Neuer Direktor für das Kunstmuseum

Mittwoch,1. Juli 2015 | Fr. 3.–
(inkl. MWSt)
Nummer 150 | 173. Jahrgang
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Meinungen/Profile/Impressum 6–7 Region 9–15 Wetter 16 Kultur 17–24 Notfälle 20 Bestattungen 20 Fernsehen/Radio 22–23 Wirtschaft 25–29 Kino 26 Börse 28–29 Sport 30–32
Schweiz
Zu teuer. Die Haltung zum
Gesundheitswesen bleibt ungebrochen
positiv. Dennoch werden günstigere
Medikamente und ein Umdenken in
der Prävention gefordert. Seite 4
Letzte
Es wird heiss. Der Schweiz steht eine
Hitzewelle bevor, teilweise dauert sie
mehr als fünf Tage. Das heisst:
Gefahrenstufe hoch, die Hitze kann
die Gesundheit gefährden. Seite 8
Basel
Einsprache. Der Natur zuliebe
muss das Beyeler-Museum den
Skulpturenweg anpassen. Seite 11
Zuckersüss. Die Kirschen sind reif.
Es wird wie schon 2014 mit einem
stattlichen Ertrag gerechnet. Seite 14
Simulant. 408 000 Franken Rentengelder hat ein Mann mit erfundenen
Beschwerden ergaunert. Seite 15
Kultur
Taktstockübergabe. Ivor Bolton wird
im September 2016 neuer Chefdirigent
des Sinfonieorchesters Basel. Als
Erster Gastdirigent steht ihm Michal
Nesterowicz zur Seite. Seite 18
Tsipras steht das Wasser bis zum Hals
Griechenland will neue Rettungsmilliarden – doch die Euro-Finanzminister sagen Nein
Athen/Brüssel. Dramatischer Poker im
griechischen Schuldenstreit: Athen und
Brüssel haben gestern Last­minute­
Vorschläge auf den Tisch gelegt, um die
gescheiterten Verhandlungen wieder­
zubeleben. Griechenland brachte kurz
vor Torschluss ein neues drittes Hilfs­
programm ins Spiel. Brüssel hatte
Athen zuvor gedrängt, die Bedingungen
der Geldgeber für das auslaufende
zweite Hilfsprogramm doch noch in
letzter Minute anzunehmen.
Die Euro­Finanzminister haben die
Bitte Griechenlands um Verlängerung
des um Mitternacht auslaufenden Hilfs­
programms am Abend aber abgelehnt.
Dies teilte Eurogruppen­Chef Jeroen
Dijsselbloem nach einer Telefonkonfe­
renz mit. Damit verliert das pleite­
bedrohte Land endgültig den Zugriff
auf Hilfsmittel von insgesamt rund
18 Milliarden Euro. Für eine erneute
Verlängerung des Programms sei es zu
spät, sagte Dijsselbloem.
Die Eurogruppe hatte nur rund eine
Stunde zu dem Thema beraten. Der fin­
nische Finanzminister Alexander Stubb
erklärte über den Kurznachrichten­
dienst Twitter, dass die Bitte des grie­
chischen Ministerpräsidenten Alexis
Tsipras für neue Kredite des Euro­Ret­
tungsfonds ESM dem normalen Verfah­
ren folgen müsse. Der ESM vergibt Dar­
lehen stets nur unter Auflagen.
Eurogruppe wartet Referendum ab
Nach Angaben Dijsselbloems wird
die griechische Regierung heute einen
neuen Vorschlag übermitteln. Gestern
Nachmittag signalisierte Tsipras in
einem Schreiben an den Eurogruppen­
Chef, dass er gerne ein zwei Jahre lau­
fendes Hilfsprogramm anfragen würde.
Der Finanzbedarf Griechenlands bis
2017 bezifferte Tsipras in dem Schrei­
ben auf 29 Milliarden Euro. Zudem
beantragte die Regierung in Athen eine
Restrukturierung der Schulden.
Die Eurogruppe werde noch am sel­
ben Tag darüber beraten. Die Bitte um
ein neues Programm werde aber erst
nach dem griechischen Referendum am
5. Juli geprüft. Ein neues, drittes Hilfs­
programm könnte schärfere Bedingun­
gen haben als das bisherige, fügte Dijs­
selbloem hinzu. EU­Vertretern zufolge
hat Griechenland bei der Telefonkonfe­
renz der Eurogruppe Vorschläge
gemacht, die näher an den Forderun­
gen der Institutionen von EU­Kommis­
sion, EZB und IWF gelegen haben.
Das bisherige Rettungsprogramm
für Griechenland ist in der Nacht auf
heute ausgelaufen. Laut den neuesten
Angaben von Diplomaten verfallen laut
Spiegel.de europäische Hilfen in der
Höhe von rund 16,3 Milliarden Euro.
Bisher hat Griechenland Hilfe in der
Höhe von einer Billion Euro erhalten –
das Land wurde zu Tode gerettet. Kein
privater Kapitalgeber wird in eine Wert­
schöpfung in dieser Nation investieren.
Neuer Direktor für das Kunstmuseum
Nanomedizin. Am Basler ClinamKongress für Nanomedizin zeigte der
Basler Nobelpreisträger von 1987,
Susumu Tonegawa, wie man Mäuse
glücklich macht. Seite 27
Nachgefragt. Novak Djokovic musste
nach seinem Erstrundensieg Fragen zu
Boris Becker beantworten. Seite 30
Angekommen. Der österreichische
Nationalspieler Marc Janko wurde offiziell beim FCB vorgestellt. Seite 31
Wetter
Region. Das Quecksilber schnellt
in die Höhe, nähert sich der 40-GradMarke. Kaum irgendwo in Europa ist es
so heiss. Seite 16
www.baz.ch
Online. In Lyon treffen sich heute nicht
staatliche Vertreter zum Weltgipfel über
Klima und Territorium zur Vorbereitung
des UNO-Klimagipfels vom kommenden Dezember. Wir berichten.
Die Schranke,
die tut, was sie will
Zwei Verletzte nach einem
Zusammenstoss mit dem Tram
An einer offenen Bahn­
schranke kam es am Sonntag zu einem
Zusammenstoss zwischen einem Tram
und einem Auto. Die Tramführerin und
die Automobilistin wurden leicht ver­
letzt. Der Unfall hätte nicht passieren
müssen: Die Schranke, das ist im Dorf
bestens bekannt, bleibt immer mal wie­
der oben. Man ist erstaunt, dass es an
diesem Übergang nicht häufiger kracht.
Der Baselland Transporte AG, wel­
che die Tramlinie 10 betreibt, ist die
Störung der Schranke bekannt. Es gibt
auch ein strenges Protokoll, wie sich der
Tramführer zu verhalten hat, wenn die
Schranke oben bleibt. Die Führerin, die
Dienst hatte, hielt sich denn auch an die
Vorgaben – bis auf den letzten Punkt:
Statt im Schritttempo den Übergang zu
passieren, hat sie aus unerfindlichen
Gründen beschleunigt. tim Seite 14
FCB verpflichtet
Kuzmanovic
Basel. Der FC Basel hat in beeindru­
Sport
9 771420 300001
Stimmung hat gedreht
Gestern Abend versammelten sich
auf dem Syntagma­Platz in Athen bis zu
12 000 Menschen, die unter dem Motto
«Wir wollen in Europa bleiben» für ein
Ja demonstrierten. Die Demonstranten
forderten auch den Rücktritt von Minis­
terpräsident Tsipras und seiner Regie­
rung. Die Oppositionspartei Nea Dimo­
kratia sagt, dass es in beiden Fällen
hässlich für Tsipras aussehe. Verliert er,
kann er sich dem Druck zum Rücktritt
kaum erwehren, gewinnt er, kann die
Regierung trotzdem keine Gehälter und
Pensionen mehr auszahlen und wird
stürzen. SDA/M.B./fed Seite 5
Der Rückkehrer unterschreibt
in Basel für fünf Jahre
Wirtschaft
00150
Der Ausgang des Referendums ist
derweil unsicherer denn je – wenn es
überhaupt stattfindet. Gestern Abend
gab es Spekulationen, Tsipras sei bereit,
darauf zu verzichten. Laut Umfragen
sind 50 Prozent gegen das Kreditab­
kommen und 41 Prozent dafür.
Ein Schweizer aus den Südstaaten. Mit Josef Helfenstein hat Regierungspräsident Guy Morin gestern den künftigen
Direktor des Kunstmuseums vorgestellt. Die Wahl des erfahrenen Museumsmanns wird allseits gelobt. Helfenstein leitet
die Menil Collection in Houston seit zehn Jahren und hat sich in der Museumswelt und beim Publikum höchsten Respekt
verschafft. In seiner Direktionszeit konnte er die Publikumszahlen verdoppeln. hm Foto Nicole Pont Seiten 3, 17
Basel-Stadt und Baselland stehen
vor einer neuen Beziehungskrise
Basels Politiker sind fast geschlossen für ein Ultimatum an Baselland
Bättwil.
Von Joël Hoffmann, Franziska Laur
und Alessandra Paone
Basel/Liestal. Die neue Spitalstrategie
sollte die beiden Basel näher zusam­
menbringen. Doch nun könnte sie das
Gegenteil bewirken: Offenbar wusste
der Baselbieter Gesundheitsdirektor
Thomas Weber (SVP) nicht, dass die
Basler Regierung die Spitalfusion an
den im Baselbiet umstrittenen Uni­
vertrag koppelt. Zwar kannte Weber die
Befindlichkeiten der Basler, doch eine
schriftliche Vereinbarung gibt es nicht.
Mitglieder der grossrätlichen Ge­
sundheitsdirektion von links bis rechts
stellen sich derweil hinter ihren Regie­
rungsrat. Es sei kaum möglich, eine
gemeinsame Spitalholding zu führen,
wenn Baselland aus dem Univertrag
aussteigen würde. Sie erstaunt die Aus­
sage von Gesundheitsdirektor Lukas
Engelberger nicht, dass es mit einer Spi­
talkooperation schwierig werden wür­
de, falls das Baselbiet in diesem Jahr
tatsächlich den Univertrag kündigte.
Das verlangen einzelne Politiker. Die
Baselbieter Regierung müsste den Ver­
trag in diesem Jahr kündigen, damit der
Austritt auf Ende 2017 vollzogen wer­
den könnte. Andernfalls könnte sie erst
in vier Jahren aussteigen. Ohne die Uni­
Trägerschaft müsste Baselland für seine
Studierenden nur 40 statt der heutigen
160 Millionen aufwenden.
Fusionsskeptische Basler
Basler Politiker hoffen jedoch auf
ein Zustandekommen der Spital­Koope­
ration. Wie diese aussehen könnte,
darüber haben einzelne Politiker schon
klare Vorstellungen: «Einen einzigen
Verwaltungsrat, eine gemeinsame Spi­
talleitung mit einem gemeinsamen
Budget. Ansonsten geht das Kräftemes­
sen und die Aufteilung der Disziplinen
weiter», sagte Lorenz Nägelin (SVP). Er
wie auch Urs Müller (Grünes Bündnis)
stellen jedoch die Tagesklinik auf dem
Bruderholz infrage. «Das Ambulato­
rium ist eine reine Gesundstossung der
Finanzen auf Kosten der Prämienzah­
ler», sagt Müller. Bei ambulanten Ein­
griffen müsse die Krankenversicherung
den ganzen Betrag allein übernehmen,
bei einem stationären Aufenthalt ist der
Kanton verpflichtet, 55 Prozent an den
Kosten zu übernehmen. So sei zu
befürchten, dass die Krankenkassenprä­
mien höher werden. Seite 9
ckender Manier auf den Abgang von
Mittelfeld­Taktgeber Fabian Frei rea­
giert und von Inter Mailand Zdravko
Kuzmanovic verpflichtet. Der serbische
Internationale spielte bereits bis 2007
für Rotblau, bevor er auszog, um sich in
den grossen Ligen zu behaupten. Dabei
bestritt er in acht Jahren für die AC Fio­
rentina, den VfB Stuttgart und zuletzt
für Inter annähernd 300 Wettbewerbs­
spiele. Nun ist er 27 – und kehrt damit
im besten Fussballer­Alter ans Rhein­
knie zurück, wo er beim FCB gleich
einen Fünf­Jahres­Vertrag unterschrieb.
Da Kuzmanovic noch bis 2017 an
die Italiener gebunden war, müssen die
Basler eine Ablösesumme bezahlen, die
nicht mehr als zwei Millionen Euro
betragen soll, ergänzt durch allfällige,
leistungsabhängige Bonuszahlungen.
Klar ist: Der in Thun geborene Kuzma­
novic kommt auch nach Basel, um seine
Karriere neu zu lancieren. Zuletzt lief es
ihm nicht mehr nach Wunsch.
Geht es ums Sportliche, dann hat
der FCB damit die Lücken adäquat
gefüllt, die durch die Abgänge von Frei
und Fabian Schär sowie durch den
Rücktritt von Marco Streller entstanden
sind. Und menschlich? Zumindest der
neue Angreifer Marc Janko wirkt bei
seinem ersten Auftritt diesbezüglich als
Gewinn. olg Seiten 31, 32
Imhof-Haus wird
endlich saniert
Streitfall über mangelhafte
Sanierung endet mit Vergleich
Binningen. Jahrelang haben sich die
Gemeinde Binningen und die ausfüh­
renden Unternehmen um die Sanierung
des Imhof­Hauses gezankt. Nun scheint
endlich das letzte Kapitel dieses Bau­
debakels geschrieben zu sein: In einem
Vergleich einigen sich die Parteien über
die fälligen Sanierungskosten von
108 000 Franken. Erst 2008 wurde die
letzte Sanierung durchgeführt. Damit
kamen die Unternehmen dem Willen
der Gemeinde nach, die eine Entschädi­
gung forderte.
Als die Einigung im Einwohnerrat
publik wurde, zeichnete Gemeindeprä­
sident Mike Keller das Bild einer
unschuldigen Gemeinde. Recherchen
der BaZ zeigen jedoch, dass diese in den
Verhandlungen eine merkwürdige Rolle
spielte. Projektbeteiligte sehen sich
nicht als Schuldige. bgy Seiten 13, 15
Thema.
| Mittwoch,1. Juli 2015 | Seite 3
«Es gibt nichts Permanentes mehr»
Der designierte Direktor des Kunstmuseums Basel will die Dauerausstellung aktualisieren
Von Raphael Suter und Christoph Heim
von einem Traumjob reden, aber ich
habe an einer Trauminstitution gearbeitet. Für mich ist aber das Kunstmuseum Basel genau so eine Trauminstitution.
Weshalb?
Was mich in Basel besonders beeindruckt, ist das Zusammenspiel von
öffentlicher und privater Unterstützung. Am Kunstmuseum ist über
Jahrhunderte hinweg eine Sammlung gewachsen und gepflegt worden
und gleichzeitig gibt es hier immer
auch wieder visionäre Projekte wie
ein Schaulager. Eine Institution, die
auf der ganzen Welt einmalig ist, aber
durch das Treasure-House-Prinzip
der Menil Collection beeinflusst worden ist. Und Basel hatte das erste
Museum für Gegenwartskunst in der
Schweiz. Auch die Fondation Beyeler
ist einzigartig. Ernst Beyeler wollte
damals mit Renzo Piano den gleichen
Architekten, der auch das Gebäude
für die Menil Collection gebaut hat.
Sie haben an der Medienkonferenz
gesagt, dass Sie sich immer nur vorstel­
len konnten, im Kunstmuseum Basel zu
arbeiten und nirgendwo anders. Meinen
Sie das wirklich?
Mit anderen Worten: Sie hat die Heraus­
forderung einer Neubespielung des
Kunstmuseums gereizt?
Ja genau. Ich gab in Texas ein Projekt
auf, das wirklich mein Baby ist. Es
entsteht dort ein einzigartiges Zeichnungsmuseum, das erst eröffnet
wird, wenn ich schon meine Stelle in
Basel angetreten habe. Auch hier in
Basel reizt mich die zusätzliche
Dimension des Erweiterungsbaus.
Ich suche die Challenge – ganz ehrlich. Man muss aber auch festhalten,
dass heute jedes Museum einem dauernden Druck und ständig neuen
Herausforderungen ausgesetzt ist.
Jedes Museum – nicht nur in Basel –
muss sich immer wieder legitimieren.
Das ist normal und richtig. Ich will
kein perfektes Haus übernehmen. Ein
solches gibt es auch gar nicht.
Wie stellen Sie sich das Bespielen der
drei Häuser denn vor?
Ich kann und will dazu noch nicht
allzu viel sagen. Am Anfang steht
sicherlich der Dialog mit denjenigen,
die das Haus gut kennen, das heisst
mit den Kuratoren. Ich glaube aber
nicht an eine permanente Schausammlung. Es gibt nichts Permanentes mehr, heute muss man ständig
aktualisieren.
Sie wollen also nicht mehr zwischen
Dauerausstellung und Wechselausstel­
lung unterscheiden. Ähnlich wie in der
Fondation Beyeler, wo die Werke der
Sammlung in die Sonderausstellungen
integriert werden?
Ja, aber dort sieht man die Sammlung
gar nicht mehr oder höchstens fünf
Prozent. In Houston haben wir pro
Jahr acht Wechselausstellungen
gemacht und jede stand in einem
Zusammenhang zur Sammlung. Die
Rekontextualisierung und die Konfrontation zwischen alten und zeitgenössischen Werken ist sehr wichtig.
Man kann einen Holbein neu entdecken, wenn man ihm ein Werk gegenüberstellt, das 500 Jahre jünger ist.
Überzeugende
Direktorenwahl
Von Christoph Heim
BaZ: Herr Helfenstein, Sie scheinen in
Houston sehr glücklich zu sein. Was hat
Sie veranlasst, Ihren Traum jetzt aufzu­
geben und nach Basel zu kommen?
Josef Helfenstein: Ich möchte nicht
Das tönt vielleicht etwas arrogant
und ist sicherlich nicht so gemeint.
Aber es ist einfach so, dass sich hier
ein Wunsch erfüllt hat, von dem ich
gar nicht richtig zu träumen wagte.
Ich hätte auch nie gedacht, dass ich
einmal in Texas leben würde. Dort
habe ich damals keinen Menschen
gekannt, aber gespürt, dass die Aufgabe dort für mich stimmt. So ist es
auch in Basel. Ich weiss, dass mich
hier eine komplexe Aufgabe erwartet.
Das Museum bekommt mit dem dritten Haus ein neues Profil und muss
sich in einem extrem dichten Umfeld
mit grosser Konkurrenz bestätigen.
Ich sehe diese Konkurrenz aber nur
positiv, denn die vielen Institutionen
tragen zum Image Basels als Kunststadt bei.
Kommentar
Kompetent und engagiert. Der 58-jährige Josef Helfenstein ist ein leidenschaftlicher Museumsmann.
Diese Art von inszeniertem Dialog
stelle ich mir vor. Erst wenn die Bilder
aus der Sammlung in einen neuen
Kontext gestellt werden, sehen sie die
Museumsbesucher wieder. Das ist
total faszinierend.
In Houston waren Sie auch für das Fund­
raising zuständig. Haben Sie nicht
Angst, dass Sie in Basel vor allem Geld
für den erweiterten Museumsbetrieb
sammeln müssen?
Ich glaube nicht, dass ich als Fundraiser nach Basel geholt worden bin.
Ich meine, man hat mich wegen meiner Vision gewählt. Aber ich habe
auch keine Angst vor dem Fundraising. In Texas konnte ich mir anfänglich überhaupt nicht vorstellen, dass
ich das machen soll und kann. Als ich
nach Houston kam, beruhigte man
mich, ich müsse mich nicht um die
Geldbeschaffung kümmern. Das war
dann natürlich nicht so. Ich habe das
Fundraising gezwungenermassen gelernt und der Ertrag hat sich verdreifacht – auch weil ich das Stiftungsvermögen nicht antasten wollte. Wenn
man mit Leidenschaft für ein Projekt
eintreten kann, ist Fundraising fast
normal. Man hat es dabei mit intelligenten und engagierten Leuten zu
tun, die eine Institution aus ideellen
Gründen unterstützen wollen. Deshalb habe ich in diese Richtung auch
keine Berührungsängste.
Die Betriebskosten steigen durch den
Erweiterungsbau. Brauchen Sie auch
mehr Personal für die Umsetzung Ihrer
Vision?
Das ist eine gute Frage. Ich weiss es
noch nicht. Die Findungskommission
hat mir aber sehr professionell die
wichtigsten Eckwerte vermittelt. Verglichen mit amerikanischen Verhältnissen ist der Personalbestand im
Kunstmuseum eher bescheiden. Doch
weil das Haus wirklich Topleute hat,
funktioniert es trotzdem bestens.
Aber Sie haben mehr Ausstellungsflä­
che, da werden auch mehr Sonder­
schauen erwartet als bisher.
Dazu kann ich noch nichts sagen,
auch wenn ich schon einige Ideen
habe. Es braucht sicherlich einige
neue Stellen. Aber ich will zuerst mit
Bernhard Mendes Bürgi und dem Personal reden.
Wie wichtig war der Findungskommis­
sion die Tatsache, dass Sie von einem
privaten Museum kommen?
Es ist vielleicht ein Missverständnis.
In den USA wird die Menil Collection
nicht als Privatmuseum wahrgenommen. Das war so, bevor ich gekommen bin. Heute ist das völlig anders.
Wir sind ein öffentliches Museum,
das nicht einmal Eintritt verlangt. Ich
wollte das aus ideellen Gründen und
konnte meine Stiftung auch davon
überzeugen. Ein Eintritt würde von
der Substanz dieses Museums ablenken. Man erlebt hier sofort die Kunst.
Da würde eine Kasse oder ein Gift
Shop nur stören. Das ärgert mich an
anderen Museum, wo der Souvenirladen das Erste ist, was man sieht.
In Houston ist Ihnen eine deutliche Stei­
gerung der Besucherzahlen gelungen.
Was ist Ihr Erfolgsrezept, und lässt sich
das auch auf Basel anwenden?
Es gibt kein bestimmtes Rezept. Der
Publikumserfolg in manchen Museen
hat ja auch seinen Preis, denn er
bedingt ein enormes Marketingbudget. Wer mit öffentlichen Geldern
arbeitet, muss mit den Mitteln sparsamer umgehen. In Houston machen
wir mit der Menil Collection eines der
unpopulistischsten Programme von
ganz Amerika. Trotzdem ist es uns
gelungen, jedes Jahr zehn Prozent
mehr Besucher anzuziehen. Aber mir
geht es gar nicht so sehr um die Besucherzahlen. Heute dreht sich alles nur
noch um Quantitäten. Man darf sich
allerdings nicht allzu sehr in die Vergleiche zwischen den Institutionen
verbeissen.
Wie sehen Sie denn die Zusammen­
arbeit mit anderen Institutionen in Basel,
beispielsweise mit der Fondation
Beyeler?
Fotos Nicole Pont
Ich kenne Sam Keller. Wir haben uns
in den USA kennengelernt. Er ist ein
toller, unkomplizierter Typ. Aber ich
freue mich auf alle Kollegen in Basel.
Wir haben alle ähnliche Probleme,
und deshalb sind der Austausch und
die Zusammenarbeit für mich sehr
wichtig.
Das Kunstmuseum ist jüngst durch den
Abgang der Sammlung Staechelin in die
internationalen Schlagzeilen geraten.
Wie haben Sie diese Entwicklung ver­
folgt und haben Sie Ruedi Staechelin
schon einmal getroffen?
Nein, Herrn Staechelin kenne ich
persönlich nicht. Ich finde es natürlich enorm schade, dass diese Sammlung für das Museum verloren geht.
Das ist aber heute leider überhaupt
kein Einzelfall. Kunst ist leider ein
Fetisch des Kunstmarktes geworden
und es wird mehr über den materiellen Wert eines Kunstwerkes gesprochen als über den ideellen. Das ist
eine Tendenz, die nicht gut ist, die
man aber nicht verhindern kann. Das
Kunstmuseum Basel hat jedoch
immer noch eine enorme Tiefe und
Substanz. Und es wird sicherlich
auch neue Schenkungen geben. Ich
persönlich bin sehr glücklich über die
Fotosammlung Herzog mit ihren
grossartigen Beständen, auf die wir
künftig Zugriff haben. Ich habe es im
Gespräch mit der Findungskommission bedauert, dass das Kunstmuseum keine seriöse Abteilung für
Fotografie hat, was ich für wichtig
erachte. Diese Lücke wird jetzt glücklicherweise geschlossen.
Werden Sie den Kontakt zu Ruedi
Staechelin suchen?
Selbstverständlich. Aber nicht nur zu
ihm, sondern zu allen Leihgebern.
Das ist auch meine Rolle als Museumsdirektor. Die Mäzene und
Leihgeber haben massgeblich zur
Substanz dieser Kulturstadt beigetragen, und deshalb möchte ich sie auf
jeden Fall bald kennenlernen. Darauf
freue ich mich sehr.
Mit der Wahl von
Josef Helfenstein
ist Basel ein Coup
gelungen. Der
neue Direktor ist
renommierter
Kunsthistoriker
und erfolgreicher
Museumsmann zugleich. Er bringt
als Direktor der Menil Collection in
Houston das Wissen und die Erfahrung mit, um das grösste und bestausgestattete Kunstmuseum der
Schweiz, das ab nächstem Jahr über
drei Häuser verfügt (den Altbau, den
Erweiterungsbau und das Museum
für Gegenwartskunst), in die
Zukunft zu führen.
Die Findungskommission des Kunstmuseums hat hervorragende Arbeit
geleistet. Mit der Präsentation des
neuen Direktors durch Regierungspräsident Guy Morin machte die
Regierung gestern zudem klar, dass
die Querelen bei der Wahl von Bernhard Mendes Bürgi Vergangenheit
sind. Der Kampf um Bürgi war ein
Kampf zwischen dem Museum und
Maja Oeri als der grössten Leihgeberin und Geldgeberin des Museums
sowie der SP- Regierungsrätin Veronika Schaller, die sich die Direktorin
nicht von der Berufungskommission
vorschreiben lassen wollte und
Bürgi, damals Leiter der Kunsthalle
Zürich, installierte.
Inzwischen hat Maja Oeri dem
Kunstmuseum den Bau des Erweiterungsbaus zur Hälfte finanziert,
wobei gerne vergessen geht, dass sie
nicht nur die 50 Millionen für den
Neubau, sondern auch 20 Millionen
für den Kauf des alten, inzwischen
Ein Direktor, der das
grösser werdende Haus
in eine produktive
Zukunft führt.
abgerissenen Burghofs bezahlte.
Maja Oeri ist mit ihren Stiftungen die
unbestreitbar dominierende Figur
am Kunstmuseum, die jeden Ausbauschritt des Museums mit hohen Geldbeträgen unterstützt und mit ihrer
Finanzkraft und ihrer Kunstsammlung die Ausstellungstätigkeit des
Kunstmuseums wesentlich fördert.
Ohne sie würde das Museum nie dort
stehen, wo es heute steht.
Josef Helfenstein wird den Basler
Kunstmuseums-Dampfer zwischen
den Interessen von Staat und Privaten mit strategischem Geschick hindurchsteuern müssen, wobei eine
seiner Hauptaufgaben darin besteht,
die so unterschiedlichen privaten
Leihgeber, seien das nun grössere
oder kleinere Sammler, bei Laune zu
halten. Schön wäre, wenn die Anzahl
an Sammlern, die dem Museum ihre
Unterstützung zusichern, nicht ab-,
sondern zunähme.
Vielleicht gelingt es ihm gar, das
Museum so aufzustellen und zu
bespielen, dass der durch den Verlust
der Staechelin-Leihgaben so eklatant
gewordene Mangel an Impressionisten und Nachimpressionisten gar
nicht mehr spürbar ist. Denn es geht
um nichts Geringeres, als ein
Museum, das um 30 Prozent Ausstellungsfläche gewachsen ist, mit anregenden und tiefsinnigen Ausstellungen zu bespielen. Wir sind gespannt.
[email protected] Seite 17