Wäscherinnen

Die Wäscherinnen am Wienfluss
2
Die Reinigung von Textilien – Bettwäsche, Tischwäsche und Bekleidung – stellte seit
jeher einen ständigen Bedarf der Haushalte dar. Daneben fallen in der TextilErzeugung in gleicher Weise Reinigungsarbeiten an (Waschen, Spannen und
Weichmachen, Färben, Bleichen) des aus Flachs gewebten Leinens.
Die Reinigung der Wäsche erfolgte in großem Stile zunächst im kalten Wasser. Dazu
notwendig waren:
 Wasser: Dieses dient zunächst zum Einweichen (Schwemmen) und sollte nach
Möglichkeit kalkarm, d.h. „weich“ sein, da kalkhaltiges Wasser Verschmutzungen
nicht löst, sondern eher verkrustet. Quellwasser ist daher meist ungeeignet.
Weiches Wasser findet sich im Regenwasser, in Wien aber speziell auch im
Wienfluss.
 Lauge: Diese wird beim Einweichen der Wäsche zur Beschleunigung des
Schmutzlöseprozesses seit früh her in Form von Aschenlauge zugesetzt, aber
auch erhitzt in Bottichen über die bereits vorgewaschene Wäsche gegossen (Das
Holzgefäß dazu: Sechter, Der Arbeitsvorgang: Sechteln). Ihre Wirkung beruht auf
dem in der Holz(!)-Asche befindlichen Gehalt von Kali (Pottasche). Dieser Rohstoff
fand sich im Hausbrand und wurde durch Überbrühen mit heißem Wasser
vorbereitet. Entlang des Wienflusses finden sich Hinweise auf die Vermarktung
dieses Rohstoffes sowohl beim „Aschenmann“ (Ferdinand Raimund) als auch in
einer der etymologischen Deutungen des Wiener Naschmarktes als ehem.
„Aschenmarkt“.
Bottich zur Laugenherstellung:
 Bleichen und Trocknen: Dieses erfolgte durch Auflegen der Wäsche auf
Wiesenstücken, Aufhängen oder Aufspannen (v.a. frischgewebtes Leinen) bei
Sonnenschein durch mehrere Tage und wurde nötigenfalls nach neuerlichem
Einweichen mehrmals wiederholt. Da die feuchte Wäsche ein beträchtliches
Gewicht aufweist, konnte sie dazu nicht weit transportiert werden. Das Wiental war
hier durch seine Südhänge besonders begünstigt. Die Orte, an denen die Wäsche
aufgehängt war, wurden als „Hängestatt Gumpendorf“ bezeichnet.
 Mechanische Behandlung: Zur Beschleunigung des Durchweichens wurde die
Wäsche entweder durch Schwemmen im fließenden Wasser oder danach in
Bottichen durch Treten mit den nackten Füßen, Rübeln, Bürsten und Klopfen
vorbereitet.
3
Arbeitsbedingungen
Die Arbeit der Wäscherinnen erfolgte jahrein – jahraus bei jeder Witterung. D.h. die
Frauen standen zu wesentlichen Teilen ihrer Tätigkeit mit nackten Füßen im
fließenden Wasser oder mussten sich von Stegen hinunter beugen. Die am Ufer
aufgehängte Wäsche musste bei Hochwasser oder Regen kurzfristig gerettet
werden. Die häufigen Hochwässer des Wienflusses führten zu zahlreichen Toten
unter den Wäscherinnen.
Die Wiener Wäscherinnen wohnten … in großen Gebäuden zusammen oder in
eigenen Häusern weil die Arbeit nicht nur Lärm mit sich brachte, ein Hausherr
außerdem das viele Wasserschöpfen am Brunnen wie die große Dunstentwicklung,
die ja das Mauerwerk stark schädigt, kaum geduldet hätte. Da ergaben sich wohl oft
Schwierigkeiten, die in Tratsch, Beschimpfungen, sogar in Handgreiflichkeiten
ausarten konnten. Das Gerichtsprotokoll der Gemeinde Gumpendorf berichtet öfter
über Bereinigung solcher Vorfälle, so von 1804 im Protokoll, wo es heißt: „Wegen
Aufhängung der Wäsche beschimpfte Beklagte die Klägerin mit allen erdenklichen
Schimpfnamen, riß die Klägerin an den Haaren und tat ihr alle Unbillen an. Beklagte
erwiderte, daß auch sie so beschimpft worden sei. Beklagte hat der Klägerin eine
„Flasche“ (Backenstreich) gegeben und die Klägerin hat die Beklagte bei den Haaren
genommen.“ Der Urteilsspruch des Gerichtes lautete, dass sich beide in Zukunft
ruhig zu verhalten hätten1.
Das Ausliefern der Wäsche muss unter den folgenden erschwerenden Bedingungen
gesehen werden: Zum einen stellte die „bügelfeuchte“ Bett-, Tisch- und
Sanitärwäsche gewichtsmäßig den großen Anteil dar, der termingerecht – bei jedem
Wetter – gebracht werden musste. In wohlhabenden Familien existierte eine
Ausstattung an Bett- und Tisch-Wäsche für 14 Tage2 und wurde dementsprechend
1
Das Wiener Heimatbuch Mariahilf. Wien 1963, S.132
2
Dies war auch die gängige „Ausstattung“ bei Hochzeiten
Dieser Text ist eine Aufforderung zum Mitmachen: Wenn Sie etwas ergänzen oder korrigieren wollen,
dann lassen Sie es uns wissen (email: [email protected])! Ihre Beiträge werden im Text
unter der Quellangabe „ZeitzeugInnen“ – auf Wunsch ohne Namensnennung – dokumentiert.
Erstellungsdatum: 30.07.2015
4
im Wochenrhythmus gewechselt bzw. gereinigt. Die Auslieferung erfolgte persönlich:
Dazu mussten sich die Lieferantinnen dem Sauberkeitsimage ihrer Innung
entsprechend kleiden. Eine solche Dienstkleidung stand im Schnitt nur einer von
etwa zwölf Wäscherinnen zur Verfügung, d.h. alle anderen mussten sich ihr Gewand
für die Lieferung ausborgen.
Das Bild aus dem Jahre 1844 zeigt die Lasten, die eine Wäscherin – mit lächelndem Gesicht – bei der
Auslieferung zu tragen hatte!
Bei der Kundschaft war die Gefahr sexueller Belästigung groß, da hinter dem
Berufsstand kein gewerblich etablierter Schutzmechanismus zu befürchten war:
5
Die mühsame Laugenwäsche wurde mit besserer Energiezufuhr vom Kochen der
Wäsche abgelöst. Die raschere aber nicht weniger mühsame Wäsche im heimischen
Kochkessel wurde wiederum der erfahrenen Wäscherin überlassen
Dieser Text ist eine Aufforderung zum Mitmachen: Wenn Sie etwas ergänzen oder korrigieren wollen,
dann lassen Sie es uns wissen (email: [email protected])! Ihre Beiträge werden im Text
unter der Quellangabe „ZeitzeugInnen“ – auf Wunsch ohne Namensnennung – dokumentiert.
Erstellungsdatum: 30.07.2015
6
Romantisierende Darstellungen
Die Wäscherinnen als Berufsstand fielen in
mehrfacher Hinsicht aus dem gewohnten
Rahmen:

Sie mussten sich als reiner Frauenerwerbsbereich gegenüber allen anderen
männerdominierten Bereichen etablieren.
Ihre Arbeitszeit war weitgehend selbstbestimmt weil nicht zuletzt von Witterungseinflüssen abhängig.

Sie arbeiteten in einem weitestgehend
ungeschützten Bereich: Als Arbeiterinnen
stand ihnen weder die bürgerliche Ehe
noch eine andere Partnerschaft wie bei den
Gunstgewerblerinnen zum Schutz vor
kriminellen Übergriffen offen.

Trotzdem verfügten sie durch ihr geschlossenes Auftreten (Sprache, Tracht, Ballveranstaltungen) über ein gemeinsames
Image und einen Organisationsgrad, der
sie weitgehend vor Invektiven bewahrte.
Die Sängerin Jenny Lind (1820-1887, bekannt
geworden als die „Schwedische Nachtigall“) in
einem Wäscherinnenkostüm. Ballspende,
Bezirksmuseum Mariahilf.
Josef Engelhart: Ball auf der Hängstatt. 1890
Foto-Quelle. Wien-Museum
7
Diese ambivalente Stellung als ständige – zwar unverehelichte und doch
unantastbare – weibliche Präsenz im eigenen Haushalt beflügelte zahlreiche
Männerfantasien.
Wäscherin am Gebirgsbach und Jäger
Mädchen beim Wäsche-Bleichen Beide
Aquarelle von Jakob Gauermann (1772-1843)
Die beiden Bilder lesen sich wie ein Comic-Strip: Hat der Jäger nichts zu tun? Stellt
er ihr nach? Welches der beiden Bilder ist das erste?
Dieser Text ist eine Aufforderung zum Mitmachen: Wenn Sie etwas ergänzen oder korrigieren wollen,
dann lassen Sie es uns wissen (email: [email protected])! Ihre Beiträge werden im Text
unter der Quellangabe „ZeitzeugInnen“ – auf Wunsch ohne Namensnennung – dokumentiert.
Erstellungsdatum: 30.07.2015
8
Weniger romantisch die Darstellungen des Pariser Individualisten Chardin. Während
der Arbeit versuchten die
Wäscherinnen ihre Kinder zu
beschäftigen und erfanden so
– wie viele Wäscherinnen auch
anderswo – die „Seifenblasen“.
Jean Siméon
Chardin: Die
Wäscherin, Paris 1733 Eremitage
Petersburg. Quelle: Internet
Das Kind muss auch Lulu…
Ob die Wäscherin überhaupt
Geld für eigene Windeln hatte?
Hubert Robert: Wäscherin und ihr
Kind Paris 1761. Quelle: Internet
9
Technische Verbesserungen: Waschglocke oder Wäschestampfer
Zuvor wurde die Wäsche zunächst in die Seifenlauge eingelegt und diese auf einer
Wäscherumpel dann durch das Gewebe gepresst. Auch das Stampfen mit nackten
Füßen in einem Bottich war seit der
Antike gebräuchlich. Beide Techniken
griffen jedoch die Haut der Wäscherinnen stark an und bedeuteten Schwerarbeit für Arm- und Fußgelenke!
Leichter ging es schon ab 1900 mit
dem Wäschestampfer. Der drückte
die Lauge nach unten und sog sie auch
wieder nach oben, was – in einer
verbesserten Ausführung ab 1950 durch ein kleines Ventil erleichtert
wurde. Er besteht aus einer Glocke aus
Messing (daher der Name „Waschglocke“) und einem hölzernen Stiel mit
zwei Griffen.
Bildquelle: www.eichwaelder.de
Dieses Gerät fand interessanter Weise Eingang in die Alltagsmärchen, nämlich
unter dem Begriff „Waschen mit Luft“. Die Kundschaft gewann nämlich den
Eindruck, dass hier nur bloße Luft durch die Wäsche gepumpt wurde. Selbst eine
spätere Entwicklung, welche in den frühen 1950ern zum Einsatz kam und den
Wäschestampfer mit einer Saugpumpe verband, erleichterte nur die Druck- und
Saugwirkung für die Lauge und so den Arbeitsvorgang. (Selbst in unserem
Museum hielt sich dieses Alltagsmärchen in Form einer Beschriftung und wurde
erst 2013 besser erklärt.)
Dieser Text ist eine Aufforderung zum Mitmachen: Wenn Sie etwas ergänzen oder korrigieren wollen,
dann lassen Sie es uns wissen (email: [email protected])! Ihre Beiträge werden im Text
unter der Quellangabe „ZeitzeugInnen“ – auf Wunsch ohne Namensnennung – dokumentiert.
Erstellungsdatum: 30.07.2015
10
Die Bäder in Mariahilf (Gertraud Liesenfeld3)
In dem Grätzel rund um das Museum in der Mollardgasse 8 waren ehedem drei
Badeanstalten: das gemeindeeigene, 1892 eröffnete und 1992 abgerissene
Volksbad4 in der Esterházygasse 2, das privat geführte, 1843 eröffnete und 1961
geschliffene „Karolinenbad"5 in der unteren Gstättengasse Nr. 123, heute
Dürergasse Nr. 146 und das ebenfalls privat geführte, 1852 eröffnete und 1982
geschlossene Esterházybad7 in der Gumpendorferstraße 59, durchgehend zur
Luftbadgasse 12. (…)
Die Gründung des Esterházybades kam nicht von ungefähr, sondern war eine
logische Folge eines Sauberkeits- und Gesundheitsdiskurses, der ab dem Vormärz
immer gewichtigere Umsetzungen erfuhr. Auch das Schwimmen als Mittel für
physische und psychische Rekreation, Reproduktion und Krankheitsprophylaxe
wurde propagiert8 und bedingte in Wien, neben bereits existierenden Strombädern9
auch eine weitere Etablierung von Freibädern in den Fließgewässern und stillen
Armen der Donau10, allmählich auch die Errichtung von geschlossenen
Badeanstalten in privater und öffentlicher Hand in den verbauten Stadtgebieten.
Diese Entwicklung wurde nicht zuletzt auch durch die katastrophalen
Wohnverhältnisse breitester Bevölkerungskreise, die bloß über unzureichende
Wasch- und Bademöglichkeiten verfugten, beschleunigt.
Der Besitzer des Esterházybades war Joseph Eggerth11, ein offenbar sehr
umtriebiger Mann12, der zuvor das „Karolinenbad" (1843) mit 40 Badewannen aus
3 Gertraud Liesenfeld „Vogelbisgotten", „Chlorkali zum gurgeln", „Soda und Waschl"... - eine
archivalische Spurensuche In: Volkskunde aus der Mitte, Festschrift für Olaf Bockhorn zum
siebzigsten Geburtstag, hrsg. von Eberhart, Helmut, Berger, Karl und Wilding, Regina für den Verein für
Volkskunde (=Sonderschriften des Vereins für Volkskunde in Wien, Bd. 16). Wien 2013. S.73ff
4
Edith Staufer-Wierl: „Im Trepferlbod". Wiener Volksbäder von 1887 bis heute. Dipl. Arb. Wien 1998,
S. 147-150
5
Erich Dimitz: Mariahilf Bezirksmuseum. Wien 2011 (= Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 5), S. 41.
6
Ernst Blaschek: Mariahilfeinst und jetzt. Wien und Leipzig 1926, S. 307.
7
Wilhelm Seledec, Helmut Kretschmer, Herbert Lauscha: Baden und Bäder in Wien. Wien 1987, S.
30.
8
Vgl. Ernst Gerhard Eder: Bade- und Schwimmkultur in Wien. Wien, Köln, Weimar 1995 (=
Kulturstudien, Bd. 25).
9
Einzelne Donaubäder, die ausschließlich Kaltwasserbäder im Freien waren, wurden bereits ab dem
frühen 18. Jahrhundert errichtet, so das „Schüttelbad" (1717), das „Ferro-Bad" (1781), das
„Freybad" (1810), die „k.k. Militär- und Zivilschwimmschule" im unteren Kaiserwasser (1813), das
„Marienbad" am Tabor (1831), die „Militärschwimmschule Krieau" (1875). Vgl. dazu Ingrid Ganster:
Tröpferlbad - Schwimmbad - Wellnessoase. Badebetrieb in Wien im Wandel der Zeit, S. 5-8 (=
Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 2/2007).
10
Vgl. Ludwig Preusser zu Niedernberg: Das Bad. Seine kulturelle und soziale Entwicklung mit
besonderer Berücksichtigung der Geschichte der Wiener Bäder. Dipl. Arb. Wien 1987.
11
Joseph Eggerth; geb. 1803, gest. 1878 als Badhausbesitzer, „Bürger von Wien und Besitzer des
goldenen Verdienstkreuzes", wie seiner Parte zu entnehmen ist. Für die freundliche Überlassung
derselben danke ich Herrn Klaus Dünser aus Götzis sehr.
12
Davor dürfte Joseph Eggert Zündhölzchen erzeugt haben. Später firmierte er als Knopffabrikant,
der auch diverse Maschinen zur Knopferzeugung erfand und sich diese patentieren ließ. Diese
Information verdanke ich ebenfalls Klaus Dünser. Vgl. Hof- und Staatshandbuch des Kaiserthums
Österreich. Wien 1844.
11
Marmor in 30 Kabinen13 errichten ließ und betrieb. Sein Erfolg dürfte groß gewesen
sein, denn bereits neun Jahre später (1852) eröffnete er das zweite Bad: in der
Gumpendorferstraße, schräg vis a vis des Esterházyschen Stadtpalais. Die unter
dem Fürstlich Esterházyschen Hof- und Stadtbaumeister Karl Ehmann errichtete
zweistöckige Baulichkeit wies „im Erdgeschoß die für Empire-und Biedermeierbauten
so bezeichnenden Rundbogenfelder der Fensteröffnungen"14 auf.
Tariftafel des Esterázybades, nach dem Umbau 1868. Bildquelle: Wilhelm Seledec, Helmut
Kretschmer, Herbert Lauscha: Baden und Bäder in Wien. Wien 1987,8.40,42.
Im Vorfeld der Erbauung dürften jedoch erst einige Schwierigkeiten zu beseitigen
gewesen sein. So legte der Hausbesitzer „Zum Wollbaum", ein unmittelbarer
Nachbar, sein Veto ein in der Befürchtung, dass sein Haus und Geschäft Schaden
nehmen könnte auf Grund der Feuchtigkeit des geplanten Badhauses. Ein weiterer
Einspruch erfolgte seitens des Besitzers des „Sophienbades", der eine Konkurrenz
hinsichtlich seines Privilegiums für Dampfbäder witterte. Letztlich sorgte sich auch
Fürst Esterházy um seine freie Aussicht. Schlussendlich aber setzte Joseph Eggerth
sein Bauvorhaben durch und ließ im vorderen Trakt des „Badhaus zum Fürsten
Esterházy", wie es ursprünglich hieß, ein Wannenbad errichten, und im hinteren Teil
13
de.wikipedia.org/wiki/Karolinenbad [17.03.2012, 10.57 Uhr].
14
Wiener Geschichtsblätter, F 8 (1953), S. 7; - Karl Ehmann, geb. 1977 in Krems/Stein, gest. in Wien
1829.
Dieser Text ist eine Aufforderung zum Mitmachen: Wenn Sie etwas ergänzen oder korrigieren wollen,
dann lassen Sie es uns wissen (email: [email protected])! Ihre Beiträge werden im Text
unter der Quellangabe „ZeitzeugInnen“ – auf Wunsch ohne Namensnennung – dokumentiert.
Erstellungsdatum: 30.07.2015
12
wurden zwei Schwimmhallen mit Kaltwasser, die auch im Winter beheizbar gewesen
sein sollen15 - eine für Damen und eine für Herren -, ihrer Bestimmung übergeben.16
Das Bad verfügte über eine verbaute Grundfläche von 567 m 2, die Baukosten
betrugen „ö.W. fl 280.000". Der Wasserbezug erfolgte über die „Kaiser Franz JosefHochquellenleitung".17 Das Bad blieb nach dem Tod Joseph Eggerths 1878 bis zu
dessen Schließung im 20. Jahrhundert (1982) vermutlich im alleinigen Besitze der
Familie.18
Hier arbeiteten die Wäscherinnen jedenfalls nur mehr im Haus (Anm.):
Aus dem Jahr 1939 liegt ein Wäscheinventar vor, das erahnen lässt, welche
Logistik zum reibungslosen Betreiben des Badeunternehmens notwendig
gewesen war: „Herren I. Cl. -Bademäntel 278, Herren II. Cl. 160 und schlechte,
Damen 287 und 40 schlechte, Herren I. Cl. - Leintücher 153, Herren II. Cl. muss
die schlechteren Leintücher von Herren I. bekommen, Damenleintücher 65,
Diwantücher 33, Kopftücher 103, Fusstücher 80, Fussbad Handtücher 32. Ich
würde sehr notwendig Molino für die Bügelmaschine brauchen."19 Gleiches gilt für
„Material und Kleininventarvorräte" aus dem Jahr 1943: „10 Kugelbesen, 50
Klosettbürsten, 41 Handreißbesen, 127 Schrapper, 78 Kielschropper, 22
Besenstangen, 11 Wannenbürsten, 73 Reibbürsten, 40 Kielreibbürsten, 3
Schaufeln, 45 Stielreißbesen, 301 Reibtücher, 200 Reibtuchstoff, 7 Haarbesen, 2
Lavoir, 2 Kübel, 4 Spucknäpfe, 9 Handbürsten, 9 Haarbürsten, 6 Mopp, 17
Holzstöpseln, l Lampenschutzgitter, 14 Schwämme, 240 kg Waschpulver, 105 kg
Schmierseife, 220 kg flüssige Seife, 225 kg Laugenessenz, 142 Schilfmatten, 170
P Klosettpapier, 15m Kokoslaüfer, 42,70m Wasserschlauch, 2 Wäschkörbe, 30
Stück Velosa Tabletten, 89 St. Fichtensalz, 10 St. Niveacreme fett, 2 St. Ischler
Sole, 11 St. Haarlotion."20
15
Vgl. Wilhelm Seledec u. a.: Baden und Bäder in Wien. Wien 1987, S. 30.
16
Ernst Blaschek: Mariahilf einst und jetzt. Wien und Leipzig 1926, S. 307
17
Bezirksmuseum Mariahilf, Archiv, Konvolut Esterházybad, Prospekt.
18
Tochter Anna Eggerth, verehelicht mit Johann Evangelist Presl, und Sohn Karl Eggerth waren die
neuen Besitzer. Karl starb jedoch schon zehn Jahre später 1888, weshalb seine Witwe, Josephine
Eggerth, die Hälfte übernahm. Mitte der 1890er Jahre erwarb Johann Presl dann den Anteil von
Josephine und war in der Folge alleiniger Besitzer. Nach seinem Tod (1900) wurde Tochter Anna
Presl die Besitzerin, die es jedoch zu Lebzeiten noch ihrem Bruder (nicht Sohn, wie irrtümlich im
Mariahilfer Heimatbuch angeführt) Hans Presl vermachte. Dieser war jedoch kränklich und übergab
seinen halben Anteil seinem Schwager Ernst Hlawa, der nach dem Tod Presls alleiniger Besitzer
blieb. Nach dem Tod von Ernst Hlawa wurde der Badebetrieb als Witwenbetrieb von Maria Hlawa
und Jenny Presl (Schwägerin von Maria Hlawa) weitergeführt. Mit dem Tod Maria Hlawas 1951
dürfte Jenny Presl den Badebetrieb als Besitzerin allein weitergeführt haben. Wer ihn bis zu seiner
Einstellung 1982 besaß, wäre noch zu klären. - Zur Zeit seiner Blüte dehnte sich das Bad auch auf
das Nachbarhaus, Gumpendorferstraße 57, aus. Dort steht heute ein Gemeindebau mit einer
städtischen Bücherei im Erdgeschoß. Das Haus Gumpendorferstraße 59 beherbergte nach der
Schließung des Bades lange Jahre die Wiener Installateur-Innung. Seit einigen Jahren befindet es
sich im Privatbesitz.
19
Bezirksmuseum Mariahilf, Archiv, Konvolut Esterházybad, Wäscheinventar 3.10.1939.
20
Bezirksmuseum Mariahilf, Archiv, Konvolut Esterházybad, Kleininventar 2.1.1943
13
Die technologische Ablöse: Die Waschmaschine
Mit der Regulierung des Wientales um 1900 und der Verbesserung der Wasserversorgung ergab sich zunächst eine Verdrängung des Berufsbildes der Wäscherin
aus der freien Natur in die Haushalte.
Es handelte sich nun vermehrt um ältere Frauen und (Kriegs-)Witwen, die anders
kein Auskommen mehr fanden. Als Zugehfrauen erschienen sie am ominösen
„Waschtag“ in den Häusern. Die Waschküche war in vielen älteren Häusern am
Dachboden angesiedelt, dort fand sich eine gemauerte Feuerstelle mit einem
metallenen Bottich. Eine Möglichkeit zum Aufhängen der Wäsche fand sich ebendort.
Bildquelle: Bezirksmuseum Mariahilf
Danach verdrängte die Weiterentwicklung der Technik (Waschautomaten, neue
Textilien, neue Chemikalien) den Beruf ins niedergelassene Gewerbe („Putzereien“,
chemische Reinigung) und in die unselbständige Beschäftigung.
Dieser Text ist eine Aufforderung zum Mitmachen: Wenn Sie etwas ergänzen oder korrigieren wollen,
dann lassen Sie es uns wissen (email: [email protected])! Ihre Beiträge werden im Text
unter der Quellangabe „ZeitzeugInnen“ – auf Wunsch ohne Namensnennung – dokumentiert.
Erstellungsdatum: 30.07.2015
14
Umgekehrt befreiten die Waschmaschinen Frauen großflächig aus ihrer zeitmäßig
aufwendigen und ohnedies unbezahlten Hausarbeit hin zu besserer Bildung und zur
Teilnahme am Erwerbsleben.21
Die gemeinsame Waschküche im Haus – obwohl
energiepolitisch und auch als Kommunikationsraum sinnvoll
– hat sich nur im kommunalen Wohnbau erhalten. Manche
Waschküchen wurden zu Bastelräumen umfunktioniert,
wenn alle Wohnungen über eine eigene Waschmaschine
verfügten. So blieb wenigstens der kommunikative Aspekt
erhalten.22
Bildquelle: Bezirksmuseum Mariahilf. Die Fa. Neuber findet sich noch
immer in der Linken Wienzeile / Ecke Brückengasse
Text: Erich Dimitz
21
22
Vgl.: Renée Schroeder: Von Menschen, Zellen und Waschmaschinen - Anleitung zur Rettung der
Welt. Residenz Verlag. 2014
Alle Bilder und Textvorlagen – soweit nicht anders angeführt – aus: Helene Grünn. Wäsche
waschen. Niederösterreichisches Heimatwerk. Wien 1978