lösung (Cl Gehalt 155,7mmol/l) im
Vergleich zur Verwendung balancierter Elektrolytlösungen tatsächlich zu einer höheren
Inzidenz an Nierenversagen führt ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig belegt und
Bestandteil laufender Studien [1].
Kalium- freie balancierte Elektrolytlösungen stehen nicht zur Verfügung. Auch bei bestehender Hyperkaliämie sind balancierte Vollelektrolytlösungen trotz einem Kalium Gehalt
von 4-5mmol/l der Verwendung von NaCl 0,9% vorzuziehen [2]. Durch die pH Verschiebung führt NaCl zu einer Freisetzung von intrazellulärem K und damit zu einer Zunahme
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Volumenmanagement beim prähospitalen
Notfall – Was und Wieviel?
der Plasma K- Konzentration. Somit wird NaCl 0,9% präklinisch ausschließlich als Trägerinfusion für die Medikamentengabe und daher in kleinen Größen (100-250ml) und kleinen
Mengen benötigt.
Elektrolytlösungen passieren die Endothel Barriere und verteilen sich relativ rasch in das
Interstitium. Kolloidale Lösungen bleiben theoretisch dagegen intravasal. Das Verteilungsvolumen ist entsprechend kleiner, der Volumeneffekt ausgeprägter und die hämodynamische Wirkung anhaltender als bei Gabe von Elektrolytlösungen. Das lange
propagierte Verhältnis der Volumen- Effektivität von Kolloiden zu Kristalloiden von 1:3
oder gar 1:4 bestätigte sich bei doppeltblinden Studien aber nicht. Hier lag das Verhältnis
der applizierten Volumina bei 1:1,6 in der perioperativen Anwendung in der Abdominal
Chirurgie [3], bei 1:1,5 im Trauma [4] und bei 1:1,1 in der schweren Sepsis [5]. Grund dafür ist
der Zusammenbruch der Glycocalyx als wesentlichen Bestandteils der endothelialen
Barriere ausgelöst durch Schock, Adrenalingabe, Anaphylaxie, Sepsis und vielen weiteren
Akutsituationen. Die Schädigung kann blitzartig eintreten und verändert die Permeabilität
des Endothels schlagartig und nachhaltig. Das entstehende kapilläre Leck lässt nun auch
Kolloide in das Interstitium übertreten, diese reichern sich dort an und werden in weitere
Folge nur langsam resorbiert. HES wird darüber hinaus von Hautzellen, Leberzellen und
Nierenzellen phagozytiert und bleibt im Gewebe für mehrere Monate nachweisbar [6].
Der als Nebenwirkung der HES beschriebene Juckreiz dürfte auf dieses Phänomen
zurückzuführen sein. Der Volumeneffekt von kolloidalen Lösungen ist daher bei geschädigter endothelialer Barriere vergleichbar mit kristallinen Lösungen.
Die Verwendung von HES ist durch die dokumentierten Nebenwirkungen wie Nierenschädigung und Beeinträchtigung der Blutgerinnung in den letzten Jahren in vielen Bereichen,
besonders aber in der Intensivmedizin, drastisch zurückgegangen. Die Europäische
Arzneimittelbehörde hat die Hersteller zu einer Anpassung der Fachinformationen
gezwungen, die eine präklinische Anwendung deutlich einschränken. So sollten laut
Fachinformation bei Trauma und Chirurgischen Patienten andere Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden und ist HES unter anderem bei Verbrennung, SHT,
Gerinnungsstörungen, Nierenfunktionsstörungen und kritisch kranken Patienten kontraindiziert. Der Effekt auf die Gerinnung zeigt sich auch an dem mit HES assoziierten erhöhtem
Verbrauch an Blutprodukten und Gerinnungsfaktoren [7]. Der Effekt auf die Gerinnung ist
auch bei Gelatine Lösungen nachweisbar und lässt sich durch die Gabe von Fibrinogen und
Faktor XIIIKonzentrat in Kombination teilweise aufheben [8].
Ziel der präklinischen Infusionstherapie ist der Ausgleich einer Hypovolämie zur Wiederherstellung oder zum Erhalt eines ausreichenden Herzzeitvolumens mit guter Perfusion
möglichst aller Gewebe. Anaerober Stoffwechsel, Laktatproduktion und Azidose sollen so
vermieden werden. Die Nebenwirkungen der Infusionstherapie wie Dilution, Aufhebung
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Volumenmanagement beim prähospitalen
Notfall – Was und Wieviel?
der Vasokonstriktion und Gerinnungsstörung können zur Verstärkung einer Blutung
führen und das eigentliche Ziel bleibt unerreicht. Physiologische Anpassungen auf Blutverlust wie Vasokonstriktion und Zentralisierung sind sinnvoll und hilfreich, wenn sie bis zur
Versorgung im geeigneten Klinikum funktionieren wo im Gegensatz zur Präklinik dann
Gerinnungsfaktoren, Erykonzentrate, Thrombokonzentrate und chirurgische oder
interventionelle Methoden zur Blutstillung zur Verfügung stehen. Alternativ zur Infusionstherapie mit großen Volumina können Vasopressoren oder hypertone Lösungen eingesetzt
werden. Eine multizentrische Studie zum Einsatz von Vasopressin im schweren traumatischen Schock befindet sich in Auswertung [9]. Die permissive Hypotension akzeptiert
niedrige Blutdruckwerte bis zur Versorgung im Schockraum der geeigneten Klinik. Für
Patienten mit SHT wird ein systolischer RR von 120 mmHg gefordert.
Balancierte Vollelektrolytlösungen bilden die Grundlage präklinischer Infusionstherapie.
Ob kolloidale Lösungen ergänzend erforderlich sind bleibt unklar, sie stehen mit zahlreichen Einschränkungen noch zur Verfügung. Die Volumina sind besonders bei unstillbarer
Blutung zurückhaltend zu wählen und Vasopressoren eine mögliche Ergänzung oder
Alternative. Infusionslösungen sind Medikamente, die spezielle Indikationen, Kontraindikationen und Nebenwirkungen haben. Die Dosis ist wie bei allen Medikamenten entscheidend, kann aber nicht einfach in ml/kgKG angegeben werden. Der Fachbereich Anästhesiologie und Intensivmedizin liefert durch den perioperativen Einsatz und aus dem
Umgang mit kritisch kranken Patienten die nötigen Erfahrungen zur differenzierten
Volumentherapie in der Präklinik.
Literatur:
1. Mårtensson, J. and R. Bellomo, Are all fluids bad for the kidney? Current Opinion in Critical Care,
2015. 21(4): p. 292-301.
2. Van Regenmortel, N., P.G. Jorens, and M. L.N.G. Malbrain, Fluid management before, during and
after elective surgery. Current Opinion in Critical Care, 2014. 20(4): p. 390-395
10.1097/MCC.0000000000000113.
3. Yates, D.R., et al., Crystalloid or colloid for goal-directed fluid therapy in colorectal surgery. Br J
Anaesth, 2014. 112(2): p. 281-9.
4. James, M.F.M., et al., Resuscitation with hydroxyethyl starch improves renal function and lactate
clearance in penetrating trauma in a randomized controlled study: the FIRST trial (Fluids in
Resuscitation of Severe Trauma). British Journal of Anaesthesia, 2011. 107(5): p. 693-702.
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Volumenmanagement beim prähospitalen
Notfall – Was und Wieviel?
5. Perner, A., et al., Hydroxyethyl starch 130/0.42 versus Ringer's acetate in severe sepsis. N Engl J
Med, 2012. 367(2): p. 124-34.
6. Wiedermann, C.J. and M. Joannidis, Accumulation of hydroxyethyl starch in human and animal
tissues: a systematic review. Intensive Care Med, 2014. 40(2): p. 160-70.
7. Skhirtladze, K., et al., Comparison of the effects of albumin 5%, hydroxyethyl starch 130/0.4 6%,
and Ringer's lactate on blood loss and coagulation after cardiac surgery. Br J Anaesth, 2014.
112(2): p. 255-64.
8. Schlimp, C.J., et al., The effect of fibrinogen concentrate and factor XIII on thromboelastometry in
33% diluted blood with albumin, gelatine, hydroxyethyl starch or saline in vitro. Blood Transfusion,
2013. 11(4): p. 510-517.
9. Lienhart, H.G., et al., [Vasopressin for therapy of persistent traumatic hemorrhagic shock: The
VITRIS.at study]. Anaesthesist, 2007. 56(2): p. 145-8, 150.
Korrespondenzadresse:
OA Dr. Günther Frank
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„Transfusionen – nicht nur heilsam ?“
„Transfusionen – nicht nur heilsam?“
PERGER Peter
KH Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel
„The Lancet“, eine der renommiertesten medizinischen Zeitschriften (1823 gegründet)
wurde nach einem Instrument benannt, das auch dem Aderlass gedient hat (Lanzette =
kleines, kompaktes Stechgerät). Diese Therapie lässt sich über 2500 Jahre zurückverfolgen (Hinweise geben hier Wandmalereien und Grabbeigaben in der altägyptischen
Metropole Memphis / Hippokrates und Galen beschreiben diesen Akt ebenfalls ausführlich), obwohl wir heute wissen, dass bis auf wenige Indikationen (hauptsächlich ist hier die
Hämochromatose, eventuell auch Polycytämia vera, Polyglobulie und Porphyria cutanea
tarda zu nennen), diese Therapie viele Patienten zusätzlich geschwächt hat (George
Washingtons Ableben wurde durch exzessives Aderlassen deutlich beschleunigt – laut
Dokumentation 1.5 Liter !: seine Grundkrankheit war eine Kehlkopfentzündung).
Die Gründe zum Aderlassen waren eher „schlechtes Blut“ müsse entfernt oder das
„Gleichgewicht der Säfte“ müsse wiederhergestellt werden, als die einzig reale Indikation
für eine Transfusion: Verbesserung der Sauerstoffutilisation im Erythrozytenbereich und
Wiederherstellung einer funktionierenden Blutgerinnung im thrombozytären und
plasmatischen Bereich.
Es wechselten (insbesonders in der Vor-Landsteinerära) Erfolgsberichte und letale
Erlebnisse derartig ab, dass schließlich in vielen Länder eine Bluttransfusion (es gab auch
viele Versuche mittels Tierblut) strikt verboten wurden (in der 2. Hälfte des 19. Jhdt.
starben 56% aller transfundierten Patienten; wahrscheinlich noch mehr, da Misserfolge in
der Medizin gerne verschwiegen werden). Durch die Entdeckung der verschiedenen
Blutgruppen und deren unterschiedliche Verträglichkeiten durch Karl Landsteiner und der
1915 erfolgten Möglichkeit Blut durch Zugabe von Zitrat aufbewahren zu können (Richard
Lewison) entstand plötzlich eine Möglichkeit massiv in den Kreislauf einzugreifen. Gefördert wurde diese Idee durch die enormen Verluste auf den damaligen Kriegsschauplätzen
(1. Weltkrieg, russischer und spanischer Bürgerkrieg – hier wurde z.B. die erste mobile
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„Transfusionen – nicht nur heilsam ?“
Blutspendeeinheit eingesetzt), wobei damals die meisten Todesfälle auf akuten Blutverlust
bzw. Schockgeschehen zurückzuführen waren.
Auch hier gab es verschiedene Ansätze der Therapien: die USA setzte mehr auf das
Ersetzen mittels Plasma (1940 entwickelte Edwin Cohn die nach ihm benannte Cohn´sche
Fraktionierung mit der Albumin, Gammaglobulin und Fibrinogen „relativ“ einfach aufzubewahren und zu transportieren war; Erythroyzten wurden dann live gespendet. Es gibt von
betroffenen Soldaten zahlreiche Bemerkungen, die alle in etwas Folgendes besagen:
„Bevor ich verblute lasse ich mir lieber Malaria geben!“ - insbesonders im pazifischen und
afrikanischen Kriegsschauplatz waren auch die als „Sponsor“ zu Verfügung stehende,
nicht-kämpfende Truppe hochgradig ungeeignet als Spender nach heutigem Maßstab).
Russland setzte auf Leichenblut, England eher auf die Vollblutkonserve und die deutsche
Wehrmacht im Wahn der Rassenreinheit missachtete die ausreichende Versorgung Ihrer
Soldaten sträflich.
Im Laufe der Jahre kam es dann klar heraus, dass eine Bluttransfusion nur allzu oft mit dem
Risiko einer für den Empfänger neuen Infektion (wie Lues, Hepatitis B) oder Nebenwirkungen (Fieber, Schüttelfrost, uvam.) verbunden war. Nachdem aber viele Therapien (Polytraumaversorgung, größere operative Eingriffe, Hämophilietherapien etc.) erst durch den
Einsatz von Blutkonserven möglich waren, wurde in Abwägung des Risikos eher der
Transfusion das Wort gesprochen („da stirbt man gleich“) und die Folgeerkrankungen
„zeigen sich ja sowieso erst später!“ ignoriert.
Erst das Auftreten des HIV-Virus und der Erkenntnis, dass trotz Untersuchung auf Hepatitis B,
weiterhin viele Blutempfänger lebermäßig erkrankten und in hohem Maße auch daran
starben, führte langsam zu einem Umdenken (der Name dieser Hepatitis wurde lange mit
Non-A-non-B-Hepatitis bezeichnet; heute wissen wir, dass die allermeisten unter die Bezeichnung Hepatitis C fallen). Auchweil namhafte Kollegen die Verbindung der „neuen“ Erkrankung
AIDS mit einer Konserven- bzw. Plasmaderivatgabe leugneten und weil kommerzielle
Interessen überwogen (es hätten Lagerbestände in x-facher Millionendollarhöhe entsorgt
werden müssen: leiderentschlossen sichauch „reiche Staaten“ wie Japan, Frankreich, USA dies
nicht zu tun und steckten sinnloserweise noch zehntausende Patienten mit o.a. Keimen an,
obwohl bereits sicherere Präparationen und Inaktivierungsmethoden zu Verfügung standen).
Das einzig „Gute“, das dieses Vorgehen nach sichzog, war die massive Erhöhung der Produktsicherheit. War vor 1991 jede 200. – 500.ste Konserve noch mit Hepatitis C verseucht, liegt
dieser Wert heutzutage bei ca. 1 zu 10 – 20 Millionen. Hämovigilanzsysteme mit sofortiger
Meldepflicht durchziehen die Welt, sodass bereits bei wenigen Infektionen, bei denen eine
Mitbeteiligung von Blutprodukten vermutet wird, sofort auffällig gewarnt und gegengesteuert
werden kann. Inaktivierungsmethoden wurden verstärkt eingefordert und auch von der
Industrie erbracht (wenn auch unter hohem pekuniären Aufwand); an Pathogeninaktivierungsmaßnahmen wird weltweit (und bei Plasma und Thrombozyten auch durchaus
erfolgreich und bereits umgesetzt) geforscht.
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„Transfusionen – nicht nur heilsam ?“
Die Leukozytendepletion (also die massive Reduzierung der weißen Blutkörperchen des
Spenders in der Konserve) hat die regelmäßige Komplikation einer nicht hämolytischen,
febrilen Transfusionsreaktion (= NHFTR) um mehrere Zehnerpotenzen reduziert.
Was sich leider kaum geändert hat, ist die Prozesssicherheit. Die Zahl an inkorrekt verabreichten Konserven verändert sich leider im Laufe der Jahre kaum; sehr wohl aber deren
tödlicher Ausgang, was aber vielmehr auf moderne Überwachungs- und Intensivmöglichkeiten zurückzuführen ist.
Was fällt nun unter den „Prozess“ Transfusion:
· die banale Verwechslung (meist menschliche und/oder organisatorische Fehlleistungen) mit der eventuellen Folge einer akuten oderverzögerten hämolytischen Transfusionsreaktion: egal ob bei der Blutprobenabnahme, bei der Patientenidentifizierung,
im Labor, beim Dokumentieren oder beim effektiven Anhängen der Konserve: trotz
vielfältiger Maßnahmen (Checklisten, Begleitpapiere an jeder einzelnen Konserve,
ausführliche Schulungen des transfundierenden Personals, edv-gestützte Dokumentation) lassen sich diese Ereignisse einfach nicht ausschalten
· das TACO (= Transfusion Associated Cardiac Overload): wahrscheinlich die derzeit
häufigste Reaktion auf den Volumenschub und osmotische Potenz eines Erythroyztenkonzentrates bzw. der Menge an Fresh-Frozen-Plasma, die nötig ist um eine Gerinnungswirkung zu erzielen (liegt im mehrfachen Literbereich !!)
· die Untertransfusion: in letzter Zeit häufen sich auch Berichte, dass zu zögerlich oder
zu spät transfundiert wird
· das TRALI (= Transfusion Related Acute Lung Injury): eine schwere ARDS-ähnliche
Reaktion der Empfängerlunge auf transfundierte Granulozyten der Spenderin mit
hoher Mortalität. Diese konnte in den letzten Jahren mittels sorgfältiger Auswahl an
Spendern (keine Schwangerschaft, keine früheren Transfusionen) deutlich zurückgedrängt werden
· eine Immunmodulation und Alloimmunisierung: eine Bluttransfusion ist letztendlich
(Blut ist als, wenn auch flüssiges, Organ anerkannt) eine Organtransplantation und
dieser folgt immer eine Beeinflussung des Immunsystems. Es werden nun einmal
fremde Zellen und Proteine übertragen, auf die der Empfängerorganismus antworten
kann. Bezüglich erythrozytärer Ereignisse ist dies leicht nachweisbar: der bei jeder
Blutgruppentestung obligate Antiköpersuchtest zeigt eine möglich Antiköperentwicklung, die dann lebenslang berücksichtigt werden muss, eindeutig auf (hier fällt die
immer wieder unterlassene rechtzeitige Anti-D-Prophylaxe negativ auf). Es sind
schon mehr als 300 irreguläre erythrozytäre Merkmale bekannt. Bezüglich erhöhter
Infektionsgefährdung oder vermehrter Tumorrezidivneigung ist die Literatur jedoch
durchaus uneins.
· nvJKD (= new variant Jakob-Creutzfeld Disease), MERS, Vogel-, Schweine-, u.a.
–grippen haben sich zum Glück bis dato als überwachungswerte, aber im Transfusionssystem beherrschbare Erkrankungen herausgestellt (umfassende Pandemieplä-
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„Transfusionen – nicht nur heilsam ?“
ne sind vorhanden); die Diskussion der Gefährdung durch pathologisch geformte
Prionen ist noch nicht beendet
· eine Post-Transfusions-Purpura (= PTP), Graft-versus-host-Disease (= TI-GvHD),
transfusionsassoziierte Dyspnoe, die febrile, nicht hämolytische Transfusionsreaktion (= NHFTR), allergische und anaphylaktische Reaktionen lassen sich zwar
durch geeignete Konservenauswahl etwas reduzieren aber nie vollständig vermeiden
· eine TTI (= Transfusion Transmitted Infection): während die leicht untersuchbaren
Erreger (Hep. A, B und C, Parvo-B-19-Virus und HIV nur mehr wenige infektiöse
Spender nicht erkennen, kommen neue Herausforderungen wie das West-Nil-Virus
(autochthon auch schon in Österreich nachgewiesen), der Chikungunya-Erreger, das
Hepatitis-E-Virus, die Malaria, der Morbus Chagas (Trypanosoma cruzi), die
Leishmaniose (Parasit) uam. auf uns zu (z.T. nicht testbar !)
· eventuelle Lagerungsschäden: auch hierwird in derwissenschaftlichen Welt keine
einheitliche Stellungnahme gefunden
· und andere noch nicht klassifizierte oder anerkannte Nebenwirkungen dieser
Maßnahme
Auf der anderen Seite dieser unerwünschten Begleiterscheinungen steht ein ebenso guter
Grund dieses „Elixier des Lebens“ zu transfundieren, da die meisten Chemotherapien, viele
Polytraumen, etliche Operationen (wie Herz- und Gefäßchir., Knochenchir.) und Hämophilenbetreuung (sehen heutzutage einer normale Lebenserwartung entgegen) ohne
Bereitstellung passender Blutkonserven nicht durchführbar wäre. Wie schon so oft in der
Medizingeschichte wird eine Handlung, die über Jahrhunderte sogar verpönt bzw. verboten war, in einer vermeintlichen sicheren Euphorie dann sogar ins Gegenteil (id est zu
leichte Indikationsstellung) verkehrt. Es dauert dann oft lange bis Vernunft einkehrt. In der
Gabe von Blutkonserven haben immer wieder Erfolgsschritte in Richtung mehr Sicherheit
die Gabe von Fremdblut gerechtfertigt (Testeinführung auf Lues und Hepatitis-B, dann
HIV- und HCV-AK, dann der direkte Virusnachweis mittels PCR-Techniken; die wesentlich
verschärften Spenderauswahlkriterien, die Leukozytendepletion, die Abkehr von der
Vollblutgabe uvam.).
Durchaus verschiedene Gründe führen nun zum ständigen Überdenken der aktuellen
Transfusionssituation: und zwar weiterhin religiöse (vide Zeugen Jehovas), Infektionsgefahr infolge der Globalisierung (andere Hepatitisviren, andere HIV-Genotypen, Prionen ?),
ressourcenbedingte (Bedarfsdeckung), immunologische (Verminderung der körpereigenen Abwehrmechanismen) und nicht zuletzt auch finanzielle (die zahlreichen Sicherheitsvorkehrungen kosten denn doch einen beträchtlichen Preis; Blut und –produkte sind stets
unter den teuersten Arzneimitteln zu finden).
In vielen Arbeiten (auch im Intensivbereich) konnte nachgewiesen werden, dass ein
höherer Hämatokrit keineswegs eine bessere Überlebensrate nach sich zieht. Dies führte
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„Transfusionen – nicht nur heilsam ?“
schon zum Terminus “Variations in Medical Practice”, mit dem man elegant die oft eklatanten Unterschiede in der Transfusionsindikation (oft auch innerhalb desselben Spitals)
umschreibt.
Es gibt genügend validierte Veröffentlichungen, die Indikationen zur Transfusion der
verschiedenen Blutprodukte erklären. Es mangelt also nicht an den Vorlagen sondern eher
am Willen und an der Disziplin bei der Umsetzung solcher Richtlinien. Jede Bluttransfusion
sollte unter dem Blickpunkt der Risikoabwägung stehen: schade ich dem Patienten mit einer
Transfusion mehr als ich ihm nützen kann, dann sollte man sie unterlassen (“Risks that are
appropriate if blood components are required, but that are inexcusable when they are not
needed in the first place” – ein Satz, der während einer Diskussion fiel und meines Erachtens nach dieses Problem kompetent beschreibt).
Literatur beim Verfasser
Korrespondenzadresse:
OA Dr. Peter PERGER
KH Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel
1130 Wien, Wolkersbergenstraße 1
E-Mail: [email protected]
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EEG-basiertes Monitoring in der Intensivmedizin
EEG-basiertes Monitoring in der
Intensivmedizin
Schultz Barbara
Das Elektroenzephalogramm (EEG) kann bei Intensivpatienten für die kontinuierliche
Überwachung der Hirnfunktion genutzt werden. Zu Indikationen und zur Durchführung
von EEG-Aufzeichnungen im Intensivbereich gibt es Empfehlungen von medizinischen
Fachgesellschaften. Zu diesen zählen das European Resuscitation Council (ERC) [10], die
European Society of Intensive Care Medicine (ESICM) [2, 7, 10], die Neurocritical Care
Society (NCS) [1, 7], die American Clinical Neurophysiology Society (ACNS) [4], die
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) [8] und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) [3, 6, 9]. Empfehlungen, die von diesen Gesellschaften, z. T. in Zusammenarbeiten mit weiteren Fachgesellschaften, erarbeitet wurden,
sind Grundlage für die folgende kurze Übersicht.
EEG
Das EEG ist eine Aufzeichnung von Spannungsveränderungen, die im Bereich der Hirnrinde erzeugt werden und die mittels Elektroden am Kopf abgeleitet werden. Im EEG stellen
sich die Spannungsveränderungen als Abfolge von Wellen dar, die hinsichtlich Frequenz,
Amplitude und Form variieren können. Traditionell werden vier EEG-Frequenzbereiche
unterschieden: Delta (δ: 0,5 – 3,5 Hz), Theta (ϑ: 3,5 – 7,5 Hz), Alpha (α: 7,5 – 12,5 Hz) und
Beta (β: >12,5 Hz).
Bei der visuellen Analyse eines EEG wird seine Frequenzzusammensetzung untersucht. Die
spontane Variabilität und Veränderungen nach Reizen werden betrachtet. Es wird
überprüft, ob Wellen besonderer Form, wie z. B. epilepsietypische Potenziale (Abb. 1 a),
vorhanden sind. Bei dervisuellen Analyse ist auchvon Interesse, in welcher Lokalisation sich
Wellen darstellen, und ob es Seitendifferenzen gibt.
Eine Verlangsamung des EEG, d. h. eine Verschiebung des Frequenzgehalts hin zu niederfrequenteren Wellen oder bis hin zu einer intermittierenden oder kontinuierlichen Suppression der EEG-Aktivität (Abb. 1b und 1c), kann durch unterschiedliche Einflussfaktoren
bedingt sein. Beispielsweise treten solche Veränderungen generalisiert, d. h. über allen
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EEG-basiertes Monitoring in der Intensivmedizin
Hirnregionen sehr ähnlich, bei Gabe von hypnotisch wirkenden Medikamenten, akuter
globaler Hypoxie oder bei Hypothermie auf. Bei der Interpretation von Intensiv-EEGs sind
Einflussfaktoren auf das EEG zu beachten.
Jordan [5] nennt mehrere Gründe für die Nutzung einer kontinuierlichen EEGÜberwachung bei Intensivpatienten: Das EEG ist eng an den cerebralen Metabolismus
gekoppelt. Es verändert sich bei Ischämie und Hypoxämie. Es detektiert neuronale
Dysfunktion in einem reversiblen Stadium und kann neuronale Erholung dann darstellen,
wenn dies durch klinische Untersuchung nicht möglich ist. Das EEG ist die beste verfügbare
Methode zur Erkennung epileptischer Aktivität. Das kontinuierliche EEG stellt dynamische
Information zur Verfügung, die über den Informationsgehalt punktueller Routine-EEGs
hinausgehen kann. Zudem kann das EEG nützliche Informationen zur cerebralen Topografie liefern.
Indikationen
In aktuellen Empfehlungen und in Leitlinien von medizinischen Fachgesellschaften werden
u. a. die folgenden Anwendungsziele für die EEG-Registrierung bzw. das kontinuierliche
EEG-Monitoring bei Intensivpatienten genannt:
- Erkennung nonkonvulsiverAnfälle und des nonkonvulsiven Status epilepticus [1, 2, 4, 7, 9]
Bei nonkonvulsiven Anfällen bzw. im nonkonvulsiven Status epilepticus ist typischerweise im EEG entsprechende Aktivität vorhanden, während klinische Zeichen häufig
fehlen [2] bzw. minimal ausgeprägt sind oder sich nicht offenkundig darstellen [4].
Die Häufigkeit von nonkonvulsiven Anfällen bei erwachsenen Intensivpatienten wird
mit 8 – 48 % angegeben [4].
- Prognoseabschätzung bei persistierender Bewusstlosigkeit nach Herzstillstand [2, 3,
4, 7, 9, 10]
Zu EEG-Merkmalen, die auf eine ungünstige Prognose nach Herzstillstand hinweisen
können, zählen eine fehlende EEG-Reaktivität bei externen Reizen [2, 3, 10], das
Vorhandensein eines Burst-Suppression-Musters (Abb. 1b) oder eines Status epilepticus (Abb. 1a) [2, 3, 10] sowie ein Niederspannungs-EEG (< 20 µV) [3]. Auch wenn sich
die Prognose von Patienten schon sehr frühzeitig im EEG andeuten kann [10], wird
empfohlen, EEG-Merkmale, die auf eine ungünstige Entwicklung hindeuten können,
erst nach einem auf die Reanimation folgenden zeitlichen Intervall zur Prognoseabschätzung heranzuziehen [3, 10]. Es ist zu beachten, dass hypnotisch wirkende
Substanzen und eine Hypothermie das EEG im Sinne einer Frequenzverlangsamung
beeinflussen können. Die Nutzung des EEG im Rahmen einer Hypothermiebehandlung
ist sinnvoll, da es Hinweise auf nonkonvulsive Anfälle geben kann [3, 7].
- Ischämieerkennung nach Subarachnoidalblutung [2, 4, 7]
Zeichen einer akuten cerebralen Ischämie sind im EEG ein Verlust höherfrequenter
Anteile und eine zunehmende Verlangsamung [4]. Das EEG kann genutzt werden, um
durch Vasospasmen bedingte cerebrale Ischämien nach Subarachnoidalblutung zu
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EEG-basiertes Monitoring in der Intensivmedizin
erkennen. Zur einfacheren Detektion von ischämiebedingten EEG-Veränderungen im
Zeitverlauf kann eine rechnerische Analyse des EEG mit grafischer Trenddarstellung
erfolgen [2, 4].
- Sedierungssteuerung [4, 8]
Den Sedierungsgrad eines Patienten allein anhand klinischer Parameter zu beurteilen,
kann besonders in tieferen Sedierungsstadien schwierig sein [4]. In einer Leitlinie, die
die DGAI mit anderen Fachgesellschaften herausgegeben hat [8], wird festgestellt,
dass EEG-gestützte Monitoringverfahren eine wichtige Option bei tiefer Sedierung
darstellen. Sie sollten fakultativ ab einem RASS < – 3 (RASS: Richmond Agitation
Sedation Scale) angestrebt werden. Des Weiteren seien EEG-gestützte Monitoringverfahren auch empfehlenswert, um bei neuromuskulär blockierten Patienten eine zu
flache oderzu tiefe Sedierung zu erkennen [8].
- Nutzung des EEG zur Überwachung und Steuerung der Therapie des refraktären
Status generalisierter tonisch-klonischer Anfälle [1, 2, 4, 7, 9]
Laut Empfehlungen der DGN [9] soll bei der Therapie des refraktären Status generalisierter tonisch-klonischer Anfälle eine Titrierung von Propofol oder Thiopental EEGgesteuert über 24 Stunden im Burst-Suppression-Bereich (Abb. 1b) erfolgen. Die
Gabe von Midazolam soll ebenfalls EEG-gesteuert erfolgen.
- Überwachung eines induzierten Komas bei Patienten mit erhöhtem Hirndruck [4, 6]
Ein EEG-Monitoring kann genutzt werden, um bei Patienten mit erhöhtem Hirndruck eine
Sedierung sozu dosieren, dass ein Burst-Suppression-EEG (Abb. 1b)vorhanden ist [4, 6].
Ableitungsbeginn
Die ESICM empfiehlt den Beginn der EEG-Ableitung bei Patienten mit generalisiertem
konvulsivem Status epilepticus, die ihren funktionellen Ausgangszustand nach initialer
antiepileptischer Therapie nicht innerhalb von 60 min wiedererlangen, und innerhalb von
60 min bei Patienten mit refraktärem Status epilepticus [2]. Nach Ansicht der ACNS sollte
eine kontinuierliche EEG-Ableitung erwogen werden, wenn Patienten nach Beendigung
motorischer oder anderer klinischer Anfallszeichen innerhalb von 10 min keine deutlich
verbesserte Wachheit zeigen oder wenn nach mehr als 30 min noch Bewusstseinsbeeinträchtigungen bestehen [4].
Ableitungsdauer
Die ESICM [2] nennt mehrere Indikationen, bei denen das kontinuierliche EEG der intermittierenden Ableitung vorgezogen werden sollte. Hierzu zählen die Anfallsdetektion bei
Patienten mit refraktärem Status epilepticus, bei Patienten mit Status epilepticus, die nicht
innerhalb von 60 min nach Beginn der medikamentösen Therapie ihren funktionellen
Ausgangszustand wiedererlangen, sowie bei komatösen Intensivpatienten mit unerklärter, anhaltender Bewusstseinsveränderung. Darüber hinaus soll laut Empfehlung der
ESICM das kontinuierliche EEG bei komatösen Patienten mit Subarachnoidalblutung zur
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EEG-basiertes Monitoring in der Intensivmedizin
Ischämieerkennung und bei komatösen Patienten nach Herzstillstand zur Unterstützung
der Prognoseabschätzung eingesetzt werden [2].
Die NCS [1] empfiehlt bei komatösen Patienten zur Untersuchung auf nonkonvulsive
Anfälle eine Ableitungsdauervon mindestens 48 Stunden. Nach dem Ende von elektrografischen (d. h. im EEG sichtbaren) Anfällen soll die Ableitung für 24 Stunden fortgesetzt
werden [1]. Die ACNS weist darauf hin, dass die Ableitungsdauer auf den Einzelfall abgestimmt sein sollte [4].
Kanalanzahl
Im Internationalen 10-20-System ist die Elektrodenpositionierung für EEG-Registrierung
definiert. Üblicherweise werden 21 Elektroden dieses Systems für Routineregistrierungen
verwendet [4]. Bei reduzierter Elektrodenzahl kann es zu einem Informationsverlust
kommen [2]. ESICM und NCS betrachten es als ungewiss, welches die optimale Elektrodenanordnung und -zahl für das Intensiv-EEG ist [7], die Praktikabilität der Platzierung
zahlreicher Elektroden in einer „elektrophysiologisch unfreundlichen“ Umgebung müsse
berücksichtigt werden [7]. Jede zusätzliche Elektrode erhöht den Arbeitsaufwand bei der
EEG-Ableitung und stellt auch eine mögliche Artefaktquelle dar.
Für das Monitoring der Hypnosetiefe im Rahmen der Anästhesie hat es sich bewährt, einen
EEG-Kanal, d. h. drei Elektroden, zu verwenden. Nach eigenen Erfahrungen lassen sich
Sedierungsstadien bei Intensivpatienten ebenfalls sehr gut anhand eines EEG-Kanals
beurteilen.
Intermittierende Routine-Viel-Kanal-EEGs können ggf. genutzt werden, um bei besonderen Fragestellungen für den jeweiligen Patienten geeignete Elektrodenpositionen bei
einem Langzeitmonitoring mit reduzierter Elektrodenanzahl festzulegen.
Verlaufsdarstellungen
Für die EEG-Überwachung des Intensivpatienten ist eine deutliche Darstellung des
Original-EEG unabdingbar, um spezielle Potenziale, wie z. B. epilepsietypische Potenziale,
beurteilen zu können. Um einen Überblick über längere Verläufe zu gewinnen, haben sich
Trenddarstellungen bewährt. Gebräuchlich sind z. B. die DSA-Darstellung (DSA: density
spectral array) und das aEEG (aEEG: amplituden-integriertes EEG). In der DSADarstellung werden die einzelnen Frequenzkomponenten des EEG im Zeitverlauf entsprechend ihrer Leistung farbig kodiert angezeigt. In der aEEG-Darstellung werden, nach einer
speziellen Filterung, Gleichrichtung und Glättung der EEG-Kurve, die niedrigsten und die
höchsten Amplitudenwerte in regelmäßigen Zeitabständen aufgetragen. Zur Bewertung
von DSA und aEEG muss zusätzlich das Original-EEG zur Verfügung stehen.
Die Erkennung von epilepsietypischen Potenzialen bzw. von Anfallsaktivität kann durch
automatische Erkennungsverfahren unterstützt werden.
Zusammenfassung
Das EEG-Monitoring bei Intensivpatienten ist eine von medizinischen Fachgesellschaften
für unterschiedliche Indikationen empfohlene Überwachungsmethode. Ein kontinuierliches
Monitoring mit 1 oder 2 Kanälen ist erfahrungsgemäß einfach durchführbar. Es kann
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EEG-basiertes Monitoring in der Intensivmedizin
wesentliche Informationen im Hinblick auf Sedierungstiefe, Sauerstoffmangelzustände
und das Vorhandensein von Anfallsaktivität liefern sowie die Prognoseabschätzung bei
reanimierten Patienten unterstützen. Neben der deutlichen Darstellung des Original-EEG
sind Verlaufsgrafiken und Algorithmen zur automatischen EEG-Bewertung bei dem EEGMonitoring von Intensivpatienten hilfreich.
Abbildung 1:
Abschnitte aus EEG-Registrierungen von Intensivpatienten
a) Epilepsietypische Aktivität
b) Burst-Suppression-EEG
c) Suppression
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EEG-basiertes Monitoring in der Intensivmedizin
Literatur:
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Care. 2012; 17: 3-23.
2. Claassen J et al.: Recommendations on the use of EEG monitoring in critically ill patients:
consensus statement from the neurointensive care section of the ESICM. Intensive Care Med. 2013;
39: 1337-1351.
3. Hamann GF et al. Hypoxische Enzephalopathie (HE). http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030119l_S1_Hpoxische_Enzephalopathie_2012_1.pdf (12.09.2015).
4. Herman ST et al. Consensus statement on continuous EEG in critically ill adults and children, part
I: indications. J Clin Neurophysiol. 2015; 32: 87-95.
5. Jordan KG. Continuous EEG monitoring in the neuroscience intensive care unit and emergency
department. J Clin Neurophysiol. 1999; 16: 14-39.
6. Jüttler E et al. Intrakranieller Druck (ICP). http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030105l_S1_Intrakranieller_Druck_2012_1.pdf (12.09.2015).
7. Le Roux P et al. Consensus summary statement of the International Multidisciplinary Consensus
Conference on Multimodality Monitoring in Neurocritical Care: a statement for healthcare professionals from the Neurocritical Care Society and the European Society of Intensive Care Medicine.
Neurocrit Care. 2014; 21 Suppl 2: S1-S26.
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http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/001-012l-abgelaufen.pdf (12.09.2015).
9. Rosenow F et al. Status epilepticus im Erwachsenenalter.
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-079l_S1_Status_epilepticus_im_Erwachsenenalter_2012verl%C3%A4ngert.pdf (12.09.2015).
10. Sandroni C et al. Prognostication in comatose survivors of cardiac arrest: an advisory statement
from the European Resuscitation Council and the European Society of Intensive Care Medicine.
Resuscitation. 2014; 85: 1779-1789.
Korrespondenzadresse:
PD Dr. Barbara Schultz
Medizinische Hochschule Hannover
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
30625 Hannover Carl-Neuberg-Str. 1
E-Mail: [email protected]
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