Bernstein – Gold der Germanen

Halskette aus Lauchheim
„Wasserfurche“, Ostalbkreis,
Grab 909, 2. Hälfte des
6. Jahrhunderts
Collier aus Trochtelfingen,
Ostalbkreis, Grab 2,
2. Hälfte des 4. Jahrhunderts
Bernsteinanhänger mit Silberdrahtaufhängung vom Runden
Berg bei Bad Urach, Kreis
Reutlingen, um 500 n. Chr.
Halskette aus Lauchheim „Wasserfurche“,
Ostalbkreis, Grab 972,
um 500 n. Chr.
Löwenkopfgefäß aus Qatna
in Syrien, 2. Hälfte des
2. Jahrtausends v. Chr.
DIE BERNSTEINSTRASSE(N)
DAS COLLIER VON TROCHTELFINGEN
Handelswege der Bronze-, Eisen- und Römerzeit
Bernstein in Kombination mit blauen Glasperlen
IMMER EINE FRAGE DER MODE
Bernsteinschmuck der Merowingerzeit
Schon in der Bronzezeit muss es Handelswege zwischen Ostsee und
Nil gegeben haben, die die Enden der damals bekannten Welt verbanden. In einem weitgespannten Austauschsystem wurde das Gold
der Ostsee über die Alpen von Händlern zu Fuß, auf Ochsenkarren
oder auch zu Pferd transportiert. Diese wichtigen Handelsrouten
bezeichnet man auch als Bernsteinstraße. Hauptproduktionsstätte
für Bernsteinobjekte war in der Eisen- und Römerzeit Aquileia an
der Adria.
Halskette aus Bergheim,
Kreis Dillingen an der Donau,
1. Hälfte des 5. Jahrhunderts
Beim Bau der NATO-Pipeline im Egertal bei Trochtelfingen, Ostalbkreis, wurden 2006 zwei frühalamannische Bestattungen des 4. bis
5. Jahrhunderts entdeckt. Diese dürften Angehörige einer Oberschicht
repräsentieren. Im Hals- und Brustbereich des Mädchens in Grab 2
aus der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts befanden sich zahlreiche Glasund Bernsteinperlen. Nach aufwändiger Restaurierung ließen sich
diese zu einem außergewöhnlichen, feingliedrigen Collier zusammenfügen, das aus gedrehten Ringperlen aus Bernstein unterschiedlicher
Größe und Stärke sowie zylindrischen, ringförmigen, polyedrischen
und achterförmigen Ösenperlen aus dunkelblauem Glas bestand.
Halsketten gehören im 6. und 7. Jahrhundert zu den geläufigsten
Inventaren von Mädchen- und Frauengräbern. Ihre Perlenkombinationen sind für die zeitliche Einordnung sehr wichtig und lassen
überregionale Modeströmungen, aber auch lokale Besonderheiten
erkennen. Dies gilt auch für die Verwendung von Bernsteinperlen,
auch wenn sie gegenüber den Glasperlen ihre Dominanz verlieren.
Gegen Ende des 6. und zu Beginn des 7. Jahrhunderts sind die Bernsteinperlen fast völlig aus der Mode gekommen.
MAGISCHER STEIN
Bernsteinschmuck aus Weingarten und Lauchheim
GOLD DER GERMANEN
Bernsteinschmuck bei Römern und Germanen
Rohbernstein war eines der wichtigsten Exportgüter der germanischen Stämme an der Ostseeküste. Eine einfache Bernsteinverarbeitung lässt sich dort schon im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr.
nachweisen. Gedrechselte Perlen, Ringperlen und achterförmige so
genannte Berlockperlen finden sich dagegen erst ab dem 3. Jahrhundert n. Chr., einer Zeit, in der sie als kostbare Bestandteile von
Halsketten auch in die Frauengräber gelangten. Auch in römischen Werkstätten wurde die Berlockform nach germanischem
Geschmack in dunkelblauem Glas hergestellt.
VON ORT ZU ORT VERSCHIEDEN
Amulettperlen bei Frauen und Männern
Halsketten aus Lauffen am Nekkar, Kreis Heilbronn, Grab 2,
Ende des 4. Jahrhunderts
Amulettperle mit Runeninschrift aus Weingarten,
Kreis Ravensburg, Grab 511,
1. Hälfte des 6. Jahrhunderts
Wie die Grabfunde zeigen, kommen Halsketten im 5. Jahrhundert
aus der Mode. Einzelne große Ringperlen werden jetzt in Brust- oder
Gürtelgehängen getragen und fungierten vermutlich als Amulette.
In der gleichen Zeit werden Bernsteine zum ersten Mal auch von
Männern verwendet. Als magische Schwertperle sollten sie offenbar
deren Träger schützen. Sie finden sich vor allem an den besonders
wertvollen Schwertern hochrangiger Gefolgschaftskrieger.
Die Reihengräberfelder von Weingarten, Kreis Ravensburg, und
Lauchheim „Wasserfurche“, Ostalbkreis, gehören mit 801 und 1.308
Gräbern zu den größten frühmittelalterlichen Friedhöfen Südwestdeutschlands. Sie wurden von der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts bis in
die Zeit um 700 genutzt und ermöglichen fundierte Aussagen zur
Entwicklung des Bernsteinschmucks. Neben den großen Modeströmungen lassen sich aber auch lokale Unterschiede feststellen, bis dann
mit dem Ende der Beigabensitte diese Informationsquelle versiegt.
ZWISCHEN MYTHOLOGIE UND
NATURWISSENSCHAFT
Tränen der Götter versus Kleiderbürste
Magische Vorstellungen und profane Verwendung als Schmuck- oder
Gebrauchsgegenstand sind seit der Antike zwei Facetten des Bernsteins. In seinem Epos „Metamorphosen“ erzählt der römische Dichter Ovid (43 v. Chr. bis 17 n. Chr.), dass sich die Heliaden, die Töchter des Sonnengotts, als sie um ihren Bruder Phaethon trauerten, in
Bäume verwandelten und ihre Tränen in Bernstein erstarrten. Die
Tatsache, dass sich Bernstein (griechisch: elektron) auflädt, wenn er
gerieben wird, war bereits dem griechischen Naturphilosophen
Thales von Milet (um 624 – 547 v. Chr.) geläufig, nach diesem Phänomen wurde später die Elektrizität benannt. Wohlhabende Griechen
befreiten mit Bernstein ihre Gewänder von Straßenstaub und Flusen.
Phaethon , der Sohn des
Sonnengottes, stürzt vom
Sonnenwagen.
Das kostbare Bernsteincollier einer Alamannin des 4. Jahrhunderts,
das 2006 im Egertal bei Trochtelfingen entdeckt wurde, soll nun
dauerhaft ins Alamannenmuseum nach Ellwangen kommen. Dies ist
ein willkommener Anlass, das Collier im Rahmen einer Sonderausstellung zum Thema Bernstein im Frühmittelalter zu präsentieren.
Dieser in der mediterranen Welt hochgeschätzte Rohstoff war ein
wichtiges Handelsgut der Germanen im Austausch mit den Römern
und wurde vor allem von der Ostsee über die Bernsteinstraße nach
Aquileia verhandelt.
URSPRUNG AN DER OSTSEE
Entstehung und Herkunft des Bernsteins
Vor 55 – 40 Mio. Jahren herrschte subtropisches bis tropisches Klima.
Es war eine der wärmsten Phasen der Erdgeschichte. Auf „Fennoscandia“, einem Gebiet, das etwa dem heutigen Skandinavien entsprach, breiteten sich riesige Urwälder aus. Stürme und Insektenbiss
verletzten die Bäume. Die Nadelbäume sonderten Harz ab, um die
Wunden vor Infektionen zu schützen. Regen spülte das verfestigte
Harz in Bäche und Flüsse. Meeresströmungen – die Ostsee bildete
sich vor 13.000 Jahren – und Gletscher verfrachteten das honigfarbene Gut an die Küsten der Ost- und Nordsee, insbesondere an
die Halbinsel Samland bei Kaliningrad.
Auch bei den Germaninnen der Völkerwanderungszeit galt der Bernstein als Statussymbol und wurde von ihnen in prachtvollen Ketten
sicherlich mit großem Stolz getragen. In der Merowingerzeit sind die
Bernsteinperlen nur noch Teil meist sehr aufwändiger Halsketten,
die vor allem von farbenfrohen und vielgestaltigen Glasperlen dominiert werden. Als Amulett am Gürtelgehänge von Frauen oder als
magische Schwertperle der Kriegerelite spielten sie aber weiterhin eine
wichtige Rolle.
Begleitprogramm
Aktionstage „Bernstein“
13. 9. 2015, 11 – 17 Uhr
Tag des offenen Denkmals
mit Handwerkervorführungen und
großem Schmuckverkauf
8. 11. 2015, 14. 2. und 20. 3. 2016
jeweils 13 – 17 Uhr
Führungen
am 4. 10. | 1. 11. | 6. 12. 2015
sowie 3. 1. | 7. 2. | 6. 3. | 3. 4. 2016
jeweils um 15 Uhr
Lichtbildvortrag
25. 11. 2015, 19.30 Uhr
Jeningenheim Ellwangen
Die Magie der Farben –
neueste Forschungsergebnisse
zum alamannischen Bernsteinund Glasschmuck aus Lauchheim
Corinna Eberth M.A.
Fotos:
Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium
Stuttgart, Yvonne Mühleis (3);
Deutsches Bernsteinmuseum Ribnitz-Damgarten (2);
Bernstein – Tränen der Götter (1996);
Löwenkopfgefäß Qatna: Nationalmuseum Damaskus,
Foto: Landesmuseum Württemberg, Stuttgart,
Peter Frankenstein/Hendrik Zwietasch;
Archäologische Staatssammlung München,
Manfred Eberlein;
Landesmuseum Württemberg, Stuttgart,
Peter Frankenstein/Hendrik Zwietasch (2)
Gestaltung:
Christina Faber
BERN
STEIN
gold der germanen
— Das Collier von Trochtelfingen —
Sonderausstellung
12. 9. 2015 bis 3. 4. 2016
Alamannenmuseum Ellwangen
Haller Straße 9 | 73479 Ellwangen
Telefon +49 7961 | 96 97 47
www.alamannenmuseum-ellwangen.de
Öffnungszeiten
Di – Fr
14 – 17 Uhr
Sa | So 13 – 17 Uhr
24., 25. und 31. 12. 2015 geschlossen
Alamannen
Museum
Ellwangen
Alamannen
Museum
Ellwangen
In die klebrige Harzmasse gerieten
bei der Bildung von Bernstein kleine
Tiere und Pflanzenteile. Aber nur
einer von Tausend Bernsteinen enthält ein Fossil. Dennoch sind aus der
Zeit der Bernsteinwälder 10.000
verschiedene Arten erhalten. Hier
eine im Bernstein eingeschlossene
Heuschrecke (Gottesanbeterin) aus
einem Tagebau bei Kaliningrad.