Kurzpredigt zur Taufe am 20.09.2015, Pfrin. Helga Lamm-Gielnik Es ist nicht zum Schaden Liebe Tauffamilie, liebe Gemeinde, Nun lasst das Kind taufen, es ist nicht zum Schaden – an diese Worte erinnere ich mich, vor fast zwanzig Jahren ausgesprochen von Tante Luise. Bei einem Familientreffen. Für die damals auch schon an die 80 Jahre alte Dame war das gar kein Thema: das Kind wird getauft. Meine Schwester wollte noch warten, wollte ihrem Kind später die Entscheidung überlassen. Ich erinnere mich an eine angeregte Diskussion in Tante Luises engem Wohnzimmer über das Thema. Bei Schwarzwälder Kirschtorte saßen wir engnebeneinander auf dem vorsintflutlichen Sofa, aber unsere Meinungen zum Thema gingen weit auseinander. Meine Schwester, die mit der Kirche gar nichts am Hut hatte, meine Tante, die im Laufe ihres Lebens Furchtbares erlebt hat, eine starke Frau, es kommt mir so vor, als habe ihr ihr Glaube zu dem erstaunlichen Zutrauen verholfen, mit dem sie durchs Leben ging. Jedenfalls also große Diskussion unter den Generationen einer Familie über die Taufe, ob ja oder nein, und wenn ja, wann. Vielleicht haben Sie, liebe Tauffamilie auch diskutiert, ob Sie Ihr Kind zur Taufe bringen sollen, und vielleicht waren bei Ihnen auch verschiedene Generationen an der Diskussion beteiligt waren. Gewiss aber haben Sie miteinander nachgedacht darüber und die Argumente abgewogen. „Es ist nicht zum Schaden“. Man muss unwillkürlich lächeln über die Logik, oder besser, Unlogik des Satzes. Es ist nicht zum Schaden: für sich gesehen ist das natürlich überhaupt kein Argument, um etwas zu tun. Schon gar nicht, sich einem solch uralten Ritus zu unterziehen, einem Ritus, den viele Menschen überhaupt nicht mehr verstehen. Euer Kind wird getauft? Da erntet man heutzutage nicht selten Unverständnis oder ein spöttisches Lächeln. Aber seltsam: So modern sich unser Leben im 21. Jahrhundert auch gestaltet: dieser archaische Ritus „Taufe“ stirbt nicht aus. Immer neu erleben wir die besondere Stimmung in der Kirche, sobald eine Familie mit ihrem Kind zur Taufe kommt: das kleine Kind im Mittelpunkt empfängt die geballte Zuwendung der Gemeinde. Wenn der Pate oder die Mutter das Köpfchen des Kindes über das Taufbecken hält, wenn dreimal Wasser darauf geträufelt wird, sind alle hellwach. „Clara, ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes“, im selben Atemzug werden der Name des Kindes und der Name Gottes genannt, das Bezeichnen der Stirn mit dem Zeichen des Kreuzes, nicht nur Handys werden zum Fotografieren gezückt, sondern manchmal sieht man auch feuchte Augen. Uralt ist die Taufe, älter noch als das Christentum. Als Erster taufte ein jüdischer Prophet namens Johannes, uns bekannt als der Täufer Johannes. Er glaubte, das Weltende sei nahe. Deshalb rief er seine Zeitgenossen zur Umkehr auf. Mit einem Bad im Fluss Jordan sollten sie sich für das bevorstehende Gericht Gottes reinigen. Muslime bereiten sich heute noch mit solchen Reinigungsritualen auf ihr gebet vor. Das Neue an der Taufe aber war, und das ist auch der grundlegende Unterschied zum Reinigungsritual der Muslime: die Taufe gilt für alle Zeiten. Man muss sie nicht wiederholen, man muss sich nicht immer wieder reinigen. Die Taufe in unserm christlichen Verständnis wäscht auch nicht nur die Sünde ab, sondern der Täufling empfängt bei der Taufe einen neuen Geist. Der Reformator Martin Luther hat in seiner kernigen Sprache ganz drastisch formuliert: in der Taufe werde täglich unser alter Adam ersäuft. Luther meinte damit, dass ein Mensch zwar nur einmal in seinem Leben getauft wird, dass sich aber das, worauf die Taufe hinweist, täglich wiederholt. Der alte Adam: damit bezeichnete Luther zerstörerische Kräfte, die den Menschen in die Enge treiben, ihm den Mut und die Orientierung rauben, Kräfte, die uns in Abhängigkeiten verstricken und ein freies Leben behindern. Der alte Adam wird also ersäuft, um neuem Leben Raum zu schaffen. Luther hatte ganz alltägliche Erfahrungen im Sinn: Jemand findet plötzlich einen Ausweg aus einer Sackgasse. Er ist stark in einer Situation, die eigentlich zum Verzweifeln ist. In ihm wächst eine Kraft, von der er nicht weiß, woher sie eigentlich kommt. Im Laufe der Kirchengeschichte hat die Taufe viele Bedeutungen erhalten. Die ersten Christen haben z.B. unter dem Eindruck der beginnenden Christenverfolgung sogar von der Taufe als einem Siegel gesprochen: die Taufe versiegelt den Menschen gegen die Angriffe böser Mächte. Man kann diese alte Denkweise in moderner Sprache ausdrücken: Nichts kann dir die Seele rauben. Das ist eine schöne Vorstellung, die ermutigt: Nichts kann dir die Seele rauben. Gottes heilende Kraft ist immer stärker als die des Bösen, egal was passiert. Liebe Tauffamilie, liebe Gemeinde, es ist nicht zum Schaden? Nein, es schadet nicht, sondern im Gegenteil: die Taufe hilft, allen Schaden zu überstehen. In der Taufe eines Kindes bringen wir zum Ausdruck, dass es aus Gott Lebenskraft gewinnt, dass es aus der schöpferischen, lebensfördernden und rettenden Kraft Gottes leben darf. Es ist nicht zum Schaden: diesen Ausspruch meiner Tante Luise möchte ich umformulieren: Nichts kann nun noch schaden. In der Taufe wird einem Menschen das Ja Gottes zugesprochen: Du Kind, bist von Gott bejaht und bedingungslos akzeptiert. Dieses unbedingte Ja kann Menschen zu Optimisten machen und ihnen ein großes Zutrauen schenken. Ein Zutrauen, das hilft das Leben aufrecht und mutig zu leben und allen Schaden zu überstehen. In dies Zutrauen möge Ihre kleine Clara hineinwachsen, in das Zutrauen zu sich selbst, zu Gott und zum Leben. Einem Kind in dies Zutrauen hineinzuhelfen, ist eine schöne und schwere Aufgabe. Gott möge Sie dabei segnen und Sie als Familie in allem stärken. Amen.
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