Ambulante Notfallversorgung im Krankenhaus: Chance oder Problem? am 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - Formen der ambulanten Leistungserbringung im Krankenhaus Vertragsärztliche Behandlung • • • Arztpraxis im Krankenhaus MVZ im Krankenhaus Ermächtigter Krankenhausarzt Krankenhausbehandlung • • • • • • Notfall-Ambulanz (§76 SGB V) Institutsambulanz (§116 a SGB V) Ermächtigung des Krankenhauses (§116 b SGB V) Hochschulambulanz (§ 117 SGB V) Psychiatrische Institutsambulanz (§118 SGB V) Ambulantes Operieren am Krankenhaus (§ 115 b SGB V) Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 2 Rechtsgrundlage für die Notfallbehandlung § 76 SGB V - Freie Arztwahl Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den ermächtigten Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden ärztlich geleiteten Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2, den nach § 72a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. … Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 3 Leistungsumfang der ambulanten Notfallbehandlung Im Notfall sind nur solche Maßnahmen zu treffen und abzurechnen, die einen den Notfall begründenden Zustand soweit bzw. solange beseitigen, bis die normale kassen- bzw. vertragsärztliche Versorgung wieder in Anspruch genommen werden kann. Sozialgericht Stuttgart (S15 KA 1311/91) Der Umfang der Diagnostik ist auf die Erstversorgung des Patienten ausgerichtet. Befunde, die dazu nicht benötigt werden, sind im Notfalldienst nicht zu erheben. Der medizinische Bedarf für die Erstversorgung und nicht die medizinische Infrastruktur …. bestimmen den Umfang der Diagnostik. BSG Urteil vom 12.12.2012 (AZ B6 KA 5/12 R) Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 4 Leistungsumfang der ambulanten Notfallbehandlung Grundsätzlich ist die Durchführung ambulanter Behandlungen Aufgabe der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte, und die freie Arztwahl der Versicherten erstreckt sich auf Krankenhausambulanzen nur, soweit diese ausdrücklich zugelassen oder ermächtigt sind. Diese Zuordnungsregeln … dürfen durch das Angebot einer stets verfügbaren Notfallambulanz im Krankenhaus nicht überspielt werden. BSG Urteil vom 17.09.2008 (AZ B6 KA 47/07 R) Der Auftrag zur Sicherstellung der ambulanten Notfallversorgung liegt nach § 75 SGB V bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) Rechtsgrundlage zur Leistungserbringung nach § 76 „freie Arztwahl“ als anderer Arzt stellt allenfalls eine Ausnahmeregelung dar Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 5 Leistungsumfang der ambulanten Notfallbehandlung Ambulante Notfallbehandlung wird überwiegend im Krankenhaus erbracht Deutsche Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) schätzt 20 Mio. Notfallpatienten stationär und ambulant in Krankenhäusern jährlich Davon werden rund 60 % ambulant behandelt Über 10 Millionen ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 6 Vergütung der ambulanten Notfallbehandlung Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind Leistungen von NichtVertragsärzten bzw. von Krankenhäusern im Rahmen von Notfallbehandlungen grundsätzlich so zu vergüten, als ob sie von zugelassenen Vertragsärzten erbracht worden wären. BSG-Urteil vom 06.09.2006, Az. B 6 KA 15/06 R Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 7 Vergütung der ambulanten Notfallbehandlung Krankenhaus nur als anderer Arzt (§ 76 SGB V) tätig Abrechnung erfolgt nach EBM Mit 10 % Honorarminderung (§ 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V) Vergütung für den vertragsärztlichen Bereich Keine Einflussmöglichkeit auf Vergütung durch Verbände der Krankenhäuser Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 8 Problematik bei aktueller Gesetzeslage Die Behandlung ist nur zulässig, Es besteht die Verpflichtung zur wenn die vertragsärztliche Notfall- Behandlung des Patienten zur versorgung nicht gewährleistet ist. Abwendung einer Notfallsituation. Die Erwartungen der Patienten an das Krankenhaus sind immer größer als an den Hausarzt. Patient wünscht umfängliche Untersuchung. Ärzte in den Notfallambulanzen veranlassen oftmals zur eigenen Absicherung mehr Diagnostik als unbedingt notwendig. In vielen Fällen erhält das Krankenhaus nur eine unzureichende Vergütung der erbrachten Leistungen. Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 9 Chance: Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen Auszug aus dem Koalitionsvertrag vom 27.11.2013 „Die ambulante Notfallversorgung konzentriert sich außerhalb der allgemeinen Praxissprechzeiten auf die Krankenhäuser. Das macht eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der entsprechenden Vergütung erforderlich. Wir streben dabei eine regelhafte Kooperation der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenhäuser zur Sicherstellung der ambulanten Notfallversorgung an…“ Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 10 Gutachten zur ambulanten Notfallversorgung in Krankenhäusern Gutachten zur ambulanten Notfallversorgung im Krankenhaus - erstellt von Management Consult Keilmann GmbH (MCK) - Beauftragt von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft interdisziplinärer Notfallund Akutmedizin (DGINA) Ziele des Gutachtens − Strukturanalyse welche Leistungen erbringen die Krankenhäuser? − Fallkostenkalkulation wie hoch sind die Defizite in der Vergütung? Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 11 Strukturanalyse der Leistungen der Krankenhäuser in der ambulanten Notfallversorgung „Allgemeine Notfallbehandlung“ - rund ein Drittel der Behandlungsfälle im Krankenhaus Bewertung: Könnten aus medizinischen Aspekten prinzipiell auch im vertragsärztlichen Bereich versorgt werden. aber: Bingen 29.09.2015 wenn sich ein Patient als Notfall im Krankenhaus vorstellt, sind die Krankenhäuser verpflichtet, diesen Patienten zumindest im Sinne der Erstversorgung zu behandeln. Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 12 Strukturanalyse der Leistungen der Krankenhäuser in der ambulanten Notfallversorgung „Fachspezifische Notfallbehandlung“ - rund ein Fünftel der Behandlungsfälle im Krankenhaus Bewertung: Leistungen wie Wundversorgung mit Naht, Ultraschalluntersuchungen, Anlage von Dauerkathetern könnten aus medizinischer Sicht auch im vertragsärztlichen Bereich versorgt werden. aber: Bingen 29.09.2015 Kassenärztliche Vereinigung hält nicht flächendeckend fachspezifische Bereitschaftsdienste bereit. Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 13 Strukturanalyse der Leistungen der Krankenhäuser in der ambulanten Notfallversorgung „Krankenhausspezifische Notfallbehandlung“ - rund die Hälfte der Behandlungsfälle im Krankenhaus Bewertung: ist auch aus medizinischer Sicht im Krankenhaus zu erbringen, weil unverzügliche Diagnostik wie z. B. Labor-, Röntgen- oder CT-Untersuchungen erforderlich Und: Bingen 29.09.2015 diese Diagnostik wird in der Regel im kassenärztlichen Bereitschaftsdienst nicht vorgehalten Verfügbarkeit auch in den Sprechstundenzeiten der Arztpraxen nicht so zeitnah wie im Krankenhaus sichergestellt Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 14 Fallkosten der ambulanten Notfallbehandlung Ergebnis des Gutachten im Auftrag der DKG und des DGINA Fallkosten der „allgemeinen Notfallbehandlung“: Fallkosten der „fachspezifischen Notfallbehandlung“: Fallkosten der „krankenhausspezifischen Notfallbehandlung“: 82 € 116 € 150 € ø Fallkosten der ambulanten Notfallbehandlung ø Erlöse der ambulanten Notfallbehandlung 120 € 32 € Fehlbetrag von 88 € je Fall Bei 10 Mio. Fällen und nicht erfassten Investitionskosten jährliches Gesamtdefizit der Krankenhäuser von ca. 1 Mrd. € Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 15 Schlussfolgerungen der DKG aus dem Gutachten • Für rund ein Drittel der Fälle wäre eine stärkere Übernahme der „allgemeinen Notfallbehandlungen„ durch die Kassenärztlichen Vereinigungen und damit eine Entlastung der Krankenhäuser sinnvoll • Sinnvoll sowohl aus medizinscher als auch aus wirtschaftlicher Sicht, da die kostenintensiven Strukturen der Krankenhäuser für diese Fälle nicht zwingend benötigt werden. • Allerdings müsste die vertragsärztliche Notfallversorgung hierfür auch flächendeckend und durchgehend realisiert werden. Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 16 Schlussfolgerungen der DKG aus dem Gutachten Die vertragsärztliche Notfallversorgung müsste z. B. durch Kooperation mit den Krankenhäusern so organisiert werden, dass den Notfallpatienten am Ort der Vorstellung ein Vertragsarzt zur Verfügung steht. Für rund zwei Drittel der Patienten, für die eine ambulante Notfallversorgung im Krankenhaus unverzichtbar ist, muss eine Vergütung geschaffen werden, die den Behandlungsmöglichkeiten und den damit verbundenen Kosten der Krankenhäuser Rechnung trägt. Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 17 Forderungen der DKG - im Rahmen der aktuellen Gesetzgebung Krankenhäuser fordern: - Gesetzliche Grundlage für die Erbringung ambulanter Notfallversorgung, die dem hohem Beitrag der Krankenhäuser gerecht wird. - Eigenständige gesetzliche Grundlage für die Krankenhäuser für ambulante Notfallbehandlung Vergütung der = Vertragspartner Krankenkassen und Krankenhäuser = mögliche Umsetzung in § 115d SGB V „Notfallbehandlung im Krankenhaus“ Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 18 Forderungen der DKG - im Rahmen der aktuellen Gesetzgebung Kleine Lösung (falls große Lösung nicht aufgegriffen wird): - Eigenständiger Anspruch der Krankenhäuser auf eine Vergütung gegenüber Kassenärztlichen Vereinigungen gesetzlich verankern - Finanzierungslücke schließen = Zuschläge für Krankenhäuser = Verpflichtung des ergänzenden Bewertungsausschusses, sachgerechte Vergütung für die Krankenhäuser zu vereinbaren = Investitionskostenabschlag abschaffen Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 19 Aktuelle gesetzliche Änderungen GKV-Versorgungsstärkungsgesetz: (Inkraftgetreten am 23.07.2015) - Kassenärztliche Vereinigungen behalten den Sicherstellungsauftrag für die Versorgung in den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst) Kassenärztliche Vereinigungen werden zur Kooperation mit den Krankenhäusern verpflichtet Krankenhausstrukturgesetz (KHSG): (In der Fassung des Regierungsentwurfes) - § 75 SGBV § 120 SGBV Investitionskostenabschlag für ambulant erbrachte ärztliche Leistungen der Krankenhäuser wird von 10% auf 5% reduziert Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 20 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Bingen 29.09.2015 Dipl. Volkswirt J. Burger - Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. - 21
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