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WEG WEISER
WEGWEISER 3/2015
Jahrgang 2015
WEG WEISER
In Zusammenarbeit mit
© Robert Kneschke - Fotolia.com
Deutscher Fitnessmarkt
im Aufwind
Wirtz, Walter, Schmitz & Partner
Rechtsanwälte · Steuerberater
Wirtschaftsprüfer
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WEG WEISER
WEGWEISER 3/2015
Impressum
Inhalt
Barometer :: Seite 4 – 6
Regional :: Seite 9 – 11
- Grippewelle 2013: Nachvergütungsverfahren
greift erstmals
- Nordrhein: Online-Pharmazieberatung für Ärzte
- Deutscher Fitnessmarkt im Aufwind
- Schätzerkreis: Zusatzbeiträge steigen 2016
- Zi-Studie: Einsparpotenzial bei
unnötigen Klinikaufenthalten
Talk :: Seite 6 – 7
- Studie: Präventionsgesetz eröffnet
neue Spielräume für IGeL
- eGK: Deutsche wollen mehr Funktionen
- Baden-Württemberg: Qualitätsnetz Kinzigtal –
Anerkennung nach Stufe II
- Hessen: Verbesserte Zahnvorsorge von
Schwangeren und Kleinkindern
International :: Seite 11
- OECD: Deutsches Gesundheitssystem – gut, aber teuer
Trend :: Seite 11 – 12
- Erstes Qualitätssiegel für Medical Apps
Fachrichtung :: Seite 7 – 9
- Großes Interesse an Online-Sprechstunden
- Erfolgskonzept VERAHmobil
Steuern, Recht & Betriebswirtschaft :: Seite 13 – 17
Allgemeinärzte
Fachärzte
- Sportmediziner – Neues Mannschaftsarztverfahren
- Psychotherapeuten – Kombination von Einzelund Gruppenangeboten möglich
- Hals-Nasen-Ohren-Ärzte – Tinnitus-App auf Rezept
Zahnärzte
- Einzelpraxis nach wie vor beliebt
WEGWEISER ist eine Co-Produktion von WWS
und der Rebmann Research GmbH & Co
KG. Ziel der quartalsweise erscheinenden
Publikation ist es, die niedergelassenen Heilberufler über relevante ökonomische, rechtliche
und steuerliche Entwicklungen in komprimierter
Form zu informieren und damit eine zusätzliche Hilfestellung für das Praxismanagement zu
geben. WWS ist dabei für die steuerlichen,
rechtlichen und insbesondere medizinrechtlichen Hinweise verantwortlich, während Rebmann Research auf ökonomische Marktanalysen im Bereich der Heilberufe spezialisiert ist
(siehe hierzu auch www.rebmann-research.de).
Die Angaben in diesem WEGWEISER erfolgen
nach sorgfältiger Prüfung und nach bestmöglichem Wissen. Die Herausgeber haften nicht
für deren Richtigkeit und für Schäden nur dann,
wenn diese auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit
zurückzuführen sind.
Wenden Sie sich bei Rückfragen bitte an:
WWS Wirtz, Walter, Schmitz GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Steuerberatungsgesellschaft
Wilhelm-Strauß-Straße 45-47
41236 Mönchengladbach
Telefon: 02166 971-0
Telefax: 02166 971-200
E-Mail: [email protected]
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WEG WEISER
WEGWEISER 3/2015
Liebe Leserinnen und Leser
unseres Wegweisers!
Dr. Axel Knoth
Wirtschaftsprüfer,
Steuerberater
Josef Heithausen
Steuerberater
Richard Neuen
Steuerberater
Detlef Krapohl
Steuerberater
Christof Büchler
Steuerberater
Torsten Lambertz
Wirtschaftsprüfer,
Steuerberater
Dr. Stephanie Thomas
Rechtsanwältin, Steuerberaterin,
Fachanwältin für Steuerrecht
Rolf Milla
Rechtsanwalt
Oliver Weger
Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Medizinrecht
Rebekka De Conno
Rechtsanwältin,
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Anscheinend…
erwecken viele Freiberufler den Eindruck, nur scheinbar unternehmerisch tätig zu sein.
Die Praxis, für bestimmte Tätigkeiten freie Mitarbeiter zu beauftragen, scheint bei den
Renten- und Sozialversicherern grundsätzlich den Verdacht nahe zu legen, dass es
dabei nicht mit rechten Dingen zugeht. Unternehmen, die Aufträge oftmals allein an
Selbstständige vergeben, geraten offensichtlich unter Verdacht, sich damit die Zahlung von Steuern und Sozialabgaben sparen zu wollen. Anhand welcher Kriterien der
Prüfer eine Scheinselbstständigkeit als gegeben ansieht und welche Konsequenzen
daraus resultieren, erklärt unser Wegweiser in dieser Ausgabe.
Apropos Kriterien: Falls Sie sich den Traum vom papierlosen Büro erfüllen möchten,
scheint es möglich, dass Sie diesem einen großen Schritt näher kommen. Unter Einhaltung gewisser Regeln, können Sie Papierbelege dem Aktenvernichter überlassen,
Ihre alten Archive leeren und auch elektronische Rechnungen verwenden. Welche
Kriterien zu erfüllen sind, um rechtssicher Ihren Aufbewahrungspflichten nachzukommen, erfahren Sie hier. Der bevorstehende Jahreswechsel bietet sich für die Umstellung ins digitale Zeitalter an, da dieser in der Regel auch den Beginn eines neuen
Geschäftsjahres bedeutet.
Ihre WWS wünscht Ihnen einen erfolgreichen Jahresendspurt und freut sich auf ein interessantes Jahr 2016, das scheinbar noch weit entfernt ist, aber anscheinend bereits
vor der Tür steht…
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Barometer
Das Barometer zeigt wichtige Daten, die im letzten Quartal im Zusammenhang
mit Haus-, Fachärzten, Zahnärzten sowie Apothekern und im stationären Bereich veröffentlicht wurden. Sie fundieren die Beratung und erlauben eine bessere Einschätzung der aktuellen ökonomischen Entwicklung in dieser Branche.
Deutscher Fitnessmarkt im Aufwind
Der deutsche Gesundheits- und Fitnessmarkt entwickelt sich weiterhin vielversprechend. Dies zeigt
die Studie „Der deutsche Fitnessmarkt 2015“ von Deloitte, dem Arbeitgeberverband deutscher
Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV) und der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG). So umfasste der Markt in Deutschland Ende 2014 bereits 8.026
Fitnessstudios. Bei den Mitgliedern ergab sich gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um rund
530.000 (+6,1 %), wodurch eine Rekordmitgliederzahl von bundesweit 9,1 Mio. erreicht wurde.
Eine weitere Studie („European Health & Fitness Market“), die ebenfalls mit Beteiligung von Deloitte sowie EuropeActive entstand, belegt die starke Position der Fitnessbrache in Deutschland.
So umfasste der deutsche Markt im vergangenen Jahr europaweit die meisten Mitglieder (Anteil
von 18,2 % der insgesamt 50,1 Mio. Mitglieder in Europa) und zeichnet sich durch eine hohe
Angebots- und Preisdynamik aus. Der Studie zufolge verfügen in Europa neben Deutschland
insbesondere England, Frankreich, Spanien und Italien über die meisten Mitglieder (vgl. Abb. 1).
Ausgehend von der Penetrationsquote, die in Deutschland nur im Bereich des europäischen Mittelfelds liegt, sehen die Autoren der Studie hierzulande weitere große Marktpotenziale. Bezüglich
der Angebotsentwicklung lassen sich – unter anderem infolge des Wandels der Konsumentenbedürfnisse – drei wichtige Entwicklungen beobachten:
■ Anhaltende Polarisierung der Preissegmente in Form einer steigenden Zahl sowohl von Discount- als auch von Premiumanbietern.
■ Angebotsdiversifikation in Form des Fortbestehens der klassischen Full-Service-Anbieter
sowie der Entwicklung von Special-Interest-Angeboten wie Mrs.Sporty (Frauenzirkeltraining), Bodystreet (Elektromuskelstimulation) oder CrossFit.
■ Digitalisierung in Form von Fitness-Apps für Smartphones, Tablets und Smart TVs. Ende
2014 gab es bereits 358.000 registrierte Nutzer von Online-Fitness-Anbietern, von denen
rund 64.200 für die aktive Nutzung der digitalen Angebote eine Monatsgebühr zwischen
rund fünf und 15 € bezahlten.
Deloitte zufolge gewann der Markt in den vergangenen Jahren insbesondere durch die aufstrebenden Fitnessketten an Dynamik. Diese bauten ihren Marktanteil zunehmend aus, wobei neue
Fitnessformate wie „High5“ von McFIT oder „re-level“ von Fitness First künftig für weitere Veränderungen sorgen werden. Einer Prognose des Arbeitgeberverbandes deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) zufolge soll der Markt im Jahr 2020 mehr als 12 Mio. Mitglieder zählen.
Abb. 1 – Europavergleich: Mitglieder und Anteil von Fitnessmitgliedern zu Einwohnern
(Penetrationsquote) 2014
10 Mio. €
8 Mio. €
15 %
12,9 %
12 %
11,2 %
10,2 %
6 Mio. €
9,08 Mio. €
4 Mio. €
8,30 Mio. €
2 Mio. €
0 Mio. €
Deutschland
England
9 %
7,8 %
7,5 %
6 %
4,96 Mio. €
4,89 Mio. €
4,74 Mio. €
Frankreich
Spanien
Italien
Penetrationsquote
3 %
0 %
Mitglieder
Quelle: Deloitte (2015) Grafik: REBMANN RESEARCH
Der kontinuierlich wachsende Fitnessmarkt bietet auch für niedergelassene Ärzte Potenziale. Mediziner haben beispielsweise die Möglichkeit, sich im Bereich Fitness- und Gesundheitssport
weiterzubilden. Entsprechende Konzepte werden unter anderem von der Deutschen Gesellschaft
für Sportmedizin und Prävention (DGSP) angeboten, welche den Ärzten die notwendigen Kenntnisse für eine Tätigkeit in Fitness- und Gesundheitsanlagen vermittelt. Im Wesentlichen ergeben
sich für Mediziner folgende Kooperationsmöglichkeiten mit einem Fitnessstudio, wobei der Preis
für die erbrachten Dienstleistungen meist zwischen dem Arzt selbst und dem Studiobetreiber
ausgehandelt wird:
■ Sportärztlicher (Eingangs-)Check für Neumitglieder und bereits Trainierende
■ Seminare, Workshops, Informationsveranstaltungen, zum Beispiel in den Bereichen Prävention, Rehabilitation und Gesundheitssport
■ Kurskonzepte, zum Beispiel rückengerechtes Verhalten, bewusste Ernährungsumstellung
■ Interne Schulungen für das Betreuungspersonal nach dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse
Ärzte, die Angebote in diesen Bereichen planen, sollten jedoch im Vorfeld unbedingt ihren Steuerberater konsultieren, um unerwünschte steuerliche Auswirkungen (z. B. eine gewerbesteuerliche
Infizierung der Praxiseinnahmen) zu vermeiden.
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Grippewelle 2013: Nachvergütungsverfahren greift erstmals
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband haben sich im Bewertungsausschuss darauf verständigt, dass bei einem unerwartet starken, durch eine Akuterkrankungswelle verursachten Anstieg der vertragsärztlichen Leistungen künftig ein Nachvergütungsverfahren greift. Somit kann der entsprechende Behandlungsbedarf bei bestimmten
Erkrankungswellen (wie Influenza, Bronchitis oder viralen Pneumonien) bei den Kassen nachträglich zum Ansatz kommen, sofern die bereitgestellten Mittel für das entsprechende Jahr nicht
ausgeschöpft wurden.
Das Nachvergütungsverfahren greift nun erstmals für das Jahr 2013, in welchem eine Grippewelle
für einen beachtlichen Mehraufwand von geschätzten 20 Mio. € sorgte. Nachdem das Institut des
Bewertungsausschusses vor kurzem für alle Bezirke der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) die
Abweichung vom vorhergesehenen morbiditätsbedingten Behandlungsbedarf im Jahr 2013 ermittelt hat, wird nun für sieben KV-Regionen ein Nachvergütungsverfahren empfohlen. Neben Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Hessen werden auch die Ärzte in Niedersachsen, Nordrhein
und Schleswig-Holstein von einer Nachzahlung profitieren. Die konkrete Höhe der Nachvergütung hängt von den regionalen Verhandlungen zur gewichteten Zusammenführung der morbiditätsbedingten Veränderungsrate ab. Bei einer Festsetzung der gewichteten diagnosebezogenen
Veränderungsrate auf beispielsweise 50 % würde sich laut KBV eine Summe von insgesamt rund
3,6 Mio. € ergeben. Bei den Nachvergütungen handelt es sich um Einmalzahlungen, die keinen
Einfluss auf die Gesamtvergütung im nachfolgenden Vertragszeitraum haben.
Eine gesetzliche Verpflichtung der Kassen, für einen unvorhergesehenen Leistungsanstieg durch
Krankheitswellen einzutreten, besteht bereits seit dem Jahr 2009. Sie kam jedoch aufgrund einer
zu hohen Schwellenwertregelung nie zum Ansatz. Letztere sah vor, dass der bundesweite Anstieg
der Summe ausgewählter Infektions- und Atemwegserkrankungen mindestens 25 % über dem
Anstieg aller anderen Erkrankungen liegen musste. Ziel der Neuregelung ist es, das Morbiditätsrisiko der Versicherten vollständig auf die Kassen zu übertragen und eine Überwälzung auf die Vertragsärzte zu verhindern. Die Kassen sind künftig nicht nur bei einem überproportionalen Anstieg
von Akuterkrankungen zur Nachzahlung verpflichtet, sondern auch bei Pandemien, Epidemien
und Endemien (festgestellt durch WHO, Robert Koch-Institut oder das zuständige Gesundheitsamt) und bei Naturkatastrophen (bei denen Katastrophenalarm ausgelöst wurde).
Schätzerkreis: Zusatzbeiträge steigen 2016
Viele Bürger müssen sich im kommenden Jahr auf höhere GKV-Beiträge einstellen. Zu diesem
Ergebnis kommen die aktuellen Prognosen des sogenannten Schätzerkreises aus Experten des
Bundesversicherungsamtes, des Bundesgesundheitsministeriums und der Gesetzlichen Krankenkassen. Die Sachverständigen gehen davon aus, dass 2016 der durchschnittliche GKV-
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Beitrag von gegenwärtig knapp 15,5 % auf 15,7 % steigen wird. Grund ist der prognostizierte
Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags von 0,9 auf 1,1 % im kommenden Jahr.
Seit dem Jahr 2015 gilt infolge der GKV-Finanzreform ein Beitragssatz in der GKV in Höhe von
14,6 %. Arbeitgeber und Arbeitnehmer übernehmen jeweils 7,3 %. Der bisherige Beitragsanteil
von 0,9 %, den die Arbeitnehmer alleine zu tragen hatten, entfiel. Stattdessen wurde den Kassen
die Möglichkeit eingeräumt, einen kassenindividuellen Zusatzbeitrag zu erheben, der sich prozentual am beitragspflichtigen Einkommen bemisst und von den Arbeitnehmern alleine zu tragen ist.
Wie hoch die zusätzliche Belastung für den einzelnen Versicherten ausfallen wird, hängt von seinen durchschnittlichen Bruttoeinkommen und der Krankenkasse ab. Bereits gegenwärtig gibt es
bezüglich der Zusatzbeiträge je nach Kasse zum Teil große Unterschiede. Während zum Beispiel
die BKK Euregio und die Metzinger BKK ganz auf einen Zusatzbeitrag verzichten, liegt er bei der
Brandenburgischen BKK und der IKK Nord mit 1,3 % besonders hoch. Die Versicherten haben
bei Zusatzbeitragserhöhungen ein Sonderkündigungsrecht. Für die Arbeitgeber ergeben sich keine Änderungen.
Als Grund für den prognostizierten Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags geben die Experten die erneut gestiegenen Gesundheitsausgaben an. Sie rechnen für das kommende Jahr mit
einem Defizit in den gesetzlichen Kassen in Höhe von rund 3 Mrd. €. Auch die Kassen selbst, die
bereits dieses Jahr defizitär arbeiten, erwarten aufgrund der ausgabensteigernden Effekte der
aktuellen Reformen im Gesundheitswesen zunehmende Probleme. So hat jüngst die Techniker
Krankenkasse (TK) als größte Gesetzliche Krankenkasse in Deutschland bekanntgegeben, dass
sie ab dem 1. Januar 2016 eine Erhöhung ihres Zusatzbeitrages plant.
Zi-Studie: Einsparpotenzial bei unnötigen Klinikaufenthalten
Offenbar werden in Deutschland viele Patienten im Krankenhaus behandelt, für die auch eine
ambulante Therapie möglich wäre. Dies ergab eine aktuelle Studie des Zentralinstituts für die
kassenärztliche Versorgung (Zi). Über 3,7 Mio. Krankenhausfälle könnten der Untersuchung zufolge durch eine rein ambulante Behandlung substituiert werden. Die Autorin der Studie, Prof. Dr.
Leonie Sundmacher, hat einen Katalog mit ambulant-sensitiven Krankenhausfällen (ASK-Katalog)
erstellt, der jene Diagnosen auflistet, für die eine Hospitalisierung in den meisten Fällen vermeidbar wäre.
In Deutschland fallen rund 5 Mio. (27 %) aller Krankenhausfälle unter diese sogenannten ambulant-sensitiven Diagnosen. Dabei erarbeitete Prof. Sundmacher einen ASK-Kernkatalog, der
mit 22 Krankheiten rund 90 % der ambulant sensitiven Fälle abdeckt. Gemessen am Anteil der
vermeidbaren Krankenhausfälle stehen Zahn- und Mundhöhlenerkrankungen, Nierenkrankheiten
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und Krankheiten des Harnsystems, gefolgt von Mangelernährung und HNO-Infektionen, auf den
vorderen Plätzen (vgl. Abb. 2). Gemessen an der absoluten Anzahl ließen sich insbesondere bei
den Herzerkrankungen die meisten Fälle vermeiden (Datenbasis 2012):
■ Sonstige Herz-Kreislauf-Erkrankungen: 282.000 Fälle
■ Ischämische Herzkrankheiten: 260.000 Fälle
■ Herzinsuffizienz: 246.000 Fälle
■ Bronchitis & COPD: 245.000 Fälle
■ Rückenbeschwerden: 231.000 Fälle
■ Hypertonie: 231.000 Fälle
Abb. 2 – Die Krankheitsbilder mit den acht größten ASK-Anteilen
Diabetes mellitus
81 %
Rückenbeschwerden
81 %
Krankheiten des Auges
81 %
Hypertonie
83 %
HNO-Infektionen
85 %
Mangelernährung
85 %
Nierenkrankheiten, Krankheiten des Harnsystems
86 %
Zahn- und Mundhöhlenerkrankungen
70 %
94 %
75 % 80 % 85 %
90 %
95 %
Quelle: Ludwigs-Maximilians-Universität München Grafik: REBMANN RESEARCH
Bezüglich der Häufigkeit der ASK kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass teilweise
große regionale Unterschiede bestehen. Offenbar sinkt die Zahl der ASK mit zunehmender Vertragsarztdichte. Insbesondere in Großstädten liegt deshalb die ASK-Rate gering.
Die ASK bergen – zumindest aus theoretischer Sicht – ein enormes Einsparpotenzial. So kommt
die Studie zu dem Ergebnis, dass bei einer effektiven ambulanten Behandlung der ASK jährlich
etwa 7,2 Mrd. € eingespart werden könnten. Wie die Untersuchung ebenfalls belegt, ist hierfür
jedoch ein dichtes Netz bei der ambulanten ärztlichen Versorgung erforderlich. Dies wirft ein
neues Licht auf die – laut Bedarfsplanung – gegenwärtig „überversorgten“ Gebiete. So könnte ein
Abbau von Arztsitzen mit einer höheren Hospitalisierungsrate einhergehen, was letztendlich dem
Ziel einer Kosteneinsparung entgegenstünde.
Talk
Talk kommentiert gesundheitspolitische Entscheidungen und Diskussionen, die
für alle Fachrichtungen relevant sind. Das Wissen um diese aktuellen Rahmenbedingungen ist oft ein zentraler Erfolgsfaktor für alle managementrelevanten
Entscheidungen.
Studie: Präventionsgesetz eröffnet neue Spielräume für IGeL
Die aktuelle Studie der Unternehmensberatung Dostal und Partner „Produktivitätsfaktor Gesundheit: Märkte, Trends und Potenziale für Prävention, individuelle und betriebliche Gesundheitsförderung – Marktspezifika und Ergebnisse einer Umfrage in der zunehmend vernetzt agierenden
Gesundheitswirtschaft in Deutschland“ kommt zu dem Schluss, dass das neue Präventionsgesetz den IGeL-Markt deutlich beleben könnte. So erwarten die Studienautoren, dass über die
im Gesetz verankerte Förderung der Vorsorgeleistungen über die Gesetzlichen Krankenkassen
eine entsprechende Sensibilisierung der Patienten erfolgen und damit auch die Nachfrage nach
Selbstzahler-Vorsorgeleistungen steigen wird. Dabei identifiziert die Studie neue „Kundengruppen“ sowie insbesondere den Bereich Fitness/Bewegung/Sport, der momentan starke Impulse
durch den wachsenden Markt für Selftracking erhält, als besondere Chance für Niedergelassene.
Darüber hinaus sehen die Autoren große Potenziale in einer Kooperation zwischen Ärzten und
Einrichtungen des sogenannten zweiten Gesundheitsmarkts, wie zum Beispiel hinsichtlich Well­
ness-Einrichtungen oder Fitnessstudios. Letztere können beispielsweise ihr Angebot um ärztlich
betreute Kurse erweitern. Auch die Zusammenarbeit im Bereich Medical Wellness bietet sich an.
IGeL stehen nicht nur bei den Kassen, sondern zunehmend auch bei den Verbraucherschützern
in der Kritik. So ergab eine Auswertung des von der Verbraucherschutzzentrale NRW (vzNRW)
initiierten Online-Portals www.igel-ärger.de, dass es in Sachen IGeL trotz massiver Aufklärungskampagnen unter den Ärzten nach wie vor „schwarze Schafe“ gibt. Die Auswertung der seit dem
Start der Plattform vor rund einem Jahr eingegangenen rund 1.500 Beschwerden zeigte, dass
insbesondere Defizite bei der Aufklärung bestehen und dass sich Patienten teilweise unter Druck
gesetzt fühlen. So verzichtete der Arzt bei über 50 % der Patienten, die ihrem Ärger auf der
Plattform Luft machten, auf eine vollständige Aufklärung über die Behandlungsalternativen im
Rahmen des Regelleistungskatalogs der Kassen. Neun von zehn Patienten fühlten sich zur Inanspruchnahme der Leistung gedrängt und bei fast 40 % fehlte die erforderliche schriftliche Einwilligung im Vorfeld der Leistung. Am schlechtesten schnitten in der Auswertung die Augenärzte
und die Gynäkologen ab. Um das Vertrauen der Patienten nicht nachhaltig zu schädigen und
Abmahnungen der Verbraucherzentrale oder rechtliche Konsequenzen zu verhindern, sollten sich
Ärzte in Sachen IGeL unbedingt an die Regeln halten. Hilfestellung leistet der Ratgeber der KBV:
www.kbv.de/media/sp/igel_checkliste.pdf.
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eGK: Deutsche wollen mehr Funktionen
Die große Mehrheit der Bundesbürger spricht sich für eine Erweiterung der Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) aus. Dies belegt eine vom Digitalverband Bitkom beauftragte repräsentative Umfrage. Insbesondere wünschen die Befragten, dass auf der Karte mehr
individuelle Patienteninformationen gespeichert werden. Hierbei befürworten sie insbesondere
Informationen zur Blutgruppe sowie über Allergien und Medikamentenunverträglichkeiten und
regelmäßig eingenommene Medikamente (vgl. Abb. 3). Lediglich 5 % der Deutschen lehnen eine
Speicherung persönlicher Daten grundsätzlich ab.
Abb. 3 – Gewünschte Dokumentationen auf der eGK (Anteil der Befürworter in %)
Chronische Erkrankungen
67 %
Implantate und Prothesen
76 %
regelmäßig eingenommene
Arzneimittel
84 %
Allergien und Medikamentenunverträglichkeiten
88 %
Blutgruppe
0 %
92 %
20 % 40 % 60 %
80 %
100 %
Quelle: Bitcom (2015) Grafik: REBMANN RESEARCH
Die eGK ist seit dem 1. Januar 2015 für gesetzlich Krankenversicherte Pflicht. Bislang fallen die
Funktionen der neuen Karte jedoch enttäuschend aus. So sind auf der eGK neben dem Bild
des Versicherten lediglich grundsätzliche Angaben zum Versicherten wie Name, Alter und Anschrift vermerkt. Für die Zukunft ist jedoch eine Erweiterung der Funktionen um Notfalldaten,
elektronische Rezepte, die elektronische Patientenakte und eventuell auch eine Erklärung zur
Organspende geplant. Wie die Umfrage zeigt, hält die Mehrheit der Bevölkerung eine Erweiterung
der Funktionen für sinnvoll bzw. hat das mit der Karte verbundene Potenzial für eine bessere
Sicherheit erkannt. So gehen laut Auskunft des Hauptgeschäftsführers von Bitkom, Dr. Bernhard
Rohleder, jährlich rund 20.000 Tote auf das Konto von Medikamentenunverträglichkeiten, die im
Vorfeld zwar bekannt sind, über die der behandelnde Arzt jedoch nicht informiert wird.
Fachrichtung
Fachrichtung geht ins Detail und zeigt Veränderungen auf, die eine ganz
spezielle Fachrichtung oder die Meinung der oft starken Fachrichtungslobby betreffen. Dadurch wird die Gesamtbranche weiter segmentiert und somit auf spezielle Chancen sowie Risiken innerhalb einzelner Marktsegmente hingewiesen.
Allgemeinärzte
Erfolgskonzept VERAHmobil
Das im Jahr 2013 vom Deutschen Hausärzteverband und Medi gemeinsam entwickelte Mobilitätskonzept VERAHmobil zur Unterstützung der an der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV)
teilnehmenden Praxen wird wegen der großen Nachfrage frühzeitig um drei weitere Jahre verlängert. Ursprünglich war eine auf nur drei Jahre beschränkte Laufzeit angedacht. Ferner beschlossen die Vertragspartner, den VERAHmobil-Wagenpark um umweltfreundlichere elektro- und
erdgasangetriebene Fahrzeuge zu erweitern. Gegenwärtig nutzen in Baden-Württemberg bereits
440 Praxen das spezielle Angebot. Die Vertragspartner gewähren für die speziell gestalteten und
mit einem Navigationssystem ausgestatteten Kleinfahrzeuge einen Kostenzuschuss von 300 €
pro Quartal, weshalb das Fahrzeug zu besonders günstigen Konditionen geleast werden kann.
Der bereits seit 2008 in Baden-Württemberg geschlossene erste Vertrag zur hausarztzentrierten
Versorgung (HZV) nach § 73b SGB V beinhaltet den vergüteten Einsatz einer Versorgungsassis­
tentin in der Hausarztpraxis (VERAH). Ziel ist es, die Hausärzte insbesondere bei der Versorgung
chronisch kranker Patienten zu entlasten. In Baden-Württemberg hat sich das VERAH-Konzept
durchgesetzt. Hier sind gegenwärtig rund 2.255 der bundesweit 7.155 VERAHs im Einsatz. Aufgrund der demografischen Entwicklung und der Zunahme der chronisch Kranken werden derartige Konzepte, die auch von den Patienten gut angenommen werden, künftig immer wichtiger. Die
speziell gestalteten Kleinwagen tragen nicht nur dazu bei, das Image der Hausarztzentrierten Versorgung und der VERAH weiter zu verbessern, sondern bieten gerade für Letztere einen wichtigen
Motivationsfaktor. Weitere Informationen sind im Internet unter www.verahmobil.de erhältlich.
Fachärzte
Sportmediziner – Neues Mannschaftsarztverfahren
Seit Juli 2015 gibt es für Vertragsärzte, die Sportvereine betreuen, die Möglichkeit, an dem neuen Mannschaftsarztverfahren (M-Arzt-Verfahren) der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG)
Hamburg teilzunehmen. Die VBG Hamburg versichert die Sportvereine in Deutschland. Das neue
M-Verfahren löst das bisherige H-Arzt-Verfahren ab, das Ende des Jahres ausläuft. Im Rahmen
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der gesetzlichen Unfallversicherung sollen dann nur noch Durchgangsärzte (D-Ärzte) die besondere Heilbehandlung bei Arbeits- und Wegeunfällen einleiten und unmittelbar übernehmen dürfen.
Da jedoch nicht alle bisherigen H-Ärzte die strengeren Anforderungen für das Durchgangsarztverfahren erfüllen, haben viele Vereine und Sportmediziner die Kassenärztliche Bundesvereinigung gebeten, eine Lösung zu finden, die eine Fortführung der Zusammenarbeit erlaubt.
Durchgangsärzte
D-Ärzte arbeiten für die gesetzliche Unfallversicherung, die für die medizinische Versorgung
nach einem Arbeits- oder Wegeunfall zuständig ist. Das System weicht von jenem der Gesetzlichen Krankenversicherung ab. Grundsätzlich sind auch Vertragsärzte verpflichtet, die
Erstbetreuung bei einem Arbeits- oder Wegeunfall zu übernehmen. Bei Veranlassung durch
den D-Arzt sind sie ferner bei leichteren Verletzungen zur weiteren allgemeinen Heilbehandlung berechtigt. Die Einleitung der Behandlung, die Koordination der weiteren Betreuung und
die spezialisierte, besondere Heilbehandlung obliegen jedoch ausschließlich den D-Ärzten.
Das D-Arzt-Verfahren liefert den teilnehmenden Medizinern eine interessante Einnahmequelle.
Die Teilnahme am M-Arzt-Verfahren berechtigt zur besonderen Heilbehandlung nach Unfällen,
zur Durchführung bestimmter präventiver Maßnahmen im versicherten Mannschaftssport, zur
Koordination notwendiger fachärztlicher Untersuchungen und zur Verordnung von Arznei- und
Verbandmitteln, Hilfsmitteln und Physiotherapie. Es gelten grundsätzlich der Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger und die UV-GOÄ in der jeweils gültigen Fassung.
Zur Teilnahme ist die Benennung gegenüber der Berufsgenossenschaft als Mannschaftsarzt notwendig, wobei der Verein gesetzlich unfallversicherte Sportler beschäftigen muss. Daneben sind
weitere fachliche Voraussetzungen zu erfüllen, wie unter anderem:
■ Facharztabschluss für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chirurgie mit Schwerpunkt Unfallchirurgie oder Orthopädie oder alternativ eine mindestens zweijährige orthopädische/unfallchirurgische beziehungsweise unfallmedizinische Tätigkeit nach der Approbation
■ Abschluss der Zusatz-Weiterbildung „Sportmedizin“ spätestens sechs Monate nach erfolgter Zertifizierung
■ Erfahrung in der für Unfallversicherungsträger erforderlichen Dokumentation und Berichterstattung
■ Fachkunde im Strahlenschutz in der medizinischen Röntgendiagnostik
■ Nachweis einer mindestens dreijährigen Erfahrung in sportmedizinischer Diagnostik und
der Therapie von Sportverletzungen (anrechenbar sind Zeiten vor der Approbation und die
Zeiten der Zusatz-Weiterbildung „Sportmedizin“)
Ferner bestehen definierte Vorgaben zur Praxisausstattung und zum Personal (vgl. hierzu
http://bit.ly/1XL2y01). Das neue Verfahren wird zunächst innerhalb einer dreijährigen Frist
getestet. Interessierte Ärzte können bei der VBG Hamburg einen „Antrag auf Beteiligung“ am
M-Verfahren stellen.
Psychotherapeuten – Kombination von Einzel- und Gruppenangeboten möglich
Einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zufolge, der Änderungen in der
Psychotherapie-Richtlinie nach sich zog, dürfen seit dem 16. Oktober 2015 Einzel- und Gruppentherapie in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie sowie in der analytischen Psychotherapie kombiniert werden. Demzufolge besteht nun die Option, psychoanalytisch begründete
Verfahren sowie Verhaltenstherapien entweder als Einzelbehandlung, als Gruppenbehandlung
oder als Kombination von Einzel- und Gruppentherapien anzubieten. Im Falle eines Kombinationsangebots hat der Therapeut einen Gesamtbehandlungsplan zu erstellen. Sofern mehrere
Therapeuten an der Behandlung beteiligt sind, sind mit vorheriger Zustimmung des Patienten eine
Abstimmung der Therapiepläne sowie eine gegenseitige Information über den Behandlungsverlauf vorgesehen.
Die bereitgestellten Kontingente entsprechen jenen der überwiegend durchgeführten Anwendungsform. Eine Doppelstunde in der Gruppentherapie entspricht so im Gesamttherapiekontingent einer Einzeltherapie einer Einzelstunde. Umgekehrt ist eine in der Einzeltherapie erbrachte
Einzelstunde im Gesamttherapiekontingent einer Gruppentherapie als Doppelstunde zu zählen.
Bisher war eine Verknüpfung von Einzel- und Gruppenbehandlung nur im Ausnahmefall möglich.
Eine Auswertung wissenschaftlicher Studien hat jedoch die Meinung vieler Experten untermauert, dass sich eine Kombination der Therapien positiv auf die Patienten auswirken kann. Der G-BA
plant nun nach vier Jahren eine Untersuchung der Auswirkungen der Neuregelung auf die Nachfrage nach Gruppentherapien. Eine stärkere Inanspruchnahme von Gruppentherapien könnte
auch im Hinblick auf die gegenwärtige Wartezeitenproblematik im Bereich der Psychotherapie zu
einer Entspannung beitragen.
Hals-Nasen-Ohren-Ärzte – Tinnitus-App auf Rezept
Mitglieder der Techniker Krankenkasse (TK), die unter Tinnitus leiden, haben ab sofort die Möglichkeit, sich eine spezielle App zur Linderung ihres Leidens verschreiben zu lassen. Voraussetzung ist eine entsprechende ärztliche Diagnose. Die monatlichen Kosten der App-Nutzung in
Höhe von 19,90 € pro Patient werden dann von der TK übernommen. Die App mit dem Namen
Tinnitracks wurde vom Hamburger Start-up Sonormed entwickelt.
Die sogenannte neuroakustische Tinnitus-Therapie dient als Alternative zur herkömmlichen Tinnitusbehandlung. Sie basiert auf einer speziellen Filtersoftware. Nach der Bestimmung der individuellen Tinnitus-Frequenz des Patienten durch den Arzt oder Akustiker wird diese aus den
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von den Patienten frei auszuwählenden Musikstücken herausgefiltert. Beim Anhören des aufbereiteten Musikstücks wird der „auditorische Kortex“ im Gehirn stimuliert. Ziel ist es, auf diese
Weise die bei Tinnitus-Patienten bestehende Überaktivität des Gehirns zu drosseln und so die
Lautstärke des Tinnitus zu reduzieren.
Während sich die Gesundheitsapps in Deutschland lange Zeit strikt auf den sogenannten zweiten
Gesundheitsmarkt beschränkten, lassen sich nun erste Übergänge in den ersten Gesundheitsmarkt beobachten. Noch sind es einige wenige Krankenkassen, die ihren Mitgliedern spezielle
Apps im medizinischen Kernleistungsbereich anbieten. Häufiger ist das Angebot kostenloser
Apps auf dem Gebiet Fitness/gesunde Lebensführung, wobei zunehmend auch Wearables bezuschusst werden.
bereits bestehende Praxis lag der durchschnittliche Investitionsbedarf bei 251.000 €, während für
die Neugründung einer BAG pro Zahnarzt 280.000 € zu Buche schlugen. Am günstigsten war die
Übernahme einer Praxis als BAG mit 223.000 €.
Abb. 4 – Durchschnittlicher Gesamtinvestitionsbedarf nach Gründungsform
Übernahme als BAF
223.000 €
Einstieg/Beitritt BAG
251.000 €
Einzelpraxisübernahme
265.000 €
BAG-Neugründung
280.000 €
Einzelpraxisneugründung
ZAHNÄRZTE
Einzelpraxis nach wie vor beliebt
Bereits seit 1984 erstellt die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (apoBank) gemeinsam mit
dem Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) einmal jährlich eine Existenzgründungsanalyse für
Zahnärzte. Grundlage für die Auswertung bieten die von der aopBank finanzierten Existenzgründungen.
Der aktuellsten Analyse für das Jahr 2014 zufolge steigt das durchschnittliche Alter der Zahnärzte bei der Niederlassung/Existenzgründung stetig an. Im vergangenen Jahr betrug das Durchschnittsalter der zahnärztlichen Existenzgründer 36,7 Jahre und lag damit um ein halbes Jahr
höher als 2010. Dies lässt sich den Studienautoren zufolge auf den Trend zurückführen, dass
viele junge Zahnärzte immer länger als Angestellte in einer Praxis mitarbeiten, bevor sie sich zur
Selbständigkeit entschließen. Dementsprechend werden auch Neugründungen von Einzelpraxen eher von älteren Zahnärzten durchgeführt. Im Gegenzug ist die Kooperationsbereitschaft bei
jüngeren Zahnärzten (bis 30 Jahre) ausgeprägter. Während sich nur 23 % der über 40-Jährigen
für eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) entschieden, betrug dieser Anteil bei den jüngeren
Zahnmedizinern ein gutes Drittel (34 %). Die Beweggründe für das Eingehen einer Kooperation sind gerade für die jüngeren Zahnärzte in dem geringeren Investitionsbedarf, dem breiteren
Leistungsspektrum und der besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit zu suchen. Die
Übernahme einer Einzelpraxis wurde in allen Altersgruppen nahezu gleich oft gewählt und stellte
2014 mit 60 % die beliebteste Existenzgründungsart gefolgt von Berufsausübungsgemeinschaften (29 %) und Neugründungen (11 %) dar.
Die höchsten Investitionsvolumina waren erwartungsgemäß bei den Einzelpraxisneugründungen
zu schultern und lagen 2014 bei durchschnittlich 360.000 € (vgl. Abb. 4). Die Einzelpraxisübernahme kam bei einem Durchschnittswert von 265.000 € um 95.000 € günstiger. Für den Eintritt in eine
0 €
360.000 €
100.000 €
200.000 €
300.000 €
400.000 €
Quelle: apoBank, Institut der Deutschen Zahnärzte (2015) Grafik: REBMANN RESEARCH
Bei der altersbezogenen Betrachtung trugen die jüngeren Zahnärzte (bis 30 Jahre) mit durchschnittlich 185.000 € auch die höchsten Übernahmepreise. Der Übernahmepreis über alle Altersgruppen lag im Schnitt bei 163.000 €. Insgesamt entfielen rund zwei Drittel des Investitionsvolumens einer Praxis auf den Kaufpreis. Auch die Lage einer Praxis, ob in ländlichen Gebieten oder
in Großstädten, beeinflusst die Kaufpreise bzw. die Investitionen. Tendenziell lagen die Kaufpreise
laut der Analyse aufgrund der geringeren Kaufpreise in Großstädten niedriger, was den Experten
zufolge auf die größere Konkurrenz zurückzuführen ist.
Regional
Neben fachrichtungsspezifischen Kenntnissen sollten auch regionale Besonderheiten zur Kenntnis genommen werden, bevor es zu einschneidenden ökonomischen Entscheidungen kommt. Regional stellt den Fokus auf die einzelnen
KV-/KZV-Bezirke ein und zeigt die Veränderungen auf.
Baden-Württemberg:
Qualitätsnetz Kinzigtal – Anerkennung nach Stufe II
Als erstes Deutsches Praxisnetz wurde das „Medizinische Qualitätsnetz Ärzteinitiative Kinzigtal
e. V.“ (MQNK) nach der Stufe II gemäß der Rahmenvorgabe der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) anerkannt. Letztere liefert die Basis für eigene Regelungen der Kassenärztlichen
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Vereinigungen (KVen) und beinhaltet drei Anerkennungsstufen (Basisstufe, Stufe I und II) und
anschließend eine Rezertifizierung nach jeweils fünf Jahren. In der zweiten und somit höchsten
Anerkennungsstufe sind neben den Voraussetzungen der vorhergehenden Stufen folgende
Anforderungen zu erfüllen.
Patientenzentrierung: Einsatz von Software zur Vermeidung von Medikationsfehlern und zur Erstellung von Medikationsplänen, elektronische Fallakte und feste Standards zur Terminkoordination
■ Kooperative Berufsausübung: elektronischer Datenaustausch zwischen den Ärzten im Rahmen
einer eigenen sicheren Leitlinie, Netz-IT-Infrastruktur, detaillierte Kooperationsvereinbarungen
mit anderen Leistungserbringern unter Berücksichtigung der Schwerpunkte der Kooperationspartner (indikationsbezogene Vernetzung)
■ Verbesserte Effizienz: Nachweis der Effizienz durch Patientenbefragungen (standardisierte
Fragebögen), Qualitätsindikatoren mit Zielgrößen (hinsichtlich Prävention, Arzneimitteltherapieüberwachung etc.), elektronische Befundübermittlung, zertifiziertes Qualitätsmanagement
■ Seit Jahren kämpfen die Ärztenetze in Deutschland um eine bessere Wertschätzung und Vergütung ihrer Tätigkeit. Ziel ist eine Anerkennung als eigenständige Leistungserbringer. Die Bundesrahmenvorgabe zur Anerkennung von Ärztenetzen ist bereits seit dem 1. Mai 2013 in Kraft.
Trotzdem haben sich viele KVen nur zögerlich an die Umsetzung gemacht. Nicht zuletzt deshalb
bestehen zwischen den einzelnen KVen zum Teil große Unterschiede, was die finanzielle Netzförderung und weitere Unterstützung dieser Kooperationen anbelangt.
Mit dem Mitte des Jahres in Kraft getretenen GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wurde die
Position der Ärztenetze nun gestärkt. So wurde den KVen bis zum 23. Oktober eine Frist gesetzt, eine eigene Richtlinie auf Basis der Rahmenvereinbarung zu erlassen. Ferner müssen sie
nun für anerkannte Netze gesonderte Vergütungsregelungen vorsehen, die allerdings aus der
morbi­ditätsorientierten Gesamtvergütung zu finanzieren sind. Ergänzend ist eine finanzielle Förderung auch aus den Mitteln des Strukturfonds möglich. Trotz der gesetzlichen Vorgabe sind
einige KVen ihrer Pflicht zur Umsetzung einer Förderrichtlinie nach wie vor nicht nachgekommen.
Die Agentur deutscher Arztnetze (ADA) erwägt nun, Klagen bei den zuständigen Aufsichtsbehörden zu erheben.
Nordrhein: Online-Pharmazieberatung für Ärzte
Bereits seit Anfang Juni bietet die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KV NO) im Rahmen
eines sogenannten Medikationschecks ihren Vertragsärzten die Möglichkeit einer Online-Pharmazieberatung zur Beurteilung komplexer Arzneimitteltherapien. Ärzte senden zu diesem Zweck
ein ausgefülltes Online-Formular direkt an die KV-Mitarbeiter. Dieses enthält Informationen zu
Alter, Geschlecht und Abstammung des Patienten sowie über dessen Erkrankung, Diagnosen
sowie die Therapie einschließlich anamnestischer Besonderheiten und relevanter Laborbefunde.
Die verordneten Arzneimittel werden in einer Liste (mit Applikationsart und Dosierung) erfasst.
Bei der KV übernimmt dann ein erfahrenes zehnköpfiges Team, bestehend aus einem Apotheker,
sechs PTA, einer Ärztin mit Spezialisierung auf Pharmakotherapie sowie zwei externen Pharmazeuten, die individuelle Analyse. Die Bearbeitung der Anfragen erfolgt innerhalb eines Werktages.
Häufig nachgefragte Themen sind laut KV Auskünfte zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen,
zur geriatrischen Pharmazie oder Bewertung neuer Arzneimittelstudien.
Mit dem schnellen und unkomplizierten Verfahren zielt die KVNO darauf ab, die Arzneimitteltherapiesicherheit der Patienten zu verbessern. Der Vorteil des neuen Beratungsangebots besteht laut
KV darin, dass die Therapiehoheit beim Arzt verbleibt. Die Beratung erfolgt auf Basis anonymisierter Informationen und es kommt nicht zu einem Kontakt zwischen Patient und Beratungsteam.
Seit geraumer Zeit gibt es bundesweit vielfältige Projekte zur Verbesserung der Sicherheit und
Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteltherapien. Das Projekt ARMIN befindet sich mittlerweile in der
Pilotphase mit ersten Testapotheken. Seit Anfang April laufen auch die ersten Tests einer Medikationsanalyse für Versicherte der Privaten Krankenversicherung DKV, die zu diesem Zweck mit
den „Guten-Tag-Apotheken“ der Kooperation Elac Elysée kooperiert. Patienten, die mindestens
fünf Medikamente einnehmen, können sich bei den teilnehmenden Apotheken melden und einen
Termin vereinbaren. Im Anschluss an ein rund einstündiges Gespräch über aktuell eingenommene verschreibungspflichtige Medikamente sowie Selbstmedikation bewertet der Apotheker die
Daten und informiert Patienten oder Arzt über mögliche Wechsel- und Nebenwirkungen.
Grundsätzlich begrüßen die Apotheker eine intensivere Einbindung in die Patientenversorgung.
Bereits seit einigen Jahren treten sie dafür ein, einen aktiveren und verantwortungsvolleren Part
im Gesundheitswesen zu übernehmen. Dies machen sie auch in ihrem Leitbild „Apotheke 2030“
deutlich. Demzufolge sollen die „Medikationsanalyse“ und das „Medikationsmanagement“ künftig „als adäquat honorierte Dienstleistung“ der Apotheker angeboten werden.
Hessen: Verbesserte Zahnvorsorge von
Schwangeren und Kleinkindern
Die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) Hessen hat gemeinsam mit der DAK-Gesundheit einen Vertrag geschlossen, um die Mundgesundheit von Schwangeren und Kleinkindern weiter zu
verbessern. Ziel ist es, Karies bei Kleinkindern einzudämmen. Karies nimmt gegenwärtig bei den
Kleinkindern zu und stellt sogar die häufigste chronische Erkrankung im Kleinkindalter dar.
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WEG WEISER
WEGWEISER 3/2015
Das Konzept setzt mit zusätzlichen Zahnvorsorgeuntersuchungen bereits bei werdenden Müttern
an und bezieht so die Eltern schon vor der Geburt in die Vorsorge mit ein. Neben einer Aufklärung
über die Erkrankung Karies und einer Sensibilisierung für das Thema sowie dessen Ursachen
wird beispielsweise ein Putztraining angeboten. Zudem umfasst der Vertrag Zahnvorsorgeuntersuchungen ab dem sechsten Lebensmonat bzw. bei Durchbruch der ersten Zähne bei Kleinkindern sowie nachfolgend nach Durchbruch der ersten Backenzähne des Milchgebisses.
Bereits 2010 hatte die DAK Gesundheit mit dem Uniklinikum Düsseldorf und dem Berufsverband
der Frauenärzte sowie dem Verein Integrierte Versorgung NRW e.V. einen Vertrag geschlossen,
um die Frühgeburtenrate durch eine optimale Betreuung der Schwangeren zu senken und Risiken
im Vorfeld zu erkennen. Auch das Thema Mundhygiene spielt in diesem Zusammenhang eine
nicht zu unterschätzende Rolle, da ebenso Infektionen im Mundbereich ein Risiko für Frühgeburten darstellen.
International
Modelle, die sich im Ausland bewährt haben oder besonders forsche marktwirtschaftliche Gesundheitskonzepte anderer Länder, beeinflussen die Zukunft
unseres eigenen Systems. Das Wissen über derartige Entwicklungen kann auch
in hiesigen Praxen richtungsweisende Veränderungsprozesse initiieren.
OECD: Deutsches Gesundheitssystem – gut, aber teuer
Wie in vielen anderen Industrienationen steigen auch in Deutschland die Gesundheitsausgaben
weiter an. Dies lässt sich der neuen Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) „Health at a Glance 2015“ entnehmen. Deutschland nimmt demzufolge
bei den Gesundheitsausgaben weiter einen Spitzenplatz im Ländervergleich (hinter den USA,
der Schweiz, Norwegen, den Niederlanden und Schweden) ein. Kaufkraftbereinigt kommt die
Studie für Deutschland auf einen Betrag von 4.819 US-Dollar (4.481 €) pro Kopf (2013), während
im OECD-Durchschnitt lediglich 3.453 US-Dollar (3.213 €) pro Kopf für die Gesundheit der Bürger ausgegeben wurden. Im Rückblick stiegen die Pro-Kopf-Ausgaben in Deutschland zwischen
2009 und 2013 jährlich um rund 2 %. Im Vergleich hierzu lag der OECD-Durchschnitt bei 0,6 %.
Für das Jahr 2014 wird in Deutschland sogar eine Steigerung um 2,5 % erwartet.
Beim Indikator „Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP)“ lag Deutschland
mit 11,0 % hinter den oben genannten Ländern – mit Ausnahme von Norwegen – auf dem fünften
Platz. Im Vergleich hierzu betrug der OECD-Durchschnittswert 8,9 %. Laut OECD lassen sich die
hohen Gesundheitsausgaben in Deutschland unter anderem auf folgende Faktoren zurückführen:
Dynamik der Arzneimittelausgaben: Nach einer Phase der Stagnation der Arzneimittelausgaben stiegen diese im Jahr 2013 mit rund 7 % pro Kopf wieder besonders stark an. Diese
Ausgabendynamik lässt sich sowohl durch sehr hohe Arzneimittelpreise (z. B. neue Hepatitis-C-Medikamente) als auch durch einen hohen Medikamentenverbrauch erklären. So
zeigt der Bericht, dass die Pro-Kopf-Arzneimittelkosten im Jahr 2013 in Deutschland bei
678 US-Dollar (631 €) und damit um 30 % über dem OECD-Durchschnitt lagen. Im OECDVergleich fällt Deutschland insbesondere bei den Antihypertensiva, Antidiabetika sowie
den Antidepressiva durch einen überdurchschnittlichen Arzneimittelkonsum auf.
■ Hohe Anzahl vermeidbarer Krankenhausfälle: Laut OECD ist hierfür nach wie vor die vergleichsweise hohe Bettendichte (Rang 4 im OECD-Vergleich) verantwortlich, von der Anreize
zu nicht zwingend erforderlichen Klinikaufenthalten und Eingriffen ausgehen. Der Bericht
nennt beispielsweise die Versorgung mit Hüftendoprothesen, deren Zahl zwar rückläufig ist,
bei denen Deutschland jedoch im Jahr 2013 mit 283 Hüftgelenken je 100.000 Einwohnern
hinter der Schweiz auf dem zweiten Platz lag. Der OECD-Durchschnitt befand sich bei nur
161 Hüftoperationen.
■ Neben den hohen Gesundheitsausgaben identifiziert die OECD im vergleichsweise hohen Durchschnittsalter der Ärzte eine weitere Schwachstelle des deutschen Systems, die insbesondere vor
dem Hintergrund der demografischen Entwicklung immer problematischer wird.
Die hohen Gesundheitsausgaben haben jedoch auch positive Seiten. So profitieren deutsche
Patienten laut OECD von einem traditionell guten Zugang zur Gesundheitsversorgung, vergleichsweise sehr kurzen Wartezeiten, einer geringen finanziellen Eigenleistung und guten Wahlmöglichkeiten. Auch hinsichtlich des Ausbaus des Gesundheitssystems schneidet Deutschland sehr
gut ab. Als Indikator dienten hier die hohen Überlebensraten nach einer Schlaganfallversorgung.
Trend
Auch Trend soll helfen, kreative Beratungsinhalte zu generieren. Visionäre Ideen
aus der Welt der Heilberufler, ein besonders effizienter Einsatz der Technik oder
sinnvolle Rationalisierungskonzepte werden vorgestellt.
Erstes Qualitätssiegel für Medical Apps
Seit September gibt es für Medical Apps eine neue Möglichkeit der Qualitätssicherung. Der Bundesverband Internetmedizin (BIM) hat erstmals eine App mit dem von ihm entwickelten Siegel
„Qualitätsprodukt Internetmedizin“ zertifiziert. Die App „Onelife“, die sich an Schwangere richtet, hat alle Kriterien des Anforderungskataloges erfüllt. Diese umfassen sowohl die Vorgaben
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des hierzulande geltenden Medizinproduktegesetzes für die CE-Zertifizierung (Risikoklasse 1) als
auch jene der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) für Medical Apps (ebenfalls Risikoklasse 1). Neben dem Qualitätssiegel hat der Hersteller der App die Option, dank der
entsprechenden Dokumentation die CE-Zertifizierung der App als Medizinprodukt in Form einer
Konformitätserklärung direkt und ohne weitere Formalitäten bei der zuständigen Gesundheitsbehörde zu beantragen. Lediglich die Voraussetzungen der Risikoklasse 1 müssen erfüllt sein.
Die App Onelife hat auf diesem Weg die CE-Kennzeichnung erhalten. Partner des BIM für die
Zertifizierung ist das Zertifizierungsunternehmen mpP Group. Die Kosten für das Qualitätssiegel
belaufen sich auf 4.000 € je App. Noch in diesem Jahr sollen laut BIM bis zu zehn weitere Zertifizierungen folgen.
Qualitätssichernde Maßnahmen wie jene des BIM sind im Bereich des täglich wachsenden Angebots der Medical Apps dringend notwendig. Einer aktuellen Schätzung des Marktforschungsunternehmens Research2Guidance zufolge gibt es momentan bereits 97.000 Gesundheitsapps,
wobei Experten von einem weiteren starken Marktwachstum ausgehen. Laut den Prognosen werden bis zum Jahr 2017 weltweit rund 3,4 Mrd. Menschen ein Smartphone besitzen und rund 50 %
davon Gesundheitsapps nutzen. In Deutschland verwendet gegenwärtig bereits rund die Hälfte
der Bevölkerung Gesundheitsapps – mit steigender Tendenz. Als problematisch gestalten sich
hierbei die bislang fehlende Qualitätssicherung und Transparenz.
Neben einem oft fragwürdigen medizinischen Nutzen für den Anwender greifen Apps häufig auf
persönliche Daten und Aktivitäten zu, um möglichst individuelle Ratschläge und Auswertungen
geben zu können. Dabei gelten jedoch viele Apps datenschutzrechtlich als nicht sicher. Durch das
neue Siegel verspricht sich der BIM eine Qualitätsverbesserung der Produkte der Internetmedizin. Nutzer erhalten hierdurch ebenso wie die medizinischen Leistungserbringer und Krankenkassen die Möglichkeit, seriöse Anbieter gezielt auszuwählen. Auch die App-Entwickler profitieren:
Ihnen bieten das Siegel und die Zertifizierung die Möglichkeit, sich im zunehmenden Wettbewerb
abzuheben. Ferner haben sie dank einer Zertifizierung bessere Chancen – beispielsweise über
Verträge mit Krankenkassen – den strategisch wichtigen Übergang vom zweiten in den ersten
Gesundheitsmarkt zu schaffen.
Großes Interesse an Online-Sprechstunden
Gesundheitsapps werden immer beliebter. Bislang spielen sie in der medizinischen Diagnostik
und Therapie jedoch nur eine marginale Rolle. Durch die rasante Entwicklung des E-Health-Bereichs könnte sich dies allerdings bald ändern. Im Auftrag des Telekommunikationsonlinehändlers modeo.de untersuchte das Marktforschungs- und Beratungsinstitut YouGov die Einstellung
der deutschen Bevölkerung zu der Frage: „Können Gesundheitsapps den Arztbesuch ersetzen?“
Der repräsentativen Umfrage zufolge kann sich rund jeder sechste Deutsche vorstellen, dass
Apps dazu geeignet sind, einen Arztbesuch zu ersetzen. Erwartungsgemäß wird diese Einstellung
vor allem von den jüngeren Befragten geteilt, während die älteren – die aufgrund anzunehmender
häufigerer Praxisbesuche oft bereits eine persönliche Beziehung zu ihren Ärzten aufgebaut haben –
diesbezüglich etwas skeptischer eingestellt sind.
Bei der Beurteilung der Möglichkeit der Substitution des Praxisbesuchs durch Gesundheitsapps
spielt auch die Frage eine Rolle, welche Leistungen durch die Miniprogramme ersetzbar sind. So
können sich 23 % der Umfrageteilnehmer den Einsatz einer App zur Messung von Vitalfunktionen
wie zum Beispiel Puls, Blutdruck oder Körpertemperatur vorstellen. 21 % halten eine Anwendung
in Zusammenhang mit sportlichen Aktivitäten für möglich. Einen weiteren Einsatzbereich sehen die
Befragten im Zusammenhang mit Themen wie Stressvermeidung und -bewältigung.
Die größten Potenziale vermuten die Umfrageteilnehmer jedoch in den Online-Konsultationen. So
kann sich jeder Dritte eine Online-Beratung durch den Arzt bei kleineren Krankheiten oder Beschwerden vorstellen. Allerdings nutzen erst 4 % der Befragten eine oder mehrere Gesundheitsapps zur
Selbstdiagnose und 32 % haben Angst vor einem generellen Datenmissbrauch (z. B. Verwendung
der Daten zu Werbezwecken oder Missbrauch durch Krankenkassen).
Aufgrund des sogenannten Fernbehandlungsverbots nach § 7 der Musterberufsordnung für Ärzte
sind gegenwärtig den Online-Sprechstunden in Deutschland jedoch enge Grenzen gesetzt. Die wenigen Online-Angebote wie bspw. jenes der Lübecker Patientus GmbH umfassen daher lediglich
Beratungsleistungen (z. B. bezüglich der Möglichkeiten des Social Freezings bei unerfülltem Kinderwunsch oder der Lasertherapie bei Fehlsichtigkeit). Experten sind der Meinung, dass sich derartige
Telemedizin-Dienste bei einem verantwortungsvollen Umgang mit den Anliegen der Patienten sowie
bei einem streng leitlinienbasierten Vorgehen durchaus seriös betreiben lassen. Deshalb mehren
sich die Stimmen jener, die eine Aufhebung des Fernbehandlungsverbots in der jetzigen Form fordern. Gerade für die Behandlung von chronisch Kranken oder in dünn besiedelten und medizinisch
schlecht versorgten Regionen könnten telemedizinische Anwendungen für die Patienten wie auch
Leistungserbringer von Bedeutung sein. Kritiker hingegen halten die Online-Diagnose und -Therapie
ohne persönlichen Patientenkontakt für unverantwortlich, da sie aus ihrer Sicht einen realen Arztbesuch nicht ersetzen können und unter anderem ein erhöhtes Risiko von Fehldiagnosen bergen.
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Steuern, Recht
& Betriebswirtschaft
Hier finden Sie aktuelle steuerliche und rechtliche Gestaltungshinweise
für die heilberuflichen Disziplinen sowie betriebswirtschaftliche Analysen etwa zu Fragen der Finanzierung, Geldanlage und Altersvorsorge.
Scheinselbstständigkeit: Beschäftigen Sie freie Mitarbeiter?
Wichtig:
■ Prüfen Sie bei Beschäftigungsbeginn eines freien Mitarbeiters, ob nicht doch ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis entsteht, weil die Kriterien, die für eine
unselbstständige Beschäftigung sprechen, überwiegen.
■ Wiederholen Sie die Prüfung in regelmäßigen Abständen, weil sich bei Ihren freien Mitarbeitern die Verhältnisse ändern können – zum Beispiel weil die Tätigkeit für andere Kunden
aufgegeben wird.
■ Holen Sie im Zweifel eine Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung sowie
eine kostenlose lohnsteuerliche Anrufungsauskunft beim Finanzamt ein.
Schöner Schein kann teuer sein
Scheinselbstständige sind längst nicht mehr nur auf dem Bau zu finden. Quer durch alle Branchen
versuchen die Auftraggeber die teuren Sozialabgaben eines Anstellungsverhältnisses zu vermeiden. Gerade die Auftraggeber müssen jedoch bei Aufdeckung der Scheinselbstständigkeit kräftig
nachzahlen. Nicht selten kommen existenzbedrohliche Summen zusammen.
Ob ein Auftragnehmer selbstständig tätig oder beim Auftraggeber abhängig beschäftigt ist, hat
für beide Beteiligten weitreichende Folgen. Bei Beschäftigungsbeginn muss jeder Arbeitgeber
prüfen, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Ist dies der Fall,
folgen daraus umfangreiche Verpflichtungen für den Arbeitgeber. Ist der Auftraggeber der Auffassung, dass im konkreten Fall keine abhängige Beschäftigung vorliegt, muss er formal nichts
weiter veranlassen. Allerdings geht er das Risiko ein, dass bei einer Betriebsprüfung durch den
Rentenversicherungsträger der Fall anders beurteilt wird.
Scheinselbstständige treten im Erwerbsleben als selbstständige Unternehmer auf, obwohl sie
von der Art ihrer Tätigkeit her Arbeitnehmer sind. Scheinselbstständige gelten daher in der Sozialversicherung als versicherungspflichtige Arbeitnehmer. Arbeitsrechtlich sind Scheinselbstständige regelmäßig Arbeitnehmer. Die Abgrenzung zwischen einer selbstständigen und einer
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nichtselbstständigen Tätigkeit ist entscheidend für die Frage der Sozialversicherungspflicht,
für den Lohnsteuereinbehalt sowie für die Umsatzsteuerpflicht.
Liegen Merkmale sowohl einer Beschäftigung als auch einer Selbstständigkeit vor, entscheiden die überwiegenden Merkmale. Durch die Rechtsprechung wurden fünf Kriterien entwickelt,
die bei der Prüfung des Status eines Arbeitnehmers beziehungsweise eines Selbstständigen
relevant sind. Sind drei der fünf Kriterien erfüllt, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis
zu vermuten.
Kriterien der Abgrenzung
Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung und gegen eine selbstständige Tätigkeit
sprechen, sind:
■ Der Erwerbstätige beschäftigt im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit regelmäßig keinen
Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig
im Monat 450 € übersteigt.
■ Der Erwerbstätige ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig.
■ Der Auftraggeber oder ein vergleichbarer Auftraggeber lässt entsprechende Tätigkeiten
regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten.
■ Die Tätigkeit lässt typische Merkmale unternehmerischen Handelns nicht erkennen.
■ Die Tätigkeit entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit, die der Erwerbstätige für denselben Auftraggeber zuvor aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte.
Achtung: Es gelten die tatsächlichen Verhältnisse! Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse. Die vertraglichen Bezeichnungen spielen keine Rolle.
Folgen im Beitragsrecht
Für scheinselbstständig Beschäftigte fallen auf das gezahlte Entgelt die üblichen Sozialabgaben an. Grundsätzlich beginnt die Versicherungspflicht mit Beginn der Beschäftigung, auch
bei rückwirkender Feststellung, was zu erheblichen Säumniszuschlägen (1 % pro Monat der
Säumnis!) führen kann.
Wird dagegen innerhalb eines Monats ab Beschäftigungsaufnahme das optionale Statusfeststellungsverfahren beantragt, beginnt die Versicherungspflicht erst, sobald das Ergebnis bekannt gegeben wurde.
Wird die Scheinselbstständigkeit durch die Sozialversicherungsträger aufgedeckt, muss der
Arbeitgeber die Beiträge für die letzten vier Jahre entrichten, bei (bedingt) vorsätzlicher Verkürzung sogar für 30 Jahre. Dabei handelt es sich nicht nur um die Arbeitgeberanteile, son-
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dern auch um die Arbeitnehmeranteile (in Summe also meist gut 40 %) auf das beitragspflichtige
Entgelt. Den unterbliebenen Abzug der Arbeitnehmeranteile kann der Arbeitgeber nur bei weiter
bestehendem Beschäftigungsverhältnis im Rahmen der nächsten drei Lohn- und Gehaltszahlungen nachholen.
Folgen bei der Lohnsteuer
Ist der Scheinselbstständige auch steuerrechtlicher Arbeitnehmer, kann die nicht einbehaltene
Lohnsteuer vom Arbeitgeber rückwirkend mindestens für vier Jahre nachgefordert werden, selbst
wenn der Auftragnehmer auf sein „Honorar“„ bereits Einkommensteuer gezahlt hat. Ist de facto
keine Steuer mehr rückständig, würde die Haftung jedoch ins Leere laufen. Allerdings können die
Bemessungsgrundlagen zur Lohnsteuer- und Einkommensteuerberechnung differieren, zudem
bleiben vom Scheinselbstständigen abziehbare Betriebsausgaben und weitere Steuerabzugsbeträge wie beispielsweise Sonderausgaben bei der Lohnsteuer unberücksichtigt. Die eigentlich
bestehende Möglichkeit, eine per Haftung gezahlte Lohnsteuer vom Scheinselbstständigen wieder zurückzufordern, kann nicht immer rechtlich durchgesetzt werden.
Folgen bei der Umsatzsteuer
Ein Scheinselbstständiger kann umsatzsteuerrechtlicher Unternehmer bleiben, wenn er nicht in
den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert und auch nicht weisungsgebunden ist. Sollte dies
der Fall sein, muss der Scheinselbstständige bei Überschreiten der Kleinunternehmergrenzen
in seinen Rechnungen Umsatzsteuer ausweisen und abführen, der Auftraggeber kann diese als
Vorsteuer abziehen. Vom Rechnungsbetrag muss er den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag einbehalten und zusammen mit seinem Arbeitgeberanteil abführen. Beim
scheinselbstständigen Unternehmer darf der Arbeitnehmeranteil das umsatzsteuerpflichtige
Entgelt nicht mindern. Scheitert beim Scheinselbstständigen die Unternehmereigenschaft hingegen an der Eingliederung und Weisungsgebundenheit, droht dem Auftraggeber die Rückzahlung bereits erhaltener Vorsteuerbeträge samt sechsprozentiger Verzinsung. Der Auftragnehmer
schuldet die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer grundsätzlich weiterhin. Nur wenn der Auftraggeber noch keine Vorsteuer abgezogen hat oder dem Finanzamt wieder zurückzahlt, kann
der Auftragnehmer seine Rechnungen noch berichtigen. Hatte der Scheinselbstständige selbst
Vorsteuern abgezogen, ist auch er zur Rückzahlung verpflichtet.
Arbeitnehmerähnliche Selbstständige
Wenn bei einem Beschäftigten die Kriterien für eine Selbstständigkeit überwiegen, insbesondere
durch freie Arbeitsgestaltung und fehlende Eingliederung, kann er dennoch rentenversicherungspflichtig werden. Zum Personenkreis der meldepflichtigen, arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen gehören Unternehmer, die im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit regelmäßig
keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen
nur für einen Auftraggeber tätig sind. Bei Gesellschaftern, vor allem bei alleinigen GmbH-Gesell-
schafter-Geschäftsführern, kommt es darauf an, ob die Gesellschaft im Außenverhältnis mehrere Auftraggeber hat und wie viel Personal sie beschäftigt. Bei selbstständigen Handwerkern ist
trotz echter Selbstständigkeit zu prüfen, ob sie der Rentenversicherungspflicht unterliegen, was
grundsätzlich die in der Anlage A der Handwerksrolle eingetragenen Handwerker betrifft. Die
Beiträge zur Rentenversicherung müssen diese Personen selbst tragen.
Fazit
Angesichts der vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Geschäftsbeziehungen ist eine
Einordnung anhand fester Kriterien schwer möglich. Es kommt dabei nicht auf die einzelnen
Merkmale an, sondern auf das überwiegende „Gesamtbild der tatsächlichen Gegebenheiten“.
Im Zweifel sollte eine Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung sowie eine kostenlose lohnsteuerliche Anrufungsauskunft beim Finanzamt eingeholt werden. Sollten Beitragsnachforderungen bereits erhoben werden, sind Abwehrmaßnahmen gegen die Nachforderungsbescheide angezeigt.
Wollen Sie Rechnungen ausschließlich
elektronisch aufbewahren?
Die Digitalisierung des Papierbelegs muss nach einem einheitlichen Prozess erfolgen.
Die Daten müssen unveränderbar in einem revisionssicheren
Archivsystem gespeichert werden.
■ Für die Ablage und Speicherung der elektronischen Dokumente sollte
eine unternehmensbezogene Verfahrensdokumentation erstellt werden.
■ ■ Jetzt geht’s los! Papierlos!
Immer mehr Unternehmen arbeiten mit elektronischen Rechnungen und digitalisieren ihre Papierbelege. Werden dabei ein paar Spielregeln beachtet, ist eine Vernichtung der Ursprungsdokumente nach dem Scannen steuerrechtlich unbedenklich. So lassen sich Personal und Archivierungskosten in erheblichem Umfang einsparen. tatort: Steuern erklärt, worauf es ankommt.
Angebote, Rechnungen, Lieferscheine – Papier beherrscht immer noch den Alltag in deutschen
Unternehmen. Dabei sind die Kosten für die damit verbundene Logistik sowie die Aufbewahrung
der Papierberge signifikant. Druck-, Ablage- und Suchzeiten führen dazu, dass über 90 % der
Kosten einer Papierrechnung im Personalbereich entstehen, der Rest betrifft insbesondere Lagerflächen zur Gewährleistung der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen. Zwar verursacht auch das
Scannen von Dokumenten Aufwand, jedoch dürfte dieser stetig abnehmen, da der Anteil elektronischer Rechnungen jährlich um rund 20 % steigt.
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Die Digitalisierung – der Megatrend unserer Zeit – erhält nicht zuletzt deshalb in der Finanzbuchführung eine wachsende Bedeutung. Verbesserte Suchzeiten im digitalen Archiv, eine höhere
Qualität, weniger Platzbedarf, transparenter Belegfluss und die Möglichkeit der Datensicherung
führen dazu, dass Prozesse zunehmend umgestellt und Papierbelege gescannt werden. Mehr
und mehr wird daher die Frage gestellt, unter welchen Voraussetzungen der Papierbeleg anschließend vernichtet werden darf.
Das Finanzamt formuliert die Anforderungen wie folgt:
„Sind aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtige Daten, Datensätze, elektronische Dokumente
und elektronische Unterlagen im Unternehmen entstanden oder dort eingegangen, sind sie auch
in dieser Form aufzubewahren und dürfen vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht gelöscht werden. Sie dürfen daher nicht mehr ausschließlich in ausgedruckter Form aufbewahrt werden und
müssen für die Dauer der Aufbewahrungsfrist unveränderbar erhalten bleiben (z. B. per E-Mail
eingegangene Rechnung im PDF-Format oder eingescannte Papierbelege). Nach dem Einscannen dürfen Papierdokumente vernichtet werden, soweit sie nicht nach außersteuerlichen oder
steuerlichen Vorschriften im Original aufzubewahren sind.“
Voraussetzung für ein Entsorgen des Papierbelegs ist demzufolge, dass nach dem Scannen die
Ablage grundsätzlich nach einem einheitlichen Prozess erfolgt, den Sie unbedingt in schriftlicher
Form definieren und hinterlegen müssen. So haben Sie einerseits eine Handlungsanweisung für
Ihre Mitarbeiter, anderseits kann aber auch das Finanzamt problemlos den Ablauf für die Ablage
Ihrer eingescannten Belege nachverfolgen.
Die Ablage der eingescannten Belege muss zudem in einem revisionssicheren Archivsystem erfolgen. Das heißt: Es muss gewährleistet sein, dass die Dateien dort nicht mehr veränderbar
sind beziehungsweise Veränderungen zwangsläufig durch das System gekennzeichnet werden.
Sprechen Sie uns gern an, wenn Sie Fragen zur Revisionssicherheit haben.
Insgesamt gilt: Beim ersetzenden Scannen Ihrer Papierbelege verlangt der Gesetzgeber ein
Vorgehen, das im Grunde einem Qualitätsmanagement entspricht. Sie sollten also die Dokumentation ihrer dazugehörigen Prozesse und verwendeten technischen Systeme so detailliert
wie möglich beschreiben und hinterlegen. Oder anders gesagt: Je detaillierter Sie die Verfahren
beschreiben, desto eindeutiger sind Sie auf der sicheren Seite, wenn Ihr Betrieb vom Finanzamt
geprüft wird. Selbstverständlich müssen Sie aber auch gewährleisten, dass die Ablage von Ihren
Mitarbeitern entsprechend der Handlungsanweisungen in der Dokumentation erfolgt.
Zu den Dokumentationspflichten gehört auch eine technische Systemdokumentation. Darin legen Sie fest, welche technischen Geräte und Systeme Sie verwenden und wie diese eingesetzt
oder gegebenenfalls konfiguriert werden.
WEG WEISER
Wir – Ihre Steuerberater – wissen, wie eine solche Dokumention rechtssicher umzusetzen ist
und unterstützen Sie dabei gerne. Dies ist unerlässlich zur Vermeidung typischer Fehler. Solche
typischen Fehler sind zum Beispiel:
■ Die Daten und Dokumente werden in nicht ordnungsgemäßen Vorsystemen
abgespeichert und aufbewahrt und sind somit nicht revisionssicher archiviert.
■ Die Einstellungen des Scanners sind nicht dokumentiert
oder werden nicht einheitlich angewendet.
■ Der Umgang mit mehrseitigen Belegen ist nicht definiert worden und ist in unterschiedlicher
Weise vorzufinden.
Die konkrete Ausgestaltung dieser Verfahrensdokumentation ist letztlich abhängig von der Komplexität und Diversifikation der Geschäftstätigkeit und der Organisationsstruktur sowie der eingesetzten EDV.
Wer für sein Unternehmen also eine solche Verfahrensdokumentation erstellt und die beschriebenen Prozesse im Unternehmen konsequent lebt, spart viel Geld und kann den Papierbeleg
beruhigt vernichten. Das Finanzamt muss sich im Falle einer Prüfung mit der digitalen Kopie begnügen und auch vor Gericht dürfen eingescannte Belege nicht zu einem Rechtsnachteil führen.
Dort gilt der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Digitale Kopien haben danach
gegenüber einem Papierbeleg keine niedrigere Beweiskraft.
Die nächste Steuerreform wird kommen…
Wenn im Bundesfinanzministerium Steuerreformen ausgetüftelt wurden, trafen die Paragrafen in
der Vergangenheit oft nicht ins Schwarze. Häufig wurde das Steuerrecht komplexer, unerwünschte Nebenwirkungen traten ein und die Steuergerechtigkeit geriet zumindest in die Diskussion.
Eine Novelle, die größtenteils gelobt wurde, war die Einführung der Abgeltungsteuer zum 1. Januar
2009. Das Verfahren wurde vereinfacht, Anreize zur Steuerhinterziehung gesenkt und Nachteile
für einkommensschwächere Steuerzahler vermieden. Und ausgerechnet dieser Steuer könnte es
bald an den Kragen gehen.
Der Grund sind Veränderungen, die ab 2017 im internationalen Steuerrecht eintreten werden. Dann
beginnt der automatische Steuer-Informationsaustausch über Finanzkonten, der im Herbst 2014
von Finanzministern aus 51 Staaten auf der Weltsteuerkonferenz in Berlin beschlossen wurde. Sie
hatten sich darauf geeinigt, künftig über ihre Steuerbehörden Auskünfte zu Guthaben, Zinsen, realisierten Kursgewinnen und Dividenden von ausländischen Bankkunden zu erteilen. Die Hoffnung
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WEGWEISER 3/2015
im Bundesfinanzministerium, dass so der Steuerbetrug eingedämmt werden kann, ist groß. Zumal
inzwischen die Zahl der Teilnehmerstaaten auf mehr als 60 gestiegen ist und auch die Schweiz,
Liechtenstein und Singapur – die als Steueroasen galten – zu den Unterzeichnern gehören.
zahlt worden waren – so zum Beispiel für Autos, von deren Existenz sie nie irgendetwas bemerkt
hatte. Und sogar ein Haus in der Schweiz, das sie auch nicht kannte, wurde bezahlt. Sie vermutete,
dass ihr Ehemann mit all den Zahlungen eine Geliebte finanzierte.
Das veranlasste die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im September, Zweifel an
der Berechtigung für eine fortdauernde steuerliche Ungleichbehandlung von Kapital- und Arbeitseinkünften zu äußern. Denn während Arbeitseinkünfte mit bis zu 45 % besteuert werden, deckelt
die Abgeltungsteuer die Besteuerung der Kapitalerträge auf 2545 % zuzüglich Solidarzuschlag
und Kirchensteuer. Daher fordern die Grünen, Kapitaleinkünfte und Veräußerungsgewinne künftig
wieder progressiv zu besteuern. Kurz danach erklärte auch der Bundesrat, eine Rückkehr zur
Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz sei angesichts des automatischen Informationsaustauschs zu prüfen.
Ihren Mann konnte sie ja nun nicht mehr zur Rede stellen und stattdessen wandte sie sich an
dessen Anwalt mit der Bitte, die Steuerfahndung über die hohen Ausgaben zu informieren. Denn
sollte sich ihre Vermutung bestätigen, so handelte es sich ja um Schenkungen und das Finanzamt
müsse dann überprüfen, ob Schenkungsteuer bezahlt worden war.
Bahnt sich damit ein Zickzack-Kurs in der deutschen Steuerpolitik an? Nicht zwangsläufig. Denn:
Mit dem automatischen Steuer-Informationsaustausch ist eine breite internationale Allianz für
Steuerehrlichkeit entstanden, die Rahmenbedingungen tatsächlich verschieben kann. Angesichts
dieser Veränderungen können Überlegungen zu notwendigen Folgereformen gerechtfertigt sein.
Und siehe da: Die Witwe hatte mit ihrer Vermutung Recht. Es handelte sich um eine Frau. Sodann
konnte ermittelt werden, dass der Grundstückskauf in der Schweiz ebenfalls im Zusammenhang
mit einer Schenkung des Verstorbenen an seine Geliebte stand. Darüber hinaus ließen diverse
Zahlungen an unterschiedliche Juweliere den Verdacht zu, dass die Geliebte auch reichlich mit
Schmuck und Edelsteinen bedacht worden war. Details verriet die Steuerfahndung nicht.
Klar sollte aber sein, dass eine simple Rückkehr zur alten Besteuerung von Kapitalerträgen kaum
möglich ist. Denn damals ging die Einführung der Abgeltungsteuer zum Beispiel mit der Abschaffung der Spekulationsfristen einher. So waren Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren
zuvor steuerfrei, wenn die Anteile mindestens ein Jahr lang gehalten wurden. Eine Diskussion um
die Wiedereinführung von Spekulationsfristen wäre unvermeidlich. Und was wäre mit Werbungskosten für Kapitalerträge? Zinsen für Wertpapierkredite, Kosten für Reisen zu Hauptversammlungen oder Gebühren für Vermögensverwaltung waren einst komplett absetzbar.
Zudem sollten Erfahrungen zur Wirksamkeit des Informationsaustauschs ab 2017 eine Rolle spielen. Denn mehr als 60 teilnehmende Staaten sind eine beachtliche Basis, aber noch keine Gewähr
für das Schließen aller denkbaren Schlupflöcher. Und damit ist die Reform eigentlich ein Thema
für die Regierung, die nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 die Geschicke des Landes leitet.
Wer nach Rache strebt …
Der Tod des Ehegatten ist gewöhnlich ein schwerer Schicksalsschlag. Wie viel Trauer in unserem
Fall die Witwe eines sehr vermögenden Mannes empfand, wissen wir nicht. Sicher ist allerdings,
dass die Dame nach dem Ableben ihres Partners gleich noch eine zweite schmerzliche Erkenntnis
traf. Auf den Kontoauszügen ihres Mannes entdeckte sie, dass häufig sehr hohe Rechnungen be-
Für das Finanzamt war es nicht schwer, die Hintergründe der Zahlungen zu ermitteln. Über die
Kontoauszüge ließen sich die Autohändler ausfindig machen und darüber schließlich auch die
Person, auf deren Namen die Autos zugelassen worden waren.
Nur soviel: Schenkungsteuer war natürlich nicht bezahlt worden. Das hätte aber geschehen müssen und zwar nicht zu knapp. Die Höhe des Steuerschadens errechnete die Behörde auf 500.000 €.
Eine ganz schön große Summe. Wegen der Größenordnung des Steuerschadens wurde denn
auch ein Haftbefehl gegen die Geliebte erwirkt. Der konnte jedoch erst ausgeführt werden, als die
Witwe der Steuerfahndung verriet, wann mit einem Grenzübertritt der Geliebten zu rechnen sei.
Nach der Verhaftung präsentierte die Beschuldigte den Beamten aber eine ganz andere Version.
Von Geschenken könne keine Rede sein. Für das, was sie vom Verstorbenen erhalten habe, seien
von ihr „Dienstleistungen“ erbracht worden. Und folglich könne dann natürlich auch keine Schenkungsteuer gefordert werden. Die Sache hatte nur einen Haken: Wenn „Dienstleistungen“ in dieser
Höhe erbracht worden wären, hätten dafür Steuererklärungen eingereicht und Steuern bezahlt
werden müssen. So oder so: Am Fiskus kommt man ja eigentlich nie vorbei. Die Steuerfahnder
konnten nachweisen, dass auch die „Dienstleistungen“ nicht versteuert worden waren.
Vor Gericht räumte die Geliebte dann auch ein, dass sie das Grundstück und die Autos geschenkt
bekommen hatte. Unschuldig sei sie dennoch, weil sie ja angenommen habe, dass die Schenkungsteuer vom Schenker längst bezahlt worden war. Das nahm ihr das Gericht jedoch nicht
ab und verurteilte sie zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis, die jedoch zur Bewährung
ausgesetzt wurden.
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WEG WEISER
WEGWEISER 3/2015
Viel zu wenig, meinte die Witwe, die bei der Gerichtsverhandlung anwesend war und lautstark
ihren Unmut über das geringe Strafmaß äußerte. Lebenslänglich wäre aus ihrer Sicht sicher angemessener gewesen.
räte bedienen. Dabei muss nicht jeder kleinste Handgriff aufgeschrieben werden. Es reicht, wenn
Sie sich zunächst auf die wichtigsten Aufgaben beschränken und auf solche Tätigkeiten, die der
Abwehr von gefährlichen Risiken dienen.
Nun blieb die Geliebte des Verstorbenen also auf freiem Fuß und musste nur noch die 500.000 €
Schenkungsteuer bezahlen. Naja – das ist natürlich eine Summe, die viele Menschen nicht so locker auf der hohen Kante haben. Für den Fiskus ist das nicht so schlimm, denn der lässt sich gern
mehrere Optionen offen. Nach dem Schenkungsteuergesetz ist es so, dass der Beschenkte und
der Schenker die Schenkungsteuer gemeinsam schulden. Und in unserem Fall ist das die Witwe,
die in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt. Wenn also die Geliebte die Steuer nicht bezahlt,
dann ist die rachsüchtige Witwe dran.
Wenn die Praxis in Arbeitsbereiche und die Arbeitsbereiche in wichtige Aufgaben gegliedert sind,
können Arbeitsplatzbeschreibungen erstellt werden. Diese enthalten die Information, für welche
Aufgaben in welchen Arbeitsbereichen eine Mitarbeiterin zuständig ist. Doppelte Zuständigkeiten
können ebenso wie fehlende Zuständigkeiten leicht erkannt und damit vermieden werden. Schnell
ergibt sich dann auch ein Überblick darüber, wie viele Mitarbeiter benötigt werden und welche
Qualifikationen diese aufweisen müssen. Nicht vergessen werden dürfen Vertretungs-Regelungen
in Urlaubs- oder Krankheitszeiten. Arbeitsplatzbeschreibungen sollten in jedem Fall schriftlich erstellt und gut zugänglich aufbewahrt werden, damit im Bedarfsfalle und bei Unklarheiten schnell
darauf zugegriffen werden kann. In größeren Praxen ist zudem zu überlegen, ob in einzelnen Arbeitsbereichen Leitungsfunktionen geschaffen werden, so dass bestimmte Entscheidungen auch
ohne Mitwirken der Praxisleitung getroffen werden können.
Ob sie das bedacht hat? Wie schon der englische Philosoph Francis Bacon sagte: Wer nach Rache strebt, hält seine eigenen Wunden offen.
Sieben Säulen der Praxisführung –
Säule drei: Die Praxis-Struktur festlegen
Mitentscheidend für Praxis-Erfolg und Arbeitszufriedenheit des Praxisinhabers ist die Qualität der
internen Praxisstruktur. Die Basis für möglichst reibungslose und effiziente Abläufe im Praxisalltag
besteht in durchdachten und klar definierten Zuständigkeiten für die Mitarbeiter. Je besser und
eindeutiger die Frage „Wer macht was in unserer Praxis?“ beantwortet wird, desto weniger Zeit
geht verloren durch fallweise Abklärung, wer welche Aufgabe zu übernehmen hat oder eben auch
nicht.
Unklare, mehrdeutige oder schlecht kommunizierte Zuständigkeiten führen in Praxen regelmäßig
zu Doppeltarbeiten oder auch dazu, dass wichtige Aufgaben unerledigt bleiben. Unklare Zuständigkeiten kosten damit Zeit und Nerven und sind eine unerschöpfliche Fehlerquelle. Daher sollte
die Praxisleitung regelmäßig eigene Arbeitszeit in die Praxiskonzeption investieren. Diese Investition von Zeit führt in der Folge erfahrungsgemäß zu einem Vielfachen an gewonnener Zeit und
Lebensqualität am Arbeitsplatz.
Die Praxis sollte hierzu konzeptionell in Arbeitsbereiche eingeteilt werden, z. B. Anmeldung, Behandlung, Medizin-Technik, Verwaltung. In jedem Arbeitsbereich sind sodann die wichtigsten Aufgaben zu definieren, z. B. in der Anmeldung: Terminvergabe, Patienten-Informationen erfragen,
Patienten-Daten anlegen, Rezeptausgabe oder in der Medizin-Technik: Fehlfunktionen erkennen
und Beseitigung veranlassen, Instrumente und Geräte desinfizieren, reinigen und sterilisieren, Ge-
Dipl.-Kfm. Stefan Hoch
Geschäftsführender Gesellschafter
Frielingsdorf Consult GmbH
Kaiser-Wilhelm-Ring 50
50672 Köln
Amtsgericht Köln Nr. HRB 35125
Geschäftsführung: Dipl.-Wirtschaftsing. Oliver Frielingsdorf, Dipl.-Kfm. Stefan Hoch
Tel: 0221-13 98 36 - 0
Fax: 0221-13 98 36 - 65
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