Gesundheitliche Aspekte von elektrischen und magnetischen Feldern bei Hochspannungs-Gleichstromund Drehstrom-Freileitungen Dr. Hannah Heinrich 2h-engineering & -research Physikalische Grundlagen Physikalische Grundlagen Elektrische Felder werden verursacht von: elektrischen Ladungen elektrischen Ladungsunterschieden elektrischen Spannungen Die Einheit der elektrischen Feldstärke ist Volt/Meter [V/m] Magnetische Felder werden verursacht von: bewegten elektrischen Ladungen elektrischen Strömen Die Einheit der magnetischen Flussdichte ist Tesla [T] Physikalische Grundlagen Hochspannungs-Drehstrom- und HGÜ-Freileitungen die höchsten elektrischen Feldstärken und magnetischen Flussdichten treten zwischen den Leiterseilen auf am Erdboden und mit zunehmender Entfernung von der Trassenachse nimmt sowohl die elektrische Feldstärke als auch die magnetische Flussdichte rasch ab bei mehrsystemigen Hochspannungs-Drehstrom- und HGÜ-Freileitungen kann durch eine Optimierung der Phasenbelegung eine weitere Reduzierung der elektrischen Feldstärke und magnetischen Flussdichte erreicht werden HGÜ-Freileitungen: Evtl. auftretende Koronaentladungen an den positiven Leiterseilen sind lauter, deswegen ordnet man diese bevorzugt auf den oberen Mastebenen an Physikalische Grundlagen Physikalische Grundlagen Verlauf des elektrischen Feldes einer 2-systemigen 380-kV-Freileitung bei „normaler“ und optimierter Phasenanordnung 5 4,5 4 E [kV/m] 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 -150 -100 -50 0 50 x [m] Normal Physikalische Grundlagen Optimiert 100 150 Verlauf des magnetischen Feldes einer 2-systemigen 380-kV-Freileitung bei „normaler“ und optimierter Phasenanordnung 100 B [µT] 10 1 0,1 0,01 -250 -200 -150 -100 -50 0 50 100 150 200 m [x] Normal Optimiert Physikalische Grundlagen Verlauf des elektrischen Feldes einer 2-systemigen ±500-kV-HGÜ-Freileitung © Fuchs, K. et. al.: Hochspannungsgleichstromübertragung – Eigenschaften des Übertragungsmediums Freileitung. Ilmenau: Universitätsverlag, 2014. Physikalische Grundlagen 250 Verlauf des magnetischen Feldes einer 2-systemigen ±500-kV-HGÜ-Freileitung © Fuchs, K. et. al.: Hochspannungsgleichstromübertragung – Eigenschaften des Übertragungsmediums Freileitung. Ilmenau: Universitätsverlag, 2014. Physikalische Grundlagen Natürliche elektrische und magnetische Felder Magnetisches Feld: 20 … 60 µT Natürliche magnetische Felder Ionosphäre Elektrische Felder Schönwetter-Feldstärken: 0,1 - 0,5 kV/m Gewitter-Feldstärken: 3 - 20 kV/m Natürliche elektrische Felder Hintergrund-Informationen Hintergrund-Informationen Der Mittelwert der magnetischen Flussdichte für netzfrequente magnetische Felder in deutschen Haushalten beträgt 0,01 - 0,3 µT Durch die Verwendung von elektrischen Haushaltsgeräten werden jedoch extreme Schwankungen verursacht Netzfrequente (50 Hz) magnetische Flussdichten von Haushaltsgeräten Entfernung Magnetische Flussdichte 30 cm 0,01 - 1 µT 3 cm 0,3 - 2000 µT Physikalische Grundlagen Physiologie Biologische Wirkungen elektrischer Felder: Die Normalkomponente des Verschiebungsstromes muss an der Oberfläche des menschlichen Körpers stetig bleiben Für ein einfaches Ellipsoidmodell des Körpers ergibt sich folgende Beziehung zwischen der ungestörten externen elektrischen Feldstärke E0 und der dadurch im Körpergewebe hervorgerufenen elektrischen Feldstärke Ei bzw. der Stromdichte J: E 0 ⋅ k ⋅ ε 0 ⋅ 2 π ⋅ f = κ ⋅ Ei = J Aus obiger Gleichung ergibt sich für statische elektrische Felder (f=0), dass die elektrische Feldstärke im Gewebe Ei immer Null ist, unabhängig von der Höhe des externen statischen elektrischen Feldes E0 Das externe statische elektrische Feld bricht an der Oberfläche des menschlichen Körpers vollständig zusammen; das Körperinnere ist vor jeder Wirkung des externen statischen elektrischen Feldes abgeschirmt Physiologie Biologische Wirkungen elektrischer Felder: Direkte Wirkungen statischer und niederfrequenter (50 Hz) elektrischer Felder sind ohne Belang Mittelbare Wirkungen (Berührungsspannungen, -ströme beim Berühren von leitfähigen im Feld befindlichen Objekten) müssen jedoch berücksichtigt und ggf. begrenzt werden Physiologie Biologische Wirkungen magnetischer Felder: Der Zusammenhang zwischen der elektrischen Feldstärke im Körpergewebe Ei und der externen magnetischen Flussdichte B wird durch das Farady‘sche Induktionsgesetz beschrieben: ∫ r r d r r Ei ⋅ dl = − B ⋅ dA dt ∫ Die linke Seite der Gleichung beschreibt das Wegintegral über eine geschlossene Kurve und die rechte Seite die zeitliche Ableitung des Flächenintegrals der Normalkomponente der magnetischen Induktion Ergebnis ist das mittlere elektrische Feld im Körpergewebe in der gesamten Schleife Physiologie Biologische Wirkungen magnetischer Felder: ∫ r r d r r Ei ⋅ dl = − B ⋅ dA dt ∫ Für eine Schleife mit konstanten Abmessungen wird immer dann ein elektrisches Feld im Körpergewebe induziert, wenn sich das Magnetfeld selbst mit der Zeit ändert: d ≠0 dt f>0 die Schleife sich in einem Magnetfeld mit einem räumlichen Gradienten bewegt die relative Orientierung zwischen Schleife und Feldvektor sich verändert Physiologie Biologische Wirkungen magnetischer Felder: Direkte Wirkungen statischer magnetischer Felder wie sie im Bereich von HGÜ-Freileitungen auftreten sind ohne Belang Die magnetischen Flussdichten unterschreiten selbst in Leitungstrasse von HGÜ-Freileitungen die Werte des Erdmagnetfelds Magnetische Wechselfelder (50 Hz) von Drehstromfreileitungen unterschreiten selbst in Leitungsachse die Grenzwerte der 26. BImSchV erheblich In einem Abstand von mehr als etwa 150 m zur Trassenmitte der DrehstromFreileitung überwiegen meist die Expositionen durch magnetische Felder der Hausinstallation Physiologie Diskussionspunkte in Verbindung mit HGÜ-Freileitungen Aerosole und Korona-Ionen Literaturstudien Henshaw (1996) stellt die Hypothese auf, dass geladene Aerosole oder Partikel eine größere Lungengängigkeit besitzen als nicht geladene Partikel Fews (1999) und klinische Anwendungen scheinen dies zu bestätigen, jedoch sind dafür sehr hohe Ionen- und Aerosolkonzentrationen und kurze Inhalationswege erforderlich Trotzdem werden die meisten Partikel bereits in den oberen Atemwegen abgeschieden Entsprechende Ionenkonzentrationen treten im Bereich von HGÜ-Freileitungen außer in unmittelbarer Nähe der Teilentladungsstelle nicht auf, so dass die Hypothese durch diese Befunde nicht gestützt wird Außerdem besitzt der von Henshaw gewählte Raumladungsansatz zur Untermauerung seiner Hypothese im Bronchialbereich keine Gültigkeit mehr Forschung Literaturstudien Fews (1999) stellt die Hypothese auf, dass durch Freileitungen eine großräumige Modulation des natürlichen elektrischen Feldes verursacht werden kann Allerdings erfüllen die vorgestellten Messungen nicht die selbst definierten Kriterien, was die Vermutung nahe legt, dass der hypothetische Effekt nicht vorhanden oder durch andere Einflussgrößen maßgeblich beeinflusst oder überdeckt wird Es ist allerdings anzumerken, dass in diesem Zusammenhang nur Drehstrom-Freileitungen untersucht wurden und es bei HGÜ-Freileitungen unter Umständen zu ausgeprägteren Raumladungszonen kommen kann Gleichzeitig bleibt die Frage unbeantwortet, ob dieser Modulation des natürlichen elektrischen Gleichfeldes irgendeine (gesundheitliche) Bedeutung zukommt Forschung Literaturstudien 23 Studien am Menschen bezüglich der Wirkung von positiven und negativen Ionen auf die Atemfunktion lassen keine nennenswerten Wirkungen erkennen Insbesondere wird festgestellt, dass die Studien weder einen begünstigenden Effekt von negativen Luft-Ionen auf die Atmung oder eine Erleichterung bei Asthma noch einen schädlichen Effekt von positiven Luft-Ionen auf die Atemfunktion unterstützen Forschung Literaturstudien Eine Case-Control-Studie konnte keine schädlichen Effekte einer 500-kV-HGÜFreileitung auf die Nutztierproduktion oder -gesundheit nachweisen, obwohl die Expositionswerte der Tiere unterhalb der Leitung um einen Faktor von 5 - 30 höher lagen als die Expositionen der Kontroll-Population Forschung Literaturstudien Sowohl der beratende Ausschuss für nicht-ionisierende Strahlung (AGNIR) als auch die Weltgesundheitsorganisation WHO kommen zu dem Schluss, dass es unwahrscheinlich ist, dass Korona-Ionen mehr als einen geringen Einfluss auf die langfristigen Gesundheitsrisiken haben, die von luftverunreinigenden Aerosolen ausgehen und das sogar für Personen, die am stärksten betroffen sind Generell ist anzunehmen, dass ein durch Aerosole in der Umgebung von HGÜ-Freileitungen verursachtes Gesundheitsrisiko – wenn es überhaupt existiert – so gering ist, dass es von anderen ständig vorhandenen und weitaus stärkeren Einflüssen des täglichen Lebens überdeckt wird und somit keine spezifischen Wirkungen nachzuweisen sind Forschung Mikroentladungen Literaturstudien Daten zur Beschreibung der Wirkungen von Mikroentladungen sind seit langem gut bekannt Die physiologische Wirkung hängt weitgehend vom Ort und der Größe der Kontaktfläche, z.B. berührenden oder greifenden Kontakt, von der Höhe der Entladungsenergie und der übertragenen Ladung sowie der Amplitude und Frequenz des Dauer-Kontaktstroms ab. Diese Wirkungen können belästigend oder schmerzhaft sein oder können auch lebensbedrohliche Folgen haben Im Allgemeinen kann man zwischen zwei verschiedenen Phasen eines KontaktstromEreignisses unterscheiden: einem anfänglichen Entladungsstromimpuls, z.B. einer Funkenentladung einem Dauer-Kontaktstrom Forschung Literaturstudien Leider enthalten heutige Personenschutz-Vorschriften (EU-Ratsempfehlung, 26. BImSchV) entweder keine oder nur unvollständige Festlegungen zum Schutz vor Kontaktströmen oder Mikroentladungen Durch technische Maßnahmen, z.B. Erdung, lassen sich unerwünschte Aufladungen von Objekten und damit Kontaktströme und Mikroentladungen vermeiden Bei HGÜ-Freileitungen sind derartige Effekte nur unmittelbar im Bereich der Leitungstrasse und insbesondere bei sehr geringen Luftfeuchtigkeiten zu erwarten Forschung Offene Punkte der Forschung Elektrosensitivität Elektrosensitivität Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellt fest: "Es gibt keine eindeutigen Diagnosekriterien für EHS, und es gibt auch keine wissenschaftliche Basis, um die EHS-Symptome mit der Einwirkung von EMF in Verbindung zu bringen. Überdies ist EHS weder ein medizinisches Krankheitsbild, noch steht fest, dass es sich um ein eigenständiges medizinisches Problem handelt." WHO – Elektromagnetische Felder und öffentliche Gesundheit http://www.who.int/peh-emf/publications/facts/ehs_fs_296_german.pdf Die Mehrheit der bisherigen unabhängigen Untersuchungen führt zu dem Ergebnis, dass subjektiv elektrosensitive Personen in ihrer Wahrnehmung nicht zwischen echter EMF-Exposition und Scheinfeldern (d.h. Nullexposition) unterscheiden können. Doppelblinde Versuche ergaben, dass selbstberichtet elektrosensitive Personen nicht in der Lage sind, EMF wahrzunehmen und sowohl nach einer Nullexposition als auch nach einer Exposition gegenüber echten elektromagnetischen Feldern über Beschwerden berichten. (British Medical Journal 332 (7546): 886–889) Forschung Elektrosensitivität Indes soll nicht die Realität der Elektrosensitivität zugeschriebenen Symptome bestritten werden, denn es gibt viele Menschen, die nach eigenen Angaben unter verschiedenen unspezifischen Beschwerden leiden, die sie auf EMF-Exposition zurückführen. Der Anteil der Bevölkerung, der sich durch elektromagnetische Felder beeinträchtigt fühlt, ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich. Weitere weltweit koordinierte Forschung soll zur Verbesserung des Gesundheitszustands der Betroffenen mit Schwerpunkt auf der Minderung von Funktionsstörungen führen Forschung Kindliche Leukämie & EMF Niederfrequente magnetische Felder wurden aufgrund von epidemiologischen Studien über Kinderleukämie als möglicherweise krebserregend (Gruppe 2B) für Menschen eingestuft Internationale Organisation zur Erforschung von Krebs (IARC) Juni 2001 Befunde für alle anderen, bei Kindern und Erwachsenen auftretenden Krebserkrankungen sowie andere Expositionsarten (z. B. statische Felder und extrem niederfrequente elektrische Felder) wurden entweder aufgrund unzureichender oder wegen widersprüchlicher wissenschaftlicher Information als nicht klassifizierbar eingestuft „Möglicherweise krebserregend für Menschen (Gruppe 2B)" ist eine Klassifizierung, mit der Agenzien bezeichnet werden, für die nur begrenzte Belege für eine krebserregende Wirkung beim Menschen und unzureichende Befunde für eine krebserregende Wirkung in Versuchstieren vorliegen, so dass andere Erklärungen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können Forschung Meta-Studie zu kindlicher Leukämie (Ahlbom et. al., 2000) Epidemiologische Befunde werden durch experimentelle Daten und kausale Modelle nicht gestützt Zufall, Fehlklassifikation (Confounding), Verzerrungen (Bias) und Artefakte können nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden Falls überhaupt vorhanden, wird das Risiko für die Bevölkerung als klein angesehen Hinweise sind nicht ausreichend um Grenzwerte anzupassen Festlegung von sog. „Vorsorgemaßnahmen“ ist sehr komplex und aufgrund der lückenhaften Erkenntnislage derzeit nicht vernünftig machbar Weitere Forschung notwendig! Forschung Epiktet: Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinung, die wir von den Dingen haben.
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