1/6 Mt 11,11-19 Becker, Michael | Werkstatt für Liturgie und Predigt 24.06.2015 Johannis | Ansprache am Tag Johannes des Täufers, 24. Juni zu Matthäus 11,11-19 (Reihe V) * Exegetische Vorbemerkungen Der Text Matth. 11,11-15 ist um vier Verse verlängert worden und bleibt Predigttext in der Reihe V. Die Verlängerung ist richtig. Der Bezug zum Fest des Johannes, dem Täufer, wird sehr viel deutlicher zum Ausdruck gebracht. Das Verhältnis von Jesus und Johannes ist enger, als es in den Evangelien anklingt. Immerhin sind sie verwandt (Lukas 1,36). Begegnet sind sie sich – geht man von den biblischen Texten aus – nur bei der Taufe Jesu durch Johannes. In der Kindheit und Jugend sind aber viel mehr Begegnungen vorstellbar, auch wenn Marias „Tante, Base“ Elisabeth wohl schon deutlich älter war als Maria. Danach wäre Jesus und Johannes immerhin Cousins. In der Jesusrede Matth. 11,11-19 wird Johannes als „größter“ bezeichnet, wenn auch ein Kind im Himmel noch größer sein kann. Zugleich werden die Menschen seiner Zeit von Jesus hart angegangen. Liest man genau, hat Jesus etwa gesagt: Ihr wisst nicht, was ihr wollt; andere wissen und tun nicht, was ihnen gesagt wird. Und schließlich: Ihr fällt die falschen Urteile - sowohl über Johannes, als auch über Jesus. * Zugang zur Ansprache Manchmal ist Jesus schroff. Dann werden seine Worte schärfer. Unentschiedenheit, andauernder Wankelmut oder gar Zynismus sind ihm ein Gräuel. Umgekehrt liegt Jesus Johannes gerade wegen seiner Entschiedenheit. Entschiedenheit ist Liebe, auch wenn sie nicht lieb klingt. Wenn Jesus indirekt fragt: Und was wollt i h r?, will er zur Klarheit einladen. 2/6 * Ansprache zu Matthäus 11,11-19 (Lesung des Textes am Ende von 1.) Wer liebt, ist nicht nur lieb 1. Wer liebt, ist nicht nur lieb. Und Liebe ist nicht nur Zuckerschlecken, sondern oft schwere Arbeit. Wenn wir davon ausgehen, dass Johannes und Jesus die Menschen liebten, zu denen sie sprachen, dann fällt auf, dass sie manchmal sehr schroff sein konnten. Auch das verträgt die Liebe; auch so muss sie manchmal sein: schroff. Selbst wenn Liebe womöglich vieles verzeihen oder sogar übersehen kann – eins verträgt sie nicht: wenn mit ihr gespielt wird. Wenn sie behauptet, aber nicht getan wird. Liebe ist ernst, auch wenn sie schön oder ein Rausch ist. Und sie wird schroff, wenn einer oder eine sie nur zum Schein in den Mund nimmt. Jesus ist nicht nur lieb. In der Liebe geht es immer ums Ganze, deswegen kann Jesus sehr ernst werden. Heute ist er es. Sein Verwandter, Johannes der Täufer, vielleicht sein Cousin, sitzt im Gefängnis. Der König Herodes hat ihn verhaften lassen. Johannes hat Angst und verliert seine Hoffnung. Er fragt sich, ob er alles falsch gemacht hat. Jesus versucht, ihn zu beruhigen. Er lässt Johannes ausrichten: Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert. Als die Boten zu Johannes auf dem Weg sind, wird Jesus noch deutlicher. Zu denen, die gerade bei ihm stehen, sagt er: Lesen des Textes. 2. Hier geht es ums Ganze. Wer liebt, ist nicht nur lieb, sondern auch klar. Klare Kante, nannte das mal ein Politiker (Franz Müntefering). Es geht um Klarheit. Johannes ist die Klarheit, sagt Jesus. Er schwankt nicht wie ein Rohr im Wind, er passt sich weder äußerlich noch innerlich den Mächtigen an. Er verkündigt das Himmelreich und lebt entschieden und genau so, wie er es von anderen erwartet. Mehr Klarheit geht nicht. Hier wird nicht geschmust und nicht Verständnis vorgemacht, hier wir klar gesagt: Entweder – oder. Für oder gegen. Jesus oder nicht. Wer liebt, will Klarheit. Und fragt sich: Wird er, unter allen Umständen, auch geliebt? 3/6 3. Was wollt ihr, fragt Jesus hier seine Zuhörer auf dem Umweg über Johannes den Täufer. Was wollt i h r? Johannes ist der Eindeutige. Die einen machten sich über ihn lustig, die anderen schauten einfach weg, wieder andere zögerten, ein paar ließen sich taufen – und schließlich gab es sofort auch etliche, die ihm nachstellten und ihn ins Gefängnis wünschten. Was immer geschah, Johannes blieb klar. Er schwankte nicht. Er machte keine Kompromisse mit der Welt, die ihm zusetzte. Um des Reich Gottes willen gibt es keine Kompromisse. Man kann nicht glauben und hoffen, was einem gefällt. Man kann sich Gott nicht zurechtglauben. Er ist die Liebe; aber die Liebe ist nicht nur lieb. 4. Was wollt i h r?, fragt Jesus. Wir entschieden seid ihr? Eine gute Frage wie diese ist oft mehr wert als zehn schnelle Antworten. Und ich wünschte mir, ich selber und wir alle würden uns diese Frage Jesu häufiger gefallen lassen: Wie entschieden seid ihr? Gibt es in meinem Glauben, Lieben und Hoffen viel Ich und dann noch ein bisschen Gott dazu? Welcher Wille gilt im Zweifel – meiner oder Gottes Wille? Ich weiß keine Antwort für immer. Ich weiß nur, dass ich schuldig werde. Und ich weiß, wie Jesus dachte und lebte: Im Zweifel für Gott. Im Zweifel für die Liebe, auch wenn sie mal nicht lieb sein kann. Im Zweifel für eine klare Haltung, auch wenn ich die erst mühsam finden muss. Und dann auch noch vertreten muss gegenüber denen, die mich womöglich auslachen oder einen „Spinner“ nennen. 5. Jesus ist nicht nur lieb. Manchmal verlangt er, fordert. Und bittet mit deutlichen Worten um meine Klarheit. Ich muss nicht zweifelsfrei sein, das nicht. Johannes, die Jünger, die Frauen und Jesus selbst hatten manche Zweifel am gütigen Gott. Jesus erwartet aber, dass ich mich nicht dem Zweifel hingebe, sozusagen auf ihm ausruhe, sondern im Zweifel auf Gottes Seite bleibe. Also auf Seiten der Liebe. Auch wenn es wehtut. 4/6 Wer liebt, ist nicht nur lieb. Leben nach Gottes Willen ist oft schwere Arbeit, wie man an Johannes sieht. Liebe nach Gottes Willen drückt sich nicht, möglichst nicht, vor nichts. Sondern sagt und tut, was um Gottes willen gesagt und getan werden muss: Kein Mensch ist sein eigener Herr; kein Menschen hat das Recht, andere zu entwürdigen; kein Mensch hat es verdient, entwertet zu werden. Wer an Gott glaubt, weiß um die Heiligkeit des Menschen. Jedes Menschen. Auch des Schlimmsten. Wer das denkt und sagt und lebt, wird vielleicht nicht zurückgeliebt, tut aber der Liebe einen Gefallen. Liebe lebt nicht davon, dass sie lieb ist. Sie lebt davon, dass sie entschieden ist. Es ist die Haltung, die den Himmel bringt. Wie bei Johannes. Michael Becker [email protected] 5/6 Diese Predigthilfe wurde zur Verfügung gestellt von: Werkstatt für Liturgie und Predigt Die „Werkstatt für Liturgie und Predigt“ erscheint seit 25 Jahren im Bergmoser + Höller Verlag AG (www.buhv.de) Die „Werkstatt für Liturgie und Predigt“ bietet Pfarrerinnen und Pfarrern, Vikarinnen und Vikaren, Prädikantinnen und Prädikanten ein komplettes Predigtangebot für jeden Sonn- und Feiertag, bestehend aus: den Zugängen zum Sonn-/Feiertag, zum Predigttext und zur Predigt den Kontexten zum Predigttext und/oder zum Thema des Sonntags aus Literatur, Wissenschaft, Publizistik, Radio und TV, Zeitungsanzeigen und Werbung ● Wochenandachten zum Monatsspruch und zum Predigttext, verbunden mit einem Thema der Woche ● einer ausformulierten Predigt zum Predigttext; als „Steinbruch“ oder als Grundgerüst Ihrer eigenen Predigt. Keine Allgemeinplätze oder theologische Vorlesungen, sondern der persönliche Zugang der Verfasserin oder des Verfassers zum Predigttext in einer konkreten und lebendigen Sprache. ● einem kopierfähigen Bild (Grafiken, Fotos, Cartoons, Holzschnitte, Radierungen ...) plus einer Bildbetrachtung zum Predigttext: vielfältig auch außerhalb des sonntäglichen Gottesdienstes einzusetzen. ● einem Liturgieblatt (handlich auf DIN A5 zu falten und problemlos im Gottesdienst mitzuführen) mit allen Gebeten, Psalmen und Liedvorschlägen ● ● Die „Werkstatt für Liturgie und Predigt“ erscheint monatlich (zwei Monate vor dem Predigtanlass) in einen Umfang von 48-72 Seiten DIN A4. Alle Texte und Bilder finden Sie auf der beiliegenden CD. Für die „Werkstatt“ schreiben rund 80 Autorinnen und Autoren aus dem deutschsprachigen Raum. Herausgeber Pfarrer Michael Becker, Kassel Redaktionsbeirat Martin Drusel, Christiane Nolting, Rita Lischewski, Claudia Scharschmidt, 6/6 Matthias Wöhrmann, Ute Zöllner Bezug Ein Jahresabonnement (11 Ausgaben, davon ein Doppelausgabe) kostet 136,80 Euro, Auszubildende, Vikarinnen und Vikare erhalten eine 25 %-Rabatt. Die „Werkstatt“ kann über den Buchhandel oder den Verlag ( www.buhv.de) bezogen werden. Abonnent/-innen der „Werkstatt für Liturgie und Predigt“ beziehen die „Werkstatt premium“ (die wöchentliche, aktuelle Predigt zum Thema der Woche) zum halben Preis. Mit der „Werkstatt premium“ erhalten Sie jeweils am Donnerstag online für den darauffolgenden Sonntag eine aktuelle Predigt plus Fürbitten zu einem Thema aus Politik, Gesellschaft oder Kultur.
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