Landtag von Baden-Württemberg Antrag Stellungnahme

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 7300
15. Wahlperiode
13. 08. 2015
Antrag
der Abg. Georg Wacker u. a. CDU
und
Stellungnahme
des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport
Unterrichtsausfall durch Freizeitausgleich
statt Altersermäßigung
Antrag
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1. wie viele Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg welcher Schulart im
abgelaufenen Schuljahr 2014/2015 dazu angehalten waren bzw. wurden, anstelle einer Auszahlung der im aktiven Schuldienst erworbenen Altersermäßigung bzw. Mehrarbeitsstunden einen sogenannten Freizeitausgleich in Anspruch zu nehmen (aufgeschlüsselt nach Regierungspräsidien);
2. wie viele Unterrichtsstunden im abgelaufenen Schuljahr 2014/2015 aufgrund
der Inanspruchnahme eines Freizeitausgleichs von Lehrkräften, deren im aktiven Schuldienst erworbene Altersermäßigungen bzw. Mehrarbeitsstunden nicht
mehr ausbezahlt werden, ausgefallen sind;
3. in wie vielen Fällen der Freizeitausgleich von Lehrkräften gebündelt und an
einzelnen Tagen über das Schuljahr verteilt in Anspruch genommen wurde;
4. wie hoch die finanzielle Einsparung für das Land Baden-Württemberg durch
den sogenannten Freizeitausgleich im Vergleich zur regulären Altersermäßigung oder Mehrarbeitsstundenausgleich ist;
5. wie sie es bewertet, dass aufgrund des Freizeitausgleichs, der anstelle einer
Auszahlung der im aktiven Schuldienst erworbenen Altersermäßigung oder geleisteten Mehrarbeitsstunden in Anspruch genommen wird, es vermehrt zu
Unterrichtsausfällen kommt;
6. wie sie diese Regelung mit Blick auf das von ihr im Koalitionsvertrag formulierte Ziel, den Unterrichtsausfall in Baden-Württemberg abzubauen, passt;
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Eingegangen: 13. 08. 2015 / Ausgegeben: 17. 09. 2015
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 7300
7. ob und wie sie den durch eine Inanspruchnahme des Freizeitausgleichs entstandenen Unterrichtsausfall kompensiert bzw. ob diesbezüglich ausgefallene Unterrichtsstunden durch einen anderen Fachlehrer vertreten wurden;
8. wie sie es bewertet, dass sich die Schülerinnen und Schüler den Stoff des Unterrichts, der durch eine Inanspruchnahme des Freizeitausgleichs einer Lehrkraft ausgefallen ist, selbst erarbeiten müssen;
9. ob sie eine Haushaltskonsolidierung auf Kosten eines vermehrten Unterrichtsausfalls und somit auf Kosten der Schülerinnen und Schüler für verantwortungsbewusst und sinnvoll hält.
12. 08. 2015
Wacker, Viktoria Schmid, Traub, Röhm, Dr. Stolz CDU
Begründung
Im Gegensatz zu den vergangenen Schuljahren wurde im abgelaufenen Schuljahr
2014/2015 die von Lehrerinnen und Lehrern im aktiven Schuldienstdienst erworbene Altersermäßigung bzw. geleistete Mehrarbeit anteilig an deren Deputat zum
Teil nicht mehr ausbezahlt. Die betroffenen Lehrkräfte werden hingegen dazu angehalten, dafür einen sogenannten Freizeitausgleich in Anspruch zu nehmen. Dies
stellt aus Sicht der Antragssteller eine reine Sparmaßnahme der grün-roten Landesregierung dar, die allerdings voll und ganz auf Kosten der Schülerinnen und
Schüler geht. Durch den in Anspruch genommenen Freizeitausgleich kommt es
an den baden-württembergischen Schulen vermehrt zu Unterrichtsausfällen. Dies
kann in Einzelfällen dazu führen, dass in einer Klasse beispielsweise der Physikunterricht drei Wochen ausfällt und die Schülerinnen und Schüler sich den Unterrichtsstoff selbst erarbeiten müssen. Eine Haushaltskonsolidierung auf Kosten
eines vermehrten Unterrichtsausfalls und somit auf Kosten der Schülerinnen und
Schüler und der Qualität des Unterrichts sind schlicht verantwortungslos.
Mit diesem Antrag soll der Sachstand zum Unterrichtsausfall durch Freizeitausgleich anstelle der Altersermäßigung bzw. des regulären Zeitausgleichs abgefragt
und die Landesregierung um Auskunft gebeten werden, welche finanziellen Einsparungen sie sich davon erhofft.
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Stellungnahme
Mit Schreiben vom 4. September 2015 Nr. 14-0301.620/1589 nimmt das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport zu dem Antrag wie folgt Stellung:
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1. wie viele Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg welcher Schulart im
abgelaufenen Schuljahr 2014/2015 dazu angehalten waren bzw. wurden, anstelle einer Auszahlung der im aktiven Schuldienst erworbenen Altersermäßigung bzw. Mehrarbeitsstunden einen sogenannten Freizeitausgleich in Anspruch zu nehmen (aufgeschlüsselt nach Regierungspräsidien);
4. wie hoch die finanzielle Einsparung für das Land Baden-Württemberg durch
den sogenannten Freizeitausgleich im Vergleich zur regulären Altersermäßigung oder Mehrarbeitsstundenausgleich ist;
Bei der Beantwortung der Anfrage ist grundsätzlich zwischen der Situation der
Lehrkräfte, denen eine Altersermäßigung zusteht, und der Situation der Lehrkräfte,
die Mehrarbeit geleistet haben, zu unterscheiden.
Bei der Altersermäßigung für Lehrkräfte handelt es sich um eine Maßnahme der
Unterrichtsermäßigung, sie kann grundsätzlich nicht durch eine zusätzliche Vergütung ersetzt werden. Eine Vergütung der Altersermäßigung widerspräche deren
Sinn und Zweck, der seit jeher darin besteht, der im Hinblick auf die altersbedingt
zunehmende Beanspruchung lebensälterer Lehrkräfte durch den Unterricht aus
Fürsorgegründen Rechnung zu tragen. Deswegen wird bei der Altersermäßigung
der Unterrichtsanteil der Arbeitszeit reduziert.
Die Gewährung einer Altersermäßigung durch Reduzierung der wöchentlichen
Unterrichtsverpflichtung lässt die Arbeitszeit und die daran anknüpfende Höhe
der Dienstbezüge insgesamt unberührt (BVerwG, Urteil 2 C 21/04 vom 23. Juni
2005). Lebensälteren Lehrkräften wird durch die Altersermäßigung lediglich mehr
Zeit zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts eingeräumt; es findet also quasi
eine Umschichtung innerhalb der Arbeitszeit statt.
Lehrkräfte, denen eine Altersermäßigung zusteht, haben damit im Umfang ihrer
Ermäßigung seit jeher grundsätzlich nur Anspruch auf eine zeitliche Entlastung,
nicht aber auf eine finanzielle Abgeltung.
Unabhängig von der Thematik „Altersermäßigung“ gilt für die Mehrarbeit Folgendes:
Beamtete Lehrkräfte sind – wie alle Beamtinnen und Beamte – verpflichtet, ohne
Vergütung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern (§ 67 Absatz 3 Landesbeamtengesetz).
Werden Lehrkräfte durch dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit
mehr als drei Unterrichtsstunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist ihnen innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige
Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Ist eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen innerhalb
von mindestens einem Jahr nicht möglich, so kommt eine Vergütung von Mehrarbeit unter den engen Voraussetzungen von § 65 Landesbesoldungsgesetz BadenWürttemberg in Betracht. Bei der Möglichkeit, Mehrarbeit auch durch ein Entgelt
abzugelten, handelt es sich um eine Ausnahme für wenige Beamtengruppen, zu
denen auch die Lehrkräfte im Schuldienst gehören.
Die finanzielle Vergütung von Mehrarbeit ist damit aufgrund der seit langem geltenden gesetzlichen Vorgaben nachrangig gegenüber einer Dienstbefreiung.
Erst dann, wenn innerhalb eines Jahres aus zwingenden dienstlichen Gründen
eine Dienstbefreiung nicht realisiert werden kann, hat die Lehrkraft Anspruch auf
eine finanzielle Abgeltung, die entsprechend Anlage 15 zu § 65 des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg zu bemessen ist.
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Drucksache 15 / 7300
Dass durch die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben im Verhältnis zu einer
anders gearteten Verwaltungspraxis weniger zusätzliche Mittel verbraucht werden,
ist sachlogische Folge, jedoch nicht Anlass des Gesetzesvollzugs.
In welchem Umfang Lehrkräfte Mehrarbeit im Sinne des Landesbeamtengesetzes
leisten und in welchem Umfang innerhalb eines Jahres Dienstbefreiung gewährt
wird, ist dem Kultusministerium indes nicht bekannt. Die Entscheidung hierüber
wird vor Ort getroffen; die Mehrarbeitsstunden werden von den Schulleiterinnen
und Schulleitern, nicht hingegen seitens der Schulverwaltung erfasst.
2. wie viele Unterrichtsstunden im abgelaufenen Schuljahr 2014/2015 aufgrund
der Inanspruchnahme eines Freizeitausgleichs von Lehrkräften, deren im aktiven Schuldienst erworbene Altersermäßigungen bzw. Mehrarbeitsstunden nicht
mehr ausbezahlt werden, ausgefallen sind;
3. in wie vielen Fällen der Freizeitausgleich von Lehrkräften gebündelt und an
einzelnen Tagen über das Schuljahr verteilt in Anspruch genommen wurde;
5. wie sie es bewertet, dass aufgrund des Freizeitausgleichs, der anstelle einer
Auszahlung der im aktiven Schuldienst erworbenen Altersermäßigung oder geleisteten Mehrarbeitsstunden in Anspruch genommen wird, es vermehrt zu
Unterrichtsausfällen kommt;
6. wie sie diese Regelung mit Blick auf das von ihr im Koalitionsvertrag formulierte Ziel, den Unterrichtsausfall in Baden-Württemberg abzubauen, passt;
7. ob und wie sie den durch eine Inanspruchnahme des Freizeitausgleichs entstandenen Unterrichtsausfall kompensiert bzw. ob diesbezüglich ausgefallene
Unterrichtsstunden durch einen anderen Fachlehrer vertreten wurden;
8. wie sie es bewertet, dass sich die Schülerinnen und Schüler den Stoff des Unterrichts, der durch eine Inanspruchnahme des Freizeitausgleichs einer Lehrkraft ausgefallen ist, selbst erarbeiten müssen;
9. ob sie eine Haushaltskonsolidierung auf Kosten eines vermehrten Unterrichtsausfalls und somit auf Kosten der Schülerinnen und Schüler für verantwortungsbewusst und sinnvoll hält.
Dienstbefreiung als Ausgleich für gehaltene Mehrarbeitsunterrichtsstunden kann
nur gewährt werden, wenn keine zwingenden dienstlichen Gründe entgegenstehen. Im Schulbereich stehen einer Dienstbefreiung zwingende dienstliche Gründe
entgegen, wenn durch sie ein Unterrichtsausfall verursacht würde. Sie kann daher
nur gewährt werden, wenn durch sie Unterrichtsausfall nicht bewirkt wird. Kann
im Laufe eines Jahres deshalb keine Dienstbefreiung gewährt werden, ist die
Mehrarbeit durch Mehrarbeitsunterrichtsvergütung abzugelten.
Auch durch die Gewährung von Altersermäßigung darf kein Unterrichtsausfall
verursacht werden.
Die Schulleiterinnen und Schulleiter achten darauf, dass Lehrkräfte vor ihrem
letzten Unterrichtstag die ihnen zustehende Altersermäßigung in Anspruch genommen haben und der Anspruch auf Zeitausgleich rechtzeitig vor dem letzten
Unterrichtstag abgegolten ist. Dabei gewähren sie im letzten Unterrichtsjahr einer
Lehrkraft durch eine schulinterne Lösung auch Stundenbruchteile unter einer halben Wochenstunde. Sollte absehbar sein, dass eine Lehrkraft im Anschluss an die
Inanspruchnahme eines Freistellungsjahres nahtlos in den Ruhestand tritt, sind
auch hier im letzten Unterrichtsjahr der Lehrkraft durch eine schulinterne Lösung
Stundenbruchteile unter einer halben Wochenstunde zu gewähren, ggf. – soweit
nicht anders möglich – auch kompakt zusammengefasst. Zum Schuljahresende
kann Lehrkräften, deren Klasse(n) an außerunterrichtlichen Veranstaltungen wie
Schullandheimaufenthalte teilnehmen, eine zeitliche Entlastung auch gebündelt
gewährt werden.
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Drucksache 15 / 7300
In wie vielen Fällen die zeitliche Entlastung gebündelt oder an einzelnen Tagen
über das Schuljahr verteilt gewährt wurde, ist den Schulleiterinnen und Schulleitern, nicht hingegen der Schulverwaltung bekannt.
In Vertretung
Dr. Schmidt
Ministerialdirektor
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