Pflanzgut aus Schleswig-Holstein für die ganze Welt

Pflanze
■ BAUERNBLATT l 5. Dezember 2015
Qualitätsstandards für Kartoffeln auf hohem Niveau
Pflanzgut aus Schleswig-Holstein für die ganze Welt
Kartoffeln gehören zum deutschen
Kulturgut.Ausderschleswig-holsteinischen Küche sind sie nicht wegzudenken. Da gibt es viele LieblingssortenmitdenschönenNamen,Belana‘,
,Annabelle‘ und viele andere mehr.
Damit die gute Qualität der Speisekartoffeln erhalten bleibt, wird von
Landwirten für die Produktion Kartoffelpflanzgut eingesetzt. Dieses
PflanzgutwirdinSchleswig-Holstein
auf einer Fläche von rund 2.070 ha
erzeugt. Damit ist der Anbau in
Schleswig-Holstein nur kleiner als in
Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern. Pflanzkartoffeln unterliegen strikten Kontrollen. Jens und Carsten Mohr l (v. li.) iefern Pflanzkartoffeln in die ganze Welt.
Die gesetzlichen Grundlagen für
Anbau, Anerkennungsbestimmungen und Kontrolle für Pflanzkartoffeln sind im Saatgutverkehrsgesetz
sowie der Pflanzkartoffelverord-
nung geregelt. Die Pflanzgutkontrollen werden von der Landwirtschaftskammer durchgeführt.
Ab November beginnt die Hauptvermarktungszeit von Pflanzkartof-
feln wie zum Beispiel auf dem Betrieb der Cousins Jens und Carsten
Mohr in Hellschen-Heringsand in
Dithmarschen. Der Betrieb vermarktet große Teile des Pflanzgutes auch
in Drittländer. Als Pflanzkartoffel
geht die Sorte ,Spunta‘ beispielsweise ausschließlich nach Ägypten. In
Deutschland wird diese Sorte als
Speisekartoffel nicht nachgefragt.
Die Ägypter lieben sie dagegen, berichten die Cousins Jens und Carsten
Mohr.
Hauptanbaugebiet für Pflanzkartoffeln in Schleswig-Holstein ist die
Westküste (Dithmarschen und Nordfriesland). Die in Schleswig-Holstein
erzeugten Kartoffeln haben aufgrund der Gesundlage eine besonders gute Qualität und sind weltweit
gefragt: „Wir bauen seit über 20 Jahren auf unseren Marschböden entlang der Nordseeküste Pflanzkartoffeln an. Dies ist eines der besten Vermehrungsgebiete in Europa. Die milden Sommer hier und die ganzjährig
gut verteilten Niederschläge sorgen
für ein gleichmäßiges Wachstum der
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langer Zeit keinen Befall mehr in
Schleswig-Holstein. Wenn die Erreger jedoch nachgewiesen werden,
bestehen lange Anbaupausen und
strenge Auflagen für den Landwirt.
Untersuchungen auf
dem Feld und im Labor
Melanie Ziebell, Landwirtschaftskammer, ist zuständig für die Pflanzkartoffelanerkennung in Schleswig-Holstein. Dafür zieht sie entsprechende Proben des
Pflanzgutes, wie hier auf dem Betrieb Mohr.
Fotos: Daniela Rixen
Kartoffeln. Zudem ist der Kleiboden toffelblätter und können Viren
der Westküste glücklicherweise für übertragen. Viren können zu groNematoden nicht der optimale Le- ßen Ertragseinbußen bei Kartoffeln
bensraum, unter anderem wegen führen, weil sie über das Pflanzgut
der niedrigen Bodentemperaturen.“ weitergetragen werden. Aus diesem
Die Cousins Jens und Carsten Grund wird bei der Anerkennung
Mohr bewirtschaften über 800 ha von Kartoffelpflanzgut genau auf
Land an der Nordseeküste Dithmar- Viren untersucht“, erklärt Melanie
schens. Seit 2013 ist der Betrieb auch Ziebell. Außerdem werden auf dem
gleichzeitig VO-Firma. Das bedeutet, Feld auch andere Krankheiten wie
40 % der Pflanzkartoffelproduktion Schwarzbeinigkeit und Rhizoctonia
stammen von den elf benachbarten (Wurzeltöterkrankheit) visuell beurPartnerbetrieben. „Unsere 16.000 t teilt und nach der Ernte auf KrankPflanzkartoffeln exportieren wir heiten wie Ringfäule und Schleimweltweit, überwiegend innerhalb krankheit im Labor untersucht.
Die Bakterielle Ringfäule und
Deutschlands, aber auch nach Europa und Nordafrika und in den Mitt- Schleimkrankheit der Kartoffel zähleren Osten“, erzählt Landwirt Jens len zu den Quarantänekrankheiten.
Mohr. Er gewährleistet seinen Kun- Das bedeutet, dass bei Auftreten eines Befalls eine
den Pflanzgut höchsMeldepflicht geter Qualität. Die Vorgenüber der EU
aussetzung dafür ist
besteht.
Zwar
die
Anerkennung
sind die Krankder Pflanzgutpartien
heiten für den
durch die LandwirtMenschen unbeschaftskammer. Ohdenklich, bei den
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Anerkennung
Kartoffeln werdarf keine Knolle ins
den die Bakterien
Ausland vermarktet
aber allzu leicht
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übertragen und
Durch die Küstenüberdauern lannähe und die hier
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Westwinde ist der
an Säcken. Sie
Schädlingsdruck in
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leicht
Schleswig-Holstein
über Lentizellen
sehr gering, erklärt
Melanie Ziebell. Sie Dr. Bettina Golecki verantwortet und Verletzunist bei der Landwirt- die Untersuchung auf Quarantä- gen in die Kartofeindringen
schaftskammer zu- nekrankheiten im amtlichen Di- fel
beziehungsweise
ständig für die agnoselabor in Kiel.
von Mutter- zu
Pflanzkartoffelanerkennung und -gesundheit und be- Tochterknollen wandern. Wenn
richtet, welche Feinde die Pflanzkar- Quarantänekrankheiten auftreten,
toffel hat: „Besonders gefährliche können sie zu hohen Ernte- und LaSchädlinge sind die Blattläuse. Diese gerverlusten führen. Auch wegen
saugen an dem Pflanzensaft der Kar- der strikten Kontrollen gab es seit
Bis zum 15. Mai müssen Betriebe
ihre Kartoffelvermehrungsflächen
bei der Anerkennungsstelle (Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein) anmelden. Bevor die Kartoffeln gepflanzt werden, muss die Fläche auf Zysten der Kartoffelnematoden untersucht werden und frei von
diesen Quarantäneschaderregern
sein.
Zur Feldanerkennung besichtigen
14 ehrenamtliche Feldanerkenner
die Flächen in Schleswig-Holstein
mindestens zweimal vor der Ernte.
Hierbei wird auf Krankheiten, Sortenreinheit und auch auf Abstände,
Trennreihen und Ausschilderung geachtet. Auch die Vermehrer müssen
stetig ihre Kartoffelflächen begutachten und unerwünschte Pflanzen
inklusive Knollen herausselektieren.
Nach erfolgreicher Feldbesichtigung werden bei der Einlagerung
nach der Ernte Proben durch von der
Landwirtschaftskammer zugelassene Probenehmer gezogen, die anschließend im Labor untersucht werden. Melanie Ziebell und ihre Kollegen ziehen dafür je 3 ha 100 Knollen
für die Virustestung und je 2 ha 200
Knollen für die Bakterienuntersuchung. Die Testung der Knollen auf
die Bakterien dauert drei bis vier Tage. Am ersten Tag werden die Kartoffeln gewaschen und getrocknet.
Am zweiten Tag werden die getrockneten Knollen aufbereitet, am
dritten Tag läuft die PCR, und spätestens am vierten Tag erfolgt die Ergebnisübermittlung an die Anerkennungsstelle und den Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer.
Erst nach Erhalt der Ergebnisse kann
Melanie Ziebell die Pflanzkartoffeln
der Landwirte freigeben. Dann kann
die Ware abgesackt und etikettiert
werden. Sie ist somit versandfertig.
Laborleiterin Dr. Bettina Golecki
ist verantwortlich für die Untersuchungen der Knollen im Diagnoselabor der Landwirtschaftskammer am
Standort Kiel. Sie und ihr Team prüfen die gezogenen Proben mit je 200
Knollen auf Bakterielle Ring- und
Schleimfäule mittels eines molekularbiologischen Verfahrens, der PCR.
Die Methode beruht darauf, dass ein
bestimmter Anschnitt der Erbinformation (DNA), der jeweils spezifisch
für die genannten Bakterien ist, bei
Vorhandensein in der Probe verviel-
Hier werden die „Nabelenden“ für die
Quarantäneuntersuchung entnommen.
fältigt und sichtbar gemacht wird.
Jährlich werden in der phytopathologischen Diagnostik der Landwirtschaftskammer rund 1.400 Pflanzkartoffelproben im Rahmen des
amtlichen Pflanzkartoffel-Anerkennungsverfahrens auf Bakterienerkrankungen untersucht. Die Untersuchungskampagne läuft von Anfang September bis Ende November.
Test auf
Schwarzbeinigkeit
Etwas Besonderes ist das neue
Real-Time-PCR-Gerät, das zur exakten Diagnose der Schwarzbeinigkeit
im Labor in Kiel eingesetzt wird. Die
Mit dem neuen Real-Time-PCR-Gerät
können Kartoffeln auf Schwarzbeinigkeit noch genauer untersucht werden.
Dank der Untersuchungen im Labor
der Landwirtschaftskammer wird der
Verbreitung von Schwarzbeinigkeit
vorgebeugt.
aggressive Form der Schwarzbeinigkeit, die durch den Erreger Dickeya
solani unter anderem über Pflanzgut
übertragen wird, kann so eindeutig
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identifiziert werden. Im Gegensatz
zur Bakteriellen Ring- und Schleimfäule zeigt sich die Erkrankung mit
Dickeya weniger am Pflanzgut, sondern entwickelt sich im Verlauf der
Vegetation. Mithilfe der neuen Technik können die Untersuchungsergebnisse des Pflanzenschutzdienstes der
Landwirtschaftskammer noch präziser und schneller vorliegen. Dies ist
ein wichtiger Fortschritt für die
Pflanzgutproduzenten in SchleswigHolstein, denn die Untersuchung auf
Schwarzbeinigkeit wird häufig für
den Export der Pflanzkartoffeln vorausgesetzt und ist für den eigenen
Zuchtaufbau essenziell.
Virenuntersuchung
bei Kartoffeln
Außerdem wird das Kartoffelpflanzgut im Labor auf Viren mithilfe des Elisa-Tests untersucht. Dazu werden die Proben mit je 100
Knollen, die bei jedem Landwirt
für die Virusuntersuchung entnommen wurden, zu einem Dienstleister gebracht. Dort wird je ein
Auge pro Knolle entnommen, eingepflanzt und im Gewächshaus als
Kartoffelpflanzen angezogen. Der
Pflanzensaft der Kartoffelblätter
wird dann im Labor auf Viren getestet.
Warum die Kontrollen
so strikt sind
Erst wenn alle Besichtigungen
und Untersuchungen keine Beanstandungen ergeben haben, dürfen
die Etiketten für die Ware gedruckt
werden. Vor der Abpackung in Säcke, Kisten oder Big Bags wird die
Ware nochmals sortiert und vom
Pflanzengesundheitsdienst begutachtet. Schließlich sind die Kartoffeln fertig für den Versand. Sie werden von Lkw abgeholt und dann
entweder direkt zum Kunden ins Dann ist es jedoch nicht die Sorte
Ausland gefahren oder per Contai- ,Spunta‘, hierzulande beliebt ist die
nerschiff weitertransportiert. Dith- Sorte ,Princess‘.
marscher Pflanzkartoffeln kommen
Daniela Rixen
häufig als ägyptische SpeisefrühkarLandwirtschaftskammer
toffeln im Frühjahr, bevor die inlänTel. 0 43 31-94 53-110
dische frühe Ware verfügbar ist, [email protected]
rück auf den deutschen Markt.
FAZIT
Pflanzkartoffeln stellen die erste
Station in der Lebensmittelkette
dar. Die Kartoffel wird in sämtlichen Verwertungsformen (Chips,
Speisekartoffeln, Trockenpulver,
Pommes, Stärke) am Ende vom
Menschen verzehrt. Kontrollen
sind im In- und Ausland gesetzlich
geregelt, um für den Verbraucher
qualitativ hochwertige Lebensmittel zur Verfügung zu stellen.
Bei einem Auftreten der Quarantäneschädlinge sind für den Be-
trieb durch Sperrung und Handelsbeschränkungen hohe wirtschaftliche Schäden zu erwarten.
Die Kartoffeln sind nicht mehr verwertbar und dürfen nicht in den
Verkehr gebracht werden. Gesundheitsschädlich für den Menschen sind sie jedoch nicht. Strikte
Kontrollen leisten einen Beitrag
dafür, dass das hohe Qualitätsniveau der Kartoffeln erhalten
bleibt. Damit kann der weltweite
Absatz gesichert werden.
Vorstellung von 17 EIP-Projekten in Schleswig-Holstein – Teil 6
Futter aus heimischen Eiweißpflanzen
Die regionale, tiergerechte Eiweißversorgung und damit die Ausweitung des Körnerleguminosenanbaus sind zentrale Fragestellungen sowohl im Rahmen der nationalen Eiweißstrategie als auch auf
konventionellen und ökologischen tierhaltenden Betrieben in
Schleswig-Holstein. Vor diesem
Hintergrund hat sich im vergangenen Jahr die operationelle Gruppe
„Heimische Eiweißpflanzen“ gegründet und ein Innovationsprojekt erarbeitet, das jetzt im Herbst
gestartet ist und mit EIP-Mitteln
Ernte der Ackerbohnen als GPS mit Feldhäcksler und Direktschneidwerk.
gefördert wird.
Die operationelle Gruppe besteht verbesserte Verwertung von einhei- ne liegen. Um ihren Futterwert auf
aus sechs Landwirten, der Saaten- mischen Eiweißpflanzen, vor allem den landwirtschaftlichen Betrieben
Union, der Union zur Förderung von innerbetrieblich, scheint hierfür der zu steigern, wird das technische VerÖl- und Eiweißpflanzen, der Land- Schlüssel zum Erfolg. Der Fokus wird fahren zur Wärme- und Druckbewirtschaftskammer sowie Wissen- in diesem Projekt auf der Ackerboh- handlung von Ackerbohnen mit einer mobilen Expanderanlage
schaftlern der Fachhochweiterentwickelt. Damit solschule (FH) Kiel. Die fachliche
len im Optimalfall die VerdauProjektleitung liegt bei der
lichkeit der Futtermittel erFH, Lead-Partner für das Prohöht und der Anteil antinutrijekt ist die Landwirtschaftstiver Inhaltsstoffe gesenkt
kammer Schleswig-Holstein.
werden.
Ziel des Projektes ist es,
Erste Arbeitsschritte haben
den Anbau von Körnerleguim Projekt in den vergangeminosen im konventionellen
nen Wochen bereits stattgewie auch im ökologischen
funden: Es wurden vorbereiLandbau erfolgreicher zu
tende Gespräche mit den teilmachen und so den Einsatz
heimischer Körnerlegumino- Ackerbohnenbestand im August 2015 in der Elb- nehmenden Landwirten hinsen deutlich zu steigern. Eine marsch.
Fotos: Martin Meinert sichtlich der Versuchsplanun-
gen geführt und Kontakt zu verschiedenen Unternehmen aufgenommen, die die notwendigen Maschinen und Geräte zur Durchführung der Versuche liefern sollen.
Ergebnisse sind schon im Frühjahr
zu erwarten, wenn der mobile Expander das erste Mal im Einsatz war.
In den nächsten Monaten sind erste
Versuche mit der Aufwertung von
Futtermischungen, in denen Ackerbohnen enthalten sind, geplant.
Hier steht die Zugabe essenzieller
Aminosäuren im Vordergrund.
Ziel des Projektes ist es, eine konkrete Aussage zum Wert der untersuchten Körnerleguminosen im Vergleich zu anderen Eiweißfuttermitteln zu liefern. Auch die Futterwerte
für die Tierarten Rind, Schwein und
Huhn sollen analysiert und beurteilt
werden. Zudem soll gezeigt werden,
ob und in welchen Fällen das Expandieren von Körnerleguminosen aus
wirtschaftlicher und nutritiver Sicht
sinnvoll ist.
Prof. Dr. Hans-Joachim Laue
M.Sc. (FH) Karolina Brusdeilins
M.Sc. (FH) Dana Ohm
Carola Ketelhodt
Innovationsbüro EIP-Agrar
Schleswig-Holstein
Tel.: 0 43 31-94 53-114
[email protected]
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