PDF - Fachbereich Verkehr

Fachbereich Verkehr
01
|2
SCHIFFFAHRT
d e r v e r.d i - R e p o r t
01
INTERVIEW
Maritimer Innovationsmotor
Eine starke maritime Branche sei für
die deutsche Wirtschaft unverzichtbar, erklärt Uwe Beckmeyer (SPD),
der neue Maritime Koordinator der
Bundesregierung, im Interview mit
dem SchifffahrtsReport. Um das
maritime Know-how am Standort
zu halten, müssten gemeinsame
­Lösungen von Politik, Reedern und
Gewerkschaften her. Das Maritime
Bündnis sei dafür die geeignete
Plattform. Man brauche allerdings
wieder verbindlichere Abreden. Seite 2
4
Renditen in die Höhe –
Maritimes Know-how
in den Keller?
AKTUELLES
Schleichende Übernahme
FOTO: DIETER KALINA/PIXELIO
Die EU-Leitlinien für die Seeschifffahrt müssen Mindestbesetzungen vorschreiben
Ziel der EU-Leitlinien für den Seeverkehr
war und ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der
EU-Mitgliedsstaaten zu stärken und die Ausbildung und Beschäftigung von EU-Bürgern
zur Erhaltung des maritimen Know-hows
zu fördern. National wurde es im Maritimen Bündnis als „Bündnis für mehr Aus­
bildung und Beschäftigung“ konkretisiert.
Beides steht im Zusammenhang.
Die Umsetzung in Deutschland hatte zunächst bis 2008 dazu geführt, dass sich
die Anzahl an Schiffen unter deutscher
Flagge und die Beschäftigungszahlen stabilisierten und die Ausbildungszahlen von
niedrigem Niveau aus gesteigert wurden.
Doch seit Beginn der Schifffahrtskrise, die
im maritimen Bereich noch dadurch ver-
stärkt wurde, dass Reedereien in Zeiten des
Booms eine große Anzahl an Neubautonnage orderten, geht es wieder abwärts. Die
entstandenen Überkapazitäten als Folge
einer ungezügelten Geldanlagenpolitik belasten den Markt zusätzlich.
Diese Entwicklungen sowie die Erleichterung und Legalisierung durch ein neues
Flaggenrechtsgesetz haben dazu geführt,
dass deutsche Reedereien sich verstärkt
von der deutschen Flagge verabschieden.
Ein Abbau von EU-/deutschen Seearbeitsplätzen und ein starkes Zurückfahren der
Ausbildungsplätze ist die Folge. Die deutsche Schiffsbesetzungsverordnung schreibt
vor, dass mindestens fünf EU-/deutsche
Seeleute auf Schiffen mit einer Bruttoraumzahl von über 8.000 gefahren werden
müssen, auf kleineren Schiffen entspre­
chend weniger. Nur über diese Verordnung
war und ist sichergestellt worden, dass
überhaupt deutsche oder EU-Seeleute beschäftigt wurden und das maritime Knowhow erhalten blieb.
Ein Rückblick: Zu Beginn des Maritimen
Bündnisses wurde vereinbart, mindestens
300 Schiffe unter deutscher Flagge zu halten. Die Zusagen stiegen später auf 400,
500, unter der Maßgabe wirtschaftlicher
Rahmenbedingungen wurden sogar 600
zugesagt. Schließlich waren es 508 Schiffe,
Specification of EU guidelines on
state aid to maritime transport
It has always been, and remains, the
objective of the EU guidelines for
maritime transport to strengthen
the competitiveness of the EU Member States and to promote the training and employment of EU citizens
for maintaining maritime knowhow. At national level this has been
given a more concrete form in the
German "alliance for more training
and employment". These objectives
have to be seen as mutually related.
In Germany, up to 2008 the implementation of the guidelines led to stabilization
of the number of vessels under the German
flag and of the number of employees, while
the number of trainees increased from its
previous very low level.
Figures started to drop once more when
the crisis in the shipping industry set in.
This was caused by the global economic
crisis and exacerbated by the fact that during the boom years shipping companies
had ordered the building of many new
die die deutsche Flagge führten. Damit
­verbunden hatten sich die Auszubildendenzahlen mehr als verdoppelt und die Beschäftigtenzahlen deutscher und EU-See­
leute stiegen. Auch die Stellen im maritimen
Bereich an Land entwickelten sich aufgrund des steigenden Flottenbestandes
positiv – über 3.500 Schiffe befanden sich
im Management von deutschen Reedern.
Doch inzwischen ist die Zahl der Schiffe
unter deutscher Flagge um 300(!) zurückgegangen. Um den Anschein der Einhaltung der EU-Leitlinien zu wahren, werden
verstärkt Schiffe von der deutschen unter
andere EU-Flaggen gewechselt, etwa unter
die von Gibraltar, Luxemburg u. a. Damit
erfüllen die Reeder zwar eine Vorgabe aus
den Leitlinien – sie führen eine Flagge der
Gemeinschaft –, aber gleichzeitig vernichten sie Ausbildung und bauen Beschäftigung ab. Denn diese Flaggenstaaten haben
keine Besetzungs- und Bemannungsvorschriften zum Fahren von EU-Seeleuten. So
wird praktisch eine Vorgabe der Leitlinien
ausgehebelt und Know-how vernichtet.
Doch die Reeder erhalten unter EU-Flagge weiterhin die Vorzüge der Tonnagesteuer, selbst wenn in wirtschaftlich schlechten
Jahren der finanzielle Gewinn geringer
ausfällt. Erfüllt werden die Forderungen
der Schiffsfonds und Emissionshäuser, ins-
ships. The overcapacities created as result
of an uncontrolled investment policy place
additional burdens on the market and aggravate the crisis.
This situation, coupled with the fact that
reflagging has been made easier and legal
with the introduction of the new German
Flagging Rights Law [Flaggenrechtsgesetz],
has led to German shipping companies increasingly switching away from the German flag. In consequence, the number of
EU/German maritime jobs and trainees is
declining sharply. The German Manning
Regulation [Schiffsbesetzungsverordnung]
requires that ships with a gross tonnage of
more than 8,000 have to have at least five
EU/German seafarers, and a smaller num-
besondere deren Anleger, die ausschließlich auf kostengünstigstes Betreiben der
Schiffe dringen, um möglichst gute Renditen ausschütten zu können. Das vor allem
wird durch Umflaggungen unter europäische Flagge ohne europäische Besetzungsvorschriften erreicht. Und EU- oder deutsche Seeleute haben das Nachsehen.
„Will man nicht die eigentlichen Ziele
der EU-Leitlinien aus den Augen verlieren
oder sie gar aufgeben, besteht dringender
Handlungsbedarf“, betont ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle. An die
Europäische Kommission gerichtet, stellt
sie die Frage: Was nutzt es der EU und dem
maritimen Sektor in Deutschland, wenn
Schiffe in Asien gebaut, mit Seeleuten aus
aller Herren Länder – nur nicht einheimischen oder EU-Bürgern – besetzt werden
und deutsche Reeder bzw. die Kapitalanleger dennoch finanzielle Vorteile in Form
der Tonnagesteuer erhalten? „Das widerspricht dem Geist und der Zielstellung der
EU-Leitlinien“, kritisiert die Gewerkschafterin. Die Leitlinien müssten deshalb dringend so modifiziert werden, dass auf allen
Schiffen, die durch Tonnagesteuer und
andere Finanzinstrumente subventioniert
­
werden, Mindestbesetzungsvorschriften für
sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätzen
RED.
von EU-Seeleuten gelten.
ber on smaller ships. It was this regulation
which ensured that German/EU seafarers
were employed at all and that their knowhow was maintained.
FOTO: ISTOCKPHOTO.COM
Der Prozess ist in vollem Gange:
Deut­
sche Reeder flaggen weiter
um. Der Wechsel unter europäischen Flaggen ohne europäische
Besetzungsvorschriften spart vor
allem Kosten. EU-/deutsche Seeleute werden gegen Billigseeleute aus
Asien ausgetauscht. So war das
nicht gedacht – weder im Maritimen Bündnis noch mit den EU-Leitlinien für den Schiffsverkehr von
1997. Deshalb muss dringend gegengesteuert werden.
Wie ein Wirtschaftskrimi erscheint,
was sich an und um die Schlepperliegeplätze in Bremerhaven abspielt: Die alteingesessene Unterweser Reederei geht mit der
MAERSK-Tochter Svitzer ein Joint
Venture ein, doch nutzt David diese
Möglichkeiten gar nicht, sondern
verchartert eigene Schlepper an Goliath. Was wird aus den Beschäftigten? Fragt unser Beitrag auf:
Seite 3
BINNENSCHIFFFAHRT
Gewerkschaftliches Projekt
auf Flüssen verlängert
FOTO: UTE BAUER
Die Gewerkschaften machen sich
für „Bessere Jobs für alle“ auf den
Flusskreuzfahrtschiffen stark. Das
Projekt wurde jetzt verlängert. ITFInspektor Werner Kiepe berichtet,
welche Erfahrungen er bei über
160 Besuchen an Bord gesammelt
hat. Geht man streng nach der
geltenden EU-Verordnung dürfte
­
es die unterschiedlichen Sozialund Arbeitsbedingungen von nautischen Beschäftigten und solchen
im Hotel-Restaurant und CateringBereich gar nicht geben. Seite 6
JUGEND
Mitentscheiden statt
­Aussitzen!
Worüber auch junge Leute am
25. Mai bei der Europa-Wahl mitent­
scheiden können, erläutern wir auf
der Jugendseite. Das Europäische
Parlament entscheidet mittlerweile
in allen Lebensbereichen mit – angefangen bei den Roaming-Gebühren fürs Handy, über Reisefreiheit,
Datenschutz und Anerkennung von
Ausbildungsabschlüssen bis hin zu
Arbeitsbedingungen in vielen Bereichen. Es ist also nicht egal, wer im
EU-Parlament die Entscheidungen
trifft – und welche... Seite 7
2
SCHIFFFAHRT
FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2014
EDITORIAL
TORBEN SEEBOLD, VER.DI-BUNDESFACHGRUPPENLEITER
FOTO: DIE HOFFOTOGRAFEN
Liebe Kolleginnen,
liebe Kollegen!
Die Energiewende ist in aller Munde. In den
vergangenen Wochen hat es enorme Anstrengungen der Bundesregierung gegeben. Es ging um eine Regelung mit der
Europäischen Kommission, die die nationale Praxis zur Befreiung deutscher Unternehmen von der EEG-Umlage beibehält.
Energieminister Gabriel führte in den Verhandlungen vor allem die Sicherung von
hunderttausenden Arbeitsplätzen an und
war letztlich erfolgreich, wozu ich ihm
­gerne gratulieren möchte.
Warum spreche ich dieses Thema hier
an? Die Antwort ist denkbar einfach:
Ich wünsche mir von der
deutschen Bundesregierung als
einer der Kernpartnerinnen
im Maritimen Bündnis für
Ausbildung und Beschäftigung, dass sie mit ähn­
licher Konsequenz die
„Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen im Seeverkehr“ be­
achtet. Bundeswirtschaftsund -verkehrsministerium
soll­ten mit der gleichen Leidenschaft wie in der Energiepolitik für den Erhalt des Maritimen Knowhows in Deutschland eintreten. Denn auch
hier geht es um Arbeitsplätze. Jedoch:
Um geeignete europäische Rahmenbedingungen für die Sicherung des maritimen
Know-how zu schaffen, müsste die Bundesregierung nicht einmal zu Verhandlungen nach Brüssel fahren. Denn ­Regelungen
zum Schutz des hiesigen Arbeitsmarktes
existieren ­bereits! Daher begrüße ich ausdrücklich, dass Uwe Beckmeyer, der neue
Maritime Koordinator der Bundesregie­
Wir geben den Seeleuten und Hafen­arbeitern
eine Stimme für mehr soziale Gerechtigkeit und
anständige und faire Arbeitsbedingungen!
rung, größere Verbindlichkeiten von den
Reedern zur S­ icherung und Schaffung von
Arbeitsplätzen in der Seeschifffahrt fordert
(siehe ­Interview unten). ver.di hat dazu ein
Positionspapier erarbeitet. Es wurde allen
politischen Beteiligten auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene zur Verfügung stellt. Wir verdeutlichen ­darin, welch
katastrophale Auswirkungen die anhaltend praktizierte Nicht-Beachtung der EULeit­linien durch die deutschen Reeder auf
den deutschen und europäischen maritimen Arbeitsmarkt hat. Ich sage erneut
ganz ­ausdrücklich: Ein Wechsel in andere
europäische Flaggen, die keine Besatzungsvorschriften zur Sicherung des europäischen maritimen Know-hows haben, ist
keine akzeptable Lösung! Damit werden
auch die europäischen Vorgaben nicht im
Ansatz erfüllt.
Das Maritime Bündnis ist jetzt gefordert,
auf Basis der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die das Ruder endlich zugunsten
der deutschen Seeschifffahrt herumreißen.
Dabei sind aus gewerkschaftlicher Sicht vor
allem folgende Punkte anzupacken:
Anpassung der Schiffsbesetzungs­
verordnung mit dem Ziel, eine stärkere
Verknüpfung für in Deutschland
­ausgebildete Seeleute zu erreichen;
Verknüpfung von nationalen Subven­
tionen und Steuererleichterungen mit
Maßnahmen zum Erhalt des maritimen
Know-hows;
Verbesserung des Förderrahmens
der Stiftung Schifffahrtsstandort
Deutschland;
Erneuerung einer Selbstverpflichtung
aller deutschen Reeder zur Stärkung
des maritimen Beschäftigungsstandorts
Deutschland.
ver.di wird sich dabei im Rahmen des
Maritimen Bündnisses weiter für seine Mitglieder einsetzen und die gewerkschaft­
liche Verantwortung als einzige Arbeitnehmervertretung für alle Besatzungsmitglieder
in Deutschland übernehmen.
Dass wir unsere Stärke auch auf „die
Straße bringen“ können, haben wir einmal
mehr beim Kampf gegen Port Package III
gezeigt. Gemeinsam mit den Kolleginnen
und Kollegen aus der Fachgruppe Häfen
und unseren Verbündeten bei der ETF haben wir erneut den Versuch der EU-Kommission pariert, den gut funktionierenden
Markt der europäischen Häfen und der
nautisch-technischen Dienstleistungen zu
liberalisieren und zu deregulieren. Angriffe
so machtvoll abzuwehren funktioniert nur,
weil wir als Seeleute und Hafenarbeiter
­zusammenhalten! Darauf bin ich stolz und
versichere Euch gleichzeitig, dass ver.di
auch in Zukunft eine starke Interessenvertretung auf nationaler und internationaler
Ebene bleiben wird. Wir geben den See­
leuten und Hafenarbeitern eine Stimme für
mehr soziale Gerechtigkeit und anständige
und faire Arbeitsbedingungen!
Dauerhaft erreichen wir unsere Ziele
aber nur durch einen Politikwechsel in
­Europa. Der neoliberale Mainstream muss
beendet werden! Dazu können wir als
­Bürger und Wähler durch unsere Stimm­
abgabe bei den kommenden Wahlen zum
Euro­
päischen Parlament beitragen. Ich
möchte Euch ermutigen, zur Europawahl
zu gehen und Euer Kreuz an der richtigen
Stelle zu machen: für ein sozialeres und
TORBEN SEEBOLD
gerechteres Europa.
INTERVIEW
Die maritime Branche als
Innovationsmotor wahrnehmen
Fragen an Uwe Beckmeyer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister
für Wirtschaft und Energie und neuer M
­ aritimer Koordinator der Bundesregierung
Der maritime Bereich umfasst die
maritime Industrie, die Schifffahrt,
Häfen und sogar die InfrastrukturAnbindung ins Hinterland. Diese Bereiche und ihre Akteure haben sich in
den vergangenen Jahren unterschiedlich entwickelt. Macht das maritime
Koordinierung schwieriger?
Uwe Beckmeyer | Wir sollten es als
Chance begreifen, dass sich die maritime
Branche aus ganz verschiedenen Teilsegmenten zusammensetzt. Denn bei aller Unterschiedlichkeit gibt es einige zentrale
Zukunftsfragen, die alle Akteure gleichermaßen betreffen und bei denen eine en­
gere Kooperation innerhalb der Branche
sinnvoll und wichtig ist, etwa beim Umweltschutz, bei den maritimen TechnologiIMPRESSUM
Der ver.di-Report
Schifffahrt
Nr. 1, April 2014
Herausgeber:
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
Bundesvorstand:
V.i.S.d.P.: Frank Bsirske, Christine Behle
Koordination:
Torben Seebold
Redaktionelle Bearbeitung:
Ute Christina Bauer, Helma Nehrlich
(transit berlin.pro media)
www.pressebuero-transit.de
Redaktionsanschrift:
ver.di-Bundesverwaltung
Fachbereich Verkehr
Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin
Layout, Satzerstellung:
VH-7 Medienküche GmbH
Kreuznacher Straße 62 , 70372 Stuttgart,
www.vh7-m.de
Titelfoto Seite 1:
istockphoto.com
Druck:
apm AG Darmstadt,
Kleyerstraße 3, 65295 Darmstadt
www.alpha-print-medien.de
Der ver.di-Fachbereich Verkehr
ist auch im Internet zu finden:
www.verdi.de/verkehr
en oder der beruflichen Qualifizierung. So
ist das Know-how der Werften bei der Entwicklung innovativer Schiffsantriebe ebenso gefragt wie beim Bau von OffshoreStrukturen für Windparks auf See. Hier
müssen wir Synergien schaffen. Daran arbeitet etwa der Ständige Arbeitskreis „Vernetzung der maritimen Wirtschaft mit der
Offshore-Windenergie“ unter Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, und natürlich ist dies
auch eine wesentliche Aufgabe der Nationalen Maritimen Konferenz, die wir im
kommenden Jahr in Bremerhaven ausrichten werden. Eine enge Abstimmung erfordert auch, dass die Bundesministerien den
Koordinator bei allen Themen der maritimen Politik aktiv und umfassend informieren.
Worauf legen Sie in Ihrer neuen Funktion aktuell besonderes Augenmerk
und warum?
Uwe Beckmeyer | Eine starke maritime
Branche ist für die deutsche Wirtschaft unverzichtbar. Als Koordinator der Bundesregierung will ich dazu beitragen, die maritime Wirtschaft nachhaltig zu stärken. Das
kann nur gemeinsam mit den Unternehmen gelingen. Die Bundesregierung unterstützt die Branche mit verschiedenen Ins­
trumenten. Für die Schifffahrt sind dies
u. a. die Tonnagesteuer und der Finanz­
beitrag an die Seeschifffahrt. Mit den Exportkreditgarantien und den sogenannten
CIRR-Zinsausgleichsgarantien stellt der
Bund wichtige Finanzierungsinstrumente
für den Schiffbau zur Verfügung, um international vergleichbare Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Daneben stoßen wir
mit den Förderprogrammen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gezielt Inno­vationen an, um für die Schiffbauund ­Zulieferindustrie neue Marktchancen
im Hochtechnologiesegment zu eröffnen.
Dazu gehört auch eine Fortschreibung des
Nationalen Masterplans Maritime Technologien im Hinblick auf neue Anforderungen
wie den Ausbau der Offshore-Windenergie.
Unser Ziel muss es sein, Deutschland zu
einem maritimen Hightech-Standort weiterzuentwickeln.
UWE BECKMEYER | FOTO: PRESSE- UND
INFORMATIONSAMT DER BUNDESREGIERUNG
Die ETF und ver.di sehen die Ent­
wicklungen um EU-Leitlinien für die
Schifffahrt und den aktuellen Stand
des Maritimen Bündnisses mit Sorge.
Teilen Sie diese?
Uwe Beckmeyer | Bund, Länder und
­Sozialpartner haben in den vergangenen
Jahren gemeinsam den Schifffahrtsstandort gestärkt und für gute Berufschancen an
Bord und an Land Sorge getragen. Die
­Bundesregierung steht im Rahmen des Maritimen Bündnisses mit ihren Partnern in
einem ständigen Dialog. Das Maritime
Bündnis ist die geeignete Plattform, sich zu
aktuellen Fragen auszutauschen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Es liegt
im Übrigen im eigenen Interesse der Reedereien, hier aktiv zu werden. Denn wir
werden unsere Position im internationalen
Wettbewerb nur dann halten können,
wenn wir das maritime Know-how am
Standort Deutschland halten.
Mit dem historischen Tiefstand an
Schiffen unter deutscher Flagge gehen alarmierende Arbeitsmarktzah-
len im nautisch-technischen Bereich
einher. Sehen Sie diesen Zusammenhang? Oder wären Sie auch dafür,
­lieber keine Schiffe mehr zu zählen?
Uwe Beckmeyer | Der Bund fördert Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt. Das ergibt aber nur Sinn, wenn
es auch genügend deutschflaggige Schiffe
gibt. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, an der Tonnagesteuer festzuhalten.
Dafür erwarten wir von den Reedereien,
dass sie die EU-rechtlich zwingenden
Voraussetzungen einhalten. Diesen Zu­
­
sammenhang kennen die Unternehmen. Im
Übrigen haben wir im Koalitionsvertrag
vereinbart, die Flaggenstaatverwaltung in
Deutschland grundlegend zu modernisieren und zu vereinheitlichen, um den Service
für die Reedereien zu verbessern und die
Attraktivität der deutschen Flagge zu steigern. Dazu laufen derzeit die Gespräche.
Was sind aus Ihrer Sicht geeignete
kurz- und längerfristige Maßnahmen,
das maritime Knowhow zu sichern?
Uwe Beckmeyer | Die Handlungsempfehlungen der letzten Nationalen Maritimen Konferenz dazu liegen auf dem Tisch.
Die Zeit bis zur nächsten Konferenz 2015
muss jetzt von allen Akteuren genutzt werden, um diese Arbeitsaufträge abzuarbeiten. Die Bundesregierung appelliert an alle
Beteiligten, in ihren Anstrengungen, junge
Menschen für maritime Berufe zu gewinnen, trotz der derzeitigen wirtschaftlichen
Situation nicht nachzulassen. Notwendig
ist aber auch ein branchenübergreifender
Dialog im Hinblick auf den Personal­transfer
aus dem maritimen Bereich für die neue
Offshore-Branche.
Wie könnte das Maritime Bündnis
wieder auf die Höhe der Zeit gehoben werden? Und welche Rolle sollte
künftig den Maritimen Konferenzen
zukommen?
Uwe Beckmeyer | Mit den Nationalen
Maritimen Konferenzen haben wir eine
gute Plattform geschaffen, um gemeinsam
mit allen Akteuren die zentralen Zukunftsfragen der Branche voranzubringen. Ich
möchte dazu beitragen, dass die maritime
Branche in ihrer Bedeutung für unsere
Wirtschaft noch sichtbarer ist und als Innovationsmotor wahrgenommen wird. Dazu
gehört selbstverständlich auch die Frage
der Nachwuchssicherung. Denn die Unternehmen können ihre Marktchancen nur
dann nutzen, wenn sie über gut qualifiziertes Personal verfügen. Insofern ist es im
eigenen Interesse der Wirtschaft, Ausbildung und Beschäftigung zu fördern. Nur
wer auch in schwierigen Zeiten ausbildet,
wird dann in Zeiten des wirtschaftlichen
Aufschwungs – insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels –
genügend gut ausgebildete und motivierte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung haben. Wir brauchen wieder eine
größere Verbindlichkeit. Zu diskutieren ist
in diesem Zusammenhang etwa, ob eine
öffentliche Förderung in den Bereichen
Schiffbau und Offshore-Windenergie stärker als bisher an quantitative und qualitative Ziele geknüpft werden kann.
Auch die Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland existiert nun mehr
als ein Jahr. Gewünschte Effekte am
Arbeitsmarkt blieben bislang aus.
Muss man nun nachjustieren?
Uwe Beckmeyer | Die Stiftung „Schifffahrtsstandort Deutschland“ hat ihre Fördertätigkeit erst im Sommer 2013 aufgenommen. Ich finde es erfreulich, dass sie
bereits in den ersten Monaten mehr als
2.600 Anträge bewilligt hat; dadurch
konnte die Einstiegsausbildung im nautischen und technischen Bereich mit rund
13 Millionen Euro unterstützt werden. Ziel
der Stiftung ist es, die Reedereien in angemessener Weise an den Kosten der seefahrtbezogenen Ausbildung zu beteiligen.
Im Flaggenrechtsgesetz ist vorgesehen,
dass die Bundesregierung dem Deutschen
Bundestag über die Erfahrungen mit der
Stiftung bis Ende 2016 berichten wird.
DIE FRAGEN STELLTE: HELMA NEHRLICH
FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2014
AKTUELLES
3
Schleichende
Übernahme
In Bremerhaven ringen URAG und Svitzer
um die Vormacht bei der Schlepperei
Die Unterweser Reederei GmbH (URAG)
ist eine alteingesessene Schlepperei
mit Sitz in Bremerhaven. Mit 17
Schleppern und rund 210 Beschäftigten ist das Unternehmen eher klein.
Wie viele andere hatte es aufgrund
der Krise der Schifffahrt in der Vergangenheit mit einigen Schwierigkeiten
zu kämpfen.
Im Winter 2012/2013 gab es einen
Wechsel in der Geschäftsführung, zwei
­Geschäftsführer wurden eingestellt, einer
davon war zuvor bei der Maersk-Tochter
Svitzer beschäftigt. „Wir hatten damals
schon ein komisches Gefühl und fragten
uns, was ein Mann von der mit rund 500
Schiffen wohl größten Schlepperei der Welt
bei unserer kleinen URAG will“, berichtet
Nina Lepper, zuständige Gewerkschafts­
sekretärin für Schifffahrt in Bremen. Solcherlei ­Bedenken habe man bei der URAG
jedoch weggewischt. Stattdessen habe die
URAG-Geschäftsführung über wirtschaft­
liche Probleme geklagt, weil wichtige Kun-
den hart verhandelten und die Preise
drückten.
Als es im Herbst 2013 hieß, Svitzer habe
zwei Schlepperliegeplätze in Bremerhaven
angefragt, schien die wirtschaftliche Lage
aufgrund der drohenden Konkurrenz noch
stärker gefährdet. ver.di trat daraufhin mit
der URAG-Geschäftsleitung in Gespräche
ein: Vor dem Hintergrund der angeblichen
wirtschaftlichen Notlage des Unternehmens
wäre ver.di bereit gewesen, über einen zeitlich befristeten Notlagentarif bei Beschäftigungsgarantie zu sprechen – unter der Voraussetzung, dass die Zahlen offengelegt
und externe Wirtschaftsprüfer hinzugezogen würden. Die Geschäftsleitung mauerte
jedoch: Als es um die Darlegung der Zahlen
und die offizielle Anforderung zum Notlagentarif ging, rückte sie nichts rüber.
Um den Jahreswechsel ging die Nachricht um, dass Svitzer definitiv nach Bremerhaven kommt und mit der URAG ein Joint
Venture gründen möchte, die „URAG Svitzer
Towing“. Dafür sollten URAG und Svitzer je
zwei Schlepper zur Verfügung stellen. Die
Gründung zog sich etwas hin, aber seit
Ende Februar ist URAG Svitzer Towing tatsächlich mit kartellrechtlicher Genehmigung
ins Handelsregister eingetragen. Aber: Svitzer ist selbst seit 1. Januar mit zwei Schleppern in Bremerhaven am Start. Einige Aufträge von der Reederei Maersk, die lieber
die eigene Tochter beauftragen wollte, hat
URAG bereits an Svitzer verloren.
Wie beschrieben sollten diese Aufträge
eigentlich von der URAG Svitzer Towing
gefahren werden. In dieser Form kam der
Deal jedoch nie zum Tragen, das Joint Venture wird nicht genutzt. Stattdessen hat
die URAG einige Schlepper mitsamt Belegschaft an Svitzer verchartert. Nun fährt also
Svitzer die Aufträge. Was URAG davon hat
und welche Unternehmenspolitik dahinter
steckt, ist für ver.di rätselhaft. Ähnliches
gilt für das Gebaren bezüglich der URAGTochter „URAG International“. Bei der waren lange nur Versorger registriert, inzwischen hat die URAG auch Schlepper an ihre
Tochter übertragen. Die Schiffe wurden
nach Zypern ausgeflaggt, der Belegschaft
FOTOS (2): DIETER KALINA/PIXELIO
FOTO: JAN VON BRÖCKEL/PIXELIO
wurden andere Arbeitsverträge vorgelegt:
Vom Haustarif ist darin keine Rede mehr,
bezahlt werden soll analog zum HTV See;
auf den Mantel-TV wird nur in Einzelver­
trägen verwiesen. „Das riecht nach geplanter Tarifflucht“, argwöhnt Lepper. Die Geschäftsführung weist das von sich.
Im Moment schwebt der Prozess, wie
es weitergeht, ist kaum absehbar. Einige
Einigungsstellen-Verfahren des URAG-Betriebsrats gegen den Arbeitgeber laufen
derzeit. Darin geht es um die Frage, ob es
sich bei dem Vorgang um eine Betriebs­
änderung handelt oder nicht. Der Arbeit­
geber sagt „nein“, ver.di sagt „ja“.
ver.di berät die Kollegen bei URAG, zum
Glück sind 170 Beschäftigte der URAG
o­ rganisiert. „Wir fordern sie auf, keine neuen Verträge zu unterschreiben“, sagt Lepper. Auf jeden Fall müsse der Ausgang des
vom Betriebsrat eingeleiteten Verfahrens
abgewartet werden. ver.di akzeptiere weder Tarifabsenkungen noch Tarifflucht, erhalte aber auch kaum Informationen von
der URAG. Mit der URAG habe ver.di einen
Heuervertrag, der mit einmonatiger Frist
gekündigt werden kann. „Wir würden das
tun, wenn wir davon ausgingen, dass mit
einem Arbeitskampf etwas erreicht werden
kann.“ Im Moment sei das fraglich, die
­momentane Situation unbefriedigend für
ver.di und die Beschäftigten.
„Wir befürchten, dass Svitzer den Hafen
aufrollen und als Maersk-Tochter eine
­Monopolstellung gewinnen will“, so die
Gewerkschaftssekretärin. Alteingesessene
Reedereien würden dabei den Kürzeren
ziehen. Auch kartellrechtlich sei es problematisch, wenn durch einen Verdrängungsprozess eine starke Vormacht entstünde.
„Das ist wie eine schleichende feindliche
Übernahme durch eine Großmacht.“ UCB
„Zu Gast“ auf der MV Pontovremon
Probedurchlauf einer Arbeitskampfmaßnahme
Das unter zypriotischer Flagge fahrende Schiff MV Pontovremon kam von
Dschidda nach Rostock, um Getreide
für Abu Dhabi zu verladen. Nachdem
es fünf Tage vor Anker gelegen hatte,
wurde es am Liegeplatz 17 in Rostock
festgemacht. Leider sind die an diesem Terminal vom Unternehmen „Rostock Getreide Service” (GSR) beschäftigten Mitarbeiter keine ver.di-­
Mit­
glieder, doch einige von ihnen gehören
der Gewerkschaft „IG BAU” an.
Einige Tage zuvor hatte der ITF-Inspektor
Hamani Amadou zusammen mit einem
ver.di-­Mitglied ein Treffen mit den Dockarbeitern abgehalten. Sie konnten sie davon
überzeugen, ver.di beizutreten. Für das Schiff
„Pontovremon” gelten folgende Angaben:
Schiffsname: Pontovremon
Schiffsflagge: Zypern
Land der Reeder: Griechenland
Besatzung: griechische Offiziere und
philippinische Matrosen
kein durch die ITF gebilligtes
­Abkommen
Zugang wurde den Inspektoren in
­verschiedenen Häfen wie beispiels­
weise Santos (Brasilien) und Rotterdam
(Niederlanden) verweigert.
Bevor Amadou an Bord des Schiffes
ging, wandte er sich an die Seemannsmission in Rostock: Er nahm an, dass die dortigen Mitarbeiter sicherlich eher in der Lage
wären, mit den Besatzungsmitgliedern in
Kontakt zu treten und etwas über die L­ ohnund Arbeitsbedingungen zu erfahren – zumal er wusste, dass in den Häfen, die das
Schiff zuvor angesteuert hatte, der Zugang
zum Schiff verweigert worden war.
Tatsächlich gelang es den Missionsmitarbeitern, ein Treffen mit der Besatzung im
Seemannsklub zu vereinbaren. Ein Vollmatrose gab einige wichtige Informationen
preis. So berichtete er, dass sich seine konsolidierten Pauschalheuern auf 900 Dollar
beliefen.
Auf der Suche nach einer Strategie wurde auch die Hafengesundheitsinspektion
eingeschaltet: Sie solle sich an Bord begeben, um eine gründliche Inspektion durchzuführen. Der ITF-Inspektor trat außerdem
mit dem Hafenmeister und mit dem Ter­
minalleiter in Kontakt, um sie über die
schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord des Schiffes zu informieren.
Unterstützt von den Hafenbehörden suchte
der Inspektor die Dockarbeiter auf, gemeinsam gingen alle an Bord des Schiffes.
Wie erwartet, verweigerte der Kapitän,
nachdem er vom philippinischen GangwayWächter über den Besuch informiert worden war, der Gruppe den Zutritt an Bord
des Schiffs. Er überreichte uns einen Brief,
den alle Be­satzungsmitglieder unterschrieben hatten. Daraus ging hervor, dass alle
an Bord mit den Arbeitbedingungen sehr
zufrieden wären und es keinerlei Beschwerden oder Ähnliches gäbe und folglich auch
keinerlei Grund für eine Einmischung seitens der ITF.
MV PONTOVREMON | FOTO: A. SPÖRRI | VESSELTRACKER.COM
Wir forderten den Chefoffizier auf, eine
Kommunikation zwischen dem Inspektor
und dem Kapitän herzustellen. Falls er sich
nicht bereit erklären würde, den Inspektor
an Bord zu lassen und mit der ITF zu sprechen, würden die Hafenarbeiter, die dem
Inspektor gefolgt waren, die Umschlags­
arbeiten einstellen. Nachdem sich auch der
Kranführer uns angeschlossen hatte, lud
uns der Kapitän ein, an Bord zu kommen.
Wir erklärten ihm, dass die Reeder ein
­Risiko auf sich genommen hätten, indem
sie ohne ordnungsgemäßes gewerkschaftliches Abkommen in den Hafen von Rostock eingelaufen waren.
Nach Ablauf einer dreistündigen Frist
brachen wir die Maßnahme ab. Wir informierten den Hafenmeister und ließen das
Unternehmen wissen, dass sie sich nicht
noch einmal in Rostock blicken lassen sollten, ohne ein von der ITF gebilligtes Abkommen mit einer der ITF-Gewerkschaft unterzeichnet zu haben. Damit würden sie einer
erneuten Arbeitsniederlegung, die für sie
­sicherlich eine finanzielle Belastung wäre,
vorbeugen, denn das versuchten wir stets
zu v­ erhindern. Uns war ein sehr erfolgreicher Streikprobedurchlauf geglückt, den wir
damit im Hafen von Rostock erstmalig unRUUD TOUWEN
ternommen hatten.
4
SOZIALES
FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2014
Wenn die Sonne lacht...
Projekt der Berufsgenossenschaft lieferte
Messdaten zur UV-Belastung von Seeleuten
Die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (BG Verkehr) hat seit einigen Jahren eine
deutliche Zunahme der Meldungen
von Hautkrebserkrankungen bei Seeleuten festgestellt. Überwiegend sind
davon Seeleute betroffen, die im
Decksbetrieb tätig sind.
Die Erkenntnis führte zu einem Projekt,
in dem genauer ermittelt werden sollte, in
welchem Umfang Seeleute der UV-Strah-
FOTO: MATHIAS THURM
lung ausgesetzt sind. Auf vier Messreisen
auf Schiffen deutscher Reedereien wurden
zu unterschiedlichen Jahreszeiten, in unterschiedlichen Fahrtgebieten und bei verschiedenen Wetterlagen Messungen direkt
an den Seeleuten während der Arbeit
durchgeführt.
Das vorläufige Ergebnis des Projektes
wurde vor Kurzem den ver.di-Vertretern des
Präventionsfachausschusses in der BG Verkehr vorgestellt. Zusammenfassend lässt
sich in aller Kürze Folgendes feststellen:
Inwieweit die Seeleute der UV-Strahlung
ausgesetzt sind, hängt vom Zenitwinkel der
Sonne ab. Mit abnehmender geografischer
Breite steigt die Bestrahlung. Außerdem
wurden Erkenntnisse gewonnen, dass neben der direkten Sonneneinstrahlung auch
die diffuse Strahlung des Himmels und die
Reflexion der Oberflächen bedeutsam sind.
Durch die personengebundenen Messungen wurde festgestellt, dass Kopf und
Schultern der Strahlung besonders ausgesetzt sind.
A continuing problem in the sector
Training tackling bullying and harassment in shipping available online
On 29 January 2014, the European social partners in the maritime sector
(ETF and ECSA) presented a training
package that aims to eliminate workplace harassment and bullying in the
shipping sector. The package addresses the maritime community at
large to identify and effectively fight
against these practices, which continue to be an issue in the sector.
A tool consistent with the
­Commission’s priorities
The training package was presented in a
conference, organised in Brussels in the
context of an EU-funded project jointly carried out by ETF and ECSA. At the conference, attended by representatives from the
International Labour Organisation (ILO),
national training institutes, workers’ and
employers’ organisations including ver.di,
officials from the European Commission
congratulated in their opening speeches
the project partners with the outcomes:
“This project is fully in line with the Commission’s priorities for the maritime sector,
it is likely to improve its attractiveness and
make a difference when it comes to pro-
mote high standards of working and living
conditions”
To identify and deal with incidents
Bullying and harassment remain a problem
in the sector; it goes often unreported and
takes a variety of forms, as for example
the growing phenomenon of cyber-bullying. The training toolkit, containing guidelines, a training video and a workbook, will
help seafarers and shipping companies to
identify and deal with incidents. In order to
ensure the widest possible dissemination,
the guidelines will be made available in 23
languages, and the video will be subtitled
in 11 languages. To this end, the experts
taking part in the panel discussion also
committed themselves to promote and disseminate at their levels and within their
networks the tools developed in the context of this project.
Philippe Alfonso, ETF Political Secretary
concluded: “The positive feedback on the
training package received in the course of
the development process and today at
the conference shows these tools fill an
important need in the sector. Key for its
success will be the commitment from a
wide range of players in the maritime community, in particular the companies who
will be asked to develop a dedicated policy
on the matter, and also the maritime academies whose duty of care would consist
in including the training toolkit in their
learning programme. This is the start of a
process that needs to be followed-up at
national level to accomplish its purpose.“
Download:
http://www.itfglobal.org/etf/
BullyingAndHarassment.cfm
FOTO: ISTOCKPHOTO.COM
Aktuelles von Berufsgenossenschaft Verkehr, Knappschaft-Bahn-See und Seemannskasse
Berufsgenossenschaft Verkehr –
Unfallversicherung
In der Sitzung des Präventionsfachausschusses der
Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr Ende Januar
2014 wurden Themen wie Erarbeitung einer Unfallstatistik und eines Leitfadens Gefährdungsbeurteilung sowie von Materialien, Genehmigung
und Herausgabe einer UVV See erörtert.
Für Unfallschutz und Prävention sind das wichtige Themen für die Beschäftigten an Bord. Aber
die BG Verkehr kommt aufgrund zu geringer Personalressourcen damit selbst nicht schnell genug
voran und zum anderen ist die Politik da nicht entscheidungsfreudig. Man will nur noch UVV für besondere Berufsgruppen zulassen. Die Mitglieder
des Präventionsfachausschusses sehen dies für die
Seeschifffahrt als gegeben an.
Beim Unfallversicherungsbeitrag (zahlt nur der
Arbeitgeber) ist zu erwarten, dass dieser im nächs-
ten Jahr weiter angehoben werden muss. Die Beitragseinnahmen sinken, da die Anzahl der Schiffe
unter deutscher Flagge weiter gesunken ist.
finanziert werden müssen. Über die konkrete Ausgestaltung dieser Renten berichten wir, wenn es
Beschlüsse dazu gibt.
Deutsche Rentenversicherung
­Knappschaft-Bahn-See
Knappschaft –
Die neue See-Krankenversicherung
In der Sitzung des Finanzausschusses im Februar
2014 wurde informiert, dass die derzeitige Kassenlage als gut anzusehen ist. Kritisch wurde aber
angemerkt, dass es durch neue Leistungen zu nicht
unerheblichen Belastungen der Rentenkasse kommen wird. Die Koalition hat ein neues Rentenpaket
beschlossen, das vier Eckpunkte enthält: die Rente
mit 63 für besonders langjährig Versicherte (45
Versicherungsjahre), die Mütterrente, Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und die Erhöhung des Reha-Budgets. So begrüßenswert diese
Beschlüsse sind, hätten sie doch aus Steuermitteln
Die gesetzliche Festsetzung des Beitrages auf 14,6
Prozent (7,3 Prozent Arbeitgeber und 7,3 Prozent
Arbeitnehmer) ab 2015 begünstigt die Arbeitgeber. Denn alle Steigerungen belasten künftig nur
noch die Arbeitnehmer. Der derzeitige Haushalt für
2014 beinhaltet einen Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent für Arbeitnehmer. Es wird selbst den finanzstarken Kassen kaum möglich sein, ohne Zusatzbeitrag in 2015 auszukommen. Die Frage ist nur,
wann es genau passiert. Auf jeden Fall sind Auswirkungen auf die Mitgliedschaft und der Wechsel
in andere Krankenkassen vorprogrammiert.
Seemannskasse
Die Finanzlage in der Seemannskasse ist nach wie
vor gut. Der Haushalt liegt über dem in der Satzung festgelegten Rahmen. Gibt es aber keine
­Umkehr der derzeitigen Entwicklung in der Seeschifffahrt, wird sich das schnell ändern. Durch
Personalabbau in den Reedereien geht die Zahl der
Einzahler zurück, während die der Leistungsempfänger steigt. Das erfolgt lediglich etwas zeitversetzt, da nach Satzung ja zunächst Leistungen der
Arbeitsagentur in Anspruch genommen werden
müssen. Die Zahl der Seeleute, die Leistungen aus
der Kasse erhalten haben, sinkt seit etlichen Jahren kontinuierlich. Während 2009 noch 1731 Leistungsempfänger gezählt wurden, waren es 2013
noch 1298.
Über die Situation wird sich der Beirat der Seemannskasse verständigen und mit den Verantwortlichen in der Politik debattieren.
FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2014
I N T E R N AT I O N A L E S
5
Im Fokus: Offshore-Schiffe
Offshore-Schulung in Berlin als deutsch-­
niederländisches Gemeinschaftsprojekt
Lange führte das Thema ein Schattendasein: Erst während eines Treffens im November 2013 in Rotterdam
mit Norrie McVicar, dem Vorsitzenden
der Offshore Task Force, erfuhr der
Offshore-Bereich die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt. Ruud Touwen,
gemeinsamer Koordinator für die
Niederlande und Deutschland, regte
an, für Inspektoren beider Länder
eine gemeinsame Schulung durchzuführen, schließlich konzentriere sich
ja im Bereich Offshore für beide Länder das Geschäft zunehmend auf
Windparks in der Nordseeregion. Viele Unternehmen bauen neue Schiffe
für diesen Markt, damit sie bei diesem Business auch ein Stück vom
­Kuchen abbekommen.
Gesagt, getan: Im März 2014 fand die
erste Offshore-Schulung für ITF-Inspek­
toren in Berlin statt. Im Laufe des Treffens
stellte sich heraus, dass weder alle Inspektoren noch die Gewerkschaftsvertreter eine
klare Vorstellung davon hatten, was Offshore eigentlich ist und welche Schiffe
überhaupt die Voraussetzungen dafür er-
füllen, als Offshore-Schiffe bezeichnet zu
werden. So wird bei den üblichen Lehr­
veranstaltungen, die im Rahmen der Amtseinführungen für ITF-Inspektoren laufen,
der Bereich Offshore zwar kurz angesprochen. Weil in den meisten Häfen der Welt
Offshore-Schiffe aber gar nicht erst einlaufen, haben die Inspektoren sie kaum auf
dem Radarschirm.
In den Häfen von Bremerhaven und
Eemshaven (Niederlande) gehen jedoch
viele Schiffe dieser Art bei schlechten Wetterbedingungen vor Anker. Einige der Schiffe verlassen die offene See, wenn die
­Wellen mehr als zwei Meter hoch sind. Deshalb haben es die Inspektoren an solchen
Tagen verhältnismäßig leicht, Zugang zu
Offshore-Schiffen zu bekommen. Oft befinden sich an Bord dieser Schiffe sehr viele
Mitarbeiter. Ein Teil der Besatzung an Bord
gehört zum Schiffspersonal, andere sind
hingegen Vertragsarbeiter, die entweder
Forschung betreiben oder dem Wartungspersonal angehören.
Während der Sitzung in Berlin tauchten
zahlreiche Begriffe und Abkürzungen auf,
die für viele Teilnehmer vollkommen neu
waren. Der Markt verändert sich und damit
auch seine Terminologie. Die Teil­nehmer
gingen das ITF-Offshore-Standard-Ab­
kommen durch und diskutierten die verschiedenen Punkte der Vereinbarung. Vor
allem über die unterschiedlichen Höhen
der Heuern wurde debattiert sowie über die
aufs Gesamtjahr verteilten Urlaubsansprüche. Der Offshore-Markt unterscheidet sich
grundsätzlich vom normalen Frachtschiffmarkt. Im Offshore-Bereich haben alle eine
Zwölfstundenschicht, was sich natürlich
auch in den Heuern widerspiegeln muss.
Am Ende des Seminars wurde der Vor­
sitzende der Offshore Task Force auf die
Vorteile einer Gruppe von eigens designierten ITF-Inspektoren hingewiesen. Diese
sollten vernünftig geschult werden, um
­Inspektionen auch an Bord der mobilen
Offshore-Anlagen durchführen zu können
– so wie es inzwischen auch für die Kreuzfahrtschiffinspektoren gilt, für die Anfang
März während der letzten KreuzfahrtschiffTask-Force-Sitzung in Rotterdam eine solche Gruppe gegründet worden ist.
Insgesamt wurde die Schulung sehr gut
aufgenommen, die Inspektoren freuen sich
schon auf das vertiefende Seminar für die
designierten Inspektoren. RUUD TOUWEN
FOTO: MATHIAS THURM
Baltic Committee 2014 in Berlin
Tokio: Zweite
­Verhandlungsrunde
für IBF-Rahmen­
abkommen
Heuerstrukturen zu operieren, zu Leibe zu
rücken. „Die Etablierung von Sozialdumping in der Ostsee wird es mit uns nicht
geben“, so Torben Seebold, der ver.di-­
Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt. „Jeder der meint, uns dabei aus dem Weg gehen zu können, liegt falsch und muss mit
entschiedener Gegenwehr aller verbündeten Gewerkschaften rechnen“, so der Gewerkschafter weiter.
Ein weiterer Schwerpunkt des Baltic
Committees 2014 wird darüber hinaus in
der Organisation der diesjährigen ITF Baltic
Week of Action liegen. Die Aktionswoche,
die in der ersten Septemberwoche in der
ganzen Ostsee stattfindet, wird einmal
mehr zum Ziel haben, kein Schiff ohne gültiges ITF-Agreement aus dem Hafen zu
lassen. „Dass wir das können, beweisen
wir seit vielen Jahren“, so Ruud Touwen,
ITF-Koordinator für Deutschland. Er fügt
hinzu „Wir werden dieses Jahr noch eine
Schippe drauf legen, um unsere Ziele im
UCB
Sinne der Seeleute zu erreichen!“
FOTO:CHRISTIAN VON POLENTZ
Vom 29. bis 30. April 2014 findet das jährliche Treffen der ETF-Gewerkschaften aus
dem Ostseeraum in Berlin statt. Dabei werden rund 50 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter über gemeinsame Strategien
zur Verbesserung der Arbeits- und damit
auch Lebensbedingungen für Tausende
von Seeleuten beraten. Ziel dabei ist es
vor allem aber auch, den immer stärker forcierten Versuchen vieler Reedereien und
der dahinterstehenden Bank- und Emmissionshäuser, im Ostseeraum mit miserablen
FOTO: IBF
Vom 19. bis 20. Februar 2014 trafen
sich ITF-Vertreter in Tokio und setzten
die Diskussion fort, die im Oktober
2013 anlässlich des 10. Jahrestags des
Internationalen Bargaining Forums
(IBF) in Sankt Petersburg geführt wurde. Das IBF ist das offizielle Verhandlungsgremium für die Beziehungen
zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Beim Treffen anwesend war
der ver.di-Vertreter Torben Seebold,
die Arbeitgeberseite wurde durch die
gemeinsame Verhandlungsgruppe JNG
(Joint Negotiating Group) repräsentiert. Ziel der Zusammenkunft war es,
sich auf ein neues TCC-Rahmenabkommen (Total Crew Cost) zu einigen.
Beide Seiten nahmen Stellung zu
den gegenseitigen Forderungen, doch
gerade zum wichtigen Thema Lohnerhöhungen gab es kaum Fortschritte –
und das, obwohl sich sowohl nach
Einschätzung der ITF als auch der JNG
der Schifffahrtsmarkt derzeit gut entwickelt. Die Unterredungen wurden
mit der festen Zusage beendet, sich
im April erneut in London für weitere
­Gespräche zusammenzusetzen. Dave
Heindel, Vorsitzender der Seeleute­
abteilung der ITF, zur Sitzung in Tokio:
„Wir haben einige Fortschritte erzie-
len können, es zeichnet sich ab, dass
es einen gemeinsamen gangbaren
Weg gibt. Die am stärksten kontroversen Punkte betreffen die Möglichkeiten der Industrie, unseren Mitgliedern,
die die volle Wucht der Finanzkrise
und ihre Auswirkungen auf den Welthandel abbekommen haben, eine
Lohnerhöhung zu zahlen. In diesem
Punkt gehen unsere Meinungen auseinander, doch die vergangenen beiden Tage waren für uns nützlich, um
die dahinterstehenden Gründe zu klären.” Der Vorsitzende der JNG, Tsutomu Iizuka, äußerte sich folgendermaßen: „Die JNG hat den Verhandlungsprozess für 2014 angestoßen und
einen offenen Dialog mit der ITF begonnen. Sicherlich besteht Verständnis dafür, dass die Reeder in den vergangenen Jahren viele finanzielle Einbußen erlitten haben, doch beide
Seiten werden sich aktiv darum bemühen, innerhalb der kommenden Monate einen gemeinsamen Ansatz zu finden.“ In der Zwischenzeit kam das IBF
vom 14. bis 16. April 2014 in London
zusammen [nach Redaktionsschluss,
Anmerkung der Redaktion]. Die Abschlussverhandlungsrunde ist für den
RED
3. bis 5. Juni auf Bali geplant.
Aufgehoben oder
nur aufgeschoben?
Die Hafenverordnung Port Package III ist zunächst vom Tisch
Deutsche und europäische Docker mussten
in den letzten Jahren immer wieder die
gleiche Erfahrung machen: Aus Brüssel
kommt für sie nichts Gutes. Mit den sogenannten „Port Packages“ wollte die EUKommission Hafendienste liberalisieren.
Qualifizierung, Lohn und Arbeitsbedingungen in den Häfen standen auf dem Spiel.
Demonstrationen und energische Proteste
seitens der Gewerkschaften waren nötig.
Dreimal konnten – auch mithilfe der Par­
lamentarier – Angriffe auf die sozialen
Rechte der Beschäftigten verhindert werden, Port Package I und Port Package II
wurden verhindert. Auch das aktuelle Port
Package III konnte zum Glück bislang abgewehrt werden.
EU-Parlamentarier im Verkehrsausschuss
stoppten das Paket aufgrund massiven
­Widerstands der europäischen Docker sowie ihrer Gewerkschaften. In dieser Legislaturperiode werden die Häfen nicht mehr
behandelt. Leider ist aber nicht davon
ausgehen, dass mit der Vertagung das
­
Thema erledigt ist. Die Gewerkschaften
­
wissen nicht, ob es die Europäische Kommission erneut auf die Agenda setzen wird.
Noch immer steht bei der Kommission die
„Portiusstudie“ auf dem Zettel. Sie enthält
neue Zumutungen wie Eingriffe ins Streikrecht oder den Plan, Tarifverträge auf ihre
„Marktkonformität“ zu prüfen. Und wie
bei den Konzessionen kann das Thema
plötzlich als übergreifende Regelung über
alle Wirtschaftsbereiche wieder auf den
Tisch kommen.
Die neu zu wählenden EU-Abgeordneten
bestimmen entscheidend mit, wie sich die
Branche weiterentwickeln wird. ver.di geht
es um ein soziales Europa, das die Beschäftigten mitgestalten können. In den Häfen
braucht es dafür gute Ausbildung, besseren
Arbeits- und Gesundheitsschutz und mehr
Beschäftigung von Frauen. Im Sozialen Dialog setzt sich ver.di dafür ein. Es ist also
­keineswegs egal, wer künftig im Parlament
in Straßburg sitzt. ver.di ruft daher alle Mitglieder auf, die Kandidaten auf ihre Meinung zur Hafenverordnung anzusprechen,
das Europäische Parlament zu stärken und
am 25. Mai wählen zu gehen! NEH/UCB
6
BINNENSCHIFFFAHRT
FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2014
Ein Jahr voller Erfahrungen!
ITF/ETF besucht Flusskreuzfahrtschiffe
FOTOS (3): UTE BAUER
Better jobs for all
Im vergangenen Jahr nahm ich als
­erster ITF/ETF-Inspektor, der sich ausschließlich um die Belange der Beschäftigten auf Flusskreuzfahrtschiffen kümmern soll, meine Arbeit auf.
Dabei unterstützten mich meine Kolleginnen und Kollegen der jeweils nationalen Gewerkschaften in allen europäischen Ländern, auf deren Flüssen
Kreuzfahrtschiffe unterwegs sind.
2013 konnten 163 Flusskreuzfahrtschiffe
von ca. 16 unterschiedlichen Unternehmen
besucht werden, um mit den Besatzungsmitgliedern Kontakt aufzunehmen. Schwerpunkte waren dabei die Häfen von Ams­
terdam, Nijmegen und Arnhem in den
Niederlanden; Köln, Düsseldorf, Koblenz,
Rüdesheim und Passau in Deutschland;
Wien in Österreich und Budapest in Ungarn.
Die Gespräche, die wir mit den nautischen Beschäftigten und denen im HotelRestaurant- und Catering-Bereich (HoReCa) führten, machten deutlich, wie wichtig
es ist, dass die Besatzungsmitglieder einen
gewerkschaftlichen Ansprechpartner haben, dem sie ihre Nöte und Sorgen mitteilen können. Viele von ihnen waren angenehm überrascht, dass es nun jemanden
von Seite der Gewerkschaften gibt, der sich
um ihre Interessen kümmert – der steigende Luxus an Bord dieser Schiffe geht mehr
und mehr auf ihre Knochen.
In diesem Zusammenhang stellt sich die
Frage, warum uns der freie unangemeldete
Zugang zu „Scylla-Schiffen“ und zu Schiffen auf denen „Sea Chefs“ für die Bemannung zuständig sind, verweigert wird. Auf
allen anderen Schiffen sind wir willkommen, dort wird uns gesagt, dass es nichts
zu verbergen gibt.
Unter dem Motto „Better jobs for all“
machen sich ITF und ETF für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten
in der Flusskreuzfahrtschifffahrt stark.
Gespräche mit den Besatzungen sowohl aus dem nautischen als auch
dem Hotel-Restaurant- und Cateringbereich riefen 2013 Überraschung
und Freude hervor: darüber, dass es
jetzt einen unmittelbaren gewerk-
mosphäre mit ihm sprechen können.
Bis Mitte Oktober wird das ITF/ETFWohnmobil in 15 verschiedenen Häfen in acht europäischen Ländern und
einem festen Fahrplan vor Ort sein.
Kontakt und Infos darüber, wo und
wann der ITF/ETF-Inspektor mit seinem Camper an den europäischen
Landestellen der Flusskreuzfahrtschiffe
zu finden ist: Werner Kiepe
Mobil: +49 (0) 171-7849761,
E-Mail: [email protected],
RED
[email protected].
FOTO: KARL-HEINZ LANGE/PIXELIO
Das Jahr 2013 zeigte, dass es aufgrund
der sehr unterschiedlichen Löhne für die
jeweils gleiche Arbeit, aber auch wegen der
zum Teil sehr harten Arbeitsbedingungen
mit überlangen Arbeitszeiten, immens
wichtig ist, in dieser Branche zu einheitlichen Sozial-, Arbeits- und Lebensbedingungen zu kommen.
So berichteten asiatische Besatzungsmitglieder aus dem HoReCa-Bereich, dass
sie für monatlich 350 Euro arbeiten. Die
Begründung: Sie müssten ja noch für Kost
und Logis zahlen – für eine Kabine, die sie
sich zum Teil mit noch zwei weiteren Kollegen teilen! Hinzu kommt ein Trinkgeld,
welches sehr unterschiedlich ausfällt und
sich daran ausrichtet, wie das Schiff aus­
gelastet ist und aus welchen Ländern die
Passagiere kommen.
Osteuropäische Besatzungsmitglieder er­
halten einen Monatsnettolohn zwischen
­
600 und 800 Euro. Westeuropäische Besatzungsmitglieder, die in der Regel die höheren Dienstgrade inne haben, beziehen für
vergleichbare Tätigkeiten immerhin schon
bis zu 1200 Euro. Aber alle müssen in der
Regel dafür täglich ca. 14 Stunden und
mehr arbeiten.
Im nautischen Bereich fängt die Lohnspanne bei ca. 800 Euro für einen Decksmann an und reicht bis zu 4500 Euro für
einen Kapitän.
Noch vor zwei Jahren hatten die Besatzungsmitglieder in erster Linie schweizerische oder niederländische Arbeitsverträge.
Insbesondere im HoReCa-Bereich hat sich
das aber sehr geändert. Es ist absehbar, dass
dort bald nur noch zyprische oder maltesische Arbeitsverträge angeboten werden.
Im nautischen Bereich ist dieser Trend
noch nicht so stark ausgeprägt, was aber
wohl nur daran liegt, dass dort gut geschulte Leute dringend gesucht werden. Eine
Garantie für höhere Löhne ist das dennoch
My first week with the camper
nicht, wie die Beispiele eines ukrainischen
und eines serbischen Kapitäns zeigen: Ihr
Nettolohn beträgt gerade einmal 1200
Euro! Die Beschäftigten laufen Gefahr, gegeneinander ausgespielt zu werden. So
mag man in der Ukraine oder in Serbien mit
umgerechnet 1200 Euro eine Familie gut
ernähren können, in den meisten europäischen Ländern ist das mit Sicherheit nicht
der Fall.
Es ist schon sehr verwunderlich, dass
an Bord eines Schiffes überhaupt unterschiedliche Sozial- und Arbeitsbedingungen herrschen, da gemäß des Artikels 16
der EU-Verordnung 883/2004 Rheinschiffer (und dazu zählen sowohl die nautischen
als auch die HoReCa-Beschäftigten) den
Rechtsvorschriften nur eines Staates unterstehen dürfen. Somit dürfte es solche Bedingungen eigentlich gar nicht geben. Aus
unserer Sicht ist es sehr kurzsichtig g­ edacht,
wenn sich RC-Unternehmen darüber Wettbewerbsvorteile sichern wollen. In Frankreich gibt es solche unterschiedlichen Bedingungen nicht, der Staat schaut dort sehr
genau hin. Die französischen Unternehmen
verdienen trotzdem gutes Geld.
Für dieses und das nächste Jahr pla­nen
die Flusskreuzschifffahrtsunternehmen, mehr
als 20 neue Schiffe in Fahrt zu bringen. Auf
den europäischen Flüssen werden dann
mehr als 220 Schiffe mit ca. 10.000 Beschäftigten fahren. Ob alle diese Schiffe
noch wirtschaftlich betrieben werden können, wenn die Reeder ihre Absichten tatsächlich umsetzen, ist mehr als fraglich.
Das Jahr 2013 hat gezeigt, wie richtig
und wichtig es war, dass sich ITF und ETF
mehr um die Beschäftigten auf Flusskreuzfahrtschiffen kümmern. Daher wurde beschlossen, das Projekt unter dem Motto
„Better jobs for all“ zu verlängern. Mit einem eigens angeschafften Wohnmobil erweitert der ITF/ETF-Inspektor seinen Betreuungsbereich um einige europäische
Länder, um noch näher an den Beschäftigten zu sein. Der Einsatz des Wohnmobils ist
aus unserer Sicht auch deswegen wichtig,
weil es den Beschäftigten so leichter möglich wird, sich unbeobachtet und vertrauensvoll an den ITF/ETF-Vertreter wenden zu
können. Wir laden alle Beschäftigten der
Flusskreuzschifffahrtsbranche herzlich ein,
unser Angebot zu nutzen. WERNER KIEPE
Tarifabschluss einstimmig
angenommen
Lohn- und Gehaltstarif­verhandlungen
in der deutschen Binnenschifffahrt
Dear colleagues,
Let me tell you something about my experiences in my first week with the camper.
When I started in the morning of 24 March,
I was a little bit excited. Once I became
­accustomed to the special camper life and
had overcome a few minor problems, I visited the following rc vessels: Viking Jarl,
A-Rosa Viva, A-Rosa Aqua, Avalon Impression, Scenic Pearl, A-Rosa Brava, Viking
Bragi and Amacello.
Interesting information: One Croatian
AB of the Viking Jarl worked on a scylla
­vessel for six years and will never go back,
because he was only given two meals a day
and had problems getting his days off. On
A-Rosa Viva and A-Rosa Aqua (I think on
the other A-Rosa vessels too) all crew members have Swiss contracts. Avalon Impression made her maiden voyage and everybody was a little bit nervous. On board the
Scenic Pearl, I had a very long conversation
with the Hungarian captain who was interested in our work. All crew members had
Cyprian contracts. On board the Viking Bragi, I had a conversation with First Officer,
Peter Titz, who knew me from last year.
schaftlichen Ansprechpartner gibt, der
die Besatzungen auch direkt vor Ort
kontaktiert. Andererseits stellte der
ITF-Inspektor Werner Kiepe aber auch
fest, dass offene und vertrauensvolle
Gespräche nur dann zustande kamen,
wenn sich die Besatzungen unbeobachtet von den Hotelmanagern und/
oder Kapitänen fühlten. Daraus hat
die ITF die Konsequenz gezogen, ein
Wohnmobil anzuschaffen. Damit
sucht „ihr“ Inspektor die Besatzungen auf, damit sie in ungestörter At-
FOTO: VER.DI
He will join Nautilus CH but didn´t have the
time to sign the application immediately.
I will keep an eye on it and visit him next
time.
As you know, we do not have access to
Ama Waterways vessels, so I stood there
for three hours with the camper and distributed our leaflets and my business card.
I think Ama Waterways now know that we
have a camper, because there were two
Ama Waterways service cars on the shore
and they were watching me.
On board all the vessels, I distributed
our leaflets, rc news 2013 and gave my
business card to the crew member I was
able to talk to.
This week I had a call for help from a
German 2nd helmswoman. She is working
on the Amadeus Classic (Lüftner Cruises)
and is experiencing a lot of problems with
her holidays and paid leave. She intends to
leave this company and has an appointment with my ver.di colleague in Koblenz,
because she lives near there. I will be keeping in touch with her once she has signed
the membership application.
That´s all from my first week with the cam­
per. I will be in touch again. WERNER KIEPE
Vor dem Hintergrund, dass Frachtraten
und Transportvolumina stagnieren, fanden die diesjährigen Lohn- und Gehaltstarifverhandlungen statt. ver.di-Verhand­
lungsführer Werner Kiepe machte gleich
zu Beginn der Verhandlungen deutlich,
dass es bei dem diesjährigen Tarifabschluss auf alle Fälle einen Nettoreallohnzuwachs geben muss.
Nach sehr konstruktiven Verhandlungen haben sich der Arbeitgeberverband BdB und die ver.di-Tarifkommission auf folgendes Ergebnis geeinigt:
1. Die Laufzeit des Tarifvertrages
­beträgt 24 Monate (1. Januar 2014
bis 31. Dezember 2015).
2. Für den Zeitraum vom 1. Januar
2014 bis zum 30. Juni 2014
wird eine Einmalzahlung in Höhe
von 350 Euro gewährt, die mit
dem ­Aprilgehalt ausgezahlt wird.
3. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2014
bis zum 30. Juni 2015 werden
die Löhne und Gehälter linear um
2,3 Prozent erhöht.
4. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2015
bis zum 31. Dezember 2015 erhöhen sich die Löhne und Gehälter
­linear um 1,1 Prozent.
5. Für die Auszubildenden beträgt
die Einmalzahlung 175 Euro, die
Ausbildungsvergütungen erhöhen
sich wie oben beschrieben.
Die Einmalzahlung von 350 Euro beträgt bezogen auf den Grundlohn der
Matrosen ca. 3,1 Prozent, bezogen auf
das Anfangsgehalt eines Schiffsführers
2 Prozent. Aufgrund einer Preissteigerungsrate im Januar von 1,3 Prozent
wurde das Verhandlungsziel erreicht
und die ver.di-Tarifkommission stimmte
dem Ergebnis einstimmig zu.
WERNER KIEPE
FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2014
JUGEND
7
FOTO (2): JÜRGEN KIONTKE
Highlights aus
den Seminar­
angeboten der
Fachbereichs­
jugend!
Wir, die Teamerinnen und Teamer
der Fachbereichsjugend, laden
Euch auch in diesem Jahr wieder
zu fachbereichsspezifischen
Jugendseminaren ein. Konzipiert
und durchgeführt von jungen
ver.di-­Mitgliedern bieten die
Seminare eine gute Gelegenheit,
mit abwechslungsreichen Methoden Wissen aufzufrischen, neue
Menschen kennenzulernen und
Spaß zu haben. Also, seid dabei,
wenn es heißt: Bildung genießen.
Gewerkschaft erleben. Freunde
gewinnen. Zum Beispiel hier:
EUROPAWAHL 2014:
Ein neuer Weg für Europa
Senkung Deines Monatslohns?
Mitentscheiden statt aussitzen
Dein monatlicher Verdienst wird um ein
Drittel gekürzt, weil bei der Haushaltskontrolle festgestellt wurde, dass deutsche Tarifverträge einfach zu teuer sind.
Und mit dieser Kürzung kann das Haushaltsdefizit etwas gesenkt werden. Ist
das okay?
Am 25. Mai 2014 finden in ganz Europa die Wahlen zum Europäischen
Parlament statt. Das nehmen wir
zum Anlass, um zu fragen: Was macht
das Europaparlament? Und was hat
das Ganze eigentlich mit mir zu tun?
schieden wird, täuscht gewaltig. Was
hältst du zum Beispiel von einer Erhöhung der Roaminggebühren? Dann wird
das Nutzen des Internets beispielsweise
im Sommerurlaub oder auf Dienstreisen
eben deutlich teurer. Na und?
Streichung Deines
­Auslandsjahres?
Es geht also um Gesetzgebung, Haushalt und Kontrolle. Der Eindruck, dass im
Bundestag alles für uns Relevante ent-
Beschränkung der Reisefreiheit?
Selbst zu entscheiden, wo man hinreisen
möchte, wird einfacher, wenn ein paar
1./2. Dezember 2014, Berlin
Kurz nach den JAV-Wahlen
möchten wir Dir die Gelegenheit
zu Austausch, Vernetzung und Bearbeitung von aktuellen Themen
und Aufgaben geben. Aus verschiedenen Workshops kannst Du
Dir dabei das heraussuchen, was
für Euch und Eure Arbeit wichtig
ist. Egal, ob Du neu in der JAV
bist oder bereits wiedergewählt
wurdest: Hier bist Du richtig!
Tipp: Am besten schon jetzt auf
der JAV-Sitzung den Beschluss
fassen, dass die neu gewählte JAV
zu diesem Seminar fahren soll.
Zustimmung zu internationalen Abkommen
Weitere Infos und die Ausschreibungen zu beiden
Seminaren erhältst Du bei Vera
Visser ([email protected]).
Hier sind auch interessierte
(angehende) Teamende an der
richtigen ­Adresse, auch Eure
Themenwünsche sind natürlich
jederzeit willkommen.
Datenschutz ist wichtig, aber europaweit
können mit einem entsprechenden Gesetz
zu Sicherheitszwecken alle Daten genutzt,
Rechner gehackt und Telefonate mitgeschnitten werden. Ist das erstrebenswert?
Die Aufgaben des Europaparlaments sind auf dieser Grafik dargestellt:
Beispiele für Befugnisse und Aufgaben
schriftliche oder mündlichen Anfragen stellen
29./30. November 2014,
Berlin
Auch 2014 fangen in Deinem
Betrieb wieder junge Menschen
ihre Ausbildung an? Wir bieten
für Betriebe, die nicht bereits
mit der ver.di Jugend vor Ort ein
Auftaktseminar veranstalten, ein
Berufsstartseminar für die neuen
Azubis an. Wir beschäftigen uns
mit Rechten und Pflichten in der
Ausbildung, wichtigen rechtlichen
Grundlagen, Mitbestimmungsmöglichkeiten und natürlich mit
vielen Antworten und Diskussionen zu den Fragen aus den ersten
Ausbildungswochen.
Tipp: Meldet uns schon jetzt, mit
wie vielen Azubis und JAVis ihr an
dem Seminar teilnehmen möchtet.
Die endgültigen Zahlen benötigen
wir dann im Herbst.
Europaweite Zusammenarbeit
im Datenschutz?
Das Europaparlament
JAV-Treffen 2014
Berufsstartseminar
Verkehr
mögliche Ziele einfach wegfallen. Das
klingt doch gut. Oder?
Haushaltsplan beraten und ändern
Kommission Entlastung erteilen
Kommission und Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik billigen oder ablehnen
Kommissionspräsident wählen
Haushaltsplan zustimmen
Untersuchungsausschuss einsetzen
Kontrolle
Misstrauensantrag stellen
Haushaltsplan ablehnen
Haushalt
Berichte prüfen
Ausgaben überwachen
Finanzkontrolle
Europäisches Parlament
Gesetzgebung
Arbeitsprogramm der Kommission prüfen
Bürgerpetitionen prüfen
Gesetzesvorschläge von Kommission einfordern
Mitarbeit und Mitentscheidung (je nach Politikbereich und Verfahren)
Bundeszentrale für politische Bildung, 2010, www.bpb.de
Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/de
Auch wenn Auslandserfahrung sich sehr
gut in Bewerbungen machen, musst Du
leider zukünftig darauf verzichten, weil
das Erasmusprogramm zugunsten des
ausgeglichenen Haushalts gestrichen
wurde. Macht nix?
Verschlechterung Deiner
­Arbeitsbedingungen?
Damit die Märkte besser funktionieren,
müssen wohl mit einer neuen Verordnung
Deine Arbeitsbedingungen eingeschränkt
werden. So wichtig ist Dir Dein Kündigungsschutz doch nicht. Oder?
Deutsche Ausbildungsabschlüsse
gelten nur in Deutschland?
Die europaweite Anerkennung der Ausbildungsabschlüsse ist irgendwie bei allen Diskussionen auf der Strecke geblieben. Was soll’s …
Wenn Du solche Szenarien verhindern
und einen Beitrag zu einem sozialen
­Europa leisten möchtest, gibt es einen
einfachen Weg: Geh wählen!!! Vielleicht
fallen dann die Roaminggebühren weg,
Deine Reisefreiheit gilt uneingeschränkt,
Deine Daten sind sicher, Deine Arbeits­
bedingungen bleiben mindestens so gut
wie jetzt im Tarifvertrag beschrieben, Du
kannst ein Erasmusjahr im Ausland verbringen und danach mit Deinem europaweit gültigen Ausbildungsabschluss noch
viele Auslandserfahrungen sammeln. Das
alles ist möglich…
Aber nur wenn Du wählen gehst.
Für ein soziales Europa!
Schifffahrt trifft
„Unstoppable“
FOTO:CHRISTIAN VON
POLENTZ
Im September 2013 kamen bei der
­JAV-Konferenz der Fachbereiche Ver- und
Entsorgung und Verkehr mehr als 200
JAVis in Berlin zusammen. Auch die
­
Auszu­bildenden der Fachgruppen Häfen
und Schifffahrt fanden ein Forum: In
Wanted! future reward!
Die Fachbereichsjugendkampagne trifft kroatische Seefahrerjugend
Aufgrund der positiven Reaktion unter anderem beim ETF Youth Training, der ITF
Summer School und der Sitzung der ITF
seafarers section war Vera Visser zur ersten
Sitzung der kroatischen Seefahrerjugend
eingeladen und stellte hier neben der Jugendarbeit von ver.di im Fachbereich Ver-
kehr auch die Kampagne wanted! future
reward! vor. Der junge, offensive und beteiligungsorientierte Ansatz überzeugte
die Anwesenden und so werden die kroatischen Kolleginnen und Kollegen in der
Pilotphase 2014 die Kampagne in ihrem
Bereich anwenden und international er-
proben. Aktuell werden die letzten Vor­
bereitungen getroffen, sodass in den
nächsten Monaten die Pilotphase mit
­Gewerkschaftsjugenden aus unterschied­
lichen Ländern beginnen kann. Für Euch
haben wir hier schon mal vorab ein Bild
von der Kampagnenpostkarte vorbereitet.
den Workshops „Internationale Gewerkschaftsarbeit – Was haben JAV damit
zu tun“ und „FG Häfen/FG Schifffahrt“
diskutierten sie angeregt über bren­nende
Fragen, die ihre Ausbildung und Zukunft
betreffen.
8
PA N O R A M A
FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2014
Erster Teilerfolg
Superfast-Klagen gehen weiter
Es ist schon eine Odyssee, bis die
Seeleute der ehemaligen SuperfastFähren in der Ostsee zu ihrem Recht
kommen.
FOTO: SUPERFAST.COM
rechnen, Entschädigungen an die Seeleute
zu zahlen.
Diese Gerichtsentscheidung ist schon
als ein Teilerfolg anzusehen. Zahlungsforderungen der einzelnen Seeleute, die sich
daraus ergeben, wurden aufgestellt und
sollten im Oktober 2013 gerichtlich verhandelt werden. Ursprünglich war eine
Entscheidung für Anfang Dezember 2013
angekündigt. Doch bis heute ist nichts geschehen, es gibt noch nicht einmal eine
Mitteilung, wann die Entscheidung erge-
hen wird. Sobald diese dann vorliegt, muss
eine mögliche Berufung geprüft werden.
Man kann nur hoffen, dass es im Interesse der betroffenen Seeleuten möglichst
bald zu einem guten Ergebnis kommt.
PETER GEITMANN
KARIKATUR: RAINER HOFMANN-BATTISTON
FOTO: CANSTOCKPHOTO.COM
2006 hatte die griechische Superfast
Ferries S. A. ihre drei Schiffe im baltischen
Einsatz zwischen Rostock und dem finnischen Hanko – fast über Nacht sozusagen
– an die estnische AS Tallink Gruppe verkauft. Damit verbunden wurde allen Seeleuten gekündigt. Klagen dagegen waren
in Deutschland anhängig. Aber das Bundesarbeitsgericht erkannte mit seinem Urteil vom Februar 2010 schließlich, dass
deutsche Gerichte für eine Entscheidung
nicht zuständig seien. Die Seearbeitsver­
träge der Betroffenen enthielten die Bestimmung, dass die Gerichtszuständigkeit
in Helsinki liegt. Deshalb wurde die Verhandlung dort erneut aufgenommen. Am
26. März 2013 gab es ein Zwischenurteil.
Das finnische Gericht hat als Grundlage
für die Entscheidung deutsches Recht angewandt. Danach liegt beim Verkauf von
2006 ein Betriebsübergang gemäß § 613a
BGB vor. Daraus ergibt sich: Der estnische
Erwerber der Fähren hätte die Beschäftigten auch übernehmen müssen. Das hat AS
Tallink nicht getan und muss nun damit
Outlet
Hannes und Fiete müssen diese Woche
schon zum zweiten Mal einen mittel­
großen Containerfrachter an den Dalben
festmachen.
Der Grund: Insolvenz des Eigentümers, zu geringe Charterraten, keine
Ladung oder gewollt aus dem Verkehr
gezogen. Dem Schiff ist der Grund nicht
anzusehen, höchstens das Alter, so ca.
4, 5 Jahre. Hannes fragt Fiete: „Warum
gibt es für so ein modernes Schiff, offensichtlich gut gepflegt, keine Beschäftigung? Da kann doch was nicht stimmen.“ „Na ja“, antwortet Fiete, „zu
viele Schiffe, die das gleiche Geschäft
machen wollen, sind entweder zu viel
für die vorhandene Fracht oder drücken
die Raten.“ „Aber das müssen doch
auch die Reeder wissen, die sind doch
nicht dümmer als Du“, schleimt Hannes
ein bisschen, „wenn die weniger bauten, könnte das doch nicht passieren.“
„Also, erst einmal sei vorsichtig mit
dem Begriff Reeder. Das waren mal ehrenhafte hanseatische Kaufleute, auch
wenn es schon früher vereinzelt schwarze Schafe gegeben hat. Heute hat der
Reeder keinen Namen mehr, sondern er
heißt MS „X“, Schifffahrtsgesellschaft
mbH & Co. KG oder Black Star HedgeFonds und die ehemaligen Reeder sind
die, die das Schiff betreiben und dafür
eine Gebühr kassieren. Sie gehen also
ein geringes Risiko ein, im schlimmsten
Fall verlieren sie ihre Gebühr. Kosten,
wie für die Besatzung, sind schnell ab­
gebaut. Man schickt die Crew nach Hause, sind ja keine deutschen Seeleute
mehr.“ Das war eine lange Reede für
Fiete. Und Hannes weiß, jetzt darf er ihn
nicht überfordern. Also tuckern sie eine
Weile wortlos in Richtung Dalben. Doch
dann: „Irgendjemand muss die Schiffe
doch bestellen und bezahlen. Die sollten
doch auch wissen, dass das nicht immer
so weitergeht. Die Menschheit wird
zwar größer, aber immer weniger können die Waren kaufen, die hin und her
transportiert werden.“ „Es sei denn“,
kontert Fiete, „auf der ganzen Welt
­würde so etwas wie unsere Ein-EuroLäden aufgemacht.“ Hannes stutzt. War
das jetzt ein Jux oder ernst gemeint?
Da kommt noch einer hinterher: „Die
Gier der Verbraucher nach immer wieder
und immer schneller etwas Neuem,
muss genauso befriedigt werden wie die
Gier der Geldanleger in Schiffsfonds
nach sehr hohen Renditen.“ Das muss
Hannes erst mal schlucken. Aber schon
kurz darauf: „Du hast mich auf eine Idee
gebracht, wie man das Aufliegen der
Schiffe verhindern kann.“ „Und wie?“,
fragt Fiete. „Also, wenn die Schiffe keine
Fracht mehr haben, dann müssen wie
früher die Segelschiffe in China und
Bangla Desh Waren auf eigene Rechnung einkaufen und dann hier längsseits
an der Pier direkt aus dem Container
verkaufen. Outlet sozusagen, wie die
Fischerleute das machen“.
„Auf Outlet sind doch alle gierig,
sonst würden nicht überall auf der
­grünen Wiese Outlet-Center entstehen.
Oder warst Du da noch nicht?", will
Hannes wissen. „Nee, outlet heißt übersetzt auch Abflussrohr. Und da halt ich
K.MEYER
mich nicht so gerne auf.“
Glaubt jemand an
den Weihnachtsmann?
Die Schifffahrtkrise ruft zusätzlich auch Betrüger
auf den Plan – ein Fall aus Rostock
Die Zahl der Insolvenzen in der Schiffsindustrie erreichte 2013 wieder eine
traurige Höhe. Auch der deutsche
Markt blieb nicht verschont, erinnert
sei an „Intersee“ oder „Sea­
voss“.
Gleich zu Jahresbeginn 2013 erreichte
den Rostocker ITF-Inspektor Hamani
Amadou ein Hilferuf von Bord der MV
„Annalisa“. Es blieb nicht der Einzige.
Die „Annalisa“ gab Kurs Hamburg an,
einige Seeleute sollten dort abmustern.
­Allerdings standen für die Besatzung bereits drei Monate Heuern aus. Die Reederei
hatte Insolvenz angemeldet, aber zugesagt, die Rückstände auszugleichen. Das
machte die Crew misstrauisch und sie kontaktierte die ITF. Nach zweitägigen Verhandlungen mit dem Reeder wurden die
ausstehenden Heuern tatsächlich gezahlt.
Erster Fall – erster Erfolg.
Doch die weltweite Finanzkrise hat die
Seeschifffahrt bis heute im Griff. Nach wie
vor konkurrieren zu viele Schiffe um zu
wenig Ladung. Gleichzeitig werden die
­
Tonnagen größer und größer. Da bleiben
gerade kleinere Schiffe auf der Strecke.
Solch ein Fall beschäftigte Hamani das
­vergangenen Jahr über und er beschäftigt
ihn noch: Die Rostocker Reederei K. hatte
zwei kleinere Schiffe gechartert und von
Rostock und Klaipeda aus betrieben. Doch
beklagten sich die Seeleute über ausstehende Heuern seit Ende 2011. Mehrere
ITF-Inspektoren in verschiedenen Häfen
befassten sich mit dem Problem, es gab
diverse Gespräche mit dem Reeder. Auf
der Suche nach einer L­ösung wandte der
sich an Geschäftspartner und vielfach an
Banken – ohne Erfolg. Schließlich bat er
sogar die ITF um 20.000 Euro Kredit. Eine
Gewerkschaft ist allerdings kein Geldinstitut. Doch schien sich der Wind zu drehen
und ein Wunder zu ­geschehen: Ins Rostocker ITF-Büro flatterte im Februar 2013
eine Nachricht von der Reederei K., dass
eine Yunnan Investment Holding Ltd. – eine
„sehr große, solide Staatsfirma“, die mit
der „Bank of China“ kooperiere, sie mit
6,5 Millionen Euro unterstützen werde.
Alle Probleme seien so gut wie gelöst.
Der Reeder reiste persönlich nach China,
verhandelte dort über einen kurzfristigen
300.000-Euro-Kredit, die Finanzierung zum
Ankauf dreier neuer Schiffe und die pro­
blematische Mietkauffinanzierung seiner
beiden Bestandsschiffe. Der skeptische russische ITF-Inspektor Andrej Chernov quit-
tierte die Geschehnisse mit der Rückfrage,
ob da jemand an den Weihnachtsmann
glaube. Und tatsächlich erhielt Hamani
Amodou zehn Tage später die Mitteilung
von der Reederei K., dass sich der in China
abgeschlossene Vertag als „Werk eines
sehr raffinierten Betrügers erwiesen habe.“
Reederei K. verlor bei den Trans­aktionen
die letzten Cent und ist komplett zahlungsunfähig. Dennoch brachte ITF-Inspektor
Hamini die Heuerklagen der See­leute vor
das Arbeitsgericht. Dort wurde zu ihren
Gunsten entschieden. Allerdings: kein Geld,
keine Zahlung. Inzwischen erklärt zwar
die Finanzierungs- und Leasinggesellschaft
AGL, der eigentliche Eigentümer der beiden
Schiffe zu sein und versucht, sie aus der
Insolvenzmasse herauszuhalten. Seit April
2013 kümmert man sich um den Unterhalt
und zahlt der verbliebenen Crew – drei
Männer betrifft das in Rostock – ­laufende
Heuern. Was mit den Außenständen der
vergangen Jahre geschieht, ist noch immer
unklar. Etwa 20 Seeleute warten auf über
150.000 Euro von der Reederei K. „Eine
Insolvenz mit offenem Ende“, kommentiert
Hamani. Und er warnt: „Hände weg von
hochstaplerischen Investment CompaRED.
nies!“