Sinn und Unsinn von Wirtschaftsprognosen Wachstum, Konjunktur, Öffentliche Finanzen Sinn und Unsinn von Wirtschaftsprognosen Impulsreferat zur Podiumsdiskussion am Institut für Höhere Studien 19. Oktober 2015 Prof. Dr. Roland Döhrn Leiter des Kompetenzbereichs „Wachstum, Konjunktur, Öffentliche Finanzen“ und Universität Duisburg‐Essen Sinn und Unsinn von Wirtschaftsprognosen Was ist der Sinn von Wirtschaftsprognosen? Ökonomische Prognose ist, nach unseren Ergebnissen mit den Mitteln der ökonomischen Theorie und Statistik, aus sachlichen Gründen grundsätzlich unmöglich. Oskar Morgenstern, Wirtschaftsprognose: Eine Untersuchung ihrer Voraussetzungen und Möglichkeiten. Wien 1928, S.108 Roland Döhrn 19.10.2015 2 Sinn und Unsinn von Wirtschaftsprognosen Was ist der Sinn von Vitaminpräparaten? Lange galten Vitaminpräparate als Allheilmittel gegen Erkältungen, Stress und sogar Krebs. Diese Hoffnung hat sich zerschlagen. Inzwischen ist klar: Die Mittel sind überflüssig – und sogar gesundheitsgefährdend. Focus vom 9.1.2013 Sie werden dennoch nachgefragt!! Roland Döhrn 19.10.2015 3 Sinn und Unsinn von Wirtschaftsprognosen Die Nachfrage nach Wirtschaftsprognosen … seitens der nationalen Wirtschaftspolitik. Sie bilden die Grundlage der Steuerschätzung Diese wiederum ist Grundlage der Haushaltplanung und der mittelfristigen Finanzplanung aller staatlicher Institutionen … seitens der Notenbanken … seitens Internationaler Organisationen In der EU: Haushaltsüberwachung im Rahmen des Two‐ Pack; Macro‐economic imbalance procedure Länderberichte des IWF, der OECD etc. … seitens privater Institutionen wie Unternehmen als Planungsgrundlage Roland Döhrn 19.10.2015 4 Sinn und Unsinn von Wirtschaftsprognosen Das Problem: Prognosen können für die Politik Instrument sein: Finde die gesamtwirtschaftliche Prognose, die es Dir erlaubt, die finanzpolitischen Ziele zu erreichen Roland Döhrn 19.10.2015 5 Sinn und Unsinn von Wirtschaftsprognosen Die Lösung • Prognosen sollten von unabhängigen Institutionen erstellt werden. • Bei der Erstellung der Prognosen sollte Wettbewerb herrschen, weil nur so best practice bei der Erstellung von Prognosen herrscht. • Regierung steht unter Rechtfertigungszwang, falls ihre Vorgaben von den Prognosen „des Marktes“ abweichen. • Grenzen der Möglichkeiten von Prognosen sind zu beachten. Roland Döhrn 19.10.2015 6 Sinn und Unsinn von Wirtschaftsprognosen Die Grenzen von Prognosen (I): Unklare Ausgangslage Roland Döhrn 15 14 Ausrüstungsinvestitionen im ersten Quartal 2006; Veränderung gegen Vorjahr in % 13 12 11 10 9 8 7 2006‐2 2006‐3 2006‐4 2007‐1 2007‐2 2007‐3 2007‐4 2008‐1 2008‐2 2008‐3 2008‐4 2009‐1 2009‐2 › Daten werden mehr oder weniger stark revidiert › Abweichung des zuerst veröffentlichten Wertes für das BIP‐Wachstum vom endgültigen beträgt in Deutschland im Durch‐ schnitt 0,4 Prozentpunkte › Bei anderen Variablen Abweichung noch größer 19.10.2015 7 Sinn und Unsinn von Wirtschaftsprognosen Die Grenzen von Prognosen (II): Wie weit können wir prognostizieren? › Genauigkeit von Prog‐ nosen ist zeitabhängig › Wichtig ist nicht der absolute Fehler, sondern der Informationsgewinn gegenüber „naiven“ Verfahren › Der „Vorhang des Un‐ wissens“ hebt sich nur langsam, aber er hebt sich Fehlervarianz der Prognose/Veröffentlichung in Relation zur Varianz der Reihe1 1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 ‐7 ‐5 ‐3 ‐1 1 3 5 7 9 11 13 15 Quartale Abstand vom Beginn des Berichtsjahres 11‐Noise‐to‐signal Ration. RWI‐Prognosen 1991 bis 2010 Roland Döhrn 19.10.2015 8 Sinn und Unsinn von Wirtschaftsprognosen Genauigkeit von BIP‐Prognosen für Deutschland und Prognosezeitpunkt 1991‐2013, Mittlerer absoluter Fehler 1,80 Einzelne Prognosen 1,60 Naive Referenzprognose 1,40 Mittelwert der "Saison" 1,20 1,00 0,80 0,60 0,40 0,20 0,00 800 700 600 500 400 300 200 100 0 ‐100 Länge des Prognosehorizonts in Tagen Roland Döhrn 19.10.2015 9 Sinn und Unsinn von Wirtschaftsprognosen Ansätze für bessere Prognosen • Bessere Methoden? Eher nicht. • Bereits großer Satz von Instrumenten. • Einfache Ansätze bewähren sich oft ebenso gut wie komplexe Verfahren. • Bessere Daten? Wahrscheinlich. • Große „weiße Flecken“ in der Datenlandschaft, insbesondere im Dienstleistungssektor. • Frühere Daten? Sehr Wahrscheinlich. • Nutzung neuer Datenquellen, z.B. von Internetdaten. • Aber Zielkonflikt zwischen Schnelligkeit und Genauigkeit Roland Döhrn 19.10.2015 10 Sinn und Unsinn von Wirtschaftsprognosen R. Döhrn, Konjunkturdiagnose und –prognose. Eine anwendungsorientierte Einführung. Springer‐Gabler 2014. R. Döhrn, Konjunkturprognosen in bewegten Zeiten. Die Kunst des Unmöglichen. RWI‐Materialien 62. RWI, Essen 2010. http://www.rwi‐ essen.de/publikationen/rwi‐materialien/208/ Roland Döhrn 19.10.2015 11
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