Seminar MSc. Biotechnologie – Universität des Saarlandes Esther

Seminar MSc. Biotechnologie – Universität des Saarlandes
Esther Huber – 13.01.2016
Die Kaffeepflanze (Coffea) gehört der gleichnamigen Pflanzengattung aus der Familie der
Rötegewächse (Rubiaceae) an. Derzeit sind 124 Arten dieser Gattung bekannt. Davon kommerziell
bedeutende, als Plantagenpflanzen bevorzugte Arten sind der Arabica-Kaffee (Coffea arabica) sowie
der Robusta-Kaffee (Coffea canephora bzw. Coffea robusta). Coffea-Pflanzen sind kleine, immergrüne
Sträucher oder Bäume. Die Früchte der Pflanzen, die so genannten Kaffeekirschen bzw.
Kaffeebeeren, enthalten Kaffeebohnen, die Samen, welche geröstet weltweit zu diversen
Kaffeespezialitäten verarbeitet werden. Coffea enthält das toxische Alkaloid Coffein, welches als
natürliches Schädlingsbekämpfungsmittel negative Effekte auf Insekten, Spinnen und Schnecken
ausübt (vgl. Abb.1). Neben seinem bitteren Geschmack, lähmt und berauscht es den Konsumenten
durch Hemmung der Phosphodiesterase und der daraus folgenden Erhöhung des intrazellulären
Levels von cAMP. Weiterhin hat es negative Auswirkungen auf die
DNA-Reparatur und Rekombinations-Wege des Verzehrenden und
verzögert dessen Zellzyklus. Im Gehalt an Coffein unterscheiden sich
die Caffea-Arten. Während der Coffeingehalt der Samen von Coffea
arabica circa 1% des Samen-Trockengewichtes beträgt, enthalten die
Samen von Coffea canephora zwischen 1,7-2,4% des SamenTrockengewichtes.1
Abb.1: Strukturformel des Coffeins.
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Der Kaffeekirschenkäfer - Hypothenemus hampei – ist der am weitesten verbreitete Schädling der
Kaffeepflanzen Coffea arabica und Coffea canephora. Er weist die typische Körpergestalt eines
Borkenkäfers auf und wächst bis auf eine Körperlänge von circa 2 mm heran. H. hampei befällt
unreife Kaffee-Kirschen und verursacht bei ausreichendem Nahrungsangebot keine Schäden an
Blättern, Zweigen oder Stämmen der Kaffeepflanzen. Er frisst Gänge in das Endosperm der CoffeaSamen, in welche das Weibchen pro Gelege zwischen 31 - 119 Eier ablegt. Bei etwa 27°C werden die
Larvenstadien in circa 15 Tagen und das Puppenstadium in 7 Tagen durchlaufen. Der gesamte
Lebenszyklus des Käfers findet auf bzw. in den grünen Kaffeebohnen statt und dauert lediglich
28 - 34 Tage, sodass innerhalb einer Ernteperiode mehrere Generationen des Schädlings heranreifen
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können.
H.
hampei
stellt
außerdem einer der wenigen
Fälle
dar,
bei
horizontaler
dem
ein
Gentransfer
zwischen Bakterium und Tier
nachgewiesen wurde. Acuña et
al. zeigten 2012, dass der Käfer
Abb.2: Der Kaffeekirschenkäfer - Hypothenemus hampei. Früchte der Keffeepflanze –
Coffea. Befall und Fraßschäden an den Kaffeekirschen sowie den Samen dieser, den
Kaffeebohnen. http://www.princessradhafarm.com/images/cbbpic.jpg
das Gen HhMAN1, welches das
Verdauungsenzym
Mannanase
codiert, durch horizontalen Gentransfer von einem Bakterium erworben hat. Das Enzym befähigt den
Käfer dazu, Galactomannane, die primären Kohlenhydratreserven der Kaffeebohne, aufzuschließen
und zu verdauen. Nahe verwandten Arten von H. hampei fehlt dieses Verdauungsenzym und auch
bei anderen Insektenarten sind Mannanasen üblicherweise unbekannt.1,2,3
Aufgrund der durch den Schädling verursachten, enormen wirtschaftlichen Schäden – allein in
Brasilien jährlich zwischen 285 - 315 Millionen Dollar – versuchte ein Team von Wissenschaftlern um
Brodie den Stoffwechsel und die Ökologie des Käfers näher zu verstehen. Die toxische Wirkung des
Coffeins und der dennoch vorhandenen Kompetenz H. hampeis seinen gesamten Lebenszyklus auf
der Kaffeepflanze zu verbringen, warf Fragen auf. Die Forscher fanden keinerlei Korrelation zwischen
den Coffein-Konzentrationen der Bohnen von 12 Coffea-Spezies und der Beständigkeit H. hampeis
dagegen. Nach Gokulakrishnan et al. kann bei Insekten sowie auch bei anderen Tieren der CoffeinAbbau durch Cytochrom-P450-Enzyme katalysiert werden, welche der Enzymklasse der Oxidoreduktasen, genauer den Monooxygenasen, angehören. In Pseudomonas Bakterien hingegen, welche in
vitro mit Coffein als alleinige Nahrungsquelle überleben können, wird Coffein durch Demethylasen
(Monooxygenasen) zunächst parallel in Theobromin und Paraxanthin umgewandelt. Die weitere
Demethylierung führt über 7-methyl-Xanthin als Zwischenprodukt zur Bildung von Xanthin. Dies wird
wiederum zur jeweiligen Harnsäure umgesetzt, welche dann in den Purin Abbaustoffwechselweg
eingeht.4 Da es keine bekannten Metazoen gibt, die problemlos dieselben Coffein-Konzentrationen
überleben wie H. hampei vermuteten die Wissen-schaftler schließlich, dass nicht der Schädling selbst
einen Mechanismus besitzt Coffein abzubauen oder effizient auszuscheiden, sondern dass ein
Zusammenhang des Coffein-Abbaus mit der Aktivität der Darmflora des Insekts besteht.
Koffein-abbauende Bakterien im Darm von H. hampei
Um den Coffein-Abbau im Insektendarm von H. hampei zu erforschen, wurden Kolonien aus sieben
Kaffeeanbaugebieten weltweit, eine Laborkolonie und drei Borkenkäferarten, welche nicht in der
Lage sind auf Coffea zu leben, untersucht. Eine biogeografische Analyse lieferte zunächst eine Liste
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von Mikroorganismen, welche in allen H. hampei Kolonien vertreten sind. Die anschließende
Bestimmung der für den Coffein-Abbau relevanten Bakterien wurde mittels eines Screenings nach
dem für die α-Untereinheit der Coffein-Demethylase (Methylxanthine N1-Demethylase) codierenden
ndmA-Gens erreicht. Es zeigte sich, dass lediglich Pseudomonas fulva das gesuchte Gen aufweist.
Coffein-Abbau im Insektendarm von Hypothenemus hampei
Den ausgewählten H. hampei Kolonien wurden im nächsten Schritt eine Minimaldiät, bestehend aus
grünen C. arabica Kaffeebohnen mit einer Coffein-Konzentration von 1.8 - 2.2 mg/g, gefüttert
(Kontrolle). Eine Vergleichsstudie mit Tieren derselben Kolonien wurde mit der Minimaldiät und
zusätzlich drei Breitband-Antibiotika (Tetracyclin, Rifampicin, Streptomycin) gefahren. Mithilfe von in
der Nahrung enthaltenen fluoreszierenden Tracern und FTIR-Spektroskopie, bzw. GC-MS, wurde die
Menge der aufgenommenen Nahrung, die Verweilzeit im Verdauungstrakt der Insekten und die
Menge des mit dem Kot ausgeschiedenen Coffeins bestimmt. Abbildung 3 zeigt das experimentelle
Design und die Analyse der Coffein-Konzentrationen in den Ausscheidungen der Kontroll-Proben und
den Antibiotika behandelten Proben von H. hampei Kolonien.
Es zeigte sich, dass bei den zur Entfernung des Mikrobioms mit Antibiotika behandelten Kolonien des
Insekts die Umwandlung von Coffein entfällt und das aufgenommene Coffein nahezu komplett
ausgeschieden wird, während die unbehandelten Kontrollkolonien das Coffein vollständig abbauen
(vgl. Abb. 3a). Abbildung 3b stellt die gemittelten FTIR-Profile für reines Koffein (schwarz), für die
Ausscheidungen der nicht-Antibiotika-behandelten Insekten (rot) und für die Ausscheidungen der mit
Antibiotika-behandelten Tiere (grün) dar. In Abbildung 3c wird dargestellt, dass die vier Wochen lang
mit Antibiotika behandelten H. hampei Kolonien nach einer Beimpfung mit Pseudomonas fulva ihre
Fähigkeit Coffein vollständig abzubauen wiedererlangten.
Abb. 3: Die Rolle von Bakterien bei der Transformation von Coffein in Hypothenemus hampei. Ceja-Navarro et al., Nature Communications, 2015.
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Sauerstoffprofil im Darm des Kaffekirschenkäfers
Da die Coffein-Demethylase, codiert durch das ndmA-Gen, eine Monooxygenase ist, welche zur
Funktion Sauerstoff benötigt, wurde die Sauerstoffverfügbarkeit im Darm von H. hampei mithilfe von
Mikroelektroden bestimmt. Es zeigte sich, dass im Verdauungstrakt des Insektes ein radialer
Sauerstoff Gradient von mikroaerophilen bis hin zu anaeroben Bedingungen herrscht. Er stellt
folglich ein Ort für aerobe Prozesse, wie die Transformation von Coffein durch die CoffeinDemethylase, sowie auch für anaerobe Prozesse, wie die Fermentation der Zucker der Kaffeebohne
dar.
Fazit
Hypothenemus hampei ist das einzige Insekt, das auf das Fressen und Überdauern seines gesamten
Lebenszyklus auf der Kaffeekirsche und innerhalb der Kaffeebohne spezialisiert ist. Da er diese
Fähigkeit lediglich aufgrund seiner Darmflora aufweist, stellt er einen Modellorganismus für die
Adaption von Tieren an unübliche Lebensräume mithilfe von Mikroorganismen dar.
Die Behandlung mit Antibiotika schränkt die Fitness des Schädlings und seine Kompetenz das
toxische Coffein abzubauen ein. So legen Antibiotika behandelte Tiere circa 95% weniger Eier in
Bezug auf die unbehandelte Kontrollgruppe. Es zeigt sich weiterhin eine prozentual ebenso große
Abnahme an der Zahl der lebenden Larven und es erfolgt unter Antibiotika-Einfluss keinerlei
Verpuppung oder Entwicklung zu adulten Tieren. Ein Wiederanimpfen der Coffein-abbauenden
Darmflora bestehend aus Pseudomonas fulva ist möglich und funktionell – eine Erholung der
Fortpflanzungsfähigkeit kann jedoch nicht auf diese triviale Weise erfolgen. Der komplexe Prozess
der Reproduktion erfordert vermutlich einen korrekten Ernährungszustand des Insekts, welcher
vermutlich teilweise auf der metabolischen Aktivität seiner zugehörigen Mikroben beruht und so
eventuell das Vorhandensein anderer bakterieller Endosymbionten erfordert.
Die Bestimmung der minimalen Zusammensetzung an Mikroorganismen welche notwendig sind um,
neben der Fähigkeit Coffein abzubauen, die reproduktive Fitness wiederherzustellen sowie die
Untersuchung der Wirkung von Kaffeearten mit variierenden Coffein-Konzentrationen auf die
mikrobielle Gemeinschaften im Verdauungstrakt von H. hampei sind wichtige Ziele für die weitere
Forschung.
Wichtig ist ein umfangreiches Verständnis des Stoffwechsels und der Ökologie des Kaffeekirschenkäfers, um neue Wege für die biologische Bekämpfung des Schädlings zu finden und so den
jährlichen wirtschaftlichen Schaden einzudämmen.
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Literatur
1
Javier A. Ceja-Navarro, Fernando E. Vega, Ulas Karaoz, Zhao Hao, Stefan Jenkins, Hsiao Chien Lim, Petr Kosina,
Francisco Infante, Trent R. Northen & Eoin L. Brodie (2015): Gut microbiota mediate caffeine detoxification in
the primary insect pest of coffee. NATURE COMMUNICATIONS, 6:7618
2
Ricardo Acuña, Beatriz E. Padilla, Claudia P. Flórez-Ramos, José D. Rubio, Juan C. Herrera, Pablo Benavides,
Sang-Jik Lee, Trevor H. Yeats, Ashley N. Egan, Jeffrey J. Doyle, Jocelyn K. C. Rose (2012): Adaptive horizontal
transfer of a bacterial gene to an invasive insect pest of coffee. Proceedings of the National Academy of
Sciences USA vol. 109 no. 11: 4197–4202.
3
Pflanzenforschung (Bundesministerium für Bildung und Forschung): Bakteriengen macht Insekten zu
Schädlingen; http://www.pflanzenforschung.de/index.php?cID=5537
4
Gokulakrishnan, S., Chandraraj, K. & Gummadi, S. (2005): Microbial and enzymatic methods for the removal of
caffeine. Enzyme Microb. Technol. 37, 225–232.
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