„Vereinfachte Aktiengesellschaft“: Durchbruch für

„Vereinfachte Aktiengesellschaft“: Durchbruch für Venture Capital in der
Slowakei
Am 12. November 2015 verabschiedete das slowakische Parlament eine Novelle des
Slowakischen Handelsgesetzbuches, durch welche eine gänzlich neue Rechtsform – die
„Vereinfachte Aktiengesellschaft“ (j.s.a.) – geschaffen wurde. Taylor Wessing Slowakei als
wesentlicher Mitverfasser und treibende Kraft hinter der Verabschiedung dieser
Gesetzesnovelle ist nach Monaten der intensiven Entwurfserstellung, des Brainstormings
mit dem Finanzministerium und dem Abhalten von Expertengesprächen mit dem
Justizministerium stolz darauf, diesen langen Weg beschritten zu haben und blickt nun
gespannt der Umsetzung entgegen.
Erstmals seitdem das Handelsgesetzbuch im Jahre 1991 (damals noch in der
Tschechoslowakei) verabschiedet wurde (unter Absehung von der verpflichtenden und nicht
ganz makellosen Umsetzung der EU-Rechtsträger – Societas Europea (SE) und
Europäische Genossenschaft (SCE)), hat der slowakische Gesetzgeber nunmehr den Mut
aufgebracht, dem slowakischen Gesellschaftsrecht neuen Schwung zu verleihen und eine
neue Rechtsform im slowakischen Rechtsformenkatalog zu verankern. Es handelt sich
hierbei allerdings auch um einen Durchbruch auf einer anderen Ebene: Der slowakische
Gesetzgeber trennt sich schließlich auch von der fortwährend erfolglosen Idee, durch
Verschärfung der Regelungen hinsichtlich (der Höhe) des Grundkapitals (das Grundkapital
einer j.s.a. hat auf mindestens EUR 1 zu lauten) dem Gläubigerschutz gerecht zu werden.
An dieser Idee hatte der Gesetzgeber lange Zeit festgehalten.
Das erklärte Ziel dieser Novelle - den Anforderungen und Bedürfnissen von Start-ups und
Venture Capital(ists) gerecht zu werden - sollte nun Ansporn für die Start-up-Szene sein,
auch wenn diese neue Rechtsform vielseitig einsetzbar sein wird. Als unternehmerische
Projekte, die sich der Struktur der j.s.a. bedienen werden, kommen vor allem sämtliche
Formen von Joint Venture Projekten in Betracht.
Worin besteht nun der Unterschied?
Zusammengefasst ist die „vereinfachte Aktiengesellschaft“ (j.s.a):

Schlank
Sie ist grundsätzlich eine schlanke Version der (herkömmlichen) Aktiengesellschaft mit
einem Grundkapital von mindestens EUR 1, einer Nominale pro Aktie von mindestens
Eurocent 1 und einer schlanken Struktur (damit auch adäquat für frühe
Entwicklungsphasen): ein Ein-Mann-Vorstand ist zulässig, ein Aufsichtsrat ist lediglich
optional und Umlaufbeschlüsse der Aktionäre sind ebenfalls möglich.

Flexibel und vertraglich ausgestaltbar
Dies kann als „Kernidee“ der neuen Gesellschaftsform verstanden werden: Die j.s.a.
verleiht den Aktionären tiefgreifende und im slowakischen Gesellschaftsrecht bisher nicht
da gewesene Möglichkeiten, ihre Beziehungen auf den folgenden Ebenen individuell
auszugestalten:
(i) Satzung – im Rahmen der j.s.a. können unterschiedliche Aktiengattungen ausgegeben
werden, welche den jeweiligen Aktionären wiederum unterschiedliche Rechte verleihen
(diese Rechte sind durch das Gesetz nicht ausdrücklich begrenzt) und wodurch
verschiedene Klassen von Aktionären, unter Berücksichtigung ihrer „Position“ und dem
Zeitpunkt des Erwerbs der Aktionärsstellung (e.g. Angestellte, Gründungsmitglieder,
Investoren) geschaffen werden können. Die Implementierung von BelegschaftsaktienProgrammen wird dadurch wiederum erleichtert; und
(ii) Syndikatsvereinbarungen: Syndikatsvereinbarungen können neben sämtlichen anderen
Vereinbarungen zwischen Aktionären, welche gesetzlich erlaubt sind, Regelungen
hinsichtlich drag-along- (Mitverkaufspflicht), tag-along- (Mitverkaufsrecht) und shoot-out
(deadlock) - Rechte enthalten. Die freiwillige Eintragung von drag-along- und tag-alongRechten in öffentlichen Registern zieht die verbesserte rechtliche Vollstreckbarkeit nach
sich.

Transparent
Elektronische Registrierung sämtlicher Aktien sowie sämtlicher Aktienübertragungen; im
öffentlichen Register online-abrufbare und bei den „Zentralverwahrern“ verwahrte Liste aller
Aktionäre.

Privat
Die „vereinfachte Aktiengesellschaft“ kann nicht an der Börse notieren oder ihre Aktien
öffentlich zum Kauf anbieten, ohne vorher in eine „reguläre“ Aktiengesellschaft umgewandelt
worden zu sein. Hierdurch soll der Anwendbarkeit von zahlreichen restriktiven
Kapitalerhaltungsverpflichtungen der Zweiten Gesellschaftsrechtsrichtlinie entgangen
werden.

Selbstdurchsetzend / Selbstvollziehend
Die „vereinfachte Aktiengesellschaft“ wirkt insofern selbstdurchsetzend und schützend für
Venture Capitalists, als ein im Register eingetragenes drag-along-Recht keiner separaten
gerichtlichen Durchsetzung oder der Durchsetzung im Rahmen eines Schiedsverfahrens
bedarf. Es wird des Weiteren erwartet, dass die geschaffenen Vorkehrungen in
Syndikatsvereinbarungen, gemeinsam mit der Anwendung des neuen Slowakischen
Schiedsverfahrensgesetzbuches (2015) und dem Wirken der slowakischen Schiedsgerichte,
die bisherige Situation in punkto Aktionärsstreitigkeiten ändern und es zu einer effizienten
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und zeitgemäßen Durchsetzbarkeit von Aktionärsrechten (Gründungsmitglieder und
Investoren) kommen wird.

Benutzerfreundlich - Vereinfachtes Zusammenführen von Unternehmen und
Investoren
Geringe Eintragungsvoraussetzungen und eine einfache Gesellschaftsstruktur (mit
oder auch ohne Aufsichtsrat) geeignet für frühe Entwicklungsphasen sowie eine
Vielzahl von Aktiengattungen und gesetzlich festgeschriebene drag-along- und tagalong-Bestimmungen für Investment-Konstellationen wurden entwickelt, um sowohl
die Bedürfnisse von Unternehmern als auch die Ziele und Strategien von Investoren
zu erfüllen.

Ab Jänner 2017 in Kraft
Auf den ersten Blick mag es enttäuschend erscheinen, dass die Gesetzesänderung
nicht bereits vor Jänner 2017 in Kraft tritt. Allerdings ist diese (nicht zuletzt auch für
die Slowakei) ungewöhnlich lange Übergangsphase notwendig, um neue öffentliche
Register, welche bei den „Zentralverwahrern“ geführt werden, zu etablieren und zu
implementieren. In der Zwischenzeit wird es entscheidend sein, dass die
Registrierungsgebühren auf ein vernünftig niedriges Niveau gesetzt werden.
Autor:
JUDr. Radovan Pala, LL.M., Partner bei Taylor Wessing Bratislava
T.: +421 2 5263 2804, E: [email protected]
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