Nenad kocht57 sonntagszeitung.ch | 6. September 2015 Filigrane Arbeit: Das Sandwich ist auch ein Fest fürs Auge Fotos: Nico Schaerer Gepflegt belegt Mit Haut und Knochen: Aus einem Poulet kann man ziemlich viel herausholen. Nenad Mlinarevic über das Sandwich mit Niveau Unter den Fleischprodukten ist das Geflügel deshalb besonders wertvoll, weil es sich praktisch vollständig verwerten lässt. Von einem Huhn kann ich die Haut knusprig backen, das Fleisch braten, niedergaren oder schmoren, aus den Innereien – beispielsweise der Leber – einen Aufstrich herstellen und aus den Karkassen (Knochen) schliesslich eine Suppe, einen Fond oder einen Jus kochen. Das ist nicht mal ein grosser Aufwand, es braucht nur etwas Zeit und Hingabe. Wir verwenden in unserem Restaurant nur noch Produkte aus der Schweiz; aber es geht nicht nur darum, was man verwendet, sondern auch, wie man es tut. Deshalb und weil es in der Schweiz hervorragendes Geflügel gibt wie zum Beispiel das bekannte Kneuss-Güggeli oder das Alp steinpoulet, das unter transparenten, tiergerechten Bedingungen aufgezogen wird, arbeiten wir gerne damit in der Küche. Dabei wechseln wir natürlich ab, mal gibt es Mistkratzerli, dann vielleicht Sotl’y-laisse, die beiden zarten, aromatischen Pfaffenschnittchen aus dem Rücken des Huhns, und dann wieder konfieren wir die Schenkel vom Poulet. Die Überbleibsel lassen sich geschmackvoll verwenden Nehmen wir nun an, gestern wurde auf dem Balkon grilliert, nun sind noch zwei Pouletschenkel übrig, schon gar, aber kalt. Oder vielleicht ist noch etwas von einem Coq au vin da, auch diese Überbleibsel lassen sich geschmackvoll weiterverwenden. Man entfernt also Fett und Knorpel und dann das Fleisch von Ober- und Unterschenkel, um es anschliessend in feine Stücke zu zupfen oder zu schneiden. Es ist ein Schritt zu einem sehr feinen Snack. Je kleiner die Fleischfasern sind, desto schö- ner sieht das Ganze aus und desto besser lässt sich das Sandwich schliesslich essen. Die Idee für dieses Chickensandwich gefiel mir, weil man es sowohl aus Resten herstellen kann als auch aus Fleisch, das man gezielt für genau dieses gepflegt belegte Brot zubereitet hat. Für die gezielte Zubereitung empfiehlt sich die Niedergarmethode in einem Steamer, wo man Pouletschenkel mit der Sous-vide-Methode zubereiten kann, damit sie zart und saftig bleiben. Dafür das Fleisch beizen und in einem kochfesten Plastikbeutel vakuumieren und bei 82 Grad zwei Stunden dämpfen (siehe Rezept). Um den Eigengeschmack des Geflügels zu betonen, gebe ich nach dem Beizen keine weiteren Gewürze hinzu, aber wer mag: Ingwer, Koriander und Zitronengras passen natürlich ausgezeichnet und geben dem Fleisch eine frische, fernöstliche Note. Wenn man die Haut von Schenkeln oder Pouletbrüsten vor dem Garen abzieht, kann man sie flach auf ein mit Backpapier (oder einer Silikonmatte, s. Kasten) belegtes Blech ausbreiten, mit einem weiteren Backpapier belegen und mit einem Blech beschweren. Bei 170 Grad Ober- und Unterhitze 40 Minuten in den Ofen schieben, auf Küchenpapier legen und etwas salzen. Das ist ein schönes Knusperelement mit herzhaftem Aroma. Die Schenkel kann man natürlich auch ganz normal in einem Topf oder in einem konventionellen Ofen schmoren. Anschliessend ebenfalls klein schneiden oder zupfen. Gegart lässt sich das Poulet problemlos im Kühlschrank einige Tage aufbewahren. Damit das Sandwich nicht nur aus Fleisch und Brot besteht, belegen wir es ausserdem mit frischen sowie mit angetrockneten Tomaten. Mittlerweile gibt es in der Chicken-Sandwich mit Tomaten Schweiz eine riesige Auswahl verschiedenster Tomaten, von bunten Cherrys über Datteri, Ochsenherz, Berner Rosen bis zu Black Zebras. Die Familie Fessler-Alig (www.farbigetomaten.ch) aus dem Luzerner Seetal zum Beispiel hat 127 Sorten farbige Tomaten im Angebot. Das klinge nach viel, sei aber trotzdem nur ein Hundertstel der rund 12 000 Sorten, die weltweit angebaut werden, sagen sie. Auf dem Kleinbetrieb von Monika und Hubert Fessler-Alig werden jährlich rund vier Tonnen Tomaten geerntet, ein paar davon legen wir uns aufs Brot. Klares Tomatenwasser aus Abschnitten und Kernen 4 Pouletschenkel, 200 g Salz, 4 Thymianzweige, Blätter gezupft, 1 Knoblauchzehe, geschält, 1 Rosmarinzweig, Nadeln gezupft, 2 Lorbeerblätter, 1 TL Pfefferkörner Gewürze und Kräuter mischen und die Pouletschenkel damit gut einreiben. Mit Frischhaltefolie abdecken und 4 Stunden im Kühlschrank beizen. Kalt abspülen, mit Küchenpapier gut trocken reiben. Mit 2 EL Rapsöl in einem Sous-vide-Beutel vakuumieren und 2 ½ Stunden bei 82 Grad Dampf in einem Steamer oder Wasserbad garen. Den entstandenen Fond auffangen, das Fleisch von den Knochen zupfen; dabei Knorpel, Haut und Sehnen entfernen. Das Fleisch klein schneiden und mit dem Fond sowie mit Salz, frischen, gehackten Kräutern nach Belieben (Petersilie, Schnittlauch, Basilikum) abschmecken. Fertigstellen: Kräftiges dunkles Brot (z. B. Sauerteigbrot) rösten, die Pouletmischung darauf verteilen und mit frischen und / oder getrockneten Tomaten belegen. Tausendfach verwendbares Backpapier Die Silikonbackmatte ist die wiederverwertbare Hightechvariante des normalen Backpapiers. Silpat-Unterlagen gibt es in verschiedenen Grössen, sie halten sehr hohe Temperaturen aus, haben ausgezeichnete Antihaft Eigenschaften, leiten die Hitze gut, sind leicht zu reinigen und tausendfach wiederverwendbar. Die Tomate ist insofern vergleichbar mit einem Huhn, als dass man auch von dem bunten Gemüse alles verwenden kann. Hat man die Tomaten blanchiert und die Haut abgezogen, schneidet man die Filets zu. Aus den Abschnitten und Kernen lässt sich ein klares Tomatenwasser herstellen: Mixen, in ein Tuch geben und über Nacht im Kühlschrank über einer Schüssel abtropfen lassen. Die Tomaten filets lassen sich trocknen, einlegen, konfieren und so weiter. Für das belegte Brot die Filets mit Rapsöl, Thymian und wenig Puderzucker würzen und bei 80 Grad im Ofen mehrere Stunden (je nach Grösse) trocknen bis sie konzentriert nach Tomaten schmecken, aber noch saftig sind. Auch ein Sandwich braucht etwas Aufmerksamkeit vom Koch, aber so wird daraus etwas, von dem man nicht genug kriegt (leider). Nenad Mlinarevic ist Küchenchef des Restaurant Focus im Parkhotel Vitznau (2 MichelinSterne,17 «Gault Millau»-Punkte). Er kocht nur mit Schweizer Produkten und schreibt hier monatlich über seine Arbeit
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