Franzmagazine - Vereinigte Bühnen Bozen

9.10.2015
Minimalismus im Theater: "Der Weibsteufel" im Stadttheater Bozen | franzmagazine
MORE THAN APPLES AND COWS
October 9, 2015
Minimalismus im Theater: “Der
Weibsteufel” im Stadttheater Bozen
Robin Wehe
Wir sind überschwemmt von Information, Komfort, Radiogedudel oder Quatsch wie
Kaminfeuer­DVDs und immer wieder neuen (medialen) Anreizen. Deshalb ist jegliche
Form von Minimalismus erfrischend. Das Theater Stück "Weibsteufel" von Karl
Schönherr, das derzeit im Stadttheater Bozen aufgeführt wird, lebt diesen
Minimalismus bis zum Ende und ist – ja, genau, echt fresh.
Man muss sich schon einmal darauf einstellen: Die ZuschauerInnen sitzen selbst auf der
eigentlichen Bühne. Aber keine Angst, das ist kein aktives Mitmach-Theater wie im Zeltlager
1992. Hier wurden für “Der Weibsteufel” von Karl Schönherr im Stadttheater Bozen weitere
Tribünen aufgebaut, die eine Drehbühne umschließen, auf der das Stück gespielt wird. Auch
braucht das Stück nicht viel: drei Charaktere, eine Kiste und drei bis vier Kleinigkeiten. Der Rest
ist Dialog und Schauspiel. Gerade durch diese Einfachheit und Komprimierung auf das
Wesentliche wirkt das Drama in fünf Akten so gut.
Der Minimalismus ist jedoch nicht ein reines Stilmittel, das beim Zuschauer einen bestimmten
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Affekt hervorrufen soll. Es ist viel mehr das Grundprinzip des Theaterstücks als Antwort auf ein
Problem jeglicher künstlerischer Gestaltung: Wie drücke ich die Unerklärbarkeit unseres
Daseins aus? Mit leisen oder mir lauten Tönen, mit welchen Effekten, Zurückhaltung oder
Ramba-Zamba? Am deutlichsten wird diese Unerklärbarkeit in der Zerrissenheit, im SichAufreiben und Scheitern. So wie in der Tragödie: Der tragische Held als Fleischwerdung der
Zerrissenheit, die zu seinem letztendlichen Fall führt. Die Fokussierung auf das Wesentliche
und Einfache kann eine künstlerische Antwort darauf sein. Durch das Minimalistische, das
Zurückhaltende wird auf das Bestimmende der Unerklärbarkeit eingegangen, nämlich dass sie
nicht erklärbar ist. Also stelle ich sie dar, indem sie in ihrer Einsparung mitwirkt. Dafür werden
starke Schauspieler benötigt, die die Inszenierung der VBB in Bozen durchaus bietet. Die Story ist relativ simpel: Mann und Frau leben seit sechs Jahren gemeinsam in der Ehe und
wollen sich ihren Traum verwirklichen, endlich das Haus am Marktplatz zu kaufen. Ihr Geld
verdient der Mann durch den Verkauf geschmuggelter Ware. Er ist sehr geschickt darin und
beide sind kurz davor, alles Geld für das Haus zusammen zu haben, als ein neuer
ambitionierter “Grenzjäger” darauf angesetzt wird, Informationen über das Paar zu besorgen,
indem er die Frau verführen soll. Der Mann überredet seine Frau darauf einzugehen, damit er
in der Zeit die geschmuggelte Ware wegbringen kann. Nach einiger Zeit entwickelt sich
aber eine echte Anziehung zwischen dem Grenzjäger und der Frau, die nun zwischen den
Männern hin und her springt. Sie dreht den Spieß um und spielt mit beiden Männern ein
gefährliches Spiel, bis es am Ende zum Showdown kommt. Im Laufe des Stückes werden
Einblicke in die Herzen der Charaktere möglich: Die Getriebenheit des Mannes, möglichst viel
Geld zu verdienen und das Haus am Marktplatz zu kaufen, rührt aus tiefen Wunden seiner
Kindheit. Der Grenzjäger ist auf eine schnelle Beförderung aus und die Frau hat es satt, dass
die Männer mit ihr spielen und setzt bewusst ihre Erotik ein, um an Macht zu gewinnen. http://franzmagazine.com/2015/10/09/weibsteufel­im­stadttheater­bozen­minimalismus­im­theater/
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Minimalismus im Theater: "Der Weibsteufel" im Stadttheater Bozen | franzmagazine
Die Inszenierung in Bozen ist gelungen. Zusätzlich wird zwischen jedem Akt sphärige
Elektromusik gespielt, in die man kurz eintauchen kann. Es ist modern, kurzweilig und
unterhaltsam, aber auch tragisch. Regisseur und Schauspieler bleiben dem Stil Schönherrs
treu – einfach, klar, bewusst in geringem Ausmaß ausgeschmückt, aber mit starken Pointen. So
ist das Stück in sich stimmig aufgeführt. Gespielt wird es von dem Bozner Hannes Perkmann,
der Brunecknerin Christine Lasta und dem Innsbrucker Florian Eisner. Regie führt Philipp
Jescheck.
Nach einer Stunde und 20 Minuten heißt es dann Applaus, Applaus und man kann noch ein
Glas Wein am DVD-Kamin Feuer zu Hause trinken. Nein, die lieber wegschmeißen und
inspiriert aus dem Abend gehen und etwas von dem Minimalismus mitnehmen.
Nächste Aufführungen der Vereinigten Bühnen Bozen im Großen Haus des Stadttheaters: 8.,
9., 10., 15., 16., 17. Oktober 20h; 11., 18., Oktober 18h. Stückeinführung: 8. Oktober
19.15h; Schulvorstellungen: 7., 13., 14., Oktober 10h. http://franzmagazine.com/2015/10/09/weibsteufel­im­stadttheater­bozen­minimalismus­im­theater/
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