PDF-Download - Katholische Kirche beim hr

Dr. Paul Lang, Amöneburg
Zuspruch am Morgen (hr 2)
Dienstag, 19. April 2016
Marcel Callo
Zu den Orten, die vermutlich für alle Zeiten mit dem Schrecken des
Nationalsozialismus verbunden sind, zählt das oberösterreichische Mauthausen. Zu
den Opfern dieses KZs gehört Marcel Callo. Am 19. April erinnert der kirchliche
Kalender an ihn. Er wurde 1987 von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen.
Das war und ist verblüffend: Marcel Callo war nämlich kein bedeutender Vertreter der
Kirche, hatte kein politisches Amt inne, war keine Führungsfigur des Widerstandes.
Marcel Callo hatte nicht einmal eine höhere Schulbildung: Als zweites von acht
Kindern einer einfachen Familie wurde er 1922 in Rennes in Frankreich geboren.
Nach dem üblichen Volksschulabschluss absolvierte er eine Ausbildung zum
Buchdrucker und arbeitete.
Als die Deutschen Frankreich besetzten, zeigte er allerdings eine Menge Zivilcourage
– und hatte offenbar einen klaren Blick für das, was getan werden muss. So verhalf
er vielen von Zwangsarbeit bedrohten Franzosen zur Flucht in den noch unbesetzten
Landesteil. Als er selbst 1943 zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt
wurde, ließ er alle eigene Chancen zu fliehen ungenutzt, obwohl das im Blick auf
seine labile Gesundheit sicher verständlich gewesen wäre.
„Ich gehe nach Deutschland, um den anderen zu helfen durchzuhalten“ sagt der
gerade 20jährige. Zuhause war er als Ministrant in der Kirche aktiv gewesen und bei
den Pfadfindern. Im Zwangsarbeiterlager sammelt er nun andere, so gut das möglich
ist, zu Gemeinschaften: Marcel Callo organisiert gemeinsame Gottesdienste, er leitet
einen Chor, bildet Aktionsgruppen aus Pfadfindern und Jungarbeitern.
Die Gestapo wird bald auf seine Aktivitäten aufmerksam und verhaftet ihn: Das
Engagement des jungen Mannes wird als bedrohlich eingestuft, obwohl er doch nur
ein einfacher fast noch jugendlicher Arbeiter ist. Nach mehrmonatiger Gefängnishaft
wird Callo mit einigen seiner Gefährten schließlich in das KZ Mauthausen verlegt. Die
mörderische Zwangsarbeit dort, Misshandlungen, Unterernährung und Krankheiten
bezahlt er schließlich im März 1945 mit seinem Leben.
Das tun, was getan werden muss, und was man tun kann: Das imponiert mir an
Marcel Callo. Verantwortung zu übernehmen und verantwortlich zu handeln, statt auf
andere zu warten, auf „die da oben“ – damit bewegt er etwas. Die NS-Schergen
haben deutlich erkannt, welch großes Potential eine solche wache Persönlichkeit hat.
An Marcel Callo erinnern mich manche Jugendliche und einige Schüler an meiner
Schule: Es gibt sie – und es sind gar nicht so wenige – die bereits sind
Verantwortung zu übernehmen. In der Schülervertretung finden sich viele und in
Arbeitsgemeinschaften, auch in politischen Gruppen. Da gibt es junge Leute, die tun,
was getan werden muss; die einfach ein gesundes Gespür haben für ihre eigenen
Fähigkeiten und Begabungen – und die sich einsetzen, sich in die Pflicht nehmen
lassen – ohne langes Zureden von anderen.
Es beschämt mich manchmal, wenn ich Erwachsene erlebe, die sich zieren,
irgendein Ehrenamt zu übernehmen oder die nach geraumer Zeit aussteigen: „Jetzt
sind mal die anderen dran.“ Jemand wie Marcel Callo macht Mut, Verantwortung zu
übernehmen: das zu tun, was getan werden muss. Wenn Menschen sich verhalten
wie ein Marcel Callo, kann die Welt nur gewinnen.