Resolution „Wir alle sind das Krankenhaus!“

ver.di Krankenhaustagung Leipzig 6.11.2015
Resolution „Wir alle sind das Krankenhaus!“
Zur Sicherheit der Patienten und zum Schutz der Beschäftigten den Missbrauch von
Leiharbeit und Werkverträgen im Krankenhaus beenden
Wir, die 250 Mitglieder von Betriebsräten, Personalräten, Mitarbeitervertretungen und
Jugend- und Auszubildendenvertretungen auf der bundesweiten ver.di-Krankenhaustagung
2015 fordern alle Träger der Kliniken auf, den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen
abzustellen. Von der Bundesregierung erwarten wir wirksame gesetzliche Regelungen im
anstehenden Gesetzgebungsverfahren.
Die zunehmende Ökonomisierung der Kliniken führt zu einer immer kleinteiligeren
Zersplitterung der Krankenhausbelegschaften. Das schwächt die Mitbestimmung, macht den
Arbeitsplatz Krankenhaus unattraktiver und beeinträchtigt auch in erheblichem Maße die
Versorgungsqualität. Im Mittelpunkt des Prozesses steht nicht der Patient und nicht der
Versorgungsprozess, sondern die Unternehmenskonstruktion, die so gewählt wird, dass der
Einsatz der zahlreichen eigenen Tochtergesellschaften, der fremdvergebenen Dienste und
der Leiharbeitskräfte von Arbeitnehmerseite möglichst rechtlich nicht angegriffen werden
kann.
Wer heute in ein Krankenhaus kommt, sieht oft nicht, dass er sich dort in die Obhut
verschiedenster Firmen und Honorarkräfte begibt. Der Empfang ist eine eigene GmbH,
ebenso die Reinigung des OP-Bestecks, die Essensversorgung, oft auch schon die
Physiotherapie, die Logopädie, Psychotherapeut/innen und Stationsassistenz. Die nette
junge Ärztin, Honorarkraft, der Diätassistent, eine andere Firma, die Begleitung des
Patienten zum Röntgen, eine angebliche Logistikfirma. Das heutige Krankenhaus zerfällt in
immer mehr Einzelteile.
Private Klinikkonzerne zerstückeln die Krankenhausbelegschaften zur Gewinnmaximierung.
Gemeinnützige Krankenhäuser ziehen nach, um die unzureichende Länderfinanzierung für
Investitionskosten zu kompensieren. Neu eingestellte Arbeitnehmer/innen werden um bis zu
40% schlechter bezahlt als in den gültigen Tarifverträgen der Kliniken und Konzerne.
Arbeitgeber verweigern meist Tarifverhandlungen. Besonders perfide, wenn nach der
Aufforderung zu Tarifverhandlungen durch ver.di der Betrieb in immer neue Gesellschaften
umstrukturiert wird. Dadurch sollen Tarifverhandlungen unmöglich gemacht und auch eine
kontinuierliche, wirksame Betriebsratsarbeit verhindert werden. Gesundheitsschädliche
Arbeitsverdichtung, Verstöße gegen den Gesundheitsschutz und das Arbeitszeitgesetz sind
häufig beobachtete Folgeerscheinungen.
Bereits heute sind im Durchschnitt 20% der Belegschaften ausgegliedert, Tendenz steigend.
Während es am Anfang eher die sogenannten patientenfernen Tätigkeiten betraf, betrifft es
zwischenzeitlich auch den Kernbereich der Patientenversorgung. Diese Form der
„Kostenoptimierung“ schadet letztendlich dem Patienten, denn Beschäftigte mit
Werkverträgen dürfen nicht in den Krankenhausablauf eingebunden sein. Die Folgen sind
vielfältig: Bei der Essensverteilung wird ein sich verschlechternder Gesundheitszustand
eines Patient von der externen Kraft nicht bemerkt. Sie darf sich gar nicht um den Patienten
kümmern. Die Patientin darf die Reinigungskraft nicht um einen kleinen Gefallen bitten, denn
Aufträge darf der Beschäftigte ausschließlich von der Objektleitung entgegen nehmen. Die
elektronische Patientenakte eines Patienten „verschwindet“, weil die Hotelerie GmbH, die die
Patientenaufnahme durchführt, eine ungelernte Kraft an den Computer gesetzt hat. Der Holund Bringedienst darf nur das Bett schieben, dass darin ein Patient liegt, wird zur
Nebensache.
Wir fordern von der Bundesregierung, dass Betriebs- und Personalräte erweiterte
Mitbestimmungsmöglichkeiten bei Leiharbeit und Werkverträgen bekommen. Nur so
können wir die Bestimmungen EU-Richtlinie – keine Substituierung der
Stammbelegschaft - durchsetzen. Missbrauch muss sanktioniert, die gesetzliche
Straffreiheit muss beseitigt werden. Die geplante Höchstüberlassungsdauer muss an
den Arbeitsplatz gebunden werden, da ansonsten Ketten-Leiharbeitsverhältnisse
vorprogrammiert sind. Und beim Verdacht des Missbrauchs von Werkverträgen muss
die Beweislast umgekehrt werden.
Wenn die Bundesregierung ihre Qualitätsoffensive ernst meint, muss sie unverzüglich
handeln.
Gesundheit ist keine Ware und Krankenhäuser sind keine Fabriken.
Leipzig, 6. November 2015