Sicherung der Lebensgrundlagen für die Guarani-Kaiowá

Brasilien, Mato Grosso do Sul
Sicherung der Lebensgrundlagen
für die Guarani-Kaiowá
Situation
Die Guarani-Kaiowá leben in Mato Grosso do Sul auf engstem Raum, umzingelt
von riesigen Soja- und Zuckerrohrfeldern. Sie haben nicht genügend Land, um sich
zu ernähren und sind auf staatliche Hilfe in Form eines monatlichen Warenkorbs
angewiesen. Etwa 8000 Jugendliche bis zu 26 Jahren arbeiten unter sehr schlechten
Bedingungen als ZuckerrohrschneiderInnen oder in den Ethanolfabriken und die
Perspektivenlosigkeit führt bei den Jugendlichen zu einer besonders hohen Suizidrate. Dramatisch ist auch die Ernährungssituation der Kinder: Jährlich sterben 41
von 1000 Kindern an Unter- oder Fehlernährung.
Grossgrundbesitzenden und transnationale Konzerne bauen auf dem ­angestammten
Land der Guarani-Kaiowá in grossen Monokulturen Soja für den Export und Zuckerrohr für die Produktion von Agrotreibstoffen an. Obwohl bereits in der ­Verfassung
von 1988 das Land identifiziert und registriert wurde und auch der Artikel 169 der
ILO-Konvention die Legalisierung ihrer Territorien garantiert, wurde der Prozess der
Landdemarkation wegen der grossen Macht der Agrarlobby und der ­transnationalen
Konzerne noch immer nicht vollzogen.
Die Konfliktsituation hat sich in den letzten Jahren zugespitzt: Mehr als die ­Hälfte der
Gewaltkonflikte und Ermordungen im Rahmen von Landkonflikten mit ­indigenen
Bevölkerungsgruppen in Brasilien betrifft die Guarani-Kaiowá. Zwischen 1983 und
2011 wurden in Mato Grosso do Sul mehr als 200 indigene MenschenrechtsverteidigerInnen umgebracht.
BRASILIEN
HEKS-Schwerpunkt: Entwicklung
ländlicher Gemeinschaften
BRASILIEN
VENEZUELA
KOLUMBIEN
ECUADOR
BRASILIEN
PERU
BOLIVIEN
PARAGUAY
ARGENTINIEN
200’361’925
Bevölkerung (2013)
8’515’770
Fläche in km2
Factsheet Auslandprojekt Projekt Nr. 812.370
Letzte Änderung: 23.04.2015
Ziele
Oberstes Ziel dieses Pilotprojekts ist der Aufbau der Zusammenarbeit von HEKS mit
den Guarani-Kaiowá und das Erstellen von Grundinformationen zur Erarbeitung
eines langfristigen Projekts im Bereich der Entwicklung ländlicher Gemeinschaften.
Zielgruppe
Das Projekt begünstigt insgesamt rund 6000 Personen in 38 Gemeinden.
800 ­Personen nehmen als VertreterInnen ihrer Gemeinden an der Studie zur
­Ernährungssituation teil.
Die Zielgruppe für die Umsetzung von landwirtschaftlichen Entwicklungsaktivitäten
umfasst 87 indigene Familien, etwa 450 Personen, in der Gemeinde Panambizinho
im Distrikt Panambi. Die begünstigten Familien besitzen bereits Land und führen
erste Aktivitäten im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion durch.
Aktivitäten
HEKS unterstützt die Guarani-Kaiowá bei der Einforderung ihrer Rechte, insbesondere das Recht auf Nahrung, sowie in der Ernährungssicherung durch ökologische
Landwirtschaft. Weil HEKS in Brasilien noch nie mit den Guarani-Kaiowá zusammengearbeitet hat, ist dieses Projekt als Pilotprojekt konzipiert. In seiner einjährigen
Laufzeit sollen die Voraussetzungen für den Aufbau eines landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekts in den Arbeitsbereichen Ernährungssicherung und Entwicklung
von Wertschöpfungsketten geprüft werden. Ein wichtiges Arbeitsfeld des zukünftigen Projekts soll auch die Wiederbelebung von traditionellem Wissen über Produk­
tionspraktiken und Management der natürlichen Ressourcen des Cerrado sein.
1. Durchführen einer Studie zur Ernährungssituation
Als erstes soll eine Studie zur Ernährungssituation der Guarani-Kaiowá gemacht
werden. Dazu werden spezifische Informationen zur Situation von jeweils 200
­Personen erhoben. Für die Durchführung der Studie ist FIAN Brasilien zuständig.
Eine sehr erfahrene Projektkoordinatorin ist für die direkte Umsetzung in Panambi
und Dourados verantwortlich. Ein wichtiges Anliegen des Projekts ist zudem, nicht
nur eine Bestandsaufnahme des Status quo durchzuführen, sondern Methoden
und Instrumentarien zu entwickeln, die zukünftig eine systematische Beobachtung
und Dokumentation der Ernährungssituation ermöglichen.
2. Bestandesaufnahme zu landwirtschaftlichen Produktionspraktiken und
Regierungspolitik für Indigene
Als zweites wird eine grundlegende Studie über die landwirtschaftlichen Produktions­
praktiken der Guarani-Kaiowá und über die Regierungspolitik zur Förderung der
Indigenen in Brasilien erarbeitet. Hierzu werden Aspekte erhoben, die traditionelle
Produktionspraktiken umfassen, aber auch die rechtliche Dimension mit berücksichtigen. Die Identifikation bestehender, traditioneller Produktionspraktiken wird dabei
ein Schwerpunkt sein, denn bereits in der Sondierungsphase zum Projekt wurde
deutlich, dass die Wiederbelebung vergessener Praktiken in Bezug auf Ernährungssicherung und Ressourcenmanagement prioritäre Anliegen der Guarani-Kaiowá
sind. Geplant ist, zwei Erfahrungsaustausche in den Gemeinden durchzuführen.
Diese Erfahrungsaustausche sind wichtig, um insbesondere auch Informationen
zum Wissen älterer Guarani-Kaiowá zu sammeln und die kulturellen und spirituellen Wurzeln sowie deren Bedeutung zu reflektieren, etwa bezüglich der Nutzung
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Letzte Änderung: 23.04.2015
traditioneller Saatgutsorten oder der natürlichen Ressourcen des Cerrado. Auch die
Rechte der Guarani-Kaiowá werden bei diesen Gesprächen thematisiert.
Das Projekt wird diese Aktivitäten in Zusammenarbeit mit der nationalen Universität
von Mato Grosso do Sul «Universidade Catolica Dom Bosco» durchführen.
Partnerorganisation
Der Partner des Pilotprojekts ist FIAN Brasilien. HEKS arbeitet seit 2008 im ­Bereich des
Menschenrechts auf Nahrung und Zugang zu Land mit FIAN Brasilien ­zusammen.
Im Vordergrund stehen dabei die Territorialkonflikte der Quilombola-Gruppen im
Norden von Minas Gerais. Die Zusammenarbeit mit FIAN Brasilien im neuen Umfeld in Mato Grosso do Sul gibt HEKS die Möglichkeit, während der Projektlaufzeit
weitere wichtige Akteuere und Organisationen kennen zu lernen, insbesondere
die regionale Vertretung des «Conselho Indigenista Missionario» (CIMI), die mit
den Guarani-Kaiowá-Gemeinschaften in direktem Kontakt steht, aber auch die
Organisationen der Indigenen selber.
Land, Region, Stadt:
Brasilien, Mato Grosso do Sul
Projektsumme 2015:
CHF 60 000.–
HEKS-Nr.: 812.370
Programmverantwortung:
Marie-Thérèse Roggo,
Programmbeauftragte
für Brasilien
Projektfortschritt
Die vorliegende Pilotprojekt soll den Einstieg in ein längerfristiges Projekt im ­Bereich
Entwicklung ländlicher Gemeinschaften vorbereiten und zudem wichtige Informationen liefern für die Vorbereitung einer Klage am Inter­amerikanischen Men­
schen­rechtsgerichtshof, die die endgültiche demarkation der Guarani-­Territorien
­fordert. Es wird davon ausgegangen, dass nach der 12-monatigen Erhebungsund ­Sondierungsphase ein Arbeitsplan für einen dreijährigen Projektzyklus erstellt
­werden kann, bei dem die Entwicklung l­ändlicher Gemeinschaften im Vordergrund
steht.
Kontakt:
HEKS Kommunikation
Projektdienst
Seminarstrasse 28
8042 Zürich
Tel.: +41 44 360 88 95
E-Mail: [email protected]
Spenden: PC 80-1115-1
www.heks.ch
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