Erfahrungsbericht Name: T h o m a s U n t e r r e i t m e i e r Studiengang und -fach: IBWL Austauschjahr: Wintersemester 2015/2016 Gastuniversität: Universidad EAFIT Stadt: Medellin Land: Kolumbien Aus Spam- und Datenschutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht. Studierende der Universität Augsburg können diese auf Anfrage im Auslandsamt erhalten. Die Erfahrungsberichte werden von Studierenden verfasst und spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Universität Augsburg wider. Für den Inhalt des Berichts ist der/die Verfasser/in verantwortlich. Das Akademische Auslandsamt behält sich vor, ggf. Änderungen vorzunehmen. Als allererstes muss ich anmerken, dass ich vor meinem Auslandssemester leider nicht die Chance hatte nach Südamerika zu reisen, weshalb ich sozusagen ins kalte Wasser gesprungen bin, ohne wirklich zu wissen, was mich erwarten würde. Nach einem Semester hier in Kolumbien kann ich aber absolut jedem empfehlen hierher zu kommen. Nachdem ich ursprünglich nach Bogotá wollte, da es mich gereizt hat in einer wirklichen Großstadt zu leben, wurde ich von einem gebürtigen ‚Rolo’ (jemand aus Bogotá) überredet, mich stattdessen für Medellín und die Universidad EAFIT zu bewerben. Diese Entscheidung habe ich keine Minute bereut. Die Erfahrungen die ich hier gemacht habe, sowie die Freunde, die ich hier kennengelernt habe sind unbezahlbar. In Augsburg studiere ich im Bachelor iBWL und habe mich hier für den Studiengang ‚Negocios Internacionales’ entschieden. VORBEREITUNG Nach der Freude über eine Zusage gibt es natürlich einige organisatorische Vorbereitungen, die erledigt werden müssen. Für eine erste (nicht allzu verbindliche) Kurswahl gibt es etliche Informationen auf der Internetseite der Universität. Die Auswahl ist in meinen Augen sehr groß und ich habe meine Kurse sehr nach meinem Interesse gewählt. Trotzdem rate ich dringend die Kursbeschreibungen aufmerksam zu lesen. In diesem Studiengang wird der Großteil der Kurse auf Englisch gehalten. Falls man noch Impfungen benötigt, oder diese nicht von der eigenen Krankenkasse abgedeckt werden, kann man diese ohne Probleme hier viel günstiger nachholen. So habe ich mich zum Beispiel an der Universität für 50,000 COP (15 EUR) gegen Gelbfieber impfen lassen. Die nötigen Dokumente, für das kolumbianische Studentenvisa TP-3, hatte ich sehr schnell organisiert. An einer Fahrt nach Frankfurt in das Konsulat kommt man allerdings nicht vorbei. In meinem Fall hat mein Arbeitgeber eine finanzielle Bürgschaft abgegeben. Ein Nachweis über die Solvenz (Kontoauszüge, etc.) ist aber in jedem Fall zwingend erforderlich. Einen eventuellen Antrag auf BAföG sollte man auch auf jeden Fall rechtzeitig stellen. Das zuständige Förderamt in Bremen war in meiner Erfahrung sehr bürokratisch. Trotzdem hatte ich nach ungefähr 6 Monaten endlich eine Zusage. Bewerbungen für Stipendien sind auch vergleichsweise zeitintensiv, da in den meisten Fällen eine Begutachtung durch einen Professor benötigt wird. Die versetzen Semesterzeiten haben mich allerdings vor ein großes Problem gestellt, da die Einführungsveranstaltungen an der Universidad EAFIT bereits Anfang Juli während der Prüfungsphase in Augsburg beginnen. Deswegen habe ich mich dazu entschlossen im Sommersemester vor meiner Abreise keine Prüfungen zu schreiben, mich dafür aber für Prüfungen im darauffolgenden Wintersemester anzumelden, für welche der Besuch von Vorlesungen oder Übungen nicht zwingend erforderlich ist. Ohne ausreichende Spanischkenntnisse gestaltet sich der Alltag hier allerdings sehr schwierig. Mit Englisch kommt man hier maximal in der Universität oder mit anderen Austauschstudenten weiter. Dafür halte ich das Spanisch allgemein in Kolumbien für vergleichsweise verständlich. Im Bezug auf das Klima ist Medellín nahezu perfekt. Es wird wegen seiner Lage in einem Tal weder zu heiß noch zu kalt. Je nach persönlichem Geschmack ist ein kurzes T-Shirt und eine lange Hose das Alltagsoutfit. Einige Internationals haben aber auch oft eine kurze Hose bevorzugt. Für einen Ausflug zu einem Gletscher auf 4,700 Höhenmetern war ich aber mehr als froh, eine Mütze, Schal, Handschuhe und etwas warmes zum Überziehen eingepackt zu haben. Auch in Bogotá oder im umliegenden Hochland von Medellín sind wärmere Klamotten mehr als angebracht. ANKUNFT IN MEDELLÍN Nach meiner Ankunft in Medellín - nach einem verpasstem Anschluss in Bogotá erwartete mich ein, von der Universität bereitgestelltes, Taxi am Flughafen. Um eine erste Übernachtungsmöglichkeit nach meiner Ankunft zu haben, habe ich für eine Woche ein Bett im ‚Waypoint Hostel’ in der Nähe der Universität im Voraus gebucht. Hier habe ich auch erste Bekanntschaften mit künftigen Kommilitonen geschlossen. Die anschließende Wohnungssuche gestaltet sich vor Ort sehr viel einfacher. So habe ich nach einer kurzen Suche ein Zimmer in einer internationalen WG in unmittelbarer Nähe der Universität gefunden. Falls ich mir nochmal eine Wohnung suchen müsste, würde ich Viertel wie ‚Envigado’ oder ‚Manila’ bevorzugen. Der Weg zur Universität ist dort auch einfach mit dem Bus zurückzulegen. Dafür gibt es gleichzeitig viel mehr Leben auf der Straße mit Restaurants und Cafés. Außerdem sind die Mieten dort auch noch etwas günstiger. Für mein Zimmer mit privatem Bad habe ich 700,000 COP (~200 EUR) bezahlt. Meine Vermieterin stellte sich allerdings sehr schnell als eher schwierig heraus und erfand immer wieder neue Regeln oder hatte andere Überraschungen parat, wie zum Beispiel das Internet zu kündigen. Ein Mietvertrag ist in Kolumbien nicht sehr verbreitet, dafür ist eine Putzfrau, die auch die Wäsche übernimmt, absolut üblich. Es gibt sogar Mietverträge inklusive Verpflegung. Nachdem in meinem Wohnblock fast ausschließlich Studenten wohnten und dieser auch nicht sehr hellhörig war, war die Lautstärke nie ein Problem. Das Nachtleben spielt sich Großteils im ‚Parque Lleras’ ab. Hier ist eigentlich für jeden Geschmack von elektronischer Musik bis Salsa alles geboten. Mit dem Taxi, den anfangs etwas verwirrenden Bussen oder der Metro kommt man außerhalb der Stoßzeiten sehr schnell und günstig von A nach B. So gut wie alle Busse sind privat, bei denen man beim Einsteigen dem Fahrer möglichst passend Bargeld zahlt. Außerdem gibt es auch keine festen Abfahrtszeiten und auch keine Haltestationen. Zu- und aussteigen kann man so gut wie überall auf der Straße. Für alles organisatorische, wie zum Beispiel das Beantragen der ‚Cédula’ (dem Personalausweis), lässt man sich am besten von dem zugeteilten Buddy unterstützen. Mein Buddy hat leider in Vollzeit gearbeitet und hatte dementsprechend wenig Zeit. Alle anderen Buddies waren aber absolut motiviert und sehr aufgeschlossen. So wurden wir zum Beispiel auch auf die Finca der Großeltern eines Buddies eingeladen, wo wir Obst geplückt, Kaffe geröstet und mit sovielen Geschenken wie wir nur tragen konnten wieder nach Hause gefahren sind. DIE UNIVERSITÄT UND KURSE Die Universität selbst ist sehr international und hat auch einen sehr guten Ruf in Kolumbien. In meinem Semester waren knapp 140 Austauschstudenten, die Betreuung war aber sehr persönlich, koordiniert und professionell. Esteban, der Betreuer des International Office, unterstützt einen wo er nur kann, ist aber auch auf vielen Veranstaltungen und Parties anzutreffen. Gerade in den Einführungsveranstaltungen oder auf diversen Parties lernt man sehr schnell alle anderen Austauschstudenten aber auch kolumbianische Studenten kennen. Ich habe mich dazu entschlossen vier Kurse hier zu belegen und bin froh, dass ich nicht mehr belegt habe. Da in fast jedem Kurs teilweise mehrere Zwischenprüfungen, Präsentationen, Essays, Projekte und Gruppenarbeiten verlangt werden, sind diese sehr zeitintensiv. Der Aufbau, Prüfungen sowie die Qualität der Kurse und der Dozenten schwankt hingegen teilweise sehr stark. So hatte ich Dozenten die äußerst motiviert waren, einen persönlichen Kontakt gepflegt haben und immer für Fragen verfügbar waren. Andererseits gibt es auch Dozenten die das vermissen lassen. Auch die Benotung von Leistungen ist teilweise sehr undurchsichtig. Allerdings ist ein sehr persönlicher Umgang mit den Dozenten üblich und man redet sich grundsätzlich mit dem Vornamen an. Im Studiengang ‚Negocios Internacionales’ wird der Großteil der Kurse auf Englisch angeboten. Die Gruppengröße ist in fast allen Fällen sehr klein und erinnert eher an Schule. Andererseits hatte ich auch einen Kurs mit 100 Studenten der wie eine Vorlesung aufgebaut war und lediglich schriftliche Prüfungen verlangte. Durch die kleinen Gruppen bietet sich natürlich die Möglichkeit sich intensiver mit dem Material auseinanderzusetzen und auch zu diskutieren. Leider wird diese Möglichkeit nicht von jedem Dozenten genutzt. Allerdings muss man im Idealfall jede Woche für jeden Kurs vorbereitet sein, da auch Workshops oder Case Studies im Unterricht in die Benotung einfließen. Eine weitere Besonderheit ist, dass Kurse von 06:00 morgens bis 21:00 abends angeboten werden und jeweils drei Stunden dauern. Nach einer kurzen Umgewöhnungszeit ist das aber weniger schlimm, als es im ersten Moment klingt. Sobald man die Möglichkeit hat, sich fest für Kurse einzuschreiben, sollte man das auch möglichst zeitnahe erledigen, da die Anzahl der Teilnehmer begrenzt ist. In der Einführungsphase hat man aber noch die Möglichkeit Kurse zu wechseln oder abzuwählen. Da die Universidad EAFIT eine private Universität ist, deren Studiengebühren sich nur ein ausgewählter Kreis leisten kann, lernt man hier großteils Studenten der obersten Schicht kennen, die zumeist noch bei den Eltern wohnen. SICHERHEIT Bedenken über die eigene Sicherheit sollten in keinem Fall ein Grund sein nicht in dieses Land zu kommen. Natürlich gibt es Regionen und in jeder Stadt Viertel von denen man sich eher fernhalten sollte. Trotzdem habe ich mich während meines Aufenthalts nie wirklich unsicher gefühlt. Wenn man einige Vorsichtsmaßnahmen einhält kann man das Risiko offensichtlich senken. Allerdings wurde einer Freundin auf dem Campus die Tasche mit Laptop geklaut. Abgesehen davon ist mir bis auf ein verschwundenes Smartphone nichts zu Ohren gekommen. FAZIT Ein Auslandssemester ist eine einmalige Erfahrung die ich jedem wärmstens empfehlen kann. Der Rahmen dieses Erfahrungsberichts kann niemals alle Erfahrungen wiedergeben die man auf einem Auslandssemester in diesem Land machen kann. Dieses Land, diese Stadt und vor allem die Leute hier sind auch absolut einmalig. In einem Semester hier lernt man das Leben natürlich ganz anders kennen, als man dies als Tourist mit begrenztem Zeitplan jemals könnte. Aber auch die touristischen Möglichkeiten die man in diesem Semester hat sind wirklich einzigartig. Es gibt sehr günstige Busse die einen für Tages- oder Wochenendausflüge in alle umliegenden Städte bringen. Ansonsten kann man mit ein wenig Vorplanung auch sehr günstig in entlegenere Gebiete fliegen.
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