Vereinigte Bühnen Bozen Gabriela Oberkofler - Samstag/Sonntag, 3./4. Oktober 2015 7 Wussten Sie, dass … „Jetzt haben wir uns gern und wissen kein Weg!“ (Weib) ... die Vereinigten Bühnen Bozen das größte eigenproduzierende Theater in Südtirol sind und in der letzten Saison 28.500 Zuschauer aller Altersklassen erreicht haben. © Nichts wie hin! START IN DIE SAISON: Die neue Spielzeit der Vereinigten Bühnen Bozen beginnt Philipp Jescheck Regisseur von „Der Weibsteufel“ Wie zeitgemäß ist „Der Weibsteufel“ aus dem Jahr 1915? Die Beziehung eines Paares, bei dem Körperlichkeit keine Rolle mehr spielt, aber gemeinsame Ziele bzw. eine gewisse Abhängigkeit vorhanden sind, ist heute wohl immer noch hoch aktuell. Ebenso, dass durch einen Dritten die Geschichte erst richtig ins Wanken gerät. Bei Schönherr verkörpert die fremde Figur alles, was die Frau an ihrem Mann vermisst. Sie verlieben sich und begehren einander, können aber nicht zusammenkommen. Wenn man bedenkt, wie viele Männer Frauen in ihren Handlungsspielräumen immer noch einzugrenzen versuchen, oder Frauen grundsätzlich unterschätzen, dann hat das Stück auch in diesem Punkt nicht an Aktualität eingebüßt. Was war die größte Herausforderung in dieser Arbeit? Die Figuren sind Gefangene in ihrem eigenen Dasein. Eine Möglichkeit abzuhauen oder gar über den Tellerrand zu schauen, haben sie nicht. Was mich an der Story fasziniert, ist dieser Strudel, in den sie hineingeraten und existentielle Dinge zum Vorschein bringen. Dieser Moment, in dem man nicht mehr weiß, wo man steht, ist das Spannende und hat darüber hinaus etwas Universelles. BOZEN. Freuen Sie sich auch in dieser Saison auf insgesamt neun Eigenproduktionen der VBB, die von Oktober 2015 bis Mai 2016 im Stadttheater Bozen, aber auch an anderen Orten in Südtirol und im Ausland gespielt werden. Den Saisonauftakt macht ein Klassiker der Theaterliteratur, der in einer heutigen Form gezeigt wird. Das Volksstück „Der Weibsteufel“ von Karl Schönherr aus dem Jahr 1915 blickt schonungslos hinter die Fassade der heilen Tiroler Welt. Angesiedelt in der Einsamkeit der Berge entdecken die Figuren Gefühle, die ihr bisheriges Leben in Frage stellen. Aus einem unmoralischen Spiel entwickelt sich ein Kampf um Begehren, Macht und Interessen. Dokumentartheater: „Bombenjahre“ Mit einem wichtigen Kapitel Südtiroler Zeitgeschichte beschäftigt sich das Dokumentartheater-Projekt „Bombenjahre“. Historiker, Journalisten, Zeitzeugen, Opfer und Täter erzählen live auf der Bühne und vermitteln dem Publikum ein umfassendes Bild dieser Zeit. Die österreichische Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek schreibt mit den „Schutzbefohlenen“ einen sprachgewaltigen Text zur aktuellen Flüchtlingskatastrophe in Europa. Dafür wurden ein exklusives Ensemble und Jessica Glause als eine der besten jungen Regisseurinnen engagiert. Sie hat gerade am Volkstheater Wien die Saison miteröffnet und probt derzeit am Münchner Volkstheater. Die VBB zeigen für Kinder zwischen 4 und 9 Jahren ab November „Oh, wie schön ist Panama“ von Janosch in Bruneck, Meran, Schlanders und Bozen. Mit dem Thema Identität beschäftigt sich das Jugendstück für Kinder und Jugendliche ab 10 „Der Junge mit dem längsten Schatten“. Komödien „Glorious!“ und der „Der Revisor“ In dieser Saison gibt es auch einiges für die Lachmuskeln: Die Komödie „Glorious!“ erzählt die Geschichte von Florence Foster Jenkins, der schlimmsten Sängerin der Welt – der ersten selbsternannten „CastingQueen“. Klassisch und gleichzeitig unterhaltsam ist die diesjährige Komödie „Der Revisor“ von Nikolaj Gogol. In den Hauptrollen werden Thomas Hochkofler als vermeintlicher Revisor und Lukas Lobis als Bürgermeister zu sehen sein. „Ein Sommernachtstraum“ von Shakespeare Wie in den vergangen Jahren vernetzen sich die VBB weiter und koproduzieren u.a. mit dem Landestheater Niederösterreich das Stück „Liebesspiel“ von Lars Norén, in dem der Südtiroler Lukas Spisser zu sehen sein wird. „Ein Sommernachtstraum“ von Shakespeare beschließt die Saison. Er wird Schauspiel und Musik an einem Abend verbinden. Die Koproduktion mit dem Haydn Orchester von Bozen und Trient ist sicher ein Höhepunkt der diesjährigen Spielzeit. Freuen Sie sich auf ein abwechslungsreiches Theaterprogramm für alle Sinne! © Alle Rechte vorbehalten Der Weibsteufel DRAMA: In fünf Akten von Karl Schönherr Ist die Frau wirklich die teuflische in diesem Stück? Nein, es gibt keinen Schuldigen. Das ist das Spannende. Die Figuren geraten in eine Situation, wo keiner was dafür kann. Alle reagieren einfach nur. Dann erwachen Gefühle, arbeiten Sehnsüchte, die diesen Strudel und damit einhergehend den Rachefeldzug der Frau ermöglichen. In keinem Moment des Stückes gibt es den so genannten Bösen. Es sind Leidenschaften und Sehnsüchte, die alle drei Figuren antreiben. © Hannes Perkmann, Christine Lasta und Florian Eisner (v.l.) geraten in „Der Weibsteufel“ in einen Beziehungsstrudel, der menschliche Abgründe aufzeigt. Christoph Sebastian Hannes Perkmann Christine Lasta Sie verkörpern in „der Weibsteufel“ den schlauen, kränklichen Mann. Worin lag die Schwierigkeit in dieser Rolle? Wie in jeder Rolle liegt auch beim Mann die Herausforderung darin, alles Plakative und Eindimensionale in der Charakterisierung und Darstellung zu umgehen und ein zutiefst menschliches, ambivalentes Charakterbild zu erschaffen. Fühlen Sie sich wohl in der Rolle als Verführerin? Ja, durchaus. Ich glaube, dass es jeder Frau Spaß macht, die Verführerin zu spielen. Viele Frauen glauben, sie könnten das nicht. Dabei geht’s nur ums Trauen. Wie nachvollziehbar ist seine Sehnsucht nach häuslichem Gefährliches Spiel: die Südtiroler Schauspieler Hannes Perkmann und Christine Lasta. Christoph Sebastian Glück und Anerkennung? Beides sind zutiefst menschliche Sehnsüchte, die ich gut kenne. Was war Ihre bisher größte Rolle? Die größte Herausforderung für mich sind meist kleinere Rollen, da sie viel Geduld, Präzision und Hingabe erfordern. Diese Rolle fordert mich natürlich sehr und ist meine bisher größte an den Vereinigten Bühnen Bozen. © Was treibt Ihre Figur an, den Spieß umzudrehen? Wohl die Verletzung, das Gefühl, Mittel zum Zweck zu sein. Während der eigene Mann sie benutzt, um sein Geld zu ver- Nach sechs Ehejahren stehen der Mann und seine Frau kurz davor, das Haus am Marktplatz zu kaufen, finanziert von der Hehlerei geschmuggelter Ware. Als sich der ehrgeizige Grenzjäger eine schnelle Beförderung verspricht, indem er die junge Frau verführt und ihr so Informationen entlockt, dreht der Mann die Situation um. Er animiert seine Frau dazu, dem Jäger schöne Augen zu machen, um selbst in Ruhe seine versteckte Ware loszuwerden. Die Erotik der Frau wird zum Spielball der Männer, doch schon bald entwickelt sich aus taktischer Annäherung wahre Leidenschaft. Nun beginnt die Frau, ihre eigenen Interessen zu verfolgen und die Regeln zu verändern. Lassen Sie sich von der ungewöhnlichen Bühnensituation überraschen, die einen 360° Rundumblick auf die Schauspieler gewährt. Regie Philipp Jescheck, Bühne Michele Lorenzini, Kostüme Katia Bottegal, Licht Micha Beyermann, Dramaturgie Elisabeth Thaler mit Florian Eisner, Christine Lasta, Hannes Perkmann. Premiere: Samstag, 3. Oktober, 20 Uhr – Großes Haus, Stadttheater Bozen Weitere Vorstellungen: Do 08.10., 20 Uhr (Stückeinführung, 19.15 Uhr) Fr 09.10., 20 Uhr Sa 10.10., 20 Uhr So 11.10.,18 Uhr Do 15.10., 20 Uhr Fr 16.10., 20 Uhr Sa 17.10.,20 Uhr So 18.10., 18 Uhr Tickets unter theater-bozen.it oder 0471/065320 Florian Eisner mehren, nutzt sie der junge Jäger aus, um seiner Karriere auf die Sprünge zu helfen. Wie emanzipiert ist diese Frau wirklich? Ich finde, sie ist sich selbst einfach treu. Und aus diesem Handeln trifft sie Entscheidungen, ohne großartig zu überlegen oder die Folgen zu bedenken. Am Ende fällt sie den Entschluss, einen Rachefeldzug zu starten. Das macht sie für © mich stark. Ist es für dieses Stück von Vorteil, dass Sie Tiroler sind? Eigentlich nicht, weil die Themen allgemeingültig sind. Es war uns wichtig, die Sprache Karl Schönherrs als Kunstsprache beizubehalten und nicht dem Dialekt anzupassen. Wie würden Sie das Verhältnis des Jägers zum „Weib“ beschreiben? Aus der Anziehung wird ein Versinken im Anderen. Es steigert sich bis hin zur Selbstauflösung. Die sexuelle Komponente ist na- türlich auch sehr wichtig zwischen den beiden. Die Figuren hadern jedoch mit der Diskrepanz zwischen Kopf und Bauch. Was war die Herausforderung für Sie? Die glaubhafte Interpretation der tiefen Gefühle, ohne dabei die Leichtigkeit zu verlieren. Der Jäger ist am Anfang verspielt und trotzdem stecken immer ganze Abgründe an Gefühlen darunter. Beides unter einen Hut zu bekommen, war die größte Heraus© forderung für mich.
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