Service 4.0 - Barkawi Management Consultants

Ser vice 4.0
After Sales Service im Zeitalter
der digitalen Transformation
Barkawi Management Consultants
München • Atlanta • Moskau • Shanghai • Wien
1 I
Autoren
Carena Barkawi, Gründerin und Geschäftsführerin
Seit vielen Jahren ist Carena Barkawi mit ihrem Mann zusammen Geschäftsführerin und Inhaberin der mehrfach ausgezeichneten Unternehmensberatung
Barkawi Management Consultants in München. Barkawi Management Consultants ist Teil der Barkawi-Gruppe. Hier ist Carena Barkawi Geschäftsführerin der
Holding und Dachgesellschaft.
Dr. Andreas Baader, Managing Partner
Dr. Andreas Baader leitet den Geschäftsbereich After Sales Services. Vor seinem
Eintritt bei Barkawi Management Consultants im Jahr 2000 bekleidete Andreas
Baader verschiedene Führungspositionen bei der SAP AG. Zuletzt leitete er
dort den Bereich Application Design Sales Support. Andreas Baader ist DiplomIngenieur und Doktor der Luft- und Raumfahrttechnik.
Dr. Veronika Köbberling, Senior Expert
Dr. Veronika Köbberling ist seit 2006 bei Barkawi Management Consultants
als Beraterin tätig mit dem Themenfokus After Sales Service und Supply Chain
Management. Veronika Köbberling ist promovierte Mathematikerin mit Zusatzqualifikation MBA in Logistik und Supply Chain Management und Berufserfahrung im Finanzsektor.
Weitere Veröffentlichung von Barkawi Management Consultants
Industry 4.0 – Chancen und Risiken disruptiver Innovationen
Wie leben wir in Zukunft? Selbstfahrende Autos, schwimmende Städte?
Dazu haben wir uns ein paar Gedanken gemacht, die nach Hollywood klingen,
aber vielfach schon konkret absehbar sind: Essen wir bald Algen und Insekten
statt Filetsteak? Wie lässt sich zukünftig der Eiweißbedarf von 10 Milliarden
Menschen decken?
Machen Sie mit uns eine spannende Reise in die Zukunft!
I 2
Service 4.0
After Sales Service im Zeitalter
der digitalen Transformation
E
ine perfekt ausgestattete Prüf-Werkstatt in den
USA: Im Laufe des Tages werden von den Mitarbeitern diverse Dieselmodelle des Golf, Scirocco,
Tiguan, Jetta und Polo auf den Prüfstand gefahren.
Alle bestehen den Test der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA zur Luftreinhaltung mit
Bravour. Wenig später stellt sich heraus, dass hinter
der angeblich so modernen, innovativen und umweltschonenden Technik eine Schummel-Software
steckt. Im Prüfbetrieb ‚hui“, im Alltagsbetrieb ‚pfui“,
denn da stießen sämtliche Fahrzeuge ein Vielfaches
der erlaubten Grenzwerte aus.
So nimmt im September 2015 ein Wirtschaftskrimi
mit noch ungeahnten Ausmaßen und zum Ärger
von Stakeholdern, Aktionären und Kunden seinen
Lauf. Weltweit sind bis zu 11 Millionen Fahrzeuge
betroffen. Diese müssen – ganz ‚oldschool“ – zurück
in die Werkstatt. Das kostet nicht nur das Unternehmen Volkswagen Zeit und Geld! Für Rückrufaktionen hat Volkswagen bereits 6,7 Milliarden Euro
zurückgestellt, von Imageverlust und Absturz der
Aktie am Finanzmarkt, Strafzahlungen und Schadensersatzansprüchen im Milliardenbereich ganz
zu schweigen.
‚Rückruf-Aktion“ heißt, Kunden zu identifizieren und einzeln zu kontaktieren, den Kunden zu
bitten, sich in der Werkstatt einzufinden, Termine zu
vereinbaren und den Schaden vor Ort zu beheben.
Auf die knapp 2.200 autorisierten Werkstätten in
Deutschland kommen jeweils im Mittel etwa 1.100
Fahrzeuge zu. Obwohl in vielen Fällen nur ein kleines Software-Update durchgeführt werden muss,
ist absehbar, dass sich die Aktion über Monate
hinziehen und für Kunden mit Aufwand, Ärger und
langen Wartezeiten verbunden sein wird.
Für ein Software-Update in die Werkstatt im Zeitalter von Cloud-Computing? In der heutigen Zeit
mit der Möglichkeit zu Vernetzung und ‚Remote“Zugriff für Maschinen und Anlagen erscheint dieser
Aufwand wie ein Anachronismus. Tesla beispielsweise, technologischer Vorreiter in Sachen Elektrofahrzeuge,
bietet
Service ‚Over-the-Air“.
Der kalifornische Premium-Hersteller stellt
eine
flächendeckende Vernetzung seiner
Fahrzeuge sicher und
3 I
stattet diese serienmäßig mit Funktionalitäten
zum Datenaustausch per Fernwartung – wie zum
Beispiel Software Updates – aus. Damit würde die
Welt für Volkswagen, vor allem aber für die Volkswagen-Kunden, ganz anders aussehen: Identifikation der Halter, postalische Anschreiben, zeitaufwändige Termine in der Werkstatt und schleppende
Durchführung der Rückrufaktion gehörten der Vergangenheit an. Stattdessen würde das SoftwareUpdate ‚Remote“ stattfinden: Schnell, unkompliziert,
kostengünstig und ohne Unannehmlichkeiten – für
den Kunden also unbemerkt quasi ‚über Nacht“. So
geht moderner Service im Internet-Zeitalter!
Manch eine Produktnachbesserung könnte man
sogar zur dynamisch-innovativen Imagepolitur
nutzen. Apple macht es vor: Jedes Update macht
MacBook & Co. angeblich noch besser und schneller, keiner merkt, dass es sich vielfach um Beseitigung von ‚Software-Bugs“ handelt. Im Gegenteil!
Der Kunde übernimmt sogar noch einen Teil der
Service-Arbeiten, indem er brav die Updates herunterlädt – und fühlt sich gut damit! Service – und in
diesem Falle immer wieder aktualisierte Software
– ist schließlich integraler Bestandteil der innovativen Produkte und des ‚Cutting-Edge-Images“ des
Apple-Imperiums. Dass Apple-Kunden für jedes Update in den Shop zitiert werden? Undenkbar! Und
mit dieser Strategie verkauft Apple die teuersten
Handys und Laptops
weltweit und ist damit
das momentan wertvollste Unternehmen
der Welt geworden.
I 4
Was ist Service 4.0?
In Anlehnung an ‚Industrie 4.0“ befasst sich Service
4.0 mit der innovativen Weiterentwicklung des klassischen Servicegeschäfts durch zukunftsweisende
technische Möglichkeiten, die sich durch Digitalisierung und Vernetzung eröffnen: Weg vom zeitraubenden, teuren und ineffizienten Kundendienst
vor Ort, hin zu einer perfekten, individuellen Kundenbetreuung und zum intelligenten Ersatzteilmanagement auf Distanz, alle Möglichkeiten der
Digitalisierung nutzend!
Durch die Digitalisierung eröffnen sich phantastische neue Welten! Die Angebotsorientierung der
alten Welt verkehrt sich in der neuen Welt in eine
Nachfrageorientierung, getrieben durch die Bedürfnisse des Kunden. Denn der Wettbewerb ist hart
– und er wird noch härter! Im Mittelpunkt von
Service 4.0 stehen nicht mehr Machbarkeit und
Praktikabilität durch Technik oder den Hersteller,
sondern akute Kundenbedürfnisse. Steht beispielsweise bei AUDI durch Stromausfall das Band still,
so ist in Sekundenschnelle Plan B gefordert, andernfalls katapultiert sich der Energieversorger aus dem
Markt. Insbesondere, wenn andere Strom-Anbieter
mit innovativen, schnelleren und sichereren Energiekonzepten in den Startlöchern stehen.
Fokussierung auf die Bedürfnisse der Kunden bei
gleichzeitiger Individualisierung des Serviceangebotes sind Schlüsselthemen der kommenden Jahre
und werden mit Riesenschritten Einzug halten in die
Service-Welt. Und zwar unumkehrbar. Die Digitalisierung eröffnet riesige Chancen in beiden Themen
und bietet – neben massiven Effizienzgewinnen
– einen kaum hoch genug zu bewertenden Wettbewerbsvorteil: Der Kunde ist zufrieden!
Ein wesentlicher Treiber ist das Internet der Dinge.
Verschiedene Elemente wie Maschinen und Anlagen, Fahrzeuge, Computer, technische Alltagsgegenstände, Gebäude und logistische Komponenten werden mit Sensoren und Steuerungselementen
ausgestattet und über digitale Breitbandnetzwerke
und gemeinsame Schnittstellen und Standards befähigt, mit Menschen und untereinander zu kommunizieren. Auslesbare Datenträger dienen als
digitales Produktgedächtnis über den gesamten
Lebenszyklus.
Cloud-Architekturen stellen die notwendigen Möglichkeiten zur Speicherung der rapide zunehmenden Datenmengen bereit, und zwar so, dass unter
anderem auch externe Partner mit unterschiedlichen Freigaberechten einfach angebunden werden
können. Mittels Big-Data-Technologien können die
umfangreichen, teilweise aus sehr unterschiedlichen Quellen gesammelten Daten miteinander
verflochten und in Echtzeit analysiert und ausgewertet werden. Eine aktuelle Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie klassifiziert
Industrie 4.0 in Funktionsbereiche, welche die folgende doppelseitige Grafik auf Service 4.0 zusammenfassend überträgt und gut veranschaulicht.
Die Erwartungen und Chancen, die für die Wirtschaft
prognostiziert werden, sind rekordverdächtig. Für
den deutschen Maschinen- & Anlagenbau und den
Bereich elektrische Ausrüstung prognostizieren
Bitcom und Fraunhofer IAO 2014 in einer gemeinsamen Studie eine Steigerung der Wertschöpfung
von 30 % bis 2025 durch Industrie 4.0. Hier werden
neue Umsatzpotenziale gehoben, gleichzeitig Kostensenkungen realisiert, der Nettoeffekt ist erheblich! Ein wesentlicher Beitrag ist durch den Servicebereich zu erwarten. Liegt der Ergebnisanteil vom
Servicebereich heute bei etwa 60 %, wird dieser auf
bis zu 80 % steigen.
Damit diese Ziele erreicht werden, gilt es, die Möglichkeiten im Service zu erkennen, in ein Gesamtkonzept zu integrieren und Herausforderungen
durch die Veränderungen des Wettbewerbs nicht
zu unterschätzen! Bisher werden digitale Entwicklungen vor allem von technischer Seite vorangetrieben, mit Fragestellungen rund um Kontrolle,
Steuerung und Transparenz im Fokus. Service folgt
dann oft dem Produkt als Anhängsel. Aber konzeptionelle Entwicklung eines neuen Service-Geschäftsmodelles als strategische Überlegung, als integraler
Bestandteil der Produktentwicklung? Vielfach Fehlanzeige! Hier muss ein Umdenken erfolgen.
Herr Dr. Ungrade, Head of Services & Solutions
der Media-Saturn, sagt dazu Folgendes:
„Mit dem ‚Connected Home‘ zieht die Industrie 4.0 ins
Wohnzimmer ein. Wir bei Media-Saturn werden diese
große Chance nutzen, unseren Kunden nicht nur im Verkauf
beratend zur Seite zu stehen, sondern auch Dienstleistungen
und Unterstützung während der Nutzung unserer Produkte
zu bieten. So betreuen wir unsere Kunden rundherum –
Service 4.0 bedeutet für uns: 360° Kundenzufriedenheit.“
5 I
Funktionsbereiche von Industrie 4.0
mit Beispielen aus dem Servicebereich
Datenerfassung und -verarbeitung
Echtzeitnahe Erfassung und Verarbeitung von Daten aller Art, z.B.
Kunden-, Produkt-, Produktions-, Lager- und Nutzungsdaten sind das
Rückgrat von Industrie 4.0. Big-Data-Datenhaltungs- & -analysetechnologien spielen eine Schlüsselrolle.
• Tracking verbauter Komponenten, Wartungsstatus, Nutzungs- & Zustandsdaten etc. über
den gesamten Lebenszyklus
• Einsatzberatung und -optimierung zur Reduzierung
von Verschleiß und Erhöhung der Lebensdauer, Analysen
zu Abnutzung, voraussichtlicher Restlaufzeit und
Performancevorhersagen
• Bessere Bedarfsprognosen für Ersatzteile aufgrund von Ausfallwahrscheinlichkeiten, Zustandsdaten und geplanten Wartungsarbeiten
Assistenzsysteme
Assistenzsysteme stellen benötigte Informationen bereit, unterstützen
bei der Arbeit und Entscheidungsfindung und tragen zur Fehlervermeidung bei, wie z.B. Visualisierungs- und Soundsysteme, mobile Endgeräte,
Datenbrillen, 3D-Scanner und -Drucker.
• Applikationen für Kunden zur Selbsthilfe und Unterstützung von
Servicetechnikern durch mobile Endgeräte oder Datenbrillen mit
Arbeitsanleitungen und Videos
• Führung von Mitarbeitern im Service Center durch Wissensmanagementsysteme
• Visualisierung von Bestandsstrukturen, Alert-Systeme,
Bestell- & Umlagervorschläge
Quelle: BMWi & Barkawi
I 6
Service 4.0
Service 4.0 setzt verschiedene Bausteine aller Industrie 4.0 Funktionsbereiche sukzessive zusammen, mit dem Ziel einer vollständigen und
zugleich effizienten Fokussierung auf die Bedürfnisse der Kunden und
Individualisierung des Serviceangebots.
Vernetzung und Integration
Die digitale Vernetzung zum Datenaustausch zwischen Menschen, Abteilungen,
Unternehmen, Produkten, Maschinen und
Anlagen ist ein Kernelement von Industrie
4.0. Cloud-Technologien und das Internet
der Dinge sind technologische Treiber.
• ‚Remote“-Diagnostics, -Reparaturunterstützung (ggf. mit Bildübertragung), -Steuerung und -Software
Updates
• Vorausschauende Instandhaltung und
frühzeitiges Eingreifen unabhängig
von festen Zeitintervallen, Ersatzteile
für Reparaturen sind vorab identifizierbar, optimierte Technikereinsatzsteuerung
• Austausch und integrierte Planung
von Bedarfs- & Bestandsdaten über
verschiedene Standorte
Dezentralisierung und Serviceorientierung
Produkte und Prozesse werden modularer und Services rücken zunehmend in den Vordergrund. Je nach Bedarf und Kapazität werden einzelne
Services als Bausteine bei einem geeigneten Anbieter (intern oder extern)
abgerufen und angeboten.
• Auf den Kunden zugeschnittene Serviceverträge wie Garantieerweiterungen, Leasing-/Finanzierungskonzepte, Pay-per-useModelle, Uptime- oder Umsatzgarantien
• Auftragspriorisierung und Einsatzplanung unter Berücksichtigung von
Servicevereinbarungen, Know-how & Kapazitäten von Mitarbeitern,
flexible Einbeziehung von Dienstleistern, Anbieten freier Kapazitäten
am Markt
• Management von fremden Ersatzteilbeständen,
Bestandspoolingmodelle
Selbstorganisation und Autonomie
Systeme werten selbst Daten aus und reagieren darauf, d.h. sie optimieren und organisieren sich über Regelkreise selbst. Im Zentrum stehen
cyber-physische Systeme, die mit der Umgebung interagieren bzw.
miteinander kommunizieren.
• Reaktion auf Umwelteinflüsse, Erkennen von Fehlern
& Abweichungen durch Gerät / Anlage / Maschine im
Betrieb
• Bestellung benötigter Ersatzteile & Servicetechniker
basierend auf selbstständiger Zustands- & Fehlerdiagnose
• Ersatzteilmanagement: Automatisiert ausgelöste
Bestellvorgänge oder Umlagerungen
7 I
Der Weg zum Service 4.0 Champion
Schon heute gibt es unzählige Beispiele für digitalisierte und vernetzte Produkte: So sind u.a. Heidelberger Druckmaschinen ‚Remote“ mit ihren
Druckerei-Kunden
verbunden.
Statusreports,
Diagnosen können bei Fehlermeldungen, Software-Updates etc. kostengünstig, effizient und in
Echtzeit auf die Ferne erfolgen. Genauso registriert
der Fahrstuhlhersteller ThyssenKrupp via Sensortechnik auf die Ferne, wenn durch eine leichte
Verzögerung der automatischen Türöffnung die
nächste Wartung ansteht.
Die technische Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Digitalisierung hält zunehmend
Einzug in das Bewusstsein der Unternehmen.
Diverse aktuelle Studien bestätigen, dass 30 % der
Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus
sowie der Informations- & Kommunikationsindustrie in Deutschland ihre Produkte bereits jetzt schon
weitgehend digitalisiert haben, dieser Anteil soll
innerhalb von 5 Jahren auf 80 % steigen.
Nun gilt es,
•
•
•
I 8
den daraus entstehenden Daten-Schatz zu
nutzen,
darauf aufbauend neue, individualisierte
Produkte und Services anzubieten, und
neue Geschäftsmodelle zur Monetarisierung
dieser innovativen Dienstleistungen zu
entwickeln.
So würde sich beispielsweise Volkswagen mit seiner Rückrufaktion wesentlich leichter tun, wenn
man dort den digitalen Datenschatz erkannt und
gepflegt hätte: Tatsächlich aber kennt Volkswagen
seine ‚Installed Base“ nicht, muss nun deshalb Kunden- und Adressdaten mühsam und teuer über die
Zulassungsstellen zukaufen. Hier wurde zudem die
Chance vertan, über digitalisierten Service 4.0 neue
Produkte anbieten zu können, sowohl dem einzelnen B2C-Endkunden, als auch beispielweise dem
Großunternehmen mit einem umfangreichen Fuhrpark von 10.000 Fahrzeugen. Service ‚over-the-Air“
wäre hier ein massiver Produktvorteil!
Neue Services durch neue Technik zeigt sich überall. ‚Smart Farming“ ist das Schlagwort in der
Agrarwelt. Hersteller wie Claas, Fendt oder John
Deere arbeiten an Konzepten zur Unterstützung
der Landwirte durch Messung von Ernte-Erträgen, Optimierung der Spritverbräuche, oder Düngeempfehlungen je nach Zustand des Ackers. Dies
wird ermöglicht durch Sensoren in den Maschinen.
Aktuell sind Pilotmaschinen mit LTE-Funkschnittstellen ausgerüstet, und Mähdrescher melden automatisch, wenn der Korn-Tank voll ist, damit Traktor
und Anhänger rechtzeitig bereit stehen. Der Erntemaschinenanbieter wandelt sich so zum Prozessoptimierer einer lückenlos effizienten Prozesskette.
Zur Entwicklung einer ertragreichen digitalen Servicestrategie gilt es einerseits, die technischen
Rahmenbedingungen zu schaffen, andererseits
muss aber auch ein organisatorisch-kulturelles
Umdenken eingeleitet werden. Neue, auf verschiedene Kundenanforderungen zugeschnittene Geschäftsmodelle und Konzepte zur Koexistenz mit
bisherigen Modellen müssen entwickelt und mit
der technologischen Seite zusammengeführt werden. Die Abbildung verdeutlicht die Phasen in der
Entwicklung von Service 4.0 für Unternehmen.
Entlang dieses Phasenmodells vom intelligenten
Produkt zum Service 4.0 Champion verbergen sich
vier parallele Top-Aktionsfelder, deren Vernachlässigung einen Show-Stopper bedeutet:
T OP 1:
Das Zielbild kennen
Typischerweise verläuft der Entwicklungspfad so,
dass zunächst Produkte mit Sensoren ausgestattet werden, dann Daten gesammelt und analysiert
werden, um daraus Erkenntnisse zu generieren, bis
schließlich über neue Services nachgedacht wird. Bei
langen Produktentwicklungsphasen von mehreren
Jahren wird also üblicherweise zunächst über Technik und erst später über Service nachgedacht.
Vor der Produkteinführung sollte aber das Konzept
stehen, mit welchen Services das Produkt kombiniert und welche Partner eingebunden werden sollen. Davon abhängig
sind
Nutzungsmöglichkeiten von Daten,
Datenanalysen und AsChange Prozess aktiv managen
sistenz-Systemen zu
gestalten. Deren NutGeschäftsmodelle
zung bzw. der Zugriff
ausgestalten
auf Selbige muss als
• Wissens• Zugriffsrechte
manageWert verstanden wer• AbrechnungsmentRollden, und darf Kunden
modelle
systeme
Out/
und Servicedienstleis• ...
aufbauen
Markttern nicht – mangels
(Partner-)
einfühKonzept – vorschnell
Strukturen
• Assistenzrung
und kostenlos zur Verschaffen
systeme
fügung gestellt werden.
• Service Center
entwickeln
• Vor-Ort-Service
• Logistik
Ein einmal gewährter
kostenloser
Zugang
kann im Nachhinein
Phasenmodell Service 4.0
Service 4.0
Strategie
konzipieren
Wechselbeziehung
Technische
Grundlagen
schaffen
Quelle: Barkawi
9 I
T OP 2: Eigene IT-Kapazitäten aufbauen
und in langfristig angelegte Partnerschaft
mit IT-Dienstleistern investieren
– wenn überhaupt – nur noch sehr schwer monetarisiert werden. Ist die Vernetzung nicht direkt
beim Vertrieb vom Produkt sichergestellt, kann sie
oft nur durch das Versprechen von Rabatten und
durch mühsames Herausarbeiten von gemeinsamen Interessen nachträglich realisiert werden. Das
Risiko besteht zudem, dass mit dem freien Zugriff
auf den Datenschatz externe Dienstleister Kompetenzen aufbauen, Daten systematisch sammeln
und auswerten, um darauf basierend dann selbst
neue Geschäftsmodelle zu entwickeln oder Services
günstiger anzubieten, am OEM vorbei. Hier verliert
der OEM also die Preishoheit!
Für Kunden kann es durchaus ein wesentliches
Kaufkriterium sein, über Schnittstellen selbstständig Daten auslesen und darüber verfügen zu
können. So ist es im Interesse von Groß-Kunden
der Energieversorger EON & Co., dass ihre Anlagen
(z.B. eigene Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen) für
einen effizienten Service mit dem Energieversorger
verbunden sind. Um sich aber nicht abhängig zu
machen und selber strategisch über die Nutzung
der Anlagen entscheiden zu können, fordern Kunden
technische Optionen, um Daten selbstständig auslesen zu können. Eine klare Strategie mit entsprechend konzipiertem Vertragswerk und attraktiven
Konditionen halten dem OEM den Rücken frei!
I 10
Klein ist nicht klein genug, um uninteressant für
potentielle Angreifer und um vor Angriffen geschützt zu sein, auch wenn Klein- und Mittelständler überwiegend davon überzeugt sind, als
Ziel unattraktiv zu sein. Um die reale Gefahr von
gezielter Ausforschung von Infrastrukturen und
Produktionsstätten gerade für den Mittelstand zu
verdeutlichen, hat der TÜV SÜD ein Wasserwerk in
einer deutschen Kleinstadt simuliert und dazu reale
Hardware und Software mit den industrieüblichen
Sicherheitsvorkehrungen kombiniert. Innerhalb von
acht Monaten wurden mehr als 60.000 nicht autorisierte, möglicherweise kriminelle Zugriffe verzeichnet von Servern aus der ganzen Welt, teilweise unter
verschleierten IP-Adressen.
Die IT-technischen Fragestellungen rund um
Datensicherheit und Datenqualität werden zunehmend komplexer, erfordern höchste Priorität und
sind eine große Herausforderung mit steigender
Geräte- und Maschinenvernetzung. Laut IDC hatten
54 % der Fertigungsbetriebe in den zurückliegenden 12 Monaten des Jahres 2015 mindestens einen
Sicherheitsvorfall durch Fremdzugriff. Steht bei
BMW ein Band still oder fällt bei METRO die komplette Kühlung aus, sind massiver Umsatzverlust,
Pönale-Zahlungen und Schadensersatzklagen, somit also Kosten in kaum abschätzbarer Höhe, die
Folge. Service-Kosten sind hier in der Regel sekundär,
denn die Schadenskosten überwiegen diese um ein
Vielfaches!
Modernste Verschlüsselung der Informationen zur
Vermeidung von Datenspionage, Manipulation und
Sabotage ist unabdingbar. Trotz gestiegener technischer Möglichkeiten ist zu erarbeiten, welche Daten
benötigt werden und welche nicht, Schnittstellen
müssen sauber definiert, und Daten mithilfe von
Big-Data-Technologien analysiert und daraus neues, verwertbares Wissen generiert werden. Letzteres wird wiederum in Wissensmanagementsystemen zur Verfügung gestellt.
Zu Kunden, Anlagen, Maschinen, Geräten, Bauteilen, logistischen Komponenten, Standorten, Unternehmen, Abteilungen, Mitarbeitern etc. fallen an
unterschiedlichen Stellen Daten an, die zusammengeführt und konsistent gemanagt werden müssen.
Warum? Weil beispielsweise der Ausbau von herstellerseitigen Sicherheits-Sensoren zur LastenLimitierung bei Baukränen (damit diese unerlaubt
höhere Lasten tragen können) zu Unfällen mit
Todesfolge, zu Klagen gegen den Hersteller sowie
zu massivem Image-Verlust führen können! Der
Aufbau einer Identitäts-Managementarchitektur
und die Umstellung und Etablierung von Prozessen
zur Sicherstellung, dass notwendige Verknüpfungen
erstellt und Duplikate vermieden werden, ist eine
Herausforderung, die ein ganzheitliches Prozessund IT-Verständnis erfordert.
Die internen betrieblichen Möglichkeiten der IT
werden schnell überstiegen, sodass spezialisier-
te IT-Dienstleister einbezogen werden müssen, die
unternehmensspezifisches Know-how aufbauen.
Diese Partnerschaften mit IT-Dienstleistern sind
deshalb langfristig anzulegen, denn spezifisches
Know-how dieser Partner und damit der Partner
selbst sind keineswegs austauschbar. Dabei ist zu
akzeptieren, dass Systeme regelmäßiger Updates
bedürfen, was einen kontinuierlichen Investitionsbedarf impliziert, z.B. durch immer wieder neu auftretende Sicherheitslücken, steigende Datenvolumina und wachsende Anforderungen an die Effizienz
technischer Systeme.
T OP 3: Change-Prozess gegenüber
Mitarbeitern, Partnern, Dienstleistern
und Kunden begleiten
Mit viel Aufwand entwickelt ein Unternehmen
eine innovative App ... und keiner nutzt sie. Das ist
der Worst Case für jeden Change ManagementProzess! Insbesondere Mitarbeiter im Service
mit langjähriger Erfahrung und die Kompetenzträger in Unternehmen stehen neuen Technologien,
Methoden und Prozessen aus Angst vor Kontroll- &
Kompetenzverlust oft skeptisch gegenüber.
Um zu verhindern, dass diese wichtigen Mitarbeiter
neue Entwicklungen ausbremsen, gilt es, Akzeptanz
zu schaffen und den Change-Prozess professionell
zu begleiten, z.B. durch eine frühe Einbeziehung
in die Entwicklung von Assistenzsystemen wie
Video-Tutorials, Augmented-Reality-Brillen, Skypeähnliche-Videokonferenzen via App etc. Eine
11 I
schrittweise Erweiterung neuer Funktionalitäten,
bei denen insbesondere die zuerst eingeführten
Funktionen einen hohen Mehrwert bringen sollten
– und zwar aus Sicht der Mitarbeiter! – bereitet den
Boden für die Akzeptanz neuer Strategien, Konzepte
und Techniken.
In einem konkreten Fall wollte ein Hersteller seine Servicemitarbeiter durch ein Tourenplanungssystem auf mobilen Endgeräten unterstützen.
Während der Entwicklung stellte sich heraus, dass
die Mitarbeiter hierin kaum Mehrwert sahen, da sie
ihre Kunden und die Strecken dorthin gut selbst
kannten und meinten, die Routenplanung intuitiv optimieren zu können. Die Entwicklung wurde
eingefroren, aber in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern wurde identifiziert, dass eine Applikation zur Lokalisation von Prototypen zu Vorführ& Testzwecken einen deutlichen Mehrwert bringen
würde. Nachdem diese Applikation entwickelt war
und viel Zuspruch gefunden hat, konnte auch das
Routenplanungssystem weiter entwickelt werden,
denn dieses wurde nun ebenfalls angenommen.
Ebenso wichtig ist die Begleitung des ChangeProzesses im Hinblick auf Partner, Dienstleister und
Kunden. Waren Servicedienstleister bisher stark
eigenverantwortlich und vom Kunden beauftragt,
führen neue Serviceangebote oft dazu, dass Dienstleister Partnerschaften mit dem Hersteller eingehen und vom Hersteller beauftragt und gesteuert werden. Dieses bringt viele Vorteile mit sich, wie
sich im folgenden Fallbeispiel eines Herstellers von
Kinoprojektoren auf Seite 14 anschaulich zeigt.
I 12
T OP 4: Unternehmerische
Rahmenbedingungen gestalten
Neben den strategischen, prozessualen, organisatorischen und informationstechnologischen Aspekten
gibt es auf der rechtlichen Seite erheblichen Gestaltungs- und Beratungsbedarf für die Unternehmen.
Rechte zu Eigentum, Nutzung und Weitergabe von
Daten müssen geklärt, Modelle und Verträge zur
vernetzten und integrierten Zusammenarbeit entworfen werden, Produkthaftungsfragen sind vor
allem unter Serviceverträgen neu zu regeln. Gute
Preismodelle und modulare Verträge, die individuell
auf die Bedürfnisse des Kunden abgestimmt sind,
ermöglichen dem OEM die Monetarisierung seines
Services. Kleine, flexible Verträge für kleine Unternehmen lassen Kunden weniger häufig zu preiswerteren, externen Serviceanbietern abwandern.
So darf beispielsweise der kleine Logistikanbieter
‚von nebenan“ mit einem einzigen LKW den Ölwechsel seines Daimlers kostengünstig in Eigenleistung
erbringen, den Bremsenwechsel hingegen nicht.
Flexible Vertragsmodelle binden Kunden und tragen
zur Kundenzufriedenheit bei!
Daten als strategische Ressource begreifen
Die Zeit des klassischen Kundendienstes ist vorbei! Servicemitarbeiter, die auf Anrufe der Kunden
warten und anschließend unabhängig von den Prioritäten des Kunden nach Belieben ihre Service-Tour
planen, um den Kunden in der Benutzung des
Produkts zu unterstützen oder turnusmäßige
Wartungen durchzuführen, sind Schnee
von gestern! Lange Stillstandzeiten bei teuren
Maschinen, wiederholte Kundenbesuche, um im Fall
von Ausfällen oder Störungen Reparaturen vorzunehmen? Hohe Kundendienstrechnungen für mehrfache Anfahrten und unzählige Arbeitsstunden, weil
Ersatzteile fehlen? Diese Servicemodelle verdienen
ihren Namen nicht!
Intelligente Geschäftsmodelle im Service basieren
nicht mehr auf der Verrechnung von Stundensätzen, Anfahrtspauschalen oder dem Vertrieb von
Ersatzteilen. Kunden sind nicht mehr bereit, sich
durch unverständliche Betriebsanleitungen zu quälen, sondern erwarten eine interaktive und intuitive
Führung. Alle Kontaktpunkte mit Händler und Service Center müssen den Kunden schnell und kompetent unterstützen, seine Historie kennen und als
eine Einheit agieren, Stichwort ist hier ‚one-faceto-the-customer“. Nur diejenigen Unternehmen,
die ihre Kunden- und Betriebsdaten als strategische Ressource verstehen und diese für den Aufbau
neuer Dienstleistungen zu nutzen wissen, werden
nachhaltig erfolgreich sein.
Die technologische Grundlage dazu ist vorhanden!
Schon heute statten moderne Unternehmen Anlagen, Maschinen und Geräte mit universellen Sensoren und Aktoren aus. Über Vernetzung, CloudTechnologien und Big-Data-Management-Systeme
werden Daten über den gesamten Lebenszyklus in
Echtzeit erfasst, gespeichert und ausgewertet. Aus
den Daten werden ‚Remote“ und vorausschauend
der Wartungs- und Teilebedarf ermittelt bzw. prognostiziert, der Betrieb laufend überwacht, optimiert
und ggf. sogar gesteuert. Software-Updates werden
per Fernwartung oft sogar automatisiert vorgenommen und über mobile Endgeräte Wartungs- & Reparaturinstruktionen schrittweise und bei Bedarf per
Video zur Verfügung gestellt. Sind dennoch Einsätze
von Servicetechnikern vor Ort notwendig, werden
diese entsprechend der Problemstellung des Kunden, der Servicetechniker-Qualifikationen und der
Standorte optimiert geplant.
Sowohl der Preisverfall bei Sensoren, Controllern
und Speicherkapazitäten, als auch die bessere und
billigere Datenübertragung sowie die Standardisierung von Übertragungsprotokollen sind die Treiber
auf der technologischen Seite. Es ist an den Unternehmen, diese Technologien umzusetzen und zu
nutzen. Die Champions der Zukunft packen es heute
schon an!
Gleichzeitig müssen neue Geschäftsmodelle darauf
beruhen, durch den Zugang zu Daten und deren intelligente Auswertung für Kunden einen Mehrwert
zu generieren und diesen zu monetarisieren, denn
ohne dieses wären Daten lediglich Selbstzweck.
Prozesse müssen dazu frühzeitig angepasst und
Partnerschaften z.B. zwischen Hersteller bzw. OEM
und Service-Dienstleistern aufgebaut werden.
Vor allem aber: Die Digitalisierung darf nicht
allein von Seiten der Ingenieure getrieben werden,
sondern erfordert visionäres Denken, eine klare
Strategie sowie Commitment und Involvierung des
13 I
können Kinomitarbeiter über Schnittstellen die Projektor-Daten selbstständig auslesen. Was zunächst
als Produktvorteil geplant war, erwies sich leider als
Einfallstor für externe Service-Dienstleister!
Denn: Das klassische Geschäftsmodell besteht im
Verkauf der Projektoren an Kinos, oft in Kooperation
mit externen Vertriebspartnern. Serviceverträge umfassen im Wesentlichen eine Pauschale für Ersatzteile, der Umsatz mit tatsächlichen Serviceleistungen
ist jedoch gering, die Marktdurchdringung mit Serviceverträgen unbefriedigend.
Technisch ausgefeilte Produkte sind kein
Garant für eine erfolgreiche Nutzung von
Servicepotentialen – ein Fallbeispiel:
Die Geräte eines großen, weltweit agierenden OEMs
digitaler Kino-Projektoren sind technisch hoch entwickelt, wartungsarm und mit Sensortechnik zur
vorausschauenden Wartung, laufenden Betriebsoptimierung und Fehlerdiagnose ausgestattet. In
Reparaturfällen werden meist ganze Komponenten
ausgetauscht und zur Wiederaufarbeitung eingeschickt. Der Austausch der Komponenten und Verschleißteile kann durch Laien, wie beispielsweise
Kinomitarbeiter, schnell erlernt werden und erfordert
nur eingeschränkt technisches Knowhow. Zudem
I 14
Wartung und Reparatur erfolgen durch externe zertifizierte Service-Dienstleister, beauftragt durch die
Kinos. Größere Service-Anbieter führen teilweise
eigene lokale Bestände von Ersatzkomponenten,
um bei Geräteausfall kurze Servicezeiten gewährleisten zu können. Die Kinos sehen nach dem Kauf
kaum Mehrwert in der Vernetzung der Projektoren
zum OEM, scheuen sich grundsätzlich, Einsicht in
Betriebsdaten zu gewähren, und nehmen häufig
davon Abstand. Die Bereitschaft zur Vernetzung mit
dem externen Service-Dienstleister dagegen ist sehr
viel höher. Diese externen Reparateure bieten derweil eigene, teilweise umfassendere Servicemodelle
als der OEM an. Dadurch ist mit der Zeit der Informationsstand der externen Service-Anbieter besser und
aktueller als der des OEMs.
Durch dessen begrenzten Datenbestand wird der
OEM zudem darin blockiert, bessere Regelwerke
zur Betriebsoptimierung und vorausschauenden
Instandhaltung zu entwickeln, die Nachverfolgung
verbauter Komponenten je Projektor wird zur Herausforderung. Call-Center-Anfragen sind für nicht
vernetzte Kunden durch fehlende Möglichkeiten zur
‚Remote“-Fehlerdiagnose mit einem vielfach höheren Aufwand verbunden. Hier hat der OEM die
Daten- und Service-Hoheit verloren und sich von
Externen die Butter vom Brot nehmen lassen!
Dabei würden sich dem OEM auf Basis seiner
Technologie ganz neue Möglichkeiten für Services
bieten. So ist z.B. eine Kooperation mit Filmverleihen denkbar: Die Kinos kaufen den Projektor
nicht mehr, sondern bekommen ihn gestellt, zahlen aber im Gegenzug eine etwas höhere Gebühr
an den Filmverleih für jeden gezeigten Film. Der
OEM garantiert dem Filmverleih eine Verfügbarkeit
der Projektoren zu einem vereinbarten Servicelevel.
Durch Optimierung der Projektorsteuerung und vorausschauende Instandhaltung kann der OEM seine
Projektoren besonders kostengünstig unterhalten.
Das Geschäftsmodell zwischen OEM und Filmverleih
kann auf verschiedene Weise ausgestaltet sein, vom
Verkauf der Projektoren an den Filmverleih bis hin zu
einer nutzungsabhängigen Gebühr.
Das bietet mehrere Vorteile, und zwar für alle Beteiligten: Für die Kinos ist die komplette Variabilisierung
von Kosten vorteilhaft. Der Benefit für den Filmverleih liegt in der Bindung des Kinos an sich. Für
den OEM bedeutet dieses Geschäftsmodell eine
vollständige Beherrschung des Servicegeschäfts,
erfordert aber einen Aufbau neuer Strukturen im
eigenen Service und in seiner Logistik. Reparatur-Dienstleister, bisher vom Kino beauftragt, werden im neuen Modell nun eingebunden und direkt
vom OEM beauftragt und aktiv gesteuert. Bestände
von Komponenten und allen Verschleißteilen der
Projektoren werden aktiv gemanagt und ggf. regional
geführt, um Verfügbarkeitsanforderungen gewährleisten zu können. Die Kundenstruktur des OEMs
verschiebt sich von einer Vielzahl einzelner Kinos hin
zu einem oder wenigen großen Kunden, nämlich den
Filmverleihen.
Für die bestehende ‚Installed Base“ der Kino-Projektoren wird es schwer, solche neuen Konzepte nachträglich zu etablieren. Aber eine neue Generation von
Projektoren mit noch höherem Technologisierungsgrad steht derzeit vor der Markteinführung. Hier
liegt es nun in der Hand des OEMs, die Chance zu
nutzen und innovative Geschäftsmodelle mit Fokus
auf Serviceverträgen zu entwickeln.
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Top-Managements. Service 4.0 ist Chefsache und
integraler Bestandteil des Produktes und des Produkt-Umsatzes!
In der Medizintechnik werden Geräte teilweise gar
nicht mehr ohne Servicevertrag verkauft. Siemens
Medical Solutions betreibt ein eigenes sogenanntes ‚System Management Center“ in Erlangen, mit
dem Krankenhäuser und Praxen ihre medizinischen Geräte wie Computertomographen, MagnetResonanz-Tomographen, Röntgengeräte etc. je
nach Servicevertrag vernetzen. Die Geräte werden
kontinuierlich überwacht, Statusberichte werden
erzeugt, und bei Bedarf wird sofort ein Servicecenter in der Nähe des Kunden verständigt, um Ausfallzeiten im Sinne von Patienten, Ärzten und Klinikpersonal so kurz wie möglich zu halten oder ganz zu
vermeiden.
Die nächste Servicestufe ist eine Unterstützung der
Ärzte in der Befunderhebung. Das umfangreiche
gesammelte Bildmaterial kann über Big-Data-Technologien zur Mustererkennung genutzt werden,
um selten auftretende Befunde zu diagnostizieren,
was sonst nur durch wenige spezialisierte Experten
möglich ist.
Die Zeit ist reif für Service 4.0
Heute liegt der durchschnittliche Anteil von Service
inkl. Ersatzteilen am Gesamtumsatz bei etwa 20 %,
mit einem intelligenten Konzept könnte dieser bei
>45 % liegen. Die digitale Vernetzung bietet hierzu
eine phantastische Plattform! Umsatzsteigerung,
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Effizienzgewinne, Produktvorteile und vieles mehr
liegen auf der Hand:
Mit digitaler Vernetzung könnte beispielsweise
Volkswagen seinen Software-Austausch ‚over-theair“ nicht nur schneller, unkomplizierter, wesentlich
kostengünstiger und zur Zufriedenheit von Millionen Kunden gestalten, sondern damit einen Meilenstein in Sachen Service 4.0 setzen!
Die digitale Anbindung ermöglicht noch ganz andere Dinge, weit über den Nutzen des Autoherstellers
und den des Kunden hinaus:
So könnte zukünftig durch zentrales Monitoring der
Abgaswerte während der Fahrt der Schadstoffausstoß durch eine intelligente Software kontinuierlich
optimiert werden u.a. in Abhängigkeit von der Luftqualität, dem Gebiet etc. Damit würde die Umwelt
doppelt geschont!
Vorreiter sind hier die Lastwagen-Hersteller,
z.B. Volvo, die ‚Remote“ in die Motorsteuerung
ihrer Fahrzeuge eingreifen und je nach Gelände (z.B.
Alpenüberquerung) und Ladung (voll/leer) die
Motorleistung, den Verbrauch und die Emission
variabel einstellen können.
Höchste Zeit, neue Wege einzuschlagen
Die Erkenntnis der Notwendigkeit einer kundenorientierten Neuausrichtung des Service ist genaugenommen nicht neu und wurde schon in den
letzten zehn Jahren immer wieder propagiert. Nun
sind aber die Grundlagen für die tatsächliche und
umfängliche Umsetzung geschaffen!
Für Unternehmen ist es jetzt höchste Zeit, neue
Wege einzuschlagen, um sich nicht von oft noch
unbekannten Wettbewerbern überholen oder gar
abhängen zu lassen.
Die Service 4.0 Champions sind schon lange aktiv!
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Barkawi Management Consultants
Disclaimer
Barkawi Management Consultants wurde 1994
gegründet, beschäftigt heute über 100 Mitarbeiter und unterhält Standorte in München (Hauptsitz), Shanghai, Moskau, Atlanta und Wien. Kunden
von Barkawi Management Consultants sind global agierende Unternehmen mit kapitalintensiven
und logistisch komplexen Geschäftsmodellen wie
zum Beispiel 3M, BMW, Daimler, Fresenius, Nokia,
Vodafone und viele mehr.
Die Angaben im Text sind unverbindlich und dienen
lediglich zu Informationszwecken.
Barkawi Management Consultants GmbH & Co. KG
Baierbrunner Str. 35
81379 München
© 2016 Barkawi Management Consultants GmbH.
All rights reserved.
Telefon: +49 89 749826-0
Fax:
+49 89 749826-739
[email protected]
www.barkawi.com
Barkawi Management Consultants ist Teil der
Barkawi Gruppe. Carena und Karim Barkawi sind
Geschäftsführer der Holding und Dachgesellschaft.
Auszeichnungen 2015
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Haftungsansprüche gegen Barkawi Management
Consultants GmbH, die durch die Nutzung der in der
Publikation enthaltenen Informationen verursacht
wurden, sind grundsätzlich ausgeschlossen.
Fotorechte
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Supply Chain Management
‚Das Zusammenspiel verschiedener Unternehmen in einer Lieferkette wird immer komplexer und
umspannt nicht selten den gesamten Erdball. Wir
helfen Ihnen, Transparenz in das weitverzweigte
Geschehen Ihrer Supply Chain zu bringen: Mit einem
klaren Blick auf Entscheidungen über Standorte,
Lieferanten und das richtige IT-System bis zu
Prognosen über Liefermengen und die Einsatzplanung von Mitarbeitern.‘
Wolfgang Schürholz
Managing Partner
[email protected]
Operations Excellence
‚Prozessoptimierung ist für viele Unternehmen identisch mit Operations Excellence. Das greift uns zu
kurz: Für uns bedeutet Operations Excellence, nach
einer fundierten Analyse des Gesamtunternehmens,
an allen Schaltstellen aktiv zu werden: Auf strategischer, organisatorischer und prozessualer Ebene.
Denn wer sein Unternehmen nachhaltig zum Erfolg
führen will, der muss Verschwendung vermeiden,
nicht erst im Nachhinein eindämmen.‘
Alexander Nedelchev
Managing Partner
[email protected]
After Sales Services
‚In Zeiten sinkender Erträge aus dem Neugeschäft
ist exzellenter After Sales Service besonders wichtig: Wer mit intelligenten Instandhaltungsangeboten
Kunden langfristig binden kann, steigert Umsatz und
Gewinn. Wir unterstützen Sie dabei, eine langfristig
wettbewerbsfähige Strategie für das After SalesGeschäft zu entwickeln, eine effiziente Serviceorganisation und eine kostenoptimale Ersatzteillogistik
aufzubauen.‘
Dr. Andreas Baader
Managing Partner
[email protected]
Tools & Technology
‚Die Supply Chain wandelt sich ständig. Wo liegen die
Ursachen von Performance-Problemen? Analysen
und Integration unterschiedlichster Datenquellen
bieten Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette. Der Aufbau integrierter Datenbanken,
individualisierte Auswertungen, multidimensionale
Rechenmodelle zur Planung, Prognose und Verbesserung Ihrer Lieferkette sind unser tägliches Handwerk.‘
Jürgen Plate
Principal
[email protected]
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‚Dieselgate‘ bei VW – im September 2015 nimmt ein Wirtschaftskrimi mit noch ungeahnten Ausmaßen
seinen Lauf. Weltweit sind bis zu 11 Millionen Fahrzeuge betroffen. Diese müssen – ganz ‚oldschool‘ – zurück
in die Werkstatt. Für ein Software-Update in die Werkstatt? In der heutigen Zeit? Mit all den Möglichkeiten
zu Cloud-Computing, Vernetzung und Remote-Zugriff für Maschinen und Anlagen erscheint dieser Aufwand
wie ein Anachronismus!
Tesla, Vorreiter im Bereich Elektrofahrzeuge, macht Updates selbstverständlich ‚Over-the-Air‘ und bietet
damit modernen und zukunftsweisenden Service, der seinen Namen auch verdient.
Ser vice 4.0
In Anlehnung an ‚Industrie 4.0‘ befasst sich ‚Service 4.0‘ mit der innovativen Weiterentwicklung des
klassischen Servicegeschäfts durch zukunftsweisende technische Möglichkeiten, die sich durch Digitalisierung und Vernetzung eröffnen: Weg vom zeitraubenden, teuren und ineffizienten Kundendienst vor Ort,
hin zur perfekten, individuellen Kundenbetreuung und intelligentem Ersatzteilmanagement auf Distanz,
alle Möglichkeiten der Digitalisierung nutzend!
Aber wie geht man vor? Was sind die Treiber, die Chancen und Risiken der digitalen ‚Service-4.0-Idee‘?
Dazu haben wir uns ein paar Gedanken gemacht. Begleiten Sie uns auf eine Reise aus der Servicewüste der
vergangenen Jahrzehnte ins Serviceparadies des digitalen Zeitalters!
Barkawi Management Consultants
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www.barkawi.com