Zivilrecht IVa (Bereicherungsrecht) Leistungskondiktion (3) Wiederholung • Wie ist die condictio ob rem von der condictio indebiti abzugrenzen und welcher Zusammenhang besteht dabei mit dem objektiven bzw. subjektiven Aspekt der Rechtsgrundlosigkeit? pfeifer - zr IVa – sose 15 Grundtatbestand § 812 I • • • • Etwas erlangt Durch Leistung Ohne rechtlichen Grund Kein Ausschluss der Leistungskondiktion (Kondiktionssperren) Hintergrund: Verminderte Schutzwürdigkeit des Bereicherungsgläubigers pfeifer - zr IVa – sose 15 Ausschluss gemäß § 813 Abs. 2 BGB • Betagte Forderung: bereits entstanden, aber noch nicht fällig • Klarstellungsfunktion: Fälligkeits- bzw. Stundungseinrede keine dauernde Einrede pfeifer - zr IVa – sose 15 Ausschluss gemäß § 814 BGB • § 814 1. Alt. BGB: Kenntnis der Nichtschuld – Hintergrund: Verbot widersprüchlichen Handelns (venire contra factum proprium) – Leistungszeitpunkt als maßgeblicher Zeitpunkt – Nur auf condictio indebiti anwendbar: • Wegfall des Rechtsgrunds: Keine Kenntnis • Zweckverfehlung: Keine Verbindlichkeit pfeifer - zr IVa – sose 15 Beispielsfall 32: Der Vermieter S stellt im Keller seines Mehrfamilienhauses eine Waschmaschine auf und verlangt für deren Benutzung von seinen Mietern ein besonderes Entgelt. Mieter A hält diese Forderung für berechtigt und zahlt. Mieter B findet zwar, das Verlangen des S sei unbegründet, zahlt aber gleichwohl ebenfalls, um sich Ärger mit S zu sparen. Mieter C verweigert die Zahlung; als S daraufhin Klage gegen C erhebt, wird diese mit der Begründung abgewiesen, die Benutzung der Waschmaschine sei bereits mit dem Mietzins abgegolten. Jetzt verlangen A und B ihre bereits geleisteten Zahlungen zurück. Zu Recht? pfeifer - zr IVa – sose 15 Beispielsfall 32: A. Anspruch A gegen S, § 812 I 1 1. Alt. – Leistung des Entgelts solvendi causa – Rechtsgrund aber tatsächlich (-) – Kein Ausschluss gemäß § 814 1. Alt.: Verpflichtung von A angenommen pfeifer - zr IVa – sose 15 Beispielsfall 32: B. Anspruch B gegen S, § 812 I 1 1. Alt. – Leistung des Entgelts (datio): • solvendi causa Anspruch wegen Kenntnis der Nichtschuld ausgeschlossen nach § 814 1. Alt. • ob rem – Zweckverfolgung, hier: Streitvermeidung – Aber: mangels Offenlegung durch B keine entsprechende Zweckvereinbarung – Außerdem: Zweck erreicht – Anspruch (-) Praxis: Zahlung unter Vorbehalt pfeifer - zr IVa – sose 15 Ausschluss gemäß § 814 BGB • § 814 2. Alt. BGB: Leistung wegen sittlicher Pflicht oder auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht – Zur Wertung vgl. auch § 534 – Anwendungsbeispiel: Angehörigenunterhalt pfeifer - zr IVa – sose 15 Beispielsfall 33: Der früh verwaiste G ist nach dem Tod seiner Eltern im Haus seines Onkels S aufgewachsen. Seit G seine Berufsausbildung abgeschlossen hat und gut verdient, schickt er dem in finanzielle Not geratenen S monatlich Geld, weil er glaubt, seinem Onkel gegenüber unterhaltspflichtig zu sein. Dann geraten Onkel und Neffe jedoch miteinander in Streit und G verlangt die gezahlten Geldbeträge zurück. Mit Erfolg? pfeifer - zr IVa – sose 15 Beispielsfall 33: • AGL: § 812 I 1 1. Alt. – Ohne Rechtsgrund • Hier Unterhaltspflicht? • Aber: Nach § 1601 nur zwischen Verwandten in gerader Linie (vgl. § 1589 S. 1) – Ausschluss nach § 814 1. Alt. • Pflicht von G gerade angenommen • Also keine Kenntnis der Nichtschuld – Ausschluss nach § 814 2. Alt. • Sittliche Pflicht infolge der zuvor von S geleisteten Hilfe • Ausschluss (+) Praktische Relevanz heute fraglich wegen Erwartungshaltung gegenüber Sozialstaat (Medicus) pfeifer - zr IVa – sose 15 Ausschluss gemäß § 815 BGB • Ausschluss der condictio ob rem • § 815 1. Alt. BGB: Kenntnis von der Unmöglichkeit des Erfolgseintritts (vgl. § 814 1. Alt. BGB) • § 815 2. Alt. BGB: Treuwidrige Erfolgsvereitelung durch den Leistenden pfeifer - zr IVa – sose 15 Beispielsfall 34: Die beiden überaus erfolgreichen Popstars A und B verloben sich. Aus diesem Anlass machen sie sich gegenseitig großzügige Geschenke: A erhält von B einen Sportwagen, diese wiederum von A eine Segelyacht. Allerdings stellt sich später heraus, dass B die Verlobung mit dem noch etwas berühmteren A lediglich aus Gründen der Öffentlichkeitswirksamkeit eingegangen ist. Sie wendet sich kurz darauf einem Hotelmagnaten zu und heiratet diesen. Der enttäuschte A verlangt jetzt die Segelyacht zurück, denkt aber gar nicht daran, den Sportwagen herauszugeben. Rechtslage? pfeifer - zr IVa – sose 15 Beispielsfall 34: • AGL: § 1301 S. 1 – lex specialis für Verlöbnisse (= condictio ob rem) – Tatbestand (+) • Ausschluss nach § 815 2. Alt. (Verweisung!) – Kein Ausschluss bei A – Verhalten der B treuwidrig wegen Motiv der Geltungssucht • Beachte: In Lit. str., ob Verweis in § 1301 bloßer Rechtsfolgen- (dann direkt §§ 818 ff. ohne § 815) oder Rechtsgrundverweisung (h.M./Rspr.) pfeifer - zr IVa – sose 15 Ausschluss gemäß § 817 S. 2 BGB • § 817 S. 2 1. HS • Systematik und Wortlaut – Systematischer Bezug nur auf § 817 S. 1 (einseitiger Verstoß des Leistungsempfängers) – Anwendung nur auf beiderseitigen Gesetzesoder Sittenverstoß sowohl des Empfängers wie auch des Leistenden pfeifer - zr IVa – sose 15 Ausschluss gemäß § 817 S. 2 BGB • Erweiterung I: – Anwendung auf die condictio indebiti – Argument: Sperre des § 817 S. 2 BGB sonst praktisch gegenstandslos • Erweiterung II: – Anwendung auch auf den einseitigen Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistenden – Argument: sonst Wertungswiderspruch pfeifer - zr IVa – sose 15 Ausschluss gemäß § 817 S. 2 BGB • § 817 S. 2 2. HS BGB – Wirksamkeit eines abstrakten Schuldversprechens (§ 780) oder ähnlicher Verbindlichkeiten (z.B. Scheck); diese aber ihrerseits kondizierbar – Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung des Schuldners (§ 821) – Ausschluss der Rückforderung nur, wenn auf die Verbindlichkeit bereits geleistet wurde pfeifer - zr IVa – sose 15 Ausschluss gemäß § 817 S. 2 BGB • Wirkung bei beiderseitigem Gesetzes- oder Sittenverstoß – Ergänzung der §§ 134, 138 BGB insoweit, als bereits erbrachte Leistungen nicht zurückgefordert werden können – Problem: Perpetuierung des gesetzes- oder sittenwidrigen Zustands? pfeifer - zr IVa – sose 15 Ausschluss gemäß § 817 S. 2 BGB • Wirkung bei einseitigem Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistenden – Bereits erbrachte Leistung verbleibt beim Opfer (z.B. Wucherdarlehen) – aber: Beschränkung des Ausschlusses der Rückforderung auf den konkreten Leistungsinhalt (z.B. Wucherdarlehen: Überlassung des Kapitals auf Zeit) pfeifer - zr IVa – sose 15 Beispielsfall 35: S steckt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und nimmt daher bei G ein Darlehen zu einem Monatszins von 5% auf. Nach einem Vierteljahr verweigert S die weitere Zinszahlung und verlangt den schon gezahlten Zins zurück; ferner kündigt er an, er werde auch das Darlehen nicht zurückzahlen. G verlangt hingegen zumindest die sofortige Rückzahlung der Darlehenssumme. Wer hat Recht? pfeifer - zr IVa – sose 15 Beispielsfall 35: A. S gegen G auf geleistete Zinsen I. AGL: § 812 I 1 1. Alt. – Leistung ohne Rechtsgrund Hier: Darlehensvertrag nichtig nach § 138: • Wucher, § 138 II: Zinssatz von 60% p.a. als Indiz für Ausbeutung einer Zwangslage • Sittenwidrigkeit, § 138 I: Wucherähnliche Geschäfte bei hohen Zinssätzen auch ohne Ausbeutung sittenwidrig (Rspr.: 100% relativ bzw. 12% absolut gegenüber marktüblichem Effektivzins) – Möglicherweise aber Ausschluss nach § 814 1. Alt. pfeifer - zr IVa – sose 15 Beispielsfall 35: II. AGL: § 817 S. 1 – Annahme der Leistung = Verstoß gegen die guten Sitten: s.o. – Kein Ausschluss nach § 817 S. 2 – Anspruch auf geleistete Zinsen (+) pfeifer - zr IVa – sose 15 Beispielsfall 35: B. G gegen S auf Rückzahlung des Kapitals AGL: § 812 I 1 1. Alt. – Leistung ohne Rechtsgrund (s.o. bei A., § 138 ) – Ausschluss nach § 817 S. 2 • Anwendbarkeit auf condictio indebiti • Anwendbarkeit auf einseitigen Verstoß des Leistenden • Aber: Beschränkung auf konkreten Leistungsinhalt – Beim Darlehen: Überlassung von Kapital auf Zeit, nicht endgültig – Folge: Rückforderung nach Ablauf der Darlehensfrist (+) pfeifer - zr IVa – sose 15 Beispielsfall 35: C. G gegen S auf Zinsen AGL: §§ 812 I 1 1. Alt., 818 I, II (Nutzung) • Str.: – Wucherzins: nach h.M. (-), § 817 S. 2 – Gar kein Zins: nach h.M. (+) • Problem: unverdienter Gewinn des S? • Strafzweck bei § 817 S. 2? – Marktüblicher Zins (z.B. Medicus) Problem: Geringes Risiko des Wucherers – Gesetzlicher Zinssatz – Richterliche Festsetzung Unter Umständen Ausschluss nach § 818 III, wenn Nutzungsmöglichkeit von S gar nicht realisiert pfeifer - zr IVa – sose 15 Ausschluss gemäß § 817 S. 2 BGB • Normzweck – Bestrafung gesetzes- und sittenwidrigen Handelns? • „Belohnung“ des gleichfalls gesetzes- oder sittenwidrig Handelnden • Strafcharakter dem Zivilrecht an sich fremd – Kein Rechtsschutz bei Handeln gegen die Rechtsordnung • nemo turpitudinem suam allegans auditur • „clean hands“ • BGH: „wer außerhalb der Rechts- und Sittenordnung Geschäfte macht, [tut] dies gemäß § 817 S. 2 BGB auf eigenes Risiko“ pfeifer - zr IVa – sose 15
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