Folien vom 01.06.15

Zivilrecht IVa
(Bereicherungsrecht)
Leistungskondiktion (3)
Wiederholung
• Wie ist die condictio ob rem von der
condictio indebiti abzugrenzen und welcher
Zusammenhang besteht dabei mit dem
objektiven bzw. subjektiven Aspekt der
Rechtsgrundlosigkeit?
pfeifer - zr IVa – sose 15
Grundtatbestand § 812 I
•
•
•
•
Etwas erlangt
Durch Leistung
Ohne rechtlichen Grund
Kein Ausschluss der Leistungskondiktion
(Kondiktionssperren)
Hintergrund:
Verminderte Schutzwürdigkeit des
Bereicherungsgläubigers
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Ausschluss gemäß
§ 813 Abs. 2 BGB
• Betagte Forderung:
bereits entstanden, aber noch nicht fällig
• Klarstellungsfunktion:
Fälligkeits- bzw. Stundungseinrede keine
dauernde Einrede
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Ausschluss gemäß § 814 BGB
• § 814 1. Alt. BGB:
Kenntnis der Nichtschuld
– Hintergrund: Verbot widersprüchlichen Handelns
(venire contra factum proprium)
– Leistungszeitpunkt als maßgeblicher Zeitpunkt
– Nur auf condictio indebiti anwendbar:
• Wegfall des Rechtsgrunds: Keine Kenntnis
• Zweckverfehlung: Keine Verbindlichkeit
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Beispielsfall 32:
Der Vermieter S stellt im Keller seines Mehrfamilienhauses
eine Waschmaschine auf und verlangt für deren Benutzung
von seinen Mietern ein besonderes Entgelt. Mieter A hält
diese Forderung für berechtigt und zahlt. Mieter B findet
zwar, das Verlangen des S sei unbegründet, zahlt aber
gleichwohl ebenfalls, um sich Ärger mit S zu sparen. Mieter
C verweigert die Zahlung; als S daraufhin Klage gegen C
erhebt, wird diese mit der Begründung abgewiesen, die
Benutzung der Waschmaschine sei bereits mit dem
Mietzins abgegolten. Jetzt verlangen A und B ihre bereits
geleisteten Zahlungen zurück.
Zu Recht?
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Beispielsfall 32:
A. Anspruch A gegen S, § 812 I 1 1. Alt.
– Leistung des Entgelts solvendi causa
– Rechtsgrund aber tatsächlich (-)
– Kein Ausschluss gemäß § 814 1. Alt.:
Verpflichtung von A angenommen
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Beispielsfall 32:
B. Anspruch B gegen S, § 812 I 1 1. Alt.
– Leistung des Entgelts (datio):
• solvendi causa
Anspruch wegen Kenntnis der Nichtschuld
ausgeschlossen nach § 814 1. Alt.
• ob rem
– Zweckverfolgung, hier: Streitvermeidung
– Aber: mangels Offenlegung durch B keine entsprechende
Zweckvereinbarung
– Außerdem: Zweck erreicht
– Anspruch (-)
Praxis: Zahlung unter Vorbehalt
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Ausschluss gemäß § 814 BGB
• § 814 2. Alt. BGB:
Leistung wegen sittlicher Pflicht oder auf
den Anstand zu nehmenden Rücksicht
– Zur Wertung vgl. auch § 534
– Anwendungsbeispiel: Angehörigenunterhalt
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Beispielsfall 33:
Der früh verwaiste G ist nach dem Tod seiner
Eltern im Haus seines Onkels S aufgewachsen.
Seit G seine Berufsausbildung abgeschlossen hat
und gut verdient, schickt er dem in finanzielle Not
geratenen S monatlich Geld, weil er glaubt, seinem
Onkel gegenüber unterhaltspflichtig zu sein. Dann
geraten Onkel und Neffe jedoch miteinander in
Streit und G verlangt die gezahlten Geldbeträge
zurück.
Mit Erfolg?
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Beispielsfall 33:
• AGL: § 812 I 1 1. Alt.
– Ohne Rechtsgrund
• Hier Unterhaltspflicht?
• Aber: Nach § 1601 nur zwischen Verwandten in gerader Linie
(vgl. § 1589 S. 1)
– Ausschluss nach § 814 1. Alt.
• Pflicht von G gerade angenommen
• Also keine Kenntnis der Nichtschuld
– Ausschluss nach § 814 2. Alt.
• Sittliche Pflicht infolge der zuvor von S geleisteten Hilfe
• Ausschluss (+)
 Praktische Relevanz heute fraglich wegen
Erwartungshaltung gegenüber Sozialstaat
(Medicus)
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Ausschluss gemäß § 815 BGB
• Ausschluss der condictio ob rem
• § 815 1. Alt. BGB:
Kenntnis von der Unmöglichkeit des
Erfolgseintritts (vgl. § 814 1. Alt. BGB)
• § 815 2. Alt. BGB:
Treuwidrige Erfolgsvereitelung durch den
Leistenden
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Beispielsfall 34:
Die beiden überaus erfolgreichen Popstars A und
B verloben sich. Aus diesem Anlass machen sie
sich gegenseitig großzügige Geschenke: A erhält
von B einen Sportwagen, diese wiederum von A
eine Segelyacht. Allerdings stellt sich später
heraus, dass B die Verlobung mit dem noch etwas
berühmteren A lediglich aus Gründen der
Öffentlichkeitswirksamkeit eingegangen ist. Sie
wendet sich kurz darauf einem Hotelmagnaten zu
und heiratet diesen. Der enttäuschte A verlangt
jetzt die Segelyacht zurück, denkt aber gar nicht
daran, den Sportwagen herauszugeben.
Rechtslage?
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Beispielsfall 34:
• AGL: § 1301 S. 1
– lex specialis für Verlöbnisse (= condictio ob rem)
– Tatbestand (+)
• Ausschluss nach § 815 2. Alt. (Verweisung!)
– Kein Ausschluss bei A
– Verhalten der B treuwidrig wegen Motiv der
Geltungssucht
• Beachte: In Lit. str., ob Verweis in § 1301 bloßer
Rechtsfolgen- (dann direkt §§ 818 ff. ohne § 815)
oder Rechtsgrundverweisung (h.M./Rspr.)
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Ausschluss gemäß
§ 817 S. 2 BGB
• § 817 S. 2 1. HS
• Systematik und Wortlaut
– Systematischer Bezug nur auf § 817 S. 1
(einseitiger Verstoß des Leistungsempfängers)
– Anwendung nur auf beiderseitigen Gesetzesoder Sittenverstoß sowohl des Empfängers wie
auch des Leistenden
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Ausschluss gemäß
§ 817 S. 2 BGB
• Erweiterung I:
– Anwendung auf die condictio indebiti
– Argument: Sperre des § 817 S. 2 BGB sonst
praktisch gegenstandslos
• Erweiterung II:
– Anwendung auch auf den einseitigen
Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistenden
– Argument: sonst Wertungswiderspruch
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Ausschluss gemäß
§ 817 S. 2 BGB
• § 817 S. 2 2. HS BGB
– Wirksamkeit eines abstrakten
Schuldversprechens (§ 780) oder ähnlicher
Verbindlichkeiten (z.B. Scheck); diese aber
ihrerseits kondizierbar
– Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung des
Schuldners (§ 821)
– Ausschluss der Rückforderung nur, wenn auf die
Verbindlichkeit bereits geleistet wurde
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Ausschluss gemäß
§ 817 S. 2 BGB
• Wirkung bei beiderseitigem Gesetzes- oder
Sittenverstoß
– Ergänzung der §§ 134, 138 BGB insoweit, als
bereits erbrachte Leistungen nicht
zurückgefordert werden können
– Problem: Perpetuierung des gesetzes- oder
sittenwidrigen Zustands?
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Ausschluss gemäß
§ 817 S. 2 BGB
• Wirkung bei einseitigem Gesetzes- oder
Sittenverstoß des Leistenden
– Bereits erbrachte Leistung verbleibt beim
Opfer (z.B. Wucherdarlehen)
– aber:
Beschränkung des Ausschlusses der
Rückforderung auf den konkreten
Leistungsinhalt (z.B. Wucherdarlehen:
Überlassung des Kapitals auf Zeit)
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Beispielsfall 35:
S steckt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und
nimmt daher bei G ein Darlehen zu einem
Monatszins von 5% auf. Nach einem Vierteljahr
verweigert S die weitere Zinszahlung und verlangt
den schon gezahlten Zins zurück; ferner kündigt er
an, er werde auch das Darlehen nicht
zurückzahlen. G verlangt hingegen zumindest die
sofortige Rückzahlung der Darlehenssumme.
Wer hat Recht?
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Beispielsfall 35:
A. S gegen G auf geleistete Zinsen
I. AGL: § 812 I 1 1. Alt.
– Leistung ohne Rechtsgrund
Hier: Darlehensvertrag nichtig nach § 138:
• Wucher, § 138 II:
Zinssatz von 60% p.a. als Indiz für Ausbeutung einer
Zwangslage
• Sittenwidrigkeit, § 138 I:
Wucherähnliche Geschäfte bei hohen Zinssätzen auch ohne
Ausbeutung sittenwidrig (Rspr.: 100% relativ bzw. 12% absolut
gegenüber marktüblichem Effektivzins)
– Möglicherweise aber Ausschluss nach § 814 1. Alt.
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Beispielsfall 35:
II. AGL: § 817 S. 1
– Annahme der Leistung = Verstoß gegen die
guten Sitten: s.o.
– Kein Ausschluss nach § 817 S. 2
– Anspruch auf geleistete Zinsen (+)
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Beispielsfall 35:
B. G gegen S auf Rückzahlung des Kapitals
AGL: § 812 I 1 1. Alt.
– Leistung ohne Rechtsgrund (s.o. bei A., § 138 )
– Ausschluss nach § 817 S. 2
• Anwendbarkeit auf condictio indebiti
• Anwendbarkeit auf einseitigen Verstoß des
Leistenden
• Aber: Beschränkung auf konkreten Leistungsinhalt
– Beim Darlehen: Überlassung von Kapital auf Zeit, nicht
endgültig
– Folge: Rückforderung nach Ablauf der Darlehensfrist (+)
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Beispielsfall 35:
C. G gegen S auf Zinsen
AGL: §§ 812 I 1 1. Alt., 818 I, II (Nutzung)
• Str.:
– Wucherzins: nach h.M. (-), § 817 S. 2
– Gar kein Zins: nach h.M. (+)
• Problem: unverdienter Gewinn des S?
• Strafzweck bei § 817 S. 2?
– Marktüblicher Zins (z.B. Medicus)
Problem: Geringes Risiko des Wucherers
– Gesetzlicher Zinssatz
– Richterliche Festsetzung
 Unter Umständen Ausschluss nach § 818 III, wenn
Nutzungsmöglichkeit von S gar nicht realisiert
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Ausschluss gemäß
§ 817 S. 2 BGB
• Normzweck
– Bestrafung gesetzes- und sittenwidrigen Handelns?
• „Belohnung“ des gleichfalls gesetzes- oder sittenwidrig
Handelnden
• Strafcharakter dem Zivilrecht an sich fremd
– Kein Rechtsschutz bei Handeln gegen die
Rechtsordnung
• nemo turpitudinem suam allegans auditur
• „clean hands“
• BGH: „wer außerhalb der Rechts- und Sittenordnung Geschäfte
macht, [tut] dies gemäß § 817 S. 2 BGB auf eigenes Risiko“
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