Serie „Entdeckungen im Land der Dankbarkeit“ Teil 2 Echt oder nur recht? (Lukas 17, 11-19) 17. April 16, Chile Grüze, Christoph Candrian In der Sonntagszeitung habe ich vor zwei Wochen ein Interview mit Ernst Tanner, dem Chef von Lindt und Erfinder der Goldhasen, gelesen: „Mein Morgen beginnt mit einem Gebet des Dankes. Kein Tag vergeht, an dem ich nicht in der Bibel lese. Ich vertraue dem Wort, es gibt mir Führung und Halt.“ Über Dankbarkeit sagt dieses „Wort“ ja tatsächlich einiges. Zum Beispiel in 1. Thessalonicher 5,18: „Dankt Gott in jeder Lage!“ In den guten Lagen ist das ja nicht so schwierig. Aber ist es in guten Lagen einfacher? Erinnerst du dich an einen Kindergeburtstag? Da bekommst du von deinem Gotti so ein schönes Päckli. Und bevor du es richtig ausgepackt hast, hörst du einen mehrstimmigen Chor: „Säg aber schön tanke, gäll!“ Dein Blick ist aufs Päckli fixiert und du brummelst leise „tankä villmal“… Heute morgen gehen wir der Frage nach: Echt oder nur Recht? Ich glaube, dass eine dankbare Lebenseinstellung was Gutes ist, würde niemand anzweifeln oder? (Bild Waage zeichnen) Wissenschaftliche Studien belegen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Dankbarkeit und Glück, und körperliche und Seelische Gesundheit auf der anderen Seite besteht. Menschen die echt dankbar sind, leben besser. Ich vergleiche heute diese echte Dankbarkeit mit einer Seifenblase (Seifenblase dabei), die ich aufsteigen lasse. Das ist etwas Zerbrechliches. Es kommt von meinem Innersten. Es spiegelt die Farben des Lebens und ist wunderschön! Sie verbreitet Freude. Bei einer Seifenblase kann ich nichts erzwingen, Druck bringt sie zum Platzen. Jesus hat eine eindrückliche Story erlebt zum Thema „Echt oder nur Recht“ (Lukas 17, 11-19): Auf seinem Weg nach Jerusalem zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Kurz vor einem Dorf kamen ihm zehn Aussätzige entgegen; sie blieben in einigem Abstand stehen und riefen laut: »Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!« Jesus sah sie an und sagte zu ihnen: »Geht und zeigt euch den Priestern!« Auf dem Weg dorthin wurden sie gesund. Einer von ihnen kam zurück, als er sah, dass er geheilt war. Er pries Gott mit lauter Stimme, warf sich vor Jesu Füssen nieder und dankte ihm. Dieser Mann war ein Samaritan- er. Jesus aber sagte: »Sind denn nicht alle zehn gesund geworden? Wo sind die anderen neun? Ist es keinem ausser diesem Fremden in den Sinn gekommen, zurückzukehren und Gott die Ehre zu geben?« Dann sagte er zu dem Mann: »Steh auf, du kannst gehen! Dein Glaube hat dich gerettet.« Nur kurz zur Erklärung: Jesus war also im Grenzgebiet unterwegs. Ca. 80 km von der Hauptstadt entfernt. Sie begegnen einer Gruppe von Lepra-Kranken. Das ist eine schlimme Krankheit die damals sehr verbreitet war. Alle Extremitäten sterben langsam ab. Man hatte solche Angst sich anzustecken, dass das Gesetz, die Thora, vorschrieb, dass man Abstand halten soll. So lebten die Leprakranken getrennt von ihren Familien, in Höhlen, ausserhalb der Gesellschaft. Heute weiss man, dass es für die Ansteckung einen langfristigen, sehr engen Kontakt mit dem kranken Menschen braucht. Hoffnungslose Fälle also. Diese angsteinflössende Gruppe von Kranken steht jetzt also in sicherem Abstand vor Jesus uns seinen Leuten. Anstatt „Unrein, unrein!“ zu rufen, schreien sie „Jesus, Meister, hab erbarmen mit uns!“ Er heilt sie, aber nicht sofort. Er weist sie an, sich den Priestern zu zeigen. Das Gesetz verlangt es so. Der Priester muss das o.k. geben, dass jemand wieder gesund ist und unter die Leute darf. Auf diesem 80km Marsch werden sie gesund und zeigen sich dem Priester. Einer kehrt zurück zum Danken. Ganz klar, denken wir jetzt vielleicht: Einer hats richtig gemacht. Die anderen neun haben Jesus enttäuscht. Wir müssen uns jetzt auch mühe geben, dankbarer zu sein, sonst hat Jesus keine Freude. Weisst du, wo wir mit dieser moralischen Auslegung der Story landen? Genau beim Päckli auspacken und dem Chor der Stimmen: „Häsch scho tanke gseit!?“ Gehts Jesus tatsächlich hier um ein gebrummeltes „Tanke villmal“? Ich glaube nicht. Jesus gehts um was anderes. Mir fällt die Zahl auf. Zehn werden geheilt und einer kommt zurück. Das ist wie in der Jesus-Geschichte mit dem Hirten der ein verlorenes Schaf sucht, die 99 im Stall lässt und ganz aus dem Häuschen ist, als er das eine findet! Und die Frau, die die zehnte Münze ihres Brautschmucks verloren hat und sie wieder findet. 1:10 ist für Jesus keine Niederlage! Der eine, der umkehrt um dem Himmel für seine Heilung zu danken ist ein Grund zur riesigen Freude! Dieser eine ist ja zusätzlich zu seinem früheren Aussatz auch noch ein Ausländer. Also ein doppelt ausgegrenzter. Einer der nur Jesus begegnet ist, aber das jüdische das Gesetz nicht kennt. Jesus fragt ihn: „Wo sind die anderen neun?“ Damit, dass sie in den Tempel gegangen haben und sich dem Priester zeigten damit er ihre Gesundheit bestätigten, haben sie das gemacht, was Jesus von ihnen verlangt hat. Sie haben ihm sogar vertraut. Im Tempel haben sie ihre Dankespflicht erfüllt und Gott Opfer dargebracht. Natürlich sind sie dankbar, aber es kommt ihnen nicht im entferntesten in den Sinn, dass sie diese 80km nochmals zu Fuss zurücklegen sollen, um dem Rabbi Jesus zu danken! Und Jesus verdammt sie nicht. Er fragt nur: Wo sind sie? Hier ein kurzer Gedanke zu uns: Es ist also möglich, dass ich religiös alles richtig mache, ohne Jesus zu begegnen und das Wunder der echten Dankbarkeit zu erleben.Ich möchte der echten Dankbarkeit noch etwas tiefer auf den Grund gehen. Diese Geschichte ist eine Episode im grossen Bogen den Lukas über seine Jesus-Biografie spannt. Sein Drama beginnt mit einem Paukenschlag: Die Geburt des Messias, des Erlösers. Es ist wie wenn der Vorhang aufgeht und wir etwas vom Himmel sehen. Engel singen auf der Erde, ein neues Zeitalter des Friedens bricht an! Eine Zeit voll Wunder und Gnade. Beim ersten öffentlichen Auftritt erklärt startet Jesus seine Revolution der Liebe Gottes: „Arme verkündigen die frohe Botschaft, Blinde werden sehend, Lahme gehen und Aussätzige werden geheilt!“ Eine bessere Botschaft gibt es nicht. Eigentlich müssten alle mit Fan-Zügen durch die Gassen ziehen. Aber es wächst Widerstand. Er wendet sich damit gegen ihr Religiöses System und wackelt an ihrem Thron. Es wächst Widerstand, Jesus spricht übers Gericht, wird verhaftet und hingerichtet. Soweit die Dankbarkeit der Welt. Nun könnte man denken, dass ein zweiter Paukenschlag von Gott kommt: Ein Meteoriteneinschlag vielleicht, der die ganze Welt vernichtet? Aber wir wissen, dass die Geschichte nicht zu Ende ist. An Ostern besiegt Jesus den Tod. So dankt Gott der Welt. Paradox. Unverdiente Liebe.Jesus steht in dem Moment als dieser eine Geheilte Ausländer vor ihm kniet um ihm zu danken, unter diesem grossen Bogen der Geschichte von Gott mit dieser Welt. Jesus schmollt nicht und ist nicht wütend. Er ist traurig, weil die neun etwas Wesentliches verpasst haben. Er leidet, weil sie ihm keine Ehre geben. Und er erleidet es, ohne die anderen neun zu richten. Es geht hier nicht um Pflichterfüllung, sondern um Liebe. Darum ist die Geschichte nicht zu Ende, damals nicht, heute nicht. Gott verpflichtet uns nicht, ihn zu lieben. Er zwingt uns nicht „Tanke vielmal“ für die Gnade und unser geschenktes Leben zu sagen. Was hätte er davon? Dass wir mit unserem Dank bezahlen für die Gnade hätte nichts mit dem Evangelium zu tun. Gott hat sich versöhnt mit uns, mit der Welt die er erschaffen hat. Er kennt den Undank und den Schmerz, wenn seine Liebe zurückgewiesen wird. Und doch ist er nicht verbittert. Um was geht es ihm also? Meine Eltern lehrten mich: „Wenn du jemandem danke sagst, dann schau ihm in die Augen“. Und darum geht es auch bei Gott: Ich schaue im ihn die Augen und sage ihm Danke. Erst wenn ich in seiner Nähe bin, sehe ich seine Liebe zu mir und gleichzeitig seine Grösse. Ich bin davon total hingerissen. Es weckt in mir eine Leidenschaft. Eine Freude am L e b e n ! E i n e Ve r b i n d u n g m i t J e s u s d i e unglaubliche Tiefe hat. Der Theologe Massillon hat gesagt: „Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens.“ Ich danke ihm nicht, weil ich muss, sondern weil er das Zentrum meiner Geschichte ist. Wenn ich ihn immer wieder suche, dann erlebe ich Heilung. Ich kann echte Dankbarkeit Gott gegenüber nur ausdrücken, wenn ich ihm immer wieder in die Augen schaue und es zulasse, mich zu lieben. Das ist wie eine Seifenblase. Etwas Zerbrechliches, schwer zu beschreibendes. Aber es verbreitet einen Glanz in meinem Umfeld. Es kann passieren, dass ich in so einem Seifenblasen-Moment sogar bereit werde, seinen Schmerz zu teilen und das Leid auszuhalten.Ich wünsche dir solche SeifenblasenMomente mit Jesus in der nächsten Woche. Wo du einfach aus liebe zu ihm kommst und dich in seine Augen schaust. Vielleicht auf einem Spaziergang. Vielleicht bei einer Tasse Tee. Vielleicht beim Joggen oder wo auch immer. Es heisst ja „Dankt Gott in jeder Lage“ - also auch im Liegestuhl! Er ist nicht weit und ein SeifenblasenMoment kann an jeden Ort deines Alltags entstehen. Ich bin gespannt, was die Dankbarkeit mit uns macht.
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